Kitabı oku: «LEBENSAUTOBAHN», sayfa 4
Samstagmittag, Thomas war weg. Urlaub auf dem Bauernhof. Wie reizvoll! Aber besser Kühe hüten und Stall ausmisten für alle, anstatt Sommer, Sonne, Sand und Meer, und das alte Feuer entflammt neu, oder das, was MANN meint, das da wäre. Mit solchen Gedanken verbrachte ich das gesamte Wochenende. Klar kam eine liebevolle SMS, logisch hat er geschrieben. Und die Kinder lenkten mich mit ihrer Fröhlichkeit ab. Aber all das war ein dürftiger Trost: THOMAS IST NICHT DA! Und: ER IST MIT IHR WEG! Das änderte sich nicht. Im Grunde hatte ich ja alles. Man fährt nicht der Kinder wegen mit demjenigen in Urlaub, den man nicht mehr liebt. Ich dachte immer, dass der Andere so reagiert und handelt, wie man selbst. Das ist Folter für die Seele. Er streift seinen Ehering ab. Schläft nicht im Ehebett und liebt seine Frau nicht mehr. Warum macht er das? Was ist der Grund? Ich verstehe es bis heute nicht. Der nächste Tag, ein Sonntag, war ein Ticken bedrückender. Warum? Na, weil dieser Wochentag so ein gewisser „Familientag“ ist, an dem die Sonne scheint und jeder glücklich gelaunt ist. Alle, aber nicht ich! Thomas ist weg! Gefahren mit einer anderen. Wie bekomme ich diese Stimmung in den Griff? Zusammenreißen für die Kinder, die bei strahlendem Sonnenschein in Ihrem Schwimmbecken planschten, war der letzte Gedanke. Ich brachte das Wochenende, so gut, wie es in meiner Macht stand, herum. Immer mit dem Blick auf das Handy, wartend auf die nächste SMS von Thomas. Die kam dann am Nachmittag. Das Piepsen des Handys weckten die Schmetterlinge in meinem Herzen. Die Sehnsucht wurde belohnt. Aufgeregt griff ich nach dem Handy und drückte die SMS-Taste. Meine Augen lasen Thomas Text: „Bett kaputt. Stimmung unterirdisch. Habe umgebucht. Inselurlaub. Wir fliegen morgen Mittag. Bis bald, dein Bär.“ Ein seltsames Gefühl beschlich mich. „Na prächtig!“, sagte ich. Da ist es: Sommer, Sonne, Sand und Meer. Jetzt bekommt die Glut erneutes Feuer! Der optimale Nährboden für das alte Schätzchen, sich ihren Mann wieder zurechtzubiegen. Ihn zurückzuerobern, indem sie für zwei Wochen eine perfekte Rolle spielt. Was im Alltag so grauenhaft ist, wird in der Inselatmosphäre, mit den drolligen Kleinen schon klappen. Mann oh Mann, was mir alles an Gedanken durch den Kopf floss. Ich versuchte, Herr der Situation und nicht wahnsinnig zu werden, unterdrückte meine Fantasiebilder. Nein, ich ertappte mich sogar dabei, mir vorzustellen, was Sommer, Sonne, Sand und Meer so alles anstellen werden. Ich wünschte, dass er jetzt genauso charakterfest blieb, wie ich in den Wochen zuvor. Ganz nach dem Motto: Mit der Sache, dem Menschen bist du durch, das ist nicht deine Zukunft. Urlaub hin oder her. Bei mir war und ist das so. Ausgelebt ist ausgelebt. Die Seele zieht weiter, erst recht, wenn das Einssein, wie bei uns, sich so anfühlt. Das Anfühlen heißt Liebe. Mein Entschluss war längst besiegelt, ohne Thomas je davon erzählt zu haben. Jeder entscheidet für sich, damit der andere nicht unter Druck gerät. Das Einzige, was in einer solchen zwischenmenschlichen Lage Berücksichtigung findet, sind eben die Kinder. Und die waren auf beiden Seiten vorhanden. Die Gedanken schweiften hin und her, wägten die Situationen ab, aber eine Lösung war nicht in Sicht. Zwei endloslange Wochen. Sommer, Sonne, Sand und Meer. Kein Gästezimmer mit getrennten Betten. Mir war immerzu nur hundeelend. Der Sonntag neigte sich dem Ende – Gott sei gedankt. Der Montag nahte mit riesigen Schritten und die Arbeit lenkte mich ab. Der Büroalltag beanspruchte meinen Denkapparat. Keine Zeit für quälende Fantasien. Die Abende waren kurz. Es zog mich meistens früh ins Bett. Etwas ungewohnt. Lag oft lange wach. Gedankenkreisel. Ich packte mir so viele Freundinnentermine in diese 14 Tage, wie nur möglich. Jetzt bloß nicht mit den negativen Gedanken, der bedrückten traurigen Seele, alleine sein. Jede Stunde zogen mich die Sorge um unsere Liebe mehr und mehr in die Tiefe. Erst recht abends auf der Couch mit dem Ehemann. Es hatte seit den Urlaubswochen zu Hause eh bei ihm den Anschein, dass er einen Riecher für die Situation hatte. Es gab eine Szene in den Ferien, die genau das Gefühl in mir weckte. Er kochte ausnahmsweise an einem der Ferientage für unsere beiden. Na, was „Mann“ halt so brutzelt für Kinder. Es gab Nudeln mit Fischstäbchen. Dabei stand er am Herd, ich saß auf einem Küchenstuhl und las die Tageszeitung. Wir hatten dazu ein belangloses Gespräch, die Sonne schien, die Kinder tobten im Garten, und egal wie, kamen wir auf den Neuen, Herrn Kramer, zu sprechen. Zufall oder Absicht seinerseits? Vollkommen falsches Thema jetzt, kam mir in den Sinn. Trotzdem erzählte ich von ihm, dass er so logische Strukturen in der Firma schafft, dass man endlich den roten Faden erkennt, er ein Herzerfrischender ist mit ausgeprägtem Humor, über den wir ausgiebig miteinander lachen und, dass wir perfekt zusammenarbeiten. Ich glaube, bei den Ausführungen bin ich stufenlos vom Erzählen ins Schwärmen geraten. Die Unterdrückung der Gefühle für Thomas blieben nicht verborgen. Am Blick und den Gesten erkannte mein Mann die Schwärmerei. Es verleitete ihn letztlich zu der Aussage: „Du brauchst so einen wie deinen Herrn Kramer“. „Ja“, sagte ich direkt. So bin ich halt, direkt! WG leben und leugnen, funktioniert nicht. Ist nicht ehrlich. Das bin nicht ich. Ich glaube, er wusste längst, dass Thomas schon tief in meinem Herzen war. Wer weiß, was nach dem Gespräch in seinem Kopf vorging. Es bleibt mir bis heute verborgen. Gut, dass es jetzt im Büroalltag arbeitsreich zuging. Da, das Handy schellt. Jemand ruft an. Das ist Thomas, schoss es mir freudig in den Kopf. Aufgeregt öffnete ich den Schrank an meinem Arbeitsplatz, holte das summende Handy aus der Tasche und hoffte auf den Teilnehmer Thomas. Stattdessen aber sah ich die Büronummer der Kollegin, die auf der ersten Etage im Zimmer über mir saß. Warum hat Sie mein Handy gewählt? Sie sitzt doch im Büro? Enttäuschung stand mir ins Gesicht geschrieben. Kein Thomas. Dann der Geistesblitz. Er hatte permanent mit mir mit dem Firmenhandy telefoniert, meine Handynummer logischerweise mehrfach in der Woche gewählt. Das fällt auf. „Einzelverbindungsnachweise“ heißt das Zauberwort. Die Telefonlisten der letzten Monate gaben Ausschlag über alle angewählten Rufnummern. Och nee. Mensch Thomas. So genial der Mann ist, da war er zu naiv. Warum hört grundsätzlich kein männliches Wesen auf eine Frau? Was ist nur mit den Herren der Schöpfung los. Ich sagte ihm zu Anfang: „Kauf dir ein Privathandy, das fällt über kurz oder lang irgendwann einmal auf!“ Aber nein, stur wie er ist, hielt er es nicht für nötig. Das merkt so schnell keiner,“ sagte er damals. Just in diesem Moment hatten wir den Salat. Der Mann ist nicht nur bei dem Thema beratungsresistent. Und wie gehe ich jetzt mit der neuen Situation um? Ich stellte das Handy auf lautlos. So hörte ich das Klingeln nicht mehr und lief nicht Gefahr, das Gespräch anzunehmen. Meine Handynummer kannte im Betrieb niemand. Zusätzlich ein unschuldiges Gesicht aufsetzen und alles wird funktionieren. Kein Verdacht fällt auf mich. Ich setzte mein Vorhaben in die Tat um. Jetzt nur nicht nervös werden und weitermachen wie bisher. Na ja, der Tag endete mit leichter Aufregung vor Feierabend und die Zeit schlich voran. Die erste Woche ohne Thomas war fast zu Ende. Das kommende Wochenende nahte und ich hatte es mir vollgepackt mit Freunden, Grillen, Wein und eine ganze Menge Ablenkung. Nur nicht über Urlaube am Mee brüten, oder an gebräunte Körper denken, die bei Nacht in entspannter Atmosphäre zueinanderfinden. Zuviel Denksport macht traurig. Leider ließ der Kopf mir keine Ruhe und ich grübelte in jeder freien Minute, und davon gab es viele. Er hatte in der ersten Urlaubswoche eine SMS geschickt, in der stand: „Meer warm. Wetter sonnig. Bis bald, dein Bär.“ Das klang beruhigend, denn solange da zum Schluss „Dein Bär“ auftauchte, hatte sich nichts geändert. Trotzdem gelang es mir an keinem Tag, die Vorahnungen, das Kopf- Teufelchen, aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich war froh, dass die Mädels mir ihre Zeit opferten und wir am Sonntagnachmittag endlich Gelegenheit fanden, uns auszutauschen. Freizügig und wissend, dass dies unter dem Mantel der Verschwiegenheit bei ihnen bestens aufgehoben war, erzählte ich von allem, was mich beschäftigte. Ich berichtete von den fürchterlichen Gedanken, von den Tagen und Monaten der Liebe, den Stimmungen und Zweifeln, seinen Handlungen, die auf einen Neuanfang mit mir hindeuteten, so eindeutig. All das hatten sie sich in einer Seelenruhe angehört und meldeten ihre Bedenken an. So kamen wir alle einstimmig zu dem Entschluss, nicht vorschnell zu urteilen, es ist ja nur ein Urlaub. Zwar hatte ich mir sämtliches von der Seele geredet, aber weiter mit meiner Erkenntnis war ich nicht gekommen. Helga, eine der Mädels, hatte Thomas Wochen zuvor bei einem Feiertagsausflug im Juni kurz beim Frühstück kennengelernt. Er erzählte Ihr damals offenherzig und freizügig von seinen ehelichen Problemen und der Liebe zu mir. Er geriet förmlich ins Schwärmen. Nach dem offenen Gespräch stellte Helga schnell fest und war der Überzeugung, dass sein altes, jetziges Leben keinen Fortbestand mehr hatte. Der Nährboden war verbraucht. Ich hoffte an dem Tag inständig, dass sie Recht behielt. Ihr Urteil war mir wichtig, da sie den Beruf einer Seelsorgerin ausübte und Paare betreute. Sie hatte genug Erfahrung auf dem Gebiet und beurteilte seine Situation nicht emotional, sondern mit Ratio. Thomas hatte mit seinen Erzählungen bei Adam und Eva angefangen, so dass Ihr Urteil genug Entscheidungsfundament hatte. Bei mir war das schon damals klar: Trennung ist für mich der korrekte Weg! Vollkommen egal, wie dieses Spiel der Liebe ausgehen wird. Meine Ehe weiterführen, würde Seele und Herz nicht ertragen. Mein Herz begehrte nur Thomas. Kein Lebenszeichen in seiner letzten Urlaubswoche, nicht einmal eine SMS. Dafür aber erneut die blöden Kontrollanrufe der Kollegin, die null Ahnung hatte, zu wem die Nummer gehörte. Am Schreibtisch sitzend sehnte ich mich nach dem Ende des Tages, dem Ende der grausamen Woche und wurde mit jedem Tag aufgeregter. Das Lionel Richie Konzert im Ohr und seine Worte unter Tränen: “Truby in Love with you girl“, brachten mich auf eine geniale Idee. Ein Willkommensgeschenk in Form einer gebrannten CD mit den Lovesongs von Lionel. Die Aufschrift auf dem Rohling war: „For Eternity“. Seine Worte bei unserem sommerlichen Picknick. Alles wurde liebevoll verpackt. Dann suchte ich nach Feierabend in der Stadt eine Karte aus. Menschen mit dem Gemüt und der Seele ähnlich der meinen lieben es, dem geliebten Partner stets aus dem Herzen Worte zu schenken. Und so fand ich eine Karte für Thomas: „Erich Fried – Es ist, was es ist, sagt die Liebe.“ Zum Schluss schrieb ich zusätzlich einen eigenen, kleinen, liebevollen Text auf die Rückseite, packte alles zusammen in einen Umschlag, klebte ihn zu und wartete sehnsüchtig auf den Montag. Leider lag das Wochenende dazwischen, was die Spannung deutlich erhöhte. Der Freitag Feierabend war angebrochen. Die arbeitsreiche Woche zu Ende. Ab zu meinen Mädels, Zeit totschlagen. Eine einzige Nacht nur und Thomas ist wieder da! Morgen, Samstag, wird er mit dem Flieger am Mittag landen. Die unendlich langen zwei Wochen waren vorüber. Die Angst wich allmählich einer immer stärker werdenden Sehnsucht. Der Bauch füllte sich wieder mit den liebend umherflatternden Schmetterlingen. Es kribbelte im ganzen Körper bei dem Gedanken an Thomas. Nur einmal schlafen, dann halte ich meine Liebe wieder in den Armen. Die Nacht war kurz, weil ich vor lauter Angst und Aufregung kaum ein Auge zu bekam. Samstagmorgen. Freundin Claudia, logischerweise eingeweiht, kam mit ihrem Sprössling zum Zeitvertreib vorbei und wir saßen am Morgen, Kaffee trinkend, vor der Gartenhütte. Die Kinder planschten quietschvergnügt im großen Schwimmbecken. Ja, die Ablenkung war genau das Richtige. Das Wetter war perfekt und der Mittag wurde mit eifrigem Klappern von Geschirr und Besteck vorbereitet. Grillnachmittag. Sein letzter Urlaubstag, heute Mittag landete er. Am Vortag hatte Thomas aus Zypern per SMS mitgeteilt, dass der Flieger um ca. 13.00 Uhr wieder in Deutschland den Boden erreichen wird. Er lebte und hatte mich nicht vergessen. Aber wen liebte er nach diesem Urlaub? Die Aufregung war irre groß. Ich trank an dem Morgen mehr Kaffee. Das war so gar nicht ich. Die Gedanken kreisten nur um Thomas. Die Sehnsucht wurde von Minute zu Minute immer stärker. Da, das Handy piepste, 13:02 Uhr MEZ. Ja, das wird nur er sein. Mein Herz klopfte so laut, so schnell, dass man es an den Schläfen bei Berührung ertastete. Er ist wieder da. Zitternd nahm ich mein Handy in die Hand, hastete alleine in die Grillhütte, um ungestört zu sein, drückte den Button SMS und las seine Nachricht. „Zypern, super Urlaub, wunderbar. Bis Montag.“ Mir stockte der Atem. Mein Herz hörte mit einem Schlag auf zu pochen. Die Angst der letzten beiden Wochen erreichte den Magen, drückte tonnenschwer auf meine liebende Seele. Ich schaute mir die geschriebenen Worte ein zweites Mal an. Laut las ich es mir erneut vor: „Zypern, super Urlaub, wunderbar, bis Montag.“ Bis Montag? Das war alles? Kein: „Dein Bär“? Was war passiert? Ich hatte es die ganzen gottverdammten 14 Tage befürchtet und gefühlt. Weit bevor diese SMS das Handy erreichte. Ich stand wie versteinert in der Hütte. Eine gefühlte Viertelstunde verging bis zur nächsten Regung. Mein Atem stockte immer wieder. Ich hatte förmlich das Gefühl zu ersticken. Das ist sterben, sagte ich. Claudia kam herein und sah meinen Gesichtsausdruck. Der erklärte alles. Sie kannte mich zu lange schon, um den Ausdruck komplett anders zu interpretieren. Wir schauten uns stumm an und nach einer kleinen, großen Weile hauchte ich nur leise: „Da fehlt DEIN BÄR – das war’s.“ Seine SMS war so endgültig. Das Ende einer Liebe. Das Bauchgefühl betrügt mich nicht! Absolut nie! Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich mit Reden, soweit es eben möglich war. Claudia wurde der Seelentröster, der seelischer Mülleimer. Keine klaren Gedanken flossen durch meinen Kopf. Und. Oh Gott! Morgen ist erst Sonntag. Das überlebe ich nicht. Sonntag, was für ein blöder Tag. Ich hasse Sonntage, immer! Aber der morgige wird seine eigene Bedeutung haben! Er wird lang sein, unglaublich lang und voller sterbender Gefühle. Mit Gedankenchaos im Kopf, Kinderlärm, Sonne, zu heiß. Eben grausam!
Sonntag! An dem Tag hatte ich mit Claudia so oft über SMS geredet wie nie. Meine Ablenkung und weil ich mich dem Weltschmerz in mir hingab, beschloss ich, alleine Cabrio zu fahren. Ich fuhr unsere bekannten Strecken ab mit der Kassette von ihm. Liebeslieder à la Thomas. Meine Lieder! Ich parkte an irgendeiner Stelle im nirgendwo. Stand dort fast den halben Nachmittag, vollkommen durch mit Kopf, Herz und Seele. Jeder kennt das Gefühl, von Abschied nehmen bei einem geliebten Menschen. Opas, Omas und bei einigen sogar schon die eigenen Eltern. Mein Herz, mein Körper bekamen keine Luft mehr. Ich weinte unaufhörlich. Das ist Exitus. Das ist der schlimmste Abschied, den jemand zu verarbeiten hat. Es fühlte sich genauso an, wenn der Lieblingsmensch einen verlässt, der dein ganzes Herz in seinen Händen hält. Das kostbarste, was er einem anderen schenkt, der ihn liebt. Die Sonne schien hell. Die Luft war honigsüß und streichelte meine schlimmsten Schmerzen weg. „Zusammenreißen, Mädchen,“ sagte ich unter Tränen leise. Es hörte mir ja niemand zu. „Du hast Kinder. Lasse dir ihnen gegenüber bitte nichts anmerken. Fahr nach Hause. Sie brauchen dich!“ Schweren Herzens fuhr ich zurück und nahm die beiden in die Arme. Der Abend war gar nicht erquickend. Rotwein mein bester Freund. Die Nacht war grauenhaft. Voller Trauer und totale Leere im Kopf. Herzschmerz dominierte die Dunkelheit. Die Seele wurde schwer. Das kleine, große Sterben in mir setzte ein………
Der Wecker. 07:00 Uhr, das Büro ruft. Ich schleppte mich zum Auto, packte das jetzt „überflüssige Geschenk“ für ihn in das Handschuhfach und fuhr los. „Wozu denn das Präsent,“ sagte ich. „Er beendet unsere Liebe auf jeden Fall!“ Ich parkte, wie immer, vor meinem Bürofenster, stieg aus und bemühte mich, zu lächeln. Schlich ins Büro. Die Uhr zeigte 07:30 Uhr. Nichts passierte. Kein Thomas in Sicht. Gott war mir elend. Die nette Kollegin schneite mit einem singenden „Schööönen, guten Moorgen“ herein. Mein Kopf dröhnte. Zuviel Wein am Vorabend. „Was ist bitte schön an diesem Morgen schön, geschweige denn gut?“ Blitzte der Gedanke in meinem Kopf auf. Die Sehnsucht auf Thomas wurde nicht gestillt und gekommen ist er heute ebenfalls nicht. Wo bleibt er denn? Ist ihm am Wochenende etwas passiert? Tausend Fragen rauschten mir erneut durch den Rotweinschädel. Die Kollegin verdiente keinen Vorwurf. Sie kannte das Gefühlschaos in meiner Seele nicht, zum Glück. Ich quälte ihr ein lächelndes „Guten Morgen“ entgegen und betonte intensiv, dass die Migräne des monatlichen Frauenleidens meine Stimmung heute trüben würde. Sie möge bitte Rücksicht nehmen. Das fand sie plausibel und verließ das Büro. Es wurde 09:00 Uhr und Thomas kam immer noch nicht. Auf die Nachfrage eines Kollegen am Vormittag nach der Einschulung meiner Großen auf dem Gymnasium fiel mir dann endlich ein, warum er nicht kam. Thomas hatte den Montag frei genommen. Wir beide hatten Schulwechsel unserer Kinder auf der weiterführenden Schule am morgigen Dienstag. Wie sich die Lebenssituationen doch wieder gleichen. Erlösende Erkenntnis. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Entsprechend verlief der Tag etwas entspannter, arbeitsreich, und die Vorbereitungen am Abend des Tages auf den Schulwechsel lenkten ab. Kleidchen bügeln, Schulranzen packen, Aufregung bei der Großen weg streicheln und in den Schlaf begleiten. Nur Mutter sein und geben, was Kinder am meisten brauchen: Liebe! Die Einschulung am darauffolgenden Tag war aufregend für uns. Meine Mutter und die Schwiegereltern vergnügten sich beim Anblick der ausgelassenen Kinderschar in unserem Garten. Die Spielkameraden waren ebenfalls da und alle hatten ihren Spaß. Wie gesagt, die Kinder und der Rest der Familie. Ich nicht! Mein Motto an dem Tag war nur: Freundliche Miene zum fürchterlichen Spiel. Das trifft es zwar nicht so eindeutig, aber für mich war es ein fürchterliches Spiel. Wieso hatte er mir das nicht unverblümt geschrieben, dass er seine „perfekte Ehe“ weiterleben wird? So per SMS, wie ein berühmter Tennisspieler. Soll ja heutzutage salonfähig sein! Wäre unkomplizierter und das Leiden kürzer. Das Engelchen in mir sagte immer wieder: „Aber Caroline, es war im Urlaub alles vollkommen anders. Dein Bauchgefühl spricht Optimismus. Bitte junge Frau, optimistisch bleiben.“ Und doch hatte ich vor dem morgigen Tag eine irre Angst. Wird es ein Abschied? Schluss, aus und vorbei? Oder überdauerte unsere Liebe diesen Urlaub? Was sprach dagegen? Morgen, nach Feierabend, werde ich es wissen. Mittwochmorgen. Und wieder war es ein Mittwoch. Ein weiterer Sommertag mitten im August. Thomas kam, parkte und lächelte wie immer. Mein Herz öffnete sich. Die Schmetterlinge tanzten, trotz Angst. Wir hatten kaum Gelegenheit, uns im Betrieb zu unterhalten. Urlaubsrückkehrer haben eben erst einmal den Schreibtisch voll. Zu meiner Überraschung bekam ich wieder diese Liebeszettel. „Heute nach Feierabend!“ Stand dort zu lesen. Oder war es dieses Mal ein Abschiedszettel? Die Antwort kannte zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich Thomas. Mein Herz klopfte bei dem Gedanken an den Büroschluss wieder, wie bei der letzten SMS. Die Aufregung stieg, bis zum Treffen auf dem Parkplatz, ins Unerträgliche. 16.30 Uhr Ende des Arbeitstages. Ich schnappte mir rasch meine Tasche, rannte zum Wagen, öffnete das Verdeck, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr los. Feierabend auf dem Parkplatz am Wald. Mit Thomas. Endlich! Klarheit nahte. Auf der kurzen Fahrt dorthin sprach der Bauch ein eindeutiges NEIN aus. Er wird zu seiner Frau zurückkehren. Und wie gesagt, mein Bauch irrt sich nie. Ich zwang mich, einen klaren Kopf zu bewahren und die Hoffnung nicht aufzugeben. Die stirbt ja bekanntermaßen zuletzt. So versuchte ich, mich mental auf das Treffen vorzubereiten und mich ein wenig verhalten auf ihn zu freuen. Zweckoptimismus taufte ich das. Wir fuhren nie gleichzeitig los, damit die Kollegen bloß keinen Verdacht schöpften. Ich parkte schon längst auf dem Waldplatz, da fuhr Thomas auf den freien Platz neben mir. Er stieg aus, öffnete die Beifahrertür meines Wagens und setzte sich auf den Sitz. Es gab den berühmten Begrüßungskuss, kurz aber heftig. Das Herz pochte wie wild, nachdem seine Lippen meine verlassen hatten, und ich war einen kleinen Augenblick dem Glauben verfallen, er hört ihn. Wir schauten uns an. Niemand sagte ein Wort. Keiner von uns fand einen Anfang. Absolut Frau, ergriff ich die Initiative. Öffnete das Handschuhfach und übergab sein Willkommensgeschenk mitsamt der sorgsam ausgesuchten Karte. „Bevor du deine Rede hältst, bitte erst auspacken“, sagte ich mit fester Stimme. „OK,“ erwiderte er und packte aus. Hingerissen, aber äußerst verlegen, so kenne ich ihn, bedankte er sich und antwortete: „Jetzt habe ich immer unsere Musik bei mir.“ Mein Herz meldete sich: „Ich heule gleich!“ Der Kopf entgegnete: „Nein, du weinst nicht! Du bist bärenstark!“ Die Tränen unterdrückte ich. „Jetzt Du,“ hörte ich mich weiterreden. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Ich forderte jetzt sofort eine Antwort. So recht kamen ihm die Worte nicht über seine Lippen, aber zögerlich fing er an zu sprechen. „Der Urlaub war äußerst abenteuerlich. Erst krachte das Doppelbett auf dem Bauernhof zusammen.“ Mein Kopf-Teufelchen sprach: „Ausrede oder!“ „Im Anschluss daran war die Stimmung unheimlich erdrückend. Immer wieder Streitereien. Alles war so eng und beklemmend und du kennst mich ja, dann ergreift der Kerl die Flucht. Ich habe kurzerhand umgebucht. Flieger und ab auf eine Insel. Großes Hotel, ausreichend Platz, und garantiert perfektes Wetter.“ „Komme bitte auf den Punkt! Ich brauche keinen Roman!“ Unterbrach ich ihn. „Und rede nicht um den heißen Brei herum. Ich merke das doch.“ „Ja, wir, meine Frau und ich, haben lange geredet.“ Fuhr er fort. „Oh, sie redet,“ warf ich ein, „welch ein Wunder. Seit wann das denn? Schafft sie das nur unter Druck? Aber wenn einem droht, das Einkommen davon zu laufen, besteigt man auf einmal einen Achttausender im Rollstuhl. Was kommt denn jetzt?“ Fragte ich mit Nachdruck. Er erzählte weiter: „Und da waren die Kinder.“ Mein Kopf meldete: „Und zum Schluss folgte das Allerbeste!“ „Ich kann dir nicht die gleiche Liebe entgegenbringen, wie meiner Frau!“ Das sagte er mit dem berühmten, bärigen Lächeln und seinem schämenden Blick, an dem ich bis zum gegenwärtigen Tag erkenne, dass er flunkert, um nicht zu sagen, er lügt. Er hatte Glück, dass ich nüchtern war und nichts gegessen hatte. Ansonsten würde ich mich jetzt übergeben, so speiübel wurde mir bei diesem Satz. Mit jeder Antwort lerne ich zu leben! Mit jeder anderen gottverdammten Lüge lerne ich zu leben! Aber dieser Satz, diese Aussage, war der größte Selbstbetrug an unserer Liebe! Die abscheulichste Lüge, die mir jemals ein Mensch erzählt hat, der von sich behauptet, dass er mich abgöttisch liebt. Das kauft er ihr doch bitte nicht ab! Das Spiel, das sie da mit ihm spielt. Wie blind ist ein Mann? Der erste Schock fuhr mir nach ein paar Sekunden aus den Gliedern, da setzte er einmal mehr zu einer Steigerung an. Jetzt kam die Kür: „Sie wird sich ändern, hat sie mir im Urlaub versprochen, und sie hat schon damit angefangen es umzusetzen.“ Wie passend, dass ich nüchtern war, mein Magen vollzog eine irre Kehrtwende. Jetzt sprudelte es nur so aus mir und der tief verletzten Seele heraus: „Wie dämlich ist ein „MANN“ überhaupt. Du hast das gleiche Exemplar geheiratet wie ich. Diese Menschen halten ihre Veränderung nicht lange durch. Ich prophezeie dir heute schon, das schafft sie maximal ein halbes Jahr. Dann ist sie das alte Schätzchen.“ Ich redete besonnen, analysierend weiter: „So wie sich deine Geschichte anhört, hoffentlich warst du ehrlich zu mir, verliert sie, wenn du ausziehst, den Versorger, das Geld, der Lebensunterhalt. Mehr ist das nicht. Ein halbes Jahr und ihr beiden seid erneut am gleichen Punkt angekommen. Findet euch exakt im alten Trott wieder. Brauchst du diese Enttäuschung? Und wenn ja, wie oft in deinem Leben, damit du das endlich kapierst? Sie verstehst. Mach die Augen auf und schau genau hin. Stehst du auf Masochismus?“ Fuhr ich in friedlichem Ton fort und war froh, dass die Stimme gehalten hatte. Wir schauten uns an und die letzten Worte, die meinen Mund verlassen haben, waren: „Ich gebe dir eine gewisse Zeit des Nachdenkens. Lässt du diese Zeitspanne verstreichen, lösche ich dich von dem Zeitpunkt an aus meinem Herzen! Ich werde Thomas vergessen!“ „Über welche Zeit reden wir denn hier?“ Fragte er zögernd. „Das verrate ich dir nicht,“ meine Antwort. Zuhören ist und war nicht seine Stärke! Ich gebe ihm genau ein halbes Jahr! Wieder schauten wir uns lange wortlos an, bis seine Stimme die Stille durchbrach: „So, das zuhause wartet. Thomas wird losfahren. Bekomme ich einen letzten Kuss?“ Die Frage empfand ich in der Situation äußerst deplatziert und unverschämt. „Garantiert nicht, mein Lieber. Diese „betörenden Küsse“ holst du dir ab heute zu Hause ab! Und jetzt geh!“ In der wutentbrannten Stimmung brachte ich nichts anderes heraus. Er sah mich traurig an, stieg aus und seinen deprimierenden Blick werde ich mein ganzes Leben nie mehr vergessen. Die Wagentüre fiel ins Schloss. Ich schaute ihm nach. Er stieg in seinen Wagen, ließ den Motor an und steuerte langsam an mir vorbei. Trauer, Wut, Betrug, Einsamkeit, Enttäuschung und Lüge blieben in mir zurück. Ein Gefühlschaos in Herz und Seele tobte unaufhaltsam. Das Blut sackte aus dem gesamten Körper. Leere in mir. Einen Satz aber bekomme ich bis heute zu nicht aus dem Kopf: „Ich kann dir nicht die gleiche Liebe entgegenbringen wie meiner Frau!“ Es verschwindet nicht aus den Gedanken, nicht aus der Seele und nicht aus dem Herzen. Alles gelogen! Alles Betrug! Nur Kinder verkriechen sich in ihre Fantasiewelt und malen sich die Welt so zurecht, wie sie sie gerade eben brauchen. Sie verschließen sich vor der Realität. Spielen heile Welt. Er ist aber kein Kleinkind mehr! Er ist ein erwachsener Mann. Die Phase der Realitätsverluste ist aufgrund seines Alters lange vorbei. Er wird sich früher oder später den Tatsachen stellen. Er wird seine Frau und das, was er Familie nennt, nicht die Bohne ändern. Charakter hat einer oder man hat ihn nicht. Der wird angelegt, sobald ein Mensch mit durchschnittlich 50 cm und 3000 g auf dem Arm der Hebamme liegt und schreit. Die Gene lügen nicht. Was mich da so sicher macht, dass es nicht halten wird? Das ist simpel zu erklären: Unsere Blicke trafen sich ein allerletztes Mal beim langsamen Vorbeifahren seines Wagens. Wir schauten uns dabei tief in die Augen. Die traurige Tatsache, dass er weinend am Steuer saß. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Mein Blick klebte lange am Heck seines Wagens, bis die Rücklichter hinter der nächsten Kurve am Horizont verschwanden. Der Mann, der soeben hier selbstsicher vor mir saß und etwas sagte, dass ich nicht ernst nahm, fuhr unter Tränen, weinend vom Parkplatz. Er betrog sich und seine Seele, sein Herz mit einer großen Lüge. Es war der Wahnsinn, es war Selbstbetrug. Aber was nutzte es jetzt? Wir gestanden uns die Liebe an einem Mittwoch ein, und er beendete sie an einem Mittwoch. Regungslos, fassungslos und dem Sterben nahe, stand ich einsam und verlassen von der Liebe meines Lebens, auf dem Waldplatz, der unser Platz war. Ich weinte verhalten, recht leise. Der gesamte Körper war ein einziger Schmerz. Keine Art von Gliederschmerz, wie man ihn von einer ausgeprägten Grippe kennt. Nein, es war ein tiefer Schmerz, der alles in mir zum Zerreißen brachte: Herz, Kopf, Seele und Gefühle. Ich fand mich im freien Fall wieder, steil abwärts, doch das Auffangnetz fehlte. Ich schloss unter Tränen die Augen, wartete auf den schmerzhaften Aufprall. Der blieb zum Glück, Gott sei gedankt oder zu meinem Leidwesen aus. Nur eines blieb: Der unsagbare Schmerz. Er wich nicht aus dem Körper, egal wie lange ich weinte. Die Zeit, in der ich dort auf den ersehnten Aufprall wartete, von dem ich erhoffte, dass er alles von mir nahm, war nicht zu definieren. „Reiße dich zusammen, Mädchen“, sagte ich laut. „Das war ein Abschied für immer. Du wirst Thomas nie wiedersehen! Den liebenden Blick, das erotische, bärige Lächeln, den betörenden Geruch von Parfüm auf seiner Haut. Nie mehr diese umwerfenden Küsse, die mir jedes Mal die Sinne raubten. Nie wieder diese wahnsinnige Zärtlichkeit auf meiner Haut und in seinen Händen! Und erneut hörte ich mich reden: „Hast du echt gemutmaßt, dass ein Mann wegen dir eine Familie verlässt. Du fährst jetzt sofort nach Hause zu den Kindern, du törichtes Geschöpf.“ Welches zu Hause, bitte? Die seelische Heimat, Thomas, war weg. Für immer. Gott war mir elend. Es half alles nichts. Ich schaute in den Frauenspiegel der Sonnenblende, kaschierte das verheulte Gesicht und rollte langsam los. Unterwegs schlug der immense Herzschmerz in geballte Wut um: „Verlogenes Miststück“, schrie ich laut. Das Gefühl missbraucht und benutzt worden zu sein stieg auf. Und unendlich belogen hatte er mich die ganzen Monate. Caroline war all die Zeit der Motor für seine Frau, sie wieder auf die vermeintliche Ehe Spur zu bringen. Ich würde das seelische Erpressung nennen. Wie ekelhaft war denn der Gedanke, der durchaus Tragweite hatte. Wieder schrie ich laut hinaus: „Arschloch! Scheißkerl!“ Es half nichts. Nur für den Augenblick des Schreiens. So tief verletzt hatte mich bis jetzt absolut niemand! Es saß auch vorher noch kein Mann so tief in meinem Herzen. Dieser Schmerz war unerträglich. Ein paar Minuten später stand ich in der Garage. Gefestigt und gequält lächelnd betrat ich das Haus. Die Realität hatte mich zurück. Lächeln junge Frau, immer nur lächeln. Ich zog mir die Jacke des Sommers aus. Sie roch nach Thomas. Mit einem dicken Kloß im Hals legte ich mich auf mein Bett. Die Gedanken fuhren Achterbahn. Ich stand am Abgrund. Mit geschlossenen Augen sah ich Thomas erneut an mir vorbeifahren und registrierte, dass es einen Hauch von Endgültigkeit hatte. Wünschte mir nur inständig, dass er eines Tages genug von seinem derzeitigen Leben und seiner schauspielenden Frau haben wird. Tränen liefen über meine Wangen. Es war der pure Wahnsinn, die absolute Glückseligkeit, die Frau an seiner Seite zu sein. Ich vertraute mir und dem aufkommenden Baugefühl, horchte tief in mich hinein. Die Seele sprach: Mein Herz wird immer ihm gehören und ich hoffte, dass er eines Tages den Weg zu diesem Herzen wiederfindet. Ich werde da sein!