Kitabı oku: «Verkehrsunfallflucht», sayfa 6

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Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu u.a. OVG Bremen NZV 1990, 246 = NJW 1990, 2081 = VRS 79, 310; vgl. VG Koblenz Urt. v. 17.8.2012 – Az. 10 A 10284/12, NJW 2012, 3388.

Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › III. Maßnahmen gegen einen Gerichtsbeschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO

III. Maßnahmen gegen einen Gerichtsbeschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO

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Ist bereits ein gerichtlicher Beschluss gemäß § 111a StPO ergangen, so ist der richtige Rechtsbehelf die nicht fristgebundene einfache Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO. Nach § 306 StPO ist die Beschwerde, auch im Ermittlungsverfahren, bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

Hinweis

Ist bereits ein gerichtlicher Beschluss gemäß § 111a StPO ergangen und nach Erlass des Beschlusses haben sich neue Tatsachen ergeben (z.B. ein Entlastungszeuge hat ausgesagt oder das Sachverständigengutachten im Auftrag der Verteidigung liegt vor), so ist der Antrag auf Aufhebung des § 111a-Beschlusses und Herausgabe der Fahrerlaubnis der richtige Rechtsbehelf und erst anschließend wieder die Beschwerde zum Landgericht nach § 304 StPO.[1]

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Häufig sucht der/die Mandant/in die Verteidigung in der Erwartung auf, man sei in der Lage, innerhalb von wenigen Tagen mittels einer Beschwerde beim Landgericht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis „rückgängig zu machen“. Keinesfalls sollte man ohne Akteneinsicht eine Beschwerde gegen den Beschluss nach § 111a StPO einlegen und begründen.

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Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach Auffassung des Autors sowieso nur in Ausnahmefällen sinnvoll (vgl. Rn 72 f.). Es soll natürlich nicht geleugnet werden, dass es Fälle gibt, in denen eine Beschwerde erfolgversprechend ist und zum gewünschten Ergebnis führen kann: Z.B bei eindeutig zu beantwortenden Rechtsfragen[2] oder es gelingt beispielsweise durch ein von der Verteidigung frühzeitig eingeholtes Sachverständigengutachten (vgl. hierzu näher unter Rn. 124 ff.) der Nachweis eines deutlich unter der „bedeutenden Fremdschadensgrenze“ (vgl. dazu näher unter Rn. 429 ff., insbes. Rn. 439) liegenden Schadens, obwohl die Polizei diesen höher geschätzt hatte, oder gelingt an Hand eines Unfallrekonstruktionsgutachtens (vgl. hierzu näher unter Rn. 124 ff.) der Nachweis, dass das Fahrzeug des Mandanten an dem Unfall nicht beteiligt gewesen sein kann, so sollte – nach erfolgter Akteneinsicht – auf jeden Fall die Beschwerde mit dem beigefügten Sachverständigengutachten durchgeführt werden, (vgl. aber Hinweis Rn. 67 zum Antrag auf Herausgabe des Führerscheins).

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Die Verteidigung sollte die Frage einer Beschwerde, immer gründlich auch im Hinblick auf die örtliche Praxis der zuständigen Beschwerdekammer abwägen und dem/der Mandanten/in die Gründe für sein eventuelles Abraten verdeutlichen. Überzeugende Argumente sind, dass


das Beschwerdegericht das übergeordnete Landgericht für das später für die Hauptsache zuständige Amtsgericht ist und eine erfolglose Beschwerde „ins Blaue“ hinein das Amtsgericht für die spätere Hauptverhandlung in seiner Auffassung von der Schuld des Mandant verfestigen kann (vgl. Rn. 72),
weiter, dass nach einer erfolglosen Beschwerde kein weiterer Rechtsbehelf mehr möglich ist (vgl. aber Hinweis Rn. 67)
und schließlich, dass die Dauer des Beschwerdeverfahrens den Zeitpunkt bis zur Hauptverhandlung verlängert.

71

Oftmals hilft anstelle der Beschwerde dem/der Mandanten/in die – ggf. ohne eine Einlassung – vorgetragene Anregung der Verteidigung – ggf. schon bei der Rücksendung der Strafakte – gegenüber der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen jetzt zügig abzuschließen und eine eventuell beabsichtigte Anklage zügig zu erheben, schneller wieder zu seinem Führerschein zu kommen, weil ein erfolgloses Beschwerdeverfahren lediglich Zeit (vgl. Rn. 68) kosten würde.

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Zur Abwendung einer erfolglose Beschwerdeentscheidung des Landgerichts kann und muss auch die Rücknahme der Beschwerde als strategische Entscheidung in Betracht gezogen werden, denn eine weitere Beschwerde nach § 311 StPO, um die ablehnende Beschwerdeentscheidung überprüfen zu lassen, ist nicht statthaft.

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Ein Grund, nach erfolgter Akteneinsicht von einer Beschwerde abzusehen, ist auch beispielsweise die Tatsache, dass in der Regel von der Verteidigung benannte Entlastungszeugen[3] erst in der Hauptverhandlung ausführlich darüber befragt werden können, was sie beobachtet haben bzw. Belastungszeugen können erst dann bzgl. der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen und bzgl. der Glaubwürdigkeit ihrer Person befragt werden.

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Strategisch denkbar ist auch, schriftliche Aussage von Entlastungszeugen der Beschwerdeschrift beizufügen. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, damit bei Gericht nicht der Eindruck entsteht, der Entlastungszeuge habe nur eine vorformulierte Erklärung unterschrieben. Um das zu vermeiden, sollte eine Zeugenaussage von der Verteidigung schriftlich angefordert werden. Ein hierzu geeignetes Musterschreiben, das gegebenenfalls um individuelle Fragen ergänzt werden sollte, ist in Muster 11 (Rn. 672) abgedruckt.

Hinweis

Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach Auffassung der Autoren nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Denn die ohne wirklich gute Argumente begründete Beschwerde ist in der Regel erfolglos und für den Mandanten eher schädlich. Das Beschwerdegericht ist am Landgericht des für die Hauptsache zuständigen Amtsgerichts angesiedelt und oftmals hat man als Verteidiger den Eindruck, dass eher die Amtsgerichte gestützt als kontrolliert werden sollen. Teilweise bestärkt das Landgericht das Amtsgericht in seiner Auffassung oder leistet sogar Argumentations- oder Aufklärungshilfe mit der Folge, dass in einem späteren Termin zur Hauptverhandlung das Amtsgericht nicht mehr offen an die Sachaufklärung herangeht, sondern nur noch das bereits vom Landgericht Vorgeschlagene zu bestätigen sucht oder sich daran gebunden fühlt. Dann ist – orientiert an der örtlichen Praxis – die richtige Strategie, den Kontakt mit der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Amtsgericht zu suchen, damit schnell die Ermittlungen abgeschlossen werden und ein zeitnaher Hauptverhandlungstermin bestimmt werden kann.

Anmerkungen

[1]

OLG Thüringen BA 2007, 182; OLG Braunschweig NZV 1996, 122; vgl. Anmerkung Staub zu LG Berlin DAR 2011, 156.

[2]

Vgl. Staub DAR 2016,421ff. zu LG Wuppertal zum bedeutenden Schaden; Staub DAR 2015, 412ff. zu LG Wuppertal zum Wissen können der Höhe des bedeutenden Schadens.

[3]

Zur Erörterung von Vorstrafen von Zeugen im Gerichtstermin vgl. Deutscher NStZ 2012, 359 ff.

Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › IV. Akteneinsicht und zweites Gespräch der Verteidigung mit dem/der Mandanten/in

IV. Akteneinsicht und zweites Gespräch der Verteidigung mit dem/der Mandanten/in

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Sobald die Strafakte in Papierform oder als Speichermedium (vgl. zur Einführung der elektronischen Akten in der Justiz die §§ 32-32f StPO) vorliegt, muss diese Akte kopiert bzw. eingescannt werden. Es gilt das Prinzip „eher zu viel, als zu wenig“.[1] Der Autor empfiehlt insoweit, immer eine Komplettkopie bzw. einen Komplettscan der Strafakte und ggf. sämtlicher Beiakten und Beweismittelordner[2] anfertigen zu lassen. Beim Fertigen der Kopien bzw. des Scans sollten auch die jeweiligen Seitenzahlen aus der Originalakte (oben rechts) auf den kopierten Seiten zu lesen sein oder übertragen werden, damit die Verteidigung bei der Verteidigungsschrift hierauf Bezug nehmen kann (vgl. Rn. 81) oder später in der Hauptverhandlung korrekte Vorhalte z.B. einem Zeugen seine polizeiliche Aussage betreffend, machen kann. Besonderes Augenmerk ist handschriftlichen Notizen, Anmerkungen, Unterstreichung etc. der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts zu schenken, die sich oft auch auf Rückseiten von Aktenblättern oder lose hinten in der Akte befinden. Diesen kann man oft Informationen entnehmen, die für die Verteidigungsstrategie von Bedeutung sein könnten. Manchmal befindet sich in der Strafakte die direkte Anfrage oder ein handschriftlicher Vermerk des/der sachbearbeitenden Staatsanwalts/in mit etwa folgendem Inhalts:

„Es ist – bei Zustimmung des Gerichts – eine Einstellung nach § 153a StPO beabsichtigt. Wird seitens der Verteidigung zugestimmt?“

Ein solcher Vermerk bietet regelmäßig die Möglichkeit – immer nur mit Zustimmung des/der Mandanten/in – das Strafverfahren schnell zu beenden. Ggf. kann schon mit Rücksendung der Original-Strafakte die Zustimmung schriftlich erklärt und ein Vorschlag zur Höhe der Geldauflage und zum Empfänger (Gemeinnützige Organisation oder Staatskasse) gemacht werden oder es empfiehlt sich, mit einem Anruf bei der Staatsanwaltschaft diese Details auszuhandeln. Das hängt von der Praxis der Staatsanwaltschaft und der Person des/der Rechtsanwalts/Rechtsanwältin ab.

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Bei dem Strafverfahren nach § 142 StGB enthalten die Akten häufig von der Polizei gefertigten Fotos des oder der unfallbeteiligten Fahrzeuge. In Papier-Strafakten befinden sich oft nur Ausdrucke der Digitalfotos, deren Qualität (Ausdrucke auf normalem Papier oder Fotopapier, schwarzweiß oder in Farbe) von der Praxis der Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaft abhängt, seltener bis nie ist der Datenträger mit den Original-Foto-Dateien selbst enthalten. Soll von Seiten der Verteidigung ein Sachverständiger für Verkehrsunfallrekonstruktionen eingeschaltet werden (vgl. hierzu näher unter Rn. 124 ff.), so braucht dieser in aller Regel die von der Polizei gefertigten Fotos als Dateien oder zumindest Ausdrucke in „bestmöglicher“ Qualität.

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Den Datenträger mit den Original-Foto-Dateien, sofern vorhanden, darf die Verteidigung zwecks Kopiervorgang entnehmen, Fotos kann man kopieren, einscannen etc. Oftmals übernimmt dieses bereits der Sachverständige, der als „Hilfsperson der Verteidigung“[3] dazu berechtigt ist. Wichtig ist nur, dass keine Originale oder der Datenträger abhandenkommen. Die Verteidigung kann und muss bei der Staatsanwaltschaft auch die Übermittlung des Datenträgers mit den Original-Foto-Dateien – ggf. direkt an den von ihm beauftragten Sachverständigen – beantragen,[4] zumindest eine amtlich gefertigte Kopie der Dateien fordern.[5]

Nach Anfertigung von Kopien bzw. des Scans ist die Strafakte an die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht zurückzureichen (vgl. Rn. 87) mit der Bitte, auf eine Stellungnahme (vgl. Rn. 79) der Verteidigung zuzuwarten. Das ist die Aufforderung rechtliches Gehör gewährt zu bekommen und wahrnehmen zu wollen. Mit dem/der Mandanten/in ist der Inhalt der Strafakte zu besprechen; im Regelfall ist das bei der Verteidigung von Verkehrsstraftaten die Rücksprache in den Kanzleiräumen (vgl. zur Überlassung der Strafakte in Kopie an den Mandanten Rn. 78).

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Bei dem nun folgenden zweiten Gespräch mit dem/der Mandanten/in wird diesem/r zunächst der wesentliche Inhalt der bisherigen Ermittlungen, so wie es sich aus der Strafakte darstellt, bekannt gemacht. Dabei kann der Verteidiger seinem/r Mandanten/in den gefertigten Aktenauszug zum Durchlesen und Durcharbeiten – vorab – überlassen, das ist natürlich zulässig.[6] Nach der Erfahrung des Autors ist der Regelfall jedoch, die wesentlichen Aktenteile vorzutragen, Wichtiges vorzulesen, Fotos gemeinsam anzuschauen etc.

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Dabei muss die weitere Verteidigungsstrategie festgelegt werden. Hierbei stellt sich zunächst die Kernfrage, ob eine „Einlassung“ des/der Mandanten/in zur Sache erfolgen soll oder ob man – weiterhin – schweigen soll – zum Aussageverhalten generell vgl. Rn. 23 ff. Diese wichtige taktische Frage kann nur für jeden Einzelfall gesondert entschieden werden.[7] Denkbar ist, dass lediglich eine Verteidigungsschrift der Verteidigung zur Strafakte übermittelt wird, die „nur“ den Akteninhalt würdigt und auf Widersprüche, Ungereimtheiten oder Lücken hinweist und im Übrigen keine Einlassung des/der Mandanten/in zum Tatgeschehen enthält (vgl. dazu Rn. 81). Soll jedoch eine Einlassung erfolgen, ist zu überlegen, ob eine selbst formulierte und niedergeschriebene – gemäß § 249 StPO verlesbare – Einlassung des/der Mandanten/in (vgl. dazu auch Rn. 28) oder eine von der Verteidigung für seine/n Mandanten/in formulierte Einlassung erfolgen soll. Die Verteidigung muss dabei immer die strafprozessualen Probleme einer von ihr für den/die Mandanten/in formulierten Einlassung bedenken. Zunächst gilt, dass Ausführungen der Verteidigung nur dann dem/der Mandanten/in überhaupt als eigene „Einlassung“ zugerechnet werden können, aus denen der Wille des/der beschuldigten Mandanten/in erkennbar ist, sich diese Äußerungen zurechnen zu lassen.[8] Das ist dann der Fall, wenn die Verteidigung zu dieser Erklärung ausdrücklich bevollmächtigt ist oder diese nachträglich genehmigt wird;[9] Rechtsausführungen der Verteidigung sind keine Sacheinlassung[10], ebenso wenig wie „nur“ eine Stellungnahme oder Überlegungen zum Akteninhalt[11].

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Grundsätzlich gilt, dass eine Einlassung der Verteidigung für seine/n Mandanten/in später in einer Hauptverhandlung nicht nach § 249 StPO verlesbar ist;[12] dann müsste das Gericht schon die Verteidigung als Zeugen vernehmen.[13] Die Verteidigung vermeidet strafprozessuale Probleme, wenn man Ausführungen macht, die „nur“ als Ausführungen der Verteidigung erkennbar sind, also: Keine Einlassung in Form eines Zitates oder überhaupt in direkter Rede. Denn zu beachten ist Folgendes: „Gibt der Verteidiger in der Hauptverhandlung in Anwesenheit seines Mandanten, der selbst keine Angaben zur Sache macht, Erklärungen zur Sache ab, so können diese ohne Weiteres als Einlassung des Angeklagten verwertet werden“.[14]

81

Denn die Entscheidung zur Abgabe einer Einlassung – egal ob eine eigene Einlassung des/der Mandanten/in oder eine Einlassung der Verteidigung für den/die Mandanten/in – ist später praktisch nicht mehr revidierbar. Eine Einlassung sollte in der Regel also nur abgegeben werden, wenn hiermit ein positives Ergebnis erreicht werden kann, beispielsweise eine Verfahrenseinstellung oder nach einem Geständnis ein mildes Urteil.[15]

Hinweis

Vom Autor als strategisch sinnvoll empfunden wird, entlastende Umstände oder Tatsachen, die eine günstigere Beurteilung rechtfertigen, im Ermittlungsverfahren besser nur durch die Verteidigung vortragen zu lassen, ohne dass eine Einlassung des/der Mandanten/in bereits im Ermittlungsverfahren erforderlich ist. So kann die Verteidigung in einer Verteidigungsschrift Widersprüche, Ungereimtheiten und Lücken im Ermittlungsverfahren aufdecken, bislang nicht bekannte Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen, Urkunden überreichen oder auch auf rechtliche Gesichtspunkte hinweisen, die allein schon zur Verfahrenseinstellung oder zu einer milderen Beurteilung führen, ohne dass es schon einer Einlassung bedarf. Der Autor beendet eine solche Verteidigungsschrift generell mit dem Zusatz: „Sollte sich die Staatsanwaltschaft dem Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Strafverfahrens oder der Auffassung der Verteidigung zur Sach- und/oder Rechtslage nicht anschließen können, wird gebeten dem/der Beschuldigten vor Abschluss der Ermittlungen über die Verteidigung noch einmal rechtliches Gehör zu gewähren. Es ist beabsichtigt, dann ggf. eine weitere Stellungnahme ggf. mit Beweisantrag abzugeben.“ Oftmals kommt die Staatsanwaltschaft dem nach und es könnte dann immer noch eine Einlassung (vgl. dazu Rn. 83) abgegeben werden.

82

Mit dem/der Mandanten/in muss offen die Erfolgsaussichten der Verteidigung, vor allem die Zielrichtung, erörtert werden. Es gibt keine „aussichtslosen Verteidigungen“. Es gibt allerdings Verteidigungsziele, die nach Kenntnis des Akteninhalts und der Beweismittel nicht mehr realisierbar sind. Wenn sich dabei ein Widerspruch zwischen dem nach dem Akteninhalt Realisierbaren und den Wunschvorstellungen des/der Mandanten/in ergibt, muss sich die Verteidigung offensiv damit auseinandersetzen.

83

In manchen Fällen bietet sich für den/die Mandaten/in beispielsweise auch oder nur noch ein „Geständnis“ (vgl. auch Rn. 462) an, verbunden mit der Anregung an die Staatsanwaltschaft, einen milden Strafbefehl bei Gericht zu beantragen. Oftmals kann auf diese Weise die Belastung bzw. Peinlichkeit einer Hauptverhandlung (ggf. mit Zuhörern als „Öffentlichkeit“) vor Gericht erspart werden. Vgl. zum Ablauf eines Gerichtstermins auch die Informationsschrift für den/die Mandanten/in Muster 10, Rn. 671.

84

Ist der/die Mandant/in noch keine 21 Jahre alt, so besteht gemäß § 1 JGG regelmäßig die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39–42 JGG). Und es kann Jugendstrafrecht gem. § 105 Abs. 1 JGG angewandt werden, wenn „die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt“[16]. Auch wenn eine Vielzahl von Staatsanwälten und Jugendrichtern bei Verkehrsstraftaten von Heranwachsenden in der Hauptverhandlung das allgemeine Strafrecht als Regelfall anwenden wollen, ist die Anwendung von Jugendstrafrecht immer sorgfältig zu prüfen. Im Strafverfahren gegen Jugendliche ist gemäß § 79 JGG das Strafbefehlsverfahren ausgeschlossen. Allerdings darf bei einem Heranwachsenden ein Strafbefehl erlassen werden, wenn das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist; zuständig bleibt jedoch der Jugendrichter (vgl. § 109 Abs. 2 JGG).

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Auch die wirtschaftlichen[17] Verhältnisse des/der Mandanten/in sollten für den Fall, dass Ziel der Verteidigung die Anregung gegenüber der Staatsanwaltschaft zum Erlass eines milden Strafbefehls ist, Beachtung finden. Auch sind im Strafbefehlsverfahren für den Mandanten die Kosten für die Verteidigung geringer, da es nicht zu einem gerichtlichen Verfahren mit einem zu vergütenden Hauptverhandlungstermin kommt.

Anmerkungen

[1]

So auch Weihrauch/Bosbach Rn. 129.

[2]

Vgl. Weihrauch/Bosbach Rn. 99, 103.

[3]

Vgl. LR-Lüderssen/Jahn § 147, Rn. 113.

[4]

Vgl. LR-Lüderssen/Jahn § 147, Rn. 115.

[5]

Vgl. LR-Lüderssen/Jahn § 147, Rn. 112.

[6]

Vgl. statt vieler: BGHSt 29, 99 (102).

[7]

Vgl. dazu u.a.: Malek Rn. 244; Bockemühl in: Bockemühl, Hdb., 2. Teil, 1. Kap. Rn. 144.

[8]

Vgl. hierzu: BGH NStZ 1990, 447 = StV 1990, 394; OLG Celle NStZ 1988, 426 = StV 1988, 425 = NJW 1989, 992; OLG Stuttgart NZV 1989, 203 = zfs 1989, 359; vgl. dazu auch: BGH NStZ-RR 2005, 353 = NJW 2005, 3808 (L); KG StV 2007, 620 = StraFo 2007, 243 = b. Müller/Schmidt NStZ 2008, 327, ([L] zu XVII, Nr. 1) = NStZ-RR 2008, 182 (L).

[9]

Vgl. z.B.: BGH NStZ-RR 2005, 353 = NJW 2005, 3508 (L).

[10]

Vgl. z.B.: BGH StraFo 2008, 79; NStZ 2008, 527 ff.

[11]

Vgl. BGHSt 39, 305 (306 f.).

[12]

Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 163a Rn. 14 (m.w.N.).

[13]

Vgl. BGHSt 39, 305 (306).

[14]

BGH NStZ-RR 1998, 51.

[15]

Vgl. auch: Hamm StV 1982, 490 (492); Bockemühl in: Bockemühl, Hdb., 2. Teil, 1. Kap. Rn. 149 f. (m. weit. Beisp.).

[16]

Vgl. u.a.: AG Saalfeld StV 2007, 15; Eisenberg JGG § 105, Rn. 31.

[17]

Zur Tages-Satz-Höhe bei Geldstrafe vgl. u.a.: OLG Frankfurt StV 2007, 470.