Kitabı oku: «Teufel Alkohol», sayfa 2
03 – was passiert, wenn wir Alkohol trinken?
„Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf – das Lesen“
Der Mensch als solcher ist ein hochgradig komplexes, vielschichtiges System.
Greift man in dieses ein, indem man dem Körper man die Droge Alkohol zuführt, bewirkt dies unweigerlich eine ganze Reihe von Reaktionen.
Wenn von Alkohol gesprochen wird, ist meist Ethanol (oder veraltet „Äthylalkohol“) gemeint. Es gibt auch andere Alkohole, wie Methanol oder Glykol, diese sind jedoch hochgiftig und nicht trinkbar.
Alkohol entsteht durch Gären von Fruchtzucker oder anderen zuckerhaltigen Rohstoffen, wie Kartoffeln, Getreide oder Mais (09).
Die Droge Alkohol, also die einfach strukturierte chemische Substand Ethanol mit der Summenformel C2H5OH ist eine farblose Flüssigkeit. Der Ethanolgehalt alkoholischer Getränke schwankt zwischen 2-3% (Leichtbiere) und 80% (manche Rumsorten). Als alkoholfrei gelten Getränke mit weniger als 0,5% Vol. Ethanol-Gehalt.
Alkohol wird von den Schleimhäuten schnell resorbiert. Die geringsten Mengen werden über die Mundschleimhaut aufgenommen, mehr im Magen, die Hauptmenge im Dünndarm. Geringe Mengen Alkohol können schon zehn Minuten nach dem Trinken resorbiert sein. Höher konzentrierte Alkoholika werden dabei schneller aufgenommen als solche mit geringem Ethanolgehalt. Dreißig bis sechzig Minuten nach dem Trinken ist der höchste Blutalkoholspiegel erreicht, sechzig bis neunzig Minuten nach dem letzten Schluck ist die Verteilung des Alkohols im Körper abgeschlossen.
Alkohol kann im Körper nicht gespeichert werden, er wird durch Oxidation abgebaut. Endprodukte des Alkohols sind Kohlendioxid (CO2) und Wasser. Die Hauptmenge wird in der Leber abgebaut, meist eine Anzahl von speziellen Isoenzymen (10).
Auch, wenn der Körper Alkohol nicht speichern kann – bereits das kurze Verweilen der Substanz im menschlichen Organismus kann gravierende Auswirkungen haben.
In Maßen genossen – ein Getränk pro Tag für Frauen und zwei für Männer – hat Alkohol dabei ein paar überraschende gesundheitliche Vorteile.
Viele Studien haben gezeigt, dass der moderate Alkoholgenuss sowohl Männer als auch Frauen zu 25-40% vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen kann. Das gilt natürlich nicht, wenn Sie bereits an einer Herzerkrankung leiden.
Laut Harvards School of Public Health erhöhen moderate Alkoholmengen den Anteil von high-density lipoprotein oder Lipoprotein hoher Dichte (HDL) – auch „gutes“ Cholesterin genannt – und hohe HDL-Werte stehen im Zusammenhang mit einem besseren Schutz vor Herzerkrankungen. Wer hätte das gedacht?
Gemäß einer niederländischen Studie kann ein moderater Alkoholgenuss das Risiko für Diabetes Typ 2 um 30% senken.
Abstinenzler und Komasäufer haben dagegen ein höheres Risiko als diejenigen, die in Maßen trinken.
Vielleicht sollten Sie auch mal in der Kneipe vorbeischauen, wenn eine Erkältung im Anzug ist.
Wenn Sie Bier oder Wein in Maßen trinken – diese alkoholischen Getränke enthalten viele Polyphenole – stärken Sie das Immunsystem und können so weniger anfällig für Infektionen sein. So Erkenntnisse des Department of Metabolism and Nutrition in Madrid für diese Erkenntnisse. Leider kann man mit Alkohol keine Erkältung kurieren, aber er kann sehr wohl die Symptome abschwächen (11).
Genug Gründe, um regelmäßig zu bechern, könnte man meinen. Nur: es gibt leider auch negative Begleiterscheinungen des Alkoholkonsums, und derer sind da mehr als genug.
Fangen wir oben – im Kopf - an. Und hier wird es bereits dramatisch: Alkohol zerstört Gehirnzellen.
Bei jedem Besäufnis sterben Millionen von Gehirnzellen unwiederbringlich ab. Bei starken Trinkern können Pathologen deutlich erkennen, wie stark das Gehirn geschrumpft ist.
Selbst der Genuss eines Bieres tötet bereits bis zu 100.000 Gehirnzellen, da der Alkohol die Zelltotprogrammierung manipuliert. Was dazu führt das der Prozess des Zelltods immens beschleunigt wird. Nach einem Vollrausch können sogar 10.000.000 Gehirnzellen absterben. Vor allem die Bereiche im Gehirn die sich um das soziale Verhalten und das Verantwortungsbewusstsein kümmern, sind stark vom Alkohol betroffen.
Alkohol verbreitet sich dank seiner Wasser- und Fettlöslichkeit schnell im Hirngewebe und führt zu einer akuten Veränderung der Hirndurchblutung. So beeinflusst der Alkohol biochemische Prozesse
im Gehirn in verschiedenen Bereichen (12).
Alkohol wirkt auf das Nervensystem ein, insbesondere
über die Neurotransmitter. Diese sind Botenstoffe, welche auf chemischem Wege die Reizübertragung zwischen den Nervenzellen vermitteln, die Nervenzellen somit erregen oder hemmen. Im weitesten Sinne gehören die Neurotransmitter zu den Hormonen (13).
Alkohol besitzt die Fähigkeit, die chemische Zusammensetzung von Neurotransmittern zu imitieren. Die Rezeptoren halten ihn für einen Neurotransmitter und schütten deshalb Dopamin aus, eine Substanz, die eine Vorstufe von Adrenalin und Noradrenalin ist.
Haarfeine Blutgefäße verteilen die Alkoholmoleküle über das gesamte Gewebe. Treffen Alkoholmoleküle auf einzelne Nervenzellen, setzen sie sich begierig auf deren Fetthülle. Der Alkohol entfaltet seine Fettlösekraft und verursacht eine biochemische Kettenreaktion. Die angegriffenen Zellen schütten das euphorisierende Hormon Dopamin aus. Benachbarte Zellen im Gehirn nehmen das Dopamin über spezielle Rezeptoren auf. Das ist der Startschuss für ein wahres Feuerwerk an Glücksgefühlen: Weitere Botenstoffe werden ausgeschüttet – für das zentrale Nervensystem ein rauschhafter Zustand (14).
Dopamin verstärkt Gefühle von Wohlbefinden, Glück, Freude und Zuversicht und signalisiert, dass wir unserem Körper etwas gutes tun. Auch Nikotin, ein leckeres Essen oder guter Sex lösen solch' eine Dopaminausschüttung aus.
Diese Ausschüttung führt im Gehirn vorübergehend zu einer Stressminderung, der Betroffene fühlt sich wohl, ist entspannt, manchmal sogar regelrecht glücklich.
Der Verzehr auch relativ kleiner Mengen alkoholischer Getränke zeigt schon nach recht kurzer Zeit Wirkungen, Schon ab einem Blutalkoholspiegel von etwa 0,5% wird die Stimmung euphorisch, Euphorie und Optimismus machen sich breit, Ängste lassen nach.
Habe ich die ersten zwei Flaschen Bier geleert, fühle ich mich einfach besser, ausgeglichener, optimistischer,...glücklicher.
Ich freue mich NOCH mehr auf bevorstehende Ereignisse wie einen Urlaub, meine Wohnung erscheint mir NOCH gemütlicher, das Spielen mit meinem 4beinigen Freund bereitet mir NOCH mehr Freude, die Beziehung zu meiner bezaubernden Ehefrau wirkt auf mich NOCH erfüllender.
Schon geringe Mengen Alkohol bewirken zudem, dass der Trinkende aktiver wird, es kommt zu verstärktem Rededrang und eventuell zu überschießenden motorischen Reaktionen, da der Trinkende zunehmend rücksichtslos wird und sich überschätzt.
Die Stimmung geht dann oft in Gereiztheit, Aggressivität und Enthemmtheit über, bisweilen auch in Depressivität.
Wer kennt nicht aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen Geschichten über wüste Kneipenschlägereien, wenn im Rahmen eines heftigen Zechgelages ein Wort das andere ergibt und, oft, weil man der Worte nicht mehr fähig ist, eine körperliche Auseinandersetzung die Folge ist.
Auch in den heimischen vier Wänden geht ein oft durch Belanglosigkeiten entstandener Streit vielfach mit dem Konsum von Alkohol einher.
Für Menschen mit depressiver Veranlagung verstärkt sich durch den Einfluss des Alkohols, subjektiv betrachtet, dass Problem, das man mit gerade eben diesem doch eigentlich hatte bekämpfen oder betäuben wollen.
Trinkt man relativ geringe Mengen Alkohol, hält der dadurch bewirkte Rauschzustand nur kurze Zeit an, der Abfall der Dopaminkonzentration führt zu einem Zustand der Verstimmung.
Dann werden nicht mehr Glücksgefühle vermittelt, sondern das Gegenteil und so wird von neuem Alkohol getrunken, so dass es wieder zu einer Dopaminausschüttung kommt (15).
Vom Rauschstadium spricht man ab einem Blutalkoholwert von etwa 1 bis 2‰. Funktionen wie die Reaktionsfähigkeit und das Gleichgewicht sind bereits stark beeinträchtigt, Emotionen und Verhalten verändern sich. Man wird zunehmend verwirrt und verliert die Orientierung. Es setzen Stimmungsschwankungen und Schläfrigkeit ein. Größere Mengen Alkohol führen zu Übelkeit und Erbrechen.
Wird zu viel getrunken, schlägt der positive Effekt, verbunden mit geringen Trinkmengen, ins Gegenteil um, aller Zauber ist verflogen, die Wirklichkeit nur noch ein Zerrspiegel. Und das passiert im Gehirn: Die Nervenzellen fahren ihre Andockstellen für das Dopamin ein und der „Glücksstoff“ prallt von den Zellwänden ab (16). Der Betroffene beschleicht zunehmend Müdigkeit, er kann seine Bewegungen nicht mehr kontrollieren und wird bisweilen unzurechnungsfähig.
Die biochemische Wirkung des Alkohols ist demnach biphasisch: zunächst bzw. in kleinen Dosen wirkt er eher aktivierend, später hemmend.
Die Wirkung des Alkohols ist dabei individuell unterschiedlich, was wahrscheinlich genetisch bedingt ist. Außerdem beeinflussen Stimmungslage, Erwartungshaltung und andere psychologische Bedingungen die Wirkung des Alkohols (17).
Im Betäubungsstadium mit etwa 2 bis 3‰ sind die Störungen der allgemeinen Funktionen sehr ausgeprägt. Ein Reaktionsvermögen zum Beispiel ist kaum noch vorhanden.
Ab einem Blutalkoholwert von 3‰ kann eine Alkoholvergiftung eintreten, eine erwachsene Person bewusstlos werden und ins Koma fallen. Die Körpertemperatur ist dann bereits deutlich gesunken, die Atmung schwach, und es kann zu Atemnot bis hin zu Atemlähmung kommen, was tödliche Folgen haben kann (18).
Alkohol beeinflusst den Organismus durch eine Veränderung des Stoffwechsels. Es kommt zu einer erhöhten Energiezufuhr, da der Alkohol eine nicht unerhebliche Anzahl an Kalorien aufweist. Langfristig ist deshalb oft eine Gewichtszunahme des Trinkenden die Folge.
In den kurzen Phasen meines Lebens, in denen ich regelmäßig von morgens bis abends Alkohol getrunken habe, musste ich feststellen, dass auch bei regelmäßiger sportlicher Betätigung und einer vorwiegend durchaus gesunden und ausgewogenen Ernährung nach einem gewissen Zeitraum des Trinkens das optische Erscheinungsbild den starken Alkoholkonsum durchaus erahnen lässt. Glasige Augen, ein fülliges Gesicht, deutlicher Ansatz eines Bierbauchs.
Eine Flasche Bier (0,5l) hat nun einmal ca. 250kcal, die sich auf Dauer nicht verleugnen lassen.
Auch die Aufnahme von Nährstoffen wird durch den Alkohol beeinflusst, er hat Einfluss auf den Eiweiß-, Fett-, Vitamin- und Mineralstoffwechsel sowie auf die Bildung von Stoffwechselprodukten wie zum Beispiel Acetaldehyd.
So wird die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen durch den Verzehr alkoholhaltiger Getränke negativ beeinflusst, was zu Mangelerscheinungen führen kann (19).
Zudem führt die regelmäßige und überhöhte Aufnahme von Alkohol zu Veränderungen von physiologischen Funktionen des Organismus: Die Durchblutung verändert sich, der Blutdruck steigt, der Blutzuckerspiegel erhöht sich (20).
Ferner fördert Alkohol die Harnausscheidung, heißt, er entzieht dem Körper Wasser, was zur unangenehmen Folgeerscheinung des „Katers“, also durch übermäßigen Genuss von Alkohol bedingter Kopfschmerzen, führt (21).
Die Aufnahme von Alkohol hat starken Einfluss auf die menschlichen Sinne, die sensorischen Funktionen: Das Seh- und Hörvermögen wird beeinträchtigt, was im Straßenverkehr oft dramatische Auswirkungen hat und zu alkoholbedingten Unfällen führen kann (22).
Die intellektuellen Leistungen und die Kreativität verschlechtern sich, ebenso das logische Denken und die Gedächtnisleistung.
Bisweilen kommt es zum „Filmriss“, man kann sich an bestimmte Vorfälle oder sogar längere Zeitabschnitte nicht mehr erinnern (23).
Soviel zu den kurzfristigen Auswirkungen des übermäßigen Alkoholkonsums.
Darüber hinaus existieren eine Vielzahl eher langfristig auftretender klinischer Folgewirkungen.
Die Spätfolgen des Dauerkonsums alkoholischer Getränke sind am ganzen Körper ablesbar. Alkohol wird über die Leber abgebaut, bei übermäßigem Konsum ist diese der Aufgabe nicht mehr gewachsen und erkrankt. Schon bei 40-60 Gramm reinen Alkohols täglich ( 4-6 Gläser 0,1l Wein oder Gläser 0,25l Bier) ist das Risiko für eine Leberzirrhose sechsmal höher als bei einem Abstinenzler, bei der doppelten Trinkmenge steigt es schon auf das vierzehnfache. Das sind die Werte für Männer, bei Frauen treten diese Folgen schon bei der Hälfte der konsumierten Menge ein.
Oft ist auch der Magen-/Darmtrakt betroffen. Die Schleimhäute in Magen und Dünndarm entzünden sich durch den Alkohol und werden durch diesen geradezu perforiert. Das Risiko für eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse steigt schon bei einem Konsum von 20 Gramm reinen Alkohols täglich (24).
Langfristiger Alkoholkonsum kann zu einer verminderten Leistungsfähigkeit des Herzens führen und somit Herzkrankheiten verursachen. Mehrjähriger chronischer Alkoholmissbrauch führt zudem zu einem Abbau der Hirnsubstanz, was die intellektuellen Leistungen und die Feinmotorik beeinflussen kann (25).
Auch auf dem Weg vom Mund in den Magen hinterlässt der Alkohol Spuren: Forscher haben ausgerechnet, dass das Risiko für Mundhöhlen- und Kehlkopfkrebs bei einem Konsum von 75-100g täglich auf das 13fache ansteigt.
Nerven und Muskeln nehmen erheblichen Schaden und auch die Zeugungsfähigkeit lässt nach: Schon bei 40 Gramm am Tag wird die Spermienproduktion reduziert, bei höheren Dosen wird sie komplett eingestellt und die Hoden schrumpfen.
Diese Liste ließe sich fast endlos fortsetzen – es gibt kaum ein Organ, das durch den übermäßigen Alkoholgenuss nicht geschädigt wird (26).
Alkohol hat wie andere Drogen auch, ein Abhängigkeits-potenzial. Das entscheidende Charakteristikum ist hierbei die psychische Abhängigkeit: Das unstillbare Verlangen, den Alkoholkonsum fortzusetzen, obwohl dem Betreffenden die negativen Konsequenzen des erneuten Trinkens bewusst sind (27).
Auf physischer Ebene manifestiert sich infolge des Vieltrinkens über einen längeren Zeitraum das Problem des Alkoholentzugs, sofern der Alkoholkonsum unterbrochen wird: Es kommt zu Brechreiz, Kreislauf- und Schlafstörungen, Zittern, bisweilen sogar zu regelrechter Angst sowie zu Depressionen (28).
Führt man sich die negativen gesundheitlichen Effekte des Trinkens von Alkohol vor Augen, so wundert es nicht, dass jeder 20. Todesfall auf Alkohol zurückgeht. Laut einem Bericht der Welt-gesundheits-Organisation (WHO) sterben jedes Jahr rund drei Millionen Menschen weltweit durch Alkoholkonsum – das sind mehr als durch Aids, Gewalt und Verkehrsunfälle zusammen. Am stärksten betroffen sind Männer – sie machen drei Viertel der alkoholbedingten Todesfälle aus.
Die drei Millionen durch Alkohol verursachten Todesfälle, die 2016 registriert wurden, entsprechen 5,3 Prozent aller Todesfälle des Jahres. Im selben Zeitraum wurden 2,5 Prozent der weltweiten Todesfälle durch Verkehrsunfälle verursacht, 1,8 Prozent durch Aids und 0,8 Prozent durch Gewalt (29).
Nach einer Auswertung der Studie "Global Burden of Disease" (GBD) zu den Trinkgewohnheiten in 195 Ländern und den alkoholbedingten Schäden steht der Alkoholkonsum an siebter Stelle sowohl der häufigsten Todesursachen als auch der Faktoren, die zu gesundheitlichen Einschränkungen führen. Hauptursachen sind vermehrte Tuberkuloseinfekte, Tumorerkrankungen, Verkehrsunfälle sowie Suizide unter Alkoholeinfluss (30).
Alkohol ist ein kolossales globales Gesundheitsproblem. Ein geringer Nutzen von moderatem Alkoholkonsum kann die alkoholbezogenen körperlichen, psychischen und sozialen Gesundheitsrisiken bei weitem nicht ausgleichen.
Leider wird die Bevölkerung nicht klar und verlässlich über die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken aufgeklärt. Das ist wenig verwunderlich. Die Alkoholindustrie ist sehr mächtig und hat Unsummen an Geld zur Verfügung. Und was ist deren Daseinszweck? Richtig, der Verkauf von Alkohol. So werden Forschungsergebnisse, die die Risiken des Alkoholkonsums zu Tage fördern in den sozialen Medien unmittelbar durch widersprechende neue Erkenntnisse, die
aus von der Alkoholindustrie gesponserten Studien stammen, gekontert.
Es handelt sich um eine gewaltigen Tatsachen-Verdrehung, verursacht durch kollektive Verdrängung. Die Medien wollen diese Dinge nicht publik machen, die Leser wollen sie nicht wissen (31).
Um all' das wissend stellt sich die Frage: Warum trinken wir denn überhaupt so viel Alkohol?
04 – warum trinken wir Alkohol?
„Edles Bier, du tust mir gut.Gibst mir Zuversicht und Mut“
Der Konsum alkoholischer Getränke initiiert also einen biochemischen Prozess, im Rahmen dessen durch den ausgeschütteten Botenstoff Dopamin beim Trinkenden Wohlbefinden und Glücksgefühle entstehen.
Unser Gehirn speichert, dass Alkohol glücklich macht. Und will mehr davon...
Die Reduktion negativer Gefühle, verursacht durch die Stimulation inhibitiver Neurotransmitterrezeptoren, ist eine der verführerischsten Konsequenzen des Trinkens.
Indes auch eine der gefährlichsten.
Alkohol ist einer der besten Wirkstoffe gegen Ängste, Sorgen, Probleme, trübe Gedanken und erlittene Verletzungen.
Er unterstützt uns dabei, den Film im Kopf so zurechtzuschneiden, dass er für das Ego wieder erträglich wird. Alkohol ist einer der besten Tranquilizer auf dem Markt. Es gibt kein effektiveres Mittel gegen Stress. Keinen kürzeren Weg zu einem angenehmen Befinden. Was man auch macht, wo man sich auch aufhält – mit einem Drink in der Hand wird das Leben für viele Menschen gleich ein wenig rosaroter und erträglicher.
Alkohol wird missbraucht, um eigene Gefühle regulieren zu können. Dies ist notwendig, wenn wir nicht gelernt haben, unsere Gefühle als normale psychische und körperliche Reaktionen wahrzunehmen und zu akzeptieren (32).
Die Kehrseite der Medaille sind die vielschichtigen physischen wie psychischen Auswirkungen, die regelmäßiges Trinken auf den menschlichen Organismus hat.
Trotzdem trinken wir Alkohol. Ist es also letztendlich die Sehnsucht nach Glück, das Streben nach dem Gefühl des Seelig-seins, was uns in die Sucht treibt?
Bestimmt auch, aber übermäßiger Alkoholkonsum kommt oft nicht von ungefähr.
Meist gibt es einen subjektiven, oft höchst individuellen Grund, warum der Betroffene immer häufiger zum Glas, beziehungsweise zur Flasche, greift.
Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, sind es immer wieder bestimmte, ganz konkrete Lebenssituationen, in denen sich der Alkohol ganz hervorragend eignet, um der eigenen Gemütsverfassung ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Am Tag der Deutschen Einheit anno 2018 stehe ich frühmorgens in der Küche und bin dabei, das Frühstück für meine Frau Ewa und mich zuzubereiten, als das Telefon klingelt. Wer kann das sein, so früh am Morgen? Bestimmt jemand aus Ewas großer Familie oder eine ihrer besten Freundinnen – meine Frau telefoniert gerne, viel und zu allen Tageszeiten. Ewa hebt den Hörer ab, legt kurze Zeit später wieder auf, gesprochen hat sie mit dem Anrufer offenbar nicht. Sie kommt zu mir in die Küche, Tränen laufen ihr über die Wangen.
„Dein Papa ist gestorben“. Der Anruf kam aus dem Pflegeheim, in dem meine Eltern seit knapp anderthalb Jahren leben.
Mein Vater ist in den Morgenstunden, zwar im stolzen Alter von fast 97 Jahren, trotzdem aber plötzlich und völlig unerwartet, verstorben.
Unmittelbar lege ich das Brotmesser zur Seite, öffne den Kühlschrank, greife mir wortlos eine Flasche Bier und gehe die Kellertreppe hinab, dann in den Garten. Dort stehe ich, vor Schock am ganzen Leib zitternd und keines klaren Gedankens fähig, und trinke mein Bier – um 08:00 morgens.
Auf dem Weg zurück in den Wohnbereich unseres Hauses nehme ich mir aus dem Zweitkühlschrank, der im Keller steht, eine zweite Flasche mit nach oben.
„Wir müssen ins Heim, auch wegen Deiner Mutter“, sagt Ewa.
„Ich kann nicht“ antworte ich. Die zweite Flasche Bier ist beinahe schon geleert.
„Aber wir müssen dahin. Sie weiß noch nichts, ich denke, DU solltest es ihr sagen“.
Ewa hat Recht. Die Autofahrt zum Pflegeheim dauert keine fünf Minuten, das muss reichen für die dritte Flasche Bier. Im Heim angekommen, zeigt der Alkohol erste Wirkung: Ich bin in der Lage meiner Mutter die Todesnachricht zu überbringen. Ewa wartet vor ihrer Zimmertür.
„Gehen wir zu ihm rein?“ fragt sie.
„Das kann ich nicht“ entgegne ich auch jetzt.
Ewa geht allein ins Sterbezimmer meines Vaters. Auch er hat dem Alkohol zeitlebens regelmäßig zugesprochen und so befindet sich in seinem Zimmer ein kleiner Kühlschrank, der lediglich dazu dient, Bier zu kühlen. Dessen bewusst, betrete ich das Zimmer, gehe schnurstracks zum Kühlschrank, entnehme diesem eine Flasche Bier, nehme einen kräftigen Schluck und wende mich meinem toten Vater zu.
„Ein letztes Prost, Papa“.
Anderer Anlass – gleiche Reaktion.
In meiner Zeit als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens holt mich die Vergangenheit der Firma ein.
Mein Vorgänger hatte sich bei einem Prüfverfahren nicht an die Recht gebende Verordnung gehalten, ich bin persönlich haftender Geschäftsführer, habe mit den Verfehlungen aus der Vergangenheit zwar nichts zu tun, bin aber trotzdem kurz davor, wegen eben diesen verklagt zu werden.
In diesen Wochen wird es zur Gewohnheit, abends die Unterstützung von drei oder vier Flaschen Bier zu suchen, um ein wenig abzuschalten, um Entspannung zu finden und die Gedanken in meinem Kopf zur Ruhe zu bringen.
Auf der Arbeit wird der Stress zunehmend größer, die Stimmung unter den Kollegen immer angespannter, steht und fällt doch die Existenz der Firma mit einer drohenden Anklage und dem damit einhergehendem vorübergehenden Berufsverbot.
Wie wünsche ich mir das wohlige Gefühl vom Vorabend zurück, als mir die beruflichen Probleme weitaus belangloser erschienen.
Ich schaffe es kaum mehr, mich morgens ins Auto zu setzen, um ins Büro zu fahren und mein Tageswerk zu verrichten. Und so kommt es, wie es kommen muss: ich beginne, bereits auf der circa fünfundvierzig Minuten dauernden Fahrt zum Arbeitsplatz die ersten zwei Flaschen Bier zu trinken.
Zwei weitere (diese habe ich Zuhause zuvor ins Eisfach gelegt, warmes Bier trinkt sich schlecht und im Firmenkühlschrank kann ich den geliebten Gerstensaft kaum deponieren...) trinke ich bis zur Mittagspause heimlich und vor allem hektisch – ich habe zwar ein Büro für mich alleine, aber es kann ja jederzeit jemand hereinkommen- an meinem Schreibtisch.
In der Mittagspause gehe ich in Kneipen, in denen ich mir ziemlich sicher bin, dass dort niemals ein Kollege auftauchen wird, um neben dem Mittagsessen auch das ein' oder andere Bier zu trinken. Auf dem Rückweg ins Büro eile ich noch schnell in den Supermarkt, um mir weitere zwei Dosen Bier zu kaufen, die dann bis zum Feierabend reichen müssen. Dass diese lauwarm sind, ist mir mittlerweile egal.
So überstehe ich einige Wochen den Arbeitstag, um dann am Feierabend, schließlich muss ich ja die Gedanken an den nächsten Arbeitstag verdrängen, weiter zu trinken.
Der Tod eines nahestehenden Menschen sowie Leistungsdruck und Stress auf der Arbeit sind nur zwei von vielen möglichen Anlässen, zu Glas oder Flasche zu greifen.
Beziehungsprobleme, schlimmstenfalls das Scheitern einer Ehe, eine schwere Krankheit – es gibt genug Probleme, denen sich der Mensch im Laufe seines Lebens ausgesetzt sieht und Probleme kann man – kurzfristig - „weg-trinken“.
In all' diesen Situationen kann der Alkohol Linderung verschaffen, kann er entspannen, beruhigen – und gerade das macht die Droge so gefährlich.
Der amerikanische Physiologe und Erforscher der Alkoholkrankheit Elvin Morton Jellinek hat eine Alkoholikertypologie entwickelt, in der er Trinker in fünf sogenannte „Trinkertypen“ einteilt.
Alpha – Trinker, auch Konflikt – oder Problemtrinker genannt, trinken Alkohol, um sich zu entspannen, um Angst und Verstimmungen zu beseitigen oder um Ärger herunterzuspülen.
Mit der eintretenden Beruhigung kommt auch die Kreativität für Problemlösungen zurück: man schreibt einen ergreifenden Liebesbrief, man hat eine berufliche Inspiration, man entscheidet sich für ein alternatives Behandlungsverfahren.
Die steigende Kreativität durch Alkoholkonsum bezieht sich übrigens nicht nur auf Problemlösungen, auch in alltäglichen Situationen tut der Alkohol seinen inspirierenden Dienst: Sitze ich im Sommer abends absichtslos im Garten („ich möchte einfach nur hier sitzen“, Loriot-Zitat aus dem Sketch „Szenen einer Ehe“), stehe ich spätestens nach der zweiten Flasche Bier auf, um dieses und jenes Gartenwerk zu verrichten. Ich gieße, schneide, pflanze um und zupfe Unkraut und merke dabei gar nicht, wie die Zeit vergeht, während ich mir noch ein Bier genehmige. Am nächsten Morgen wundere ich mich dann manchmal über das Werk vom Vorabend...
Im Winter muss das Haus dran glauben: die Deko wird gewechselt, der Kleiderschrank aufgeräumt, im ganzen Haus nach etwaigem Sperrmüll gesucht oder der Kellerbereich gesaugt.
Zurück zu den Problemtrinkern: Diese haben durchaus eine seelische Abhängigkeit zum Alkohol, aber sie haben auch noch die Freiheit, mit dem Trinken aufzuhören.
Das Problemtrinken ist einer der häufigsten Gründe, warum Menschen in Deutschland zur Flasche greifen. Und warum sie an der Flasche bleiben. Häufig verhält es sich nämlich so, dass die positive Erfahrung „mir geht es besser“, die mit dem Genuss alkoholischer Getränke verbunden ist, dazu führt, dass die Anlässe, warum man trinkt, immer nichtiger und damit immer häufiger werden. War es anfangs noch der Tod eines Angehörigen oder der Verlust des Jobs, reicht später bereits eine kleine Meinungsverschiedenheit mit dem Partner aus – Hauptsache, es gibt einen angenommenen Grund zu Trinken. Auch, wenn objektiv kaum ein Grund existiert. Das Problem Alkohol hat sich verselbstständigt. Man trinkt um des Trinkens willen und sollte sich dessen schleunigst bewusstwerden, solange man noch in der Lage, gegenzusteuern, um einer drohenden Abhängigkeit zu entgehen.
Die Freiheit, mit dem Trinken aufzuhören, hat ein weiterer Trinkertyp, der Beta – Trinker, auch Gelegenheitstrinker genannt, auch. Sein Trinkverhalten wird oft vom sozialen Umfeld mitbestimmt und auch Geselligkeitstrinken genannt.
In der heutigen Konsum- und Überflussgesellschaft geht beinahe jedwede Feier zwingend einher mit dem Genuss von Alkohol.
Sogar am Arbeitsplatz ist es zur Gewohnheit geworden, bereits am frühen Morgen mit Sekt auf Geburtstage anzustoßen.
Auch das „Abfeiern“ oder das gediegene „Essen-gehen“ am Wochenende ist meist gleichbedeutend damit, sich einen hinter die Binde zu kippen.
Anlässe für den Beta-Trinker, Alkohol zu konsumieren, sind Geburtstage, Familienfeiern ebenso wie Arbeitsjubiläen oder Verabredungen in Gaststätten. Mag einem auch nicht immer nach Bier, Wein und Schnaps sein – der Konsum alkoholischer Getränke gehört einfach zum Anlass dazu und wird deshalb auch kaum in Frage gestellt.
Das Trinken kann auf diese Weise zur Gewohnheit werden (33).
In kaum einem anderen Land finden sich so viele BETA-Trinker wie in Japan. Hier braucht man keinen Anlass für feuchtfröhliche Runden. In Japan gehört Alkohol einfach zu einem gelungenen Abend dazu. Auch bei einer Reise im Flugzeug, in der Bahn oder im Bus genehmigen sich Japaner schon in der Früh gern ein Bier oder auch zwei. Studenten treffen sich regelmäßig zu „Nomikai“, zu Trinkanlässen. Besonders ausgeprägt ist die Zecherei nach Dienstschluss: Das Feierabendbier ist in vielen Unternehmen fast schon ein Ritual. Ein guter Schluck hilft, mehr als nur den Arbeitsstress abzubauen: Beschwipst fällt das Plaudern leichter. Bei Bier, Wein oder Sake fallen mit den Hemmungen auch strikte soziale und hierarchische Schranken. Es gibt auch ein Wort für diese Art des geselligen Zusammenseins. Japaner umschreiben ihre regelmäßigen Trinkgelage mit „Nomunication“, das sich aus dem Begriffen „nomu“ (japanisch: trinken) sowie dem internationalen „Communication“ zusammensetzt und tatsächlich der innerbetrieblichen Kommunikation dient. Im mildernden Umstand der Trunkenheit erfahren die Chefs, was ihre Untergebenen am Führungsstil oder an Entscheidungen kritisieren. Bei alkoholisierten Scherzen können sie Fehler erkennen und auch zugeben, ohne ihre Autorität aufs Spiel zu setzen. Niemand wird sie irgendwann nüchtern darauf ansprechen. Es ist ein ungeschriebenes, aber bindendes Gesetz, am nächsten Tag zu „vergessen“, was alkoholumnebelt am Vorabend gesagt wurde.
Kaum irgendwo auf der Welt ist die Toleranz für Alkohol so groß: Wer über den Durst trinkt, vom Barhocker fällt oder auf der Tatami-Matte umkippt und einschläft, wird nicht getadelt. Kein Japaner nimmt Anstoß daran, wenn im Zug oder auf der Straße ein Angestellter im dunklen Anzug sturzbetrunken torkelt oder einfach herumliegt. Man setzt den Fremden einfach in ein Taxi oder geleitet ihn zur S-Bahn. Eine Umfrage des Forschungsinstituts Pew Global bestätigt diese legere Haltung auch statistisch.
Demnach sind Japaner spitze in Sachen Toleranz. Für 66% der Interviewten ist Alkoholkonsum „moralisch akzeptabel“, nur 6% sind entgegengesetzter Meinung. Mit großen Abständen folgen Tschechen, Deutsche und Briten: Bei den Tschechen finden es 47% okay, Alkohol zu trinken, bei den Deutschen 41% und den Briten 38%. „Japan ist ein Paradies für Trinker“, so „Japantoday“.
Ärzte verlangen seit Jahren mehr Aufklärung über die Folgen, über Sucht, Missbrauch und Behandlungen. Aber die Politik weigert sich, Alkoholismus als Krankheit anzuerkennen. Das Problem: Viele führende Politiker halten es wie ihre Landsleute, sie trinken gern, regeln bei einem Gläschen wichtige Deals und würdigen jene, die besonders viel vertragen. So wurde ein ehemaliger Präsident des Unternehmerverbandes auf seinem Grabstein mit der Inschrift „geehrt“: „Er war ein begnadeter Trinker“ (34).