Kitabı oku: «Die Verdammten Reiche», sayfa 2

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Leah war einer der wenigen Lichtblicke in diesen verfluchten Mauern. Sie war eine Heilige gewesen, als sie vor fünf Jahren auf der Flucht vor ihrem Vormund zufällig in die Arme meines ersten Hauptmannes lief. Er wollte sie ursprünglich als Beute, zum Vergnügen für seine Männer, doch er kannte die Regeln, die in Kassathor herrschten. Er kannte meine Regeln.

Egal was sie einst alle waren, hier in den Mauern von Kassathor gehörten sie mir, waren meine Gefolgschaft, unterwarfen sich meinem Willen.

Sie alle fürchteten die Macht meiner beiden Seelen. Ich war nicht mehr das verängstigte Mädchen von damals, ich war die Herrin von Kassathor geworden.

Mit Rias an meiner Seite ging ich durch die verwinkelten Gänge und war froh, als ich den Thronsaal erreichte.

Der Mittelpunkt des großen Saals bildete die stattliche, schwarze Holztafel an der fünfzig Leute Platz fanden und deren Stühle an manchen Tagen alle besetzt waren. In ihrem Schatten geriet der verlassene, aus der Wand gehauene Thron, an der Stirnseite des Saals regelrecht in Vergessenheit. Ich steuerte zielstrebig einen der beiden großen Kamine an, in dem ein fröhlich flackerndes Feuer loderte. Eine Vielzahl von großen Sitzkissen lag davor locker verteilt auf den dichten Teppichen und ich setzte mich zufrieden auf eines davon. Rias nahm seinen gewohnten Platz direkt vor dem Kamin ein, gerade so nahe an den Flammen, dass sein Fell nicht Feuer fangen konnte.

„Wäre es nicht einfacher, wenn du dir trockene Sachen anziehst?“, fragte ich ihn und zog mir die Stiefel von den Füßen.

Das gleiche könnte ich dich fragen.“

Rias streckte sich zufrieden und schloss die Augen.

„Es ist heute so ruhig“, murmelte ich und unterdrückte ein Gähnen.

Sonst beklagst du dich immer wegen des ganzen Lärms. Sie gehen dir heute alle aus dem Weg, um dich nicht zusätzlich zu reizen. Sie wissen, welcher Tag heute ist.“

Wahrscheinlich hatte Rias mit seiner Vermutung Recht, denn normalerweise herrscht in dem großen Thronsaal reges Treiben. Kassathor war die Zuflucht, das Zuhause von vielen geworden.

Meine kindliche Unschuld ging damals verloren, als ich Kassathor das erste Mal betrat. Ich verstand die Ungerechtigkeit nicht, die mir widerfahren war. Ich begann die Männer zu hassen, die mich aus meinem Zuhause weggerissen hatten, verfluchte deren Familien und wünschte ihnen dasselbe Leid, wie das meine. Ich hasste meine Tante, die nichts unternommen hatte, um sie aufzuhalten, die sie wahrscheinlich sogar in mein Zuhause geführt hatte, eine Wahrheit die mich bis in mein Innerstes erzittern ließ. Ich hasste sie aus tiefster Seele, denn es besagte auch, dass sie für Siras Tod verantwortlich war.

Damals, als ich in diese kalten und leblosen Mauern verbannt worden war, erhob sich meine dunkle Seele in mir stärker als jemals zuvor. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte das unschuldige Land um mich herum mit in den Untergang gerissen. Das alleine wäre vielleicht nicht schlimm gewesen, denn bei allen Göttern, sie hatten es verdient, aber ich brachte mich durch das unbedachte Wirken meiner Magie selbst in Gefahr. Ich drohte mich in der Dunkelheit zu verlieren und erstmals verstand ich, warum meine Tante Angst vor mir hatte. Meine schwarze Seele hatte eine Magie entfesselt, vor der sich sogar Dämonen fürchteten und ich blieb nicht die einzige die das bemerkte.

Nach und nach gesellte sich die Dunkelheit zu mir und mit ihr kamen die Bestien aus den Albträumen braver Leute. Diebe, Mörder, Dämonen und sonstiger Abschaum. Sie wurden von meiner Macht angezogen wie die Motten vom Licht. Sie fürchteten mich, aber was noch wichtiger und zugleich verwirrender war, sie respektierten mich und ernannten mich zu ihrer Herrin.

In all der Zeit war Rias mein einziger Halt, wenn ich drohte zu weit auf dem dunklen Pfad voranzuschreiten und ich lernte mit den Jahren, meine beiden Seelen in der Waage zu halten. Seitdem herrschte ein brüchiges Gleichgewicht in meinem Inneren, denn meine dunkle Seele hatte die Freiheit gekostet und es war schwer sie zurückzuhalten. Ich verbannte meine überschüssige dunkle Magie in die Steine Kassathors. Sie färbten sich von grau zu schwarz und mittlerweile waren sie nur so durchtränkt von meiner schwarzen Magie. Kassathor erstrahlte in einem wunderschönen Obsidian, das sogar dunkler als die Nacht war.

Seit damals hatte ich Regeln aufgestellt, um mich selbst zu schützen. Ich erlaubte allen, die an die Tore von Kassathor klopften, hier zu bleiben, ich verurteilte keinen von ihnen für ihre Taten, doch als Gegenleistung forderte ich, dass sie sich mir unterordneten.

Die Regeln innerhalb Kassathors Mauern waren ganz einfach. Es wurde hier nicht gemordet, gestohlen, betrogen oder sonstige Intrigen begangen. Es war mir egal, ob sie es außerhalb dieser Mauern taten. Jeder musste überleben auf die eine oder andere Weise. Aber sobald sie hier die Tür hinter sich schlossen und mir gegenübertraten, hatten sie sich mir zu beugen.

Ich sah zu der großen Tafel in meinem Rücken und dachte unwillkürlich an meine Tante. Sie würde bestimmt tot umfallen, wenn sie wüsste, dass ich mit Mördern und Dämonen an einem Tisch saß und gemeinsam mit ihnen zu Abend aß. Andererseits war sie sicherlich froh, dass ich verbannt in diesen Mauern festsaß und kein Unheil mehr über sie bringen konnte. Vielleicht ging Beth auch davon aus, dass ich schon tot war.

Ich verfluchte im Stillen zum unendlichsten Male die magische Barriere, die mich daran hinderte, den einzigen Weg durch die Schlucht hindurch zu passieren. Ich hatte es oft genug versucht, aber die Magie, die dort gewirkt worden war, war mächtig. Irgendwann hatte ich es aufgegeben, obwohl meine Neugier immer wieder von Neuem aufflammte.

Vielleicht sollte ich es einfach wieder einmal versuchen?

Es war schon über ein Jahr her, dass ich zuletzt den Weg durch die Schlucht genommen hatte und kurz vor dem alten Wachposten an die unpassierbare Barriere gestoßen war. Rias war probehalber hindurchgelaufen und ihm war nichts geschehen. Alle konnten die Barriere passieren, nur ich nicht.

Ich verfluchte diesen Jahrestag, an dem ich immer wieder daran erinnert wurde, dass ich einst ein Leben außerhalb dieser Mauern hatte.

Genervt stieß ich ein leises Seufzen aus und lehnte mich auf den Kissen zurück. Ich hoffte, Leah würde bald mit meinem Becher Wein kommen. Weit über mir vereinigte sich die steinerne Decke des Saals zu einem wunderschönen Mosaik. Wer auch immer damals Kassathor erbaut hatte, hatte Sinn für Schönheit besessen.

Es gefällt mir nicht, wenn du so niedergeschlagen bist.“

„Und ich dachte, du schläfst. Pass auf das du nicht Feuer fängst“, entgegnete ich mürrisch.

Ein Wolf aus den Verdammten Reichen kann kein Feuer fangen.“

Ich verkniff mir ein Lachen und richtete mich auf meine Ellbogen auf. Rias bernsteinfarbene Augen waren auf mich gerichtet und ich wusste genau, dass er nach dem leisesten Anzeichen suchte, dass meine Stimmung zu sehr in Richtung Dunkelheit kippte.

„Ich habe die letzten Jahre überstanden Rias. Keine Angst ich werde auch diesen Tag überstehen und kein Verderben über euch bringen.“

Ich habe keine Angst. Von mir aus kannst du das ganze Land in die Dunkelheit schicken, sie haben es verdient. Glaube nicht, dass ich mich nicht freuen würde. Ich mache mir jedoch um dich Sorgen. Mit wem soll ich dann meinen Spaß haben, wenn du dich in dir selbst verlierst?“

Rias Worte erreichten mein Herz und ich war so dankbar, dass er nicht nur mein Beschützer, sondern auch mein Freund war.

„Ich werde aufpassen“, versprach ich ihm.

„Außerdem bist du doch da. Genauso wie Viktor, Leah und der ganze Rest.“

Kurz sah ich etwas in Rias Augen aufleuchten, doch er drehte seinen Kopf in Richtung der doppelflügeligen Tür, durch die man den Thronsaal betrat und ich war mir nicht sicher, ob sich nicht nur das Feuer in seinen Augen gespiegelt hatte.

Wenn man von ihm spricht.“

Bevor ich etwas erwidern konnte, krachte die Tür mit Schwung an die Wand und warf ein dumpfes Echo in die Weite des Saals.

„Meisterin du bist zurück. Ich habe dich gar nicht hereinkommen sehen“, erklang eine tiefe Stimme.

Mit einem leisen Knurren wandte Rias seinen Kopf zur anderen Seite und somit dem Feuer zu.

Ich beobachtete die große Gestalt, die auf mich zukam.

„Viktor! Du als mein erster Hauptmann, solltest über alles Bescheid wissen, was innerhalb dieser Mauern vonstattengeht. Also auch wann ich wieder zurück bin“, erklärte ich mit ernster Stimme.

Ich hörte Rias gedankliches Lachen und musste selbst lächeln.

„Das nächste Mal werde ich euch eine Glocke umbinden“, meinte Viktor missmutig und schaffte es mit seiner Ernsthaftigkeit das ich ihm sofort glaubte.

Er erreichte mich und verschränkte verärgert die Arme vor seiner durchtrainierten Brust. Auf seinen Unterarmen konnte ich die Runen seiner dämonischen Siegelsprüche sehen, die sich als verschlungene Spiralen um seine Arme herum wanden. Unter dem Kragen seiner Tunika spitzte das Ende einer weiteren Rune hervor. Seine dämonische Aura umringte ihn wie ein Schutzschild und ließ keinen Zweifel daran, dass Viktor durch und durch ein Dämon war. Der Posten des ersten Hauptmanns war wie für ihn gemacht.

Sein gestählter Körper schreckte die meisten von vornherein ab, sodass Viktor noch nicht einmal sein Können unter Beweis stellen musste. Als Dämon ersten Ranges, hatte er sich aufs Töten spezialisiert und sich als erster Kommandant des Herrn der Verdammten Reiche einen Namen gemacht.

Nun, zumindest bevor er an Kassathors Tore geklopft und um Einlass gebeten hatte. Damals wusste ich nicht, wer er war und es interessierte mich auch nicht. Zacharias dagegen kannte ihn dafür um so besser. Von Anfang an war er dagegen gewesen Viktor in meine Dienste zu stellen, doch ich sah dessen Kraft und Stärke und als Verbannte konnte man davon niemals genug bekommen.

Warum Viktor die Verdammten Reichen verlassen hatte und vor allem, wie das überhaupt möglich war, war mir ein Rätsel. Viktor sprach nicht darüber und beantwortete keine meiner Fragen über die Zeit in den Verdammten Reichen. Schlussendlich gab ich es auf und begnügte mich damit, dass er mir seine Treue schwor und sich für meinen sowie Kassathors Schutz einsetzte.

„Viktor so lange nur ich es bin, die sich an dir vorbei schleicht, ist alles Bestens“, entgegnete ich und strich durch meine Haare, die schon fast wieder getrocknet waren.

„Ihr hättet ihn sehen sollen Herrin. Er schlich wie ein schlecht gelaunter Ehemann vor der Küche herum und hielt mich vom Arbeiten ab“, beklagte sich Leah, die sich an Viktor vorbeischob und mir den Weinbecher reichte.

Über ihrem Arm trug sie trockene Kleider, die sie neben mich auf den Boden legte.

„Ich bin ein Dämon Nonne! Also steht mir schlechte Laune zu.“

Leah funkelte ihn böse an und trat hinter mich um meine halbtrockenen Locken zu entwirren.

„Ich bin keine Nonne mehr! Die Götter verweilen nicht an einem Ort wie diesen“, meinte sie leise.

„Nun, zumindest die weißen Götter tun es nicht. Was die wilden Götter betrifft, so würde ich dafür nicht meine Hand ins Feuer legen“, entgegnete Viktor.

„Hier ist kein Platz für Götter, weder für die einen noch für die anderen, außer natürlich, ich würde euch alle hinauswerfen.“

Viktor zog die Augenbrauen zusammen und seine dunkelbraunen Augen schweiften kurz zu Rias. Ein sonderbarer Ausdruck lag darin, doch ich konnte ihn nicht richtig deuten.

„Es reicht, wenn du den Hund nach draußen bringst. Dorthin wo Hunde hingehören.“

Ich spürte, wie plötzlich eine gewisse Spannung in der Luft lag und wie Rias seinen Kopf in Viktors Richtung drehte. Seine bernsteinfarbenen Augen brannten sich regelrecht in Viktors und keiner der beiden, schien nachgeben zu wollen.

Ich nahm einen Schluck von dem schweren, süßlichen Wein und stand auf. Ohne groß auf Viktor, Leah und Rias zu achten begann ich aus meinem klammen Kleid zu schlüpfen.

„Warum geht ihr nicht beide raus und lasst mich alleine?“, fragte ich teilnahmslos.

„Herrin!“

„Leah ich warne dich! Ich will nichts über Moral und Schamgefühl hören“, warnte ich sie und Leah schloss sofort ihren Mund.

Als ehemalige Nonne sprühte sie nur so davon über und versuchte jedes Mal, wenn sich die Gelegenheit bot, an meine gute Seele zu appellieren.

Glücklich schlüpfte ich in mein trockenes Kleid und zog mir die langen, warmen Strümpfe bis über die Knie hinauf. Meine weißen Locken waren bereits getrocknet und entspannt langte ich erneut nach meinem Becher. Die Spannung in dem großen Saal nahm immer weiter zu und ich seufzte innerlich. Es war nicht gerade förderlich für meine niedergeschlagene Stimmung.

„Hört auf ihr beiden!“

Viktor strich sich durch sein kurzes, braunes Haar und wandte schließlich mit einem genervten Brummen den Blick ab. Was auch immer zwischen den beiden vorgefallen war, es war Vergangenheit. Hier in Kassathor hatte es keine Bedeutung.

Ein leichter Schauder jagte über meine Haut, als ich an die wilden Götter dachte und unwillkürlich strich das Bild des versiegelten Tors in der Eingangshalle durch meine Gedanken.

Du hast das Tor selbst versiegelt, warum jagt es dir jedes Mal aufs Neue so eine Angst ein?“

Ich weiß es nicht. Es hat etwas an sich das ich nicht greifen, nicht in Worte fassen kann. Es ist schwer zu beschreiben. Genauso wie das, was auch immer zwischen dir und Viktor vorgeht. Warum kannst du dich nicht mit ihm vertragen?“

Warum sollte ich? Er ist derjenige der nichts besseres weiß, als mich jedes Mal aufs Neue zu reizen.“

Ich verzog leicht verärgert den Mund, denn ich wusste, wenn Rias schmollen wollte, dann war es besser ihn sich selbst zu überlassen.

„Meisterin?“

„Hmm?“, ich wandte mich mit fragendem Blick Viktor zu.

„Warum ich eigentlich nach dir gesucht habe ist der Grund, dass meinen Männern und mir zufällig ein Bote in die Arme gelaufen ist, der sich am alten Wachposten herumgetrieben hat.“

„Ein Bote am alten Wachposten?“

„Ja.“

„Und er ist euch zufällig in die Arme gelaufen?“

„Ja.“

Viktors unbewegliche Miene verriet mir alles, was ich wissen musste. Bestimmt waren seine Männer auf dem Weg gewesen ihren Schandtaten nachzugehen und durch diesen kleinen Zwischenfall am Wachposten, waren sie davon abgekommen, was wiederum bedeutete, dass sich heute Nacht viele schlecht gelaunte Dämonen in Kassathor herumtrieben.

Der alte Wachposten war schon seit Jahren verlassen. Er war aufgegeben worden, als man sicher sein konnte, dass die magische Barriere ausreichend war, um mich hier gefangen zu halten. Außerdem waren zu viele Tote zu beklagen gewesen. Viktor und seine Männer hatten sich einen Spaß daraus gemacht, jeden einzelnen von ihnen abzuschlachten.

„Was für ein Bote?“, fragte ich daher lauernd und nippte an meinem Wein.

Viktors Augen wurden schmal und ich merkte, wie sich Rias hinter mir anspannte.

„Er war auf der Suche nach dir.“

„Was?“, hauchte ich und trat einen Schritt auf Viktor zu.

Ungewollt sammelte sich ein Bruchteil meiner schwarz schimmernden Magie an meinen Fingerspitzen und strömte in einem unsichtbaren Wind, in kleinen Wirbeln, um mich herum. Mein Herz schlug immer schneller und ein sonderbares Gefühl bereitete sich in mir aus.

Leah schlug sich eine Hand vor den Mund und verfolgte angstvoll, wie die schwarzen Fäden sich immer weiter ausbreiteten. Noch ging keine Gefahr von ihnen aus, doch es war nur eine Frage der Zeit.

Ich hörte, wie sich Rias erhob und keinen Augenblick später spürte ich sein weiches Fell an meinen Fingerspitzen. Die Magie ebbte bei seiner Berührung langsam ab und ich fühlte wie sich mein Herzschlag beruhigte.

„Danke“, murmelte ich leise und krallte meine Hand in Rias Fell.

„Herrin geht es euch gut?“, fragte Leah und bemühte sich sichtlich, sich wieder zu entspannen.

„Ja, es ist alles in Ordnung. Vielleicht könntest du mir noch etwas zu essen bringen?“, fragte ich und zwang mich zu einem Lächeln.

Leah nickte knapp, schnappte sich die klammen Kleider vom Boden und beeilte sich meiner Bitte nachzukommen. Mit schnellen Schritten verließ sie den Thronsaal. Es glich einer Flucht und ich konnte es ihr nicht verübeln. Dass Leah mich selbst nach all den Jahren, die sie nun schon hier war, noch immer fürchtete, war verständlich. Sie alle fürchteten sich und ich war mir sicher, dass es sich nie ändern würde.

Ob Sira auch Angst vor mir hatte? Vor meiner Magie?

Ich hatte mir diese Fragen schon oft gestellt und konnte sie nie beantworten. Die Antwort darauf würde in der Vergangenheit begraben liegen.

--¤-¤-- Zacharias --¤-¤--

Das Feuer wärmte mein nasses Fell und vertrieb zu einem gewissen Teil meine schlechte Laune. Ich verstand Ellysa nicht. Warum ging sie jedes Mal bei diesem Wetter hinaus auf den Friedhof?

Wie ich dieses trübe Wetter und vor allem den Regen hasste!

Die Herbststürme standen bevor, was wiederum bedeutete, dass es mir noch öfter bevorstand bei Regen und Sturm nach draußen zu gehen.

Jedes Mal meinte sie, ich solle innen bleiben, doch keine tausend Dämonen aus den Verdammten Reichen könnten mich davon abbringen sie irgendwo alleine hingehen zu lassen.

In letzter Zeit wurde das Gefühl sie beschützen zu müssen übermächtig. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals jemanden so verschwören könnte.

Für einen Wolf aus den Verdammten Reichen war ich jung und es gab eigentlich nichts Schöneres für mich, als durch die Wälder zu streifen und jeden zu reißen, der mir über den Weg lief, dabei machte es keinen Unterschied, ob Mensch oder Tier. Der Geruch nach Blut und das Fleisch zwischen meinen Zähnen bedeuteten das pure Glück für mich, aber mit Ellysa hatte sich alles verändert. Jetzt war ich zufrieden, wenn ich mich vor dem Kamin ausstrecken, dem Prasseln des Feuers lauschen konnte und wusste, dass sie in Sicherheit war.

Im Kopf ging ich nochmals das Gespräch mit Ellysa durch. Ich meinte es ernst damit, dass es mir egal war, ob sie das Land mit Dunkelheit überflutete oder nicht. Ich wusste nur, dass sie es sich niemals verzeihen könnte, wenn es tatsächlich so wäre. Schuld daran war diese andere Seite in ihr und die einzige Frage war, wie lange sie es schaffte beide Seelen einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Irgendwann würde auch ich Ellysa nicht mehr beruhigen können, ganz zu schweigen von Viktor und den abschaumartigen Rest, der sie umgab. Sollte es jemals soweit kommen, dann konnten wir alle nur hoffen, dass sie uns in einem Stück in die Verdammten Reiche schicken würde.

Ich spürte, noch bevor sich die Türen zum Thronsaal öffneten, dass sich Unheil ankündigte und meine Vermutung wurde bestätigt, als ich Viktor roch.

Viktor, Ellysas erster Hauptmann, der ebenfalls für ihre Sicherheit sorgte und die restlichen Bastarde in Kassathor unter Kontrolle behielt. Viktor, der sich hier eingenistet hatte aus welchem Grund auch immer.

Viktor, der Dämon, der bei mir ein undefinierbares Gefühl auslöst.

Wie ich ihn verabscheute!

Er nutzte jeden Moment, um verächtlich auf mich hinabzusehen, als wäre er etwas Besseres.

Warum bei allen verfluchten Göttern hatte Ysa ihn nur aufgenommen? Warum war er nicht in den Verdammten Reichen geblieben?

Am Rande bekam ich mit, wie sich Viktor und Ellysa über irgendetwas unterhielten, doch es interessierte mich nicht sonderlich. Ich wollte nur meine Ruhe, vor allem vor Viktor.

Das prasselnde Feuer war so beruhigend, dass ich fast wegdöste, bis ich das Wort Hund hörte.

Wie konnte er es nur wagen, mich als solchen zu bezeichnen?

Wütend öffnete ich meine Augen und versank regelrecht in Viktors braunen Seen. Bei seinem Blick erstarrte alles in mir.

Warum nur? Warum überkam mich in letzter Zeit so ein sonderbares Gefühl bei seinem Anblick und warum wurde es immer stärker anstatt zu verschwinden?

Ellysa schien meine Anspannung mitzubekommen, denn ihr grauer Blick richtete sich auf mich und ich mahnte mich selbst, mich nicht weiter von Viktor provozieren zu lassen.

„Warum geht ihr nicht beide raus und lasst mich alleine?“

„Herrin!“

Meine Augen huschten zu Leah, die gerade zu einem ihrer bekannten Tadel ansetzte, in der Hoffnung Ysa noch etwas mehr Lieblichkeit und Schicklichkeit einzutrichtern.

Die Jahre in denen Ellysa noch etwas angenommen oder gar gelernt hätte, waren allerdings vorüber. Ich hatte sie die ersten Jahre, in denen wir alleine waren geprägt und mir lag wenig an Etikette oder gar Schicklichkeit.

Ein leises Geräusch aus Viktors Richtung ließ mich wieder zu ihm sehen und meine Augen huschten über sein kantiges Gesicht und mir entging nicht sein süffisantes Lächeln.

„Hört auf ihr beiden!“

Ellysas Befehl erlöste mich aus seiner Anziehungskraft und ich wandte schnell den Kopf ab. Viktors dämonische Aura strich um mich herum und setzte sich in meinem Fell fest.

Im Moment wäre ich tausendmal lieber draußen im Regen als mit ihm hier zusammen in einem Raum.

Plötzlich spürte ich Ellysas Angespanntheit und wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen vor mir. Ich durfte mich nicht von Viktor ablenken lassen und zum Glück wusste ich gleich, was bei Ysa so plötzlich dieses Gefühl auslösen konnte. Dieses verfluchte Tor!

Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wurde sie nervös.

Ich fragte mich oft ob Ellysas Tante und die Männer, die sie damals nach Kassathor verbannt hatten, wussten, dass es dort einen direkten Zugang in die Verdammten Reiche gab. Ob sie wohl wussten, wie viel Glück sie hatten, dass dieses Kind klug genug war, dieses Tor zu versiegeln?

Wohl kaum! Ich hätte ihnen gegönnt, zu erleben was aus diesem Tor alles hervorkommen konnte. Finsternis und Verderben, etwas anderes gab es in den Verdammten Reichen nicht. Bis auf ihn. Er, der über all das dort herrscht. Mein ehemaliger Herr und Meister.

Ellysas innerliche Angst nahm zu und ich riss mich von meinen Erinnerungen los, um sie zu beruhigen, wie ich es so oft tat.

„Du hast das Tor selbst versiegelt, warum jagt es dir jedes Mal aufs Neue so eine Angst ein?“

Ich weiß es nicht. Es hat etwas an sich das ich nicht greifen, nicht in Worte fassen kann. Es ist schwer zu beschreiben. Genauso wie das, was auch immer zwischen dir und Viktor vorgeht. Warum kannst du dich nicht mit ihm vertragen?“

Warum sollte ich? Er ist derjenige der nichts besseres weiß als mich jedes Mal aufs Neue zu reizen.“

Mein gedankliches Gespräch mit Ysa verlief in eine Richtung, die nicht gut war. Viktor war eine Sache, über die ich nicht mit ihr sprechen wollte.

Ich legte meinen Kopf auf die Pfoten und versuchte mich auf das warme Feuer neben mir zu konzentrieren. Das gelang mir genau so lange, bis ich erneut Ysas aufgewühlte Gefühle wahrnahm und was noch viel Schlimmer war, ihre erwachende Magie. Schwarz schillernde Fäden woben sich in einem wirren Muster um sie herum und ich verfluchte Viktor auf ein Neues, denn irgendetwas hatte Ellysa so durcheinander gebracht, dass ihre dunkle Seele die Chance nutzte sich zu zeigen und dieser verfluchte Dämon war bestimmt der Grund dafür. Schnell erhob ich mich und ging zu ihr. Sobald mein Fell ihre Fingerspitzen berührte, beruhigte sie sich sichtlich. Ihre Magie ebbte ab und ich spürte, wie ihr Herzschlag langsamer wurde.

„Danke.“

„Herrin geht es euch gut?“

Mein Blick schweifte zu der kleinen, rundlichen Nonne, die sichtlich darum bemüht war, ruhig zu bleiben. Sie war nur etwas älter als Ellysa und ich würde es nie verstehen, wie sie es hier mit all den Dämonen, Mördern und sonstigem Abschaum aushielt.

„Ja, es ist alles in Ordnung. Vielleicht könntest du mir noch etwas zu essen bringen?“

Ich sah Leah hinterher, als sie eilig Ysas Bitte nachkam und den großen Saal verließ.

Ellysa begann mich abwesend hinter den Ohren zu kraulen, eine Angewohnheit, die ich ihr nicht abgewöhnen konnte.

„Was wollte dieser Bote? Hat er eine Nachricht?“

„Er wollte nicht reden, obwohl er einen Dolch an der Kehle hatte.“

„Woher weiß er, dass ich hier bin?“

Viktor zuckte mit den Schultern und ein düsterer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

„Ich denke, er wusste es nicht. Wahrscheinlich hat man ihn zu dem Wachposten geschickt und alles weitere hat seinen Lauf genommen.“

„Und er war sicher alleine unterwegs?“

Ich hörte Ysas versteckte Drohung und auch Viktor entging sie nicht. Die Gefahr, dass der Bote nicht alleine unterwegs war, war groß. Sollte er oder eine mögliche Begleitung die Gelegenheit gehabt haben nach Hilfe zu schicken, dann konnte es bedeuten das Ellysa in Gefahr war. Ysas bisheriger Schutz galt der Tatsache, dass sich niemand freiwillig Kassathor näherte. Das Kind von damals war wahrscheinlich nicht mehr als eine düstere Geschichte, denn alleine die Möglichkeit das ein siebenjähriges Kind auf sich alleine gestellt überleben konnte, war absurd. Bis jetzt schien es so, als hätte das restliche Land die Fluchträgerin vergessen und es war für alle das Beste, wenn es so blieb. Ellysa war stark geworden und ich wollte mir nicht vorstellen, welche Kräfte sie entfesseln würde, wenn jemand Kassathor oder speziell sie angreifen würde.

„Ein Wort von dir und er weilt nicht mehr unter den Lebenden. Ich bin mir sicher, dass er alleine war, aber wenn du glücklicher bist, wenn er tot ist, dann genügt nur ein Wort“, entgegnete Viktor unbeeindruckt.

Ich wünschte Viktor in die Verdammten Reiche zurück. Sollten er und seine Männer Ellysa durch ihr Handeln wirklich in Gefahr gebracht haben, dann würde ich ihn höchstpersönlich dorthin befördern. Sollte es neue Gerüchte geben, dass sie noch lebte, die Erbin des dritten Burgherrn, noch dazu die Trägerin dieses Fluchs, dann wäre ihr Leben aufs Neue in Gefahr.

Damals in der Eingangshalle, bei dem Streit von Sira und ihrer Tante, hatte mich ein Gefühl reiner Vorfreude gepackt. Ich hatte gespürt das eine Veränderung anstand und sie sehnlichst erwartet. Ich hatte mir so sehr gewünscht aus den einengenden Mauern heraus zu kommen, allerdings nicht auf dem Weg, den wir vor fünfzehn Jahren gezwungenermaßen nehmen mussten.

So ungern ich es mir jetzt eingestehen wollte, so stieg allmählich genau jene Vorahnung wieder in mir auf, nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal mit Furcht vermischt war.

Bei den Gehängten der Verdammten Reiche was konnte das nur bedeuten?

„Ich werde ihn selbst fragen, was ihn an die Grenzen von Kassathor geführt hat“, meinte Ysa ruhig und zog ihre Hand aus meinem Fell.

Viktor wandte sich zum Gehen und streifte mich dabei mit seinem Blick.

„Vielleicht solltest du den Hund hier lassen. Das Verlies ist kein Ort für ihn. Am Schluss könnte ich noch auf die Idee kommen ihn dort anzuketten.“

Ich stieß ein leises, warnendes Knurren aus und mein Nackenhaar sträubte sich. Viktors braune Augen verengten sich belustigt und ein wissendes Lächeln glitt über seine Lippen.

„Viktor hör auf ihn zu provozieren! Und du, lass dich nicht ärgern! Du weist doch, wie er es meint.“

Ellysa zwickte mich ins Ohr, während ich mit meinen Blicken versuchte diesen verfluchten Dämon zu töten.

Ja, ich wusste ganz genau, wie er es meinte. Viktor meinte es genau so, wie er es sagte.

Ich folgte den beiden aus dem Thronsaal und mit jedem Schritt nahm dieses ungute Gefühl in mir weiter zu.

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