Kitabı oku: «Bayerische Charakterköpfe», sayfa 2

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„Herr Papst, wärt Ihr hier, ich getraute mich wohl, Euch zu sagen …“

Ein feuriger Elias
Warum der nicht sehr bibelfeste Bruder Berthold von Regensburg (um 1210–1272) zu einem der besten Volksprediger des Mittelalters wurde

Er war der prominenteste deutsche Volksprediger des Mittelalters. Einen „feurigen Elias“ nannte man ihn oder die „leuchtende Fackel“. Wo er auftauchte, strömten die Menschen in Scharen zusammen. Der Bauer ließ die Ochsen vor dem Pflug stehen und der Metzger seine Schinken unter dem Rauchfang liegen. „Seit den Aposteln bis auf unsere Tage“ sei ihm niemand gleichgekommen, zumindest in deutschen Landen, schwärmt der italienische Geschichtsschreiber Salimbene de Adam in seiner nach 1280 entstandenen sehr unterhaltsamen Chronik:

„Wenn er über das Jüngste Gericht predigte, da zitterten alle so, wie die Binse zittert im Wasser. Und sie baten ihn um Gottes willen, über dieses Thema nicht zu predigen, weil sie fürchterlich und schrecklich Not litten, wenn sie ihn anhörten.“

Dass Kirchen und Basiliken Bertholds Publikum nicht fassen konnten, dass er auf Baumkanzeln und Holzgerüsten reden musste, ist gut bezeugt – ebenso wie die massive Erschütterung, die diese Ansprachen auslösten. Hartgesottene Sünder bekehrten sich, erbitterte Feinde fielen einander weinend in die Arme, Patrizierinnen und Edelhuren trennten sich von ihren Juwelen. Das zumindest hatte der Wanderprediger Berthold mit seinem großen Vorbild, dem durch Galiläa ziehenden Rabbi Jesus, gemeinsam: Beide veränderten nicht unbedingt die Welt, aber die Lebensläufe einzelner Menschen, und zwar radikal.

Franziskus und die Arroganz der Gelehrten

Bertholds Geburtsdatum liegt irgendwann zwischen 1200 und 1210; es sind die Jahre, in denen Franziskus durch Umbrien wandert und seine Kirche einlädt, dem armen Christus wieder mehr zu vertrauen als der Herrschaftssicherung durch Besitz und Waffen. Wo Berthold zur Welt kam, wissen wir nicht, manche nehmen an, in Regensburg. Familienname, Elternhaus, Beruf des Vaters: unbekannt. Um 1226, zwei Jahre nach dem Tod des bezaubernden Francesco von Assisi, soll er in dessen Orden eingetreten sein, in Regensburg vermutlich.

Charismatisch: Bruder Berthold von Regensburg

Damals hatten die Franziskaner hier gerade vom Bischof Konrad ein altes Kirchlein und ein Wohnhaus geschenkt bekommen und eine ihrer ersten deutschen Niederlassungen gegründet. Das Volk nannte die ohne Schuhe durch die Straßen eilenden Mönche respektlos „Barfüßer“. Sie selbst bezeichneten sich etwas seriöser als Minoriten, „mindere Brüder“.

Seine Ausbildung absolvierte Berthold wohl in Magdeburg, wo die Franziskaner ein sehr anspruchsvolles Studienzentrum für Philosophie und Theologie aufbauten. Die so schlicht auftretenden Minderbrüder hatten nämlich vor, sich auf Predigt und Seelsorge in den Städten zu spezialisieren. Francesco selbst freilich hatte die Arroganz der Gelehrten wie die Pest gefürchtet.

Berthold jedenfalls erwarb sich ein solides Wissen, das zeigen die Anspielungen in seinen späteren Predigten. Wahrscheinlich ging er in Magdeburg bei dem hochgebildeten Engländer Bartholomaeus Anglicus in die Schule, der Naturwissenschaft und Astronomie streng sachlich vermittelte, ohne die damals üblichen weitschweifigen Allegorien.

Dort in Magdeburg hat Berthold möglicherweise einige Jahre als Lektor gewirkt, bevor er zu predigen begann. 1246 wird er als Visitator des Regensburger Damenstifts Niedermünster erwähnt: Die vornehmen Fräulein lebten hier zwar nach der Regel des heiligen Benedikt; deren Strenge war aber durch eine Menge Freiheiten gelockert, und die kirchliche Obrigkeit fand es angebracht, von Zeit zu Zeit nach dem Rechten zu sehen. Berthold als Klostervisitator – das setzt voraus, dass er ein erfahrener Ordensmann von untadeligem Ruf war und von der Bistumsleitung geschätzt wurde.

„Habgieriger, wie gefällt dir das?“

Von jetzt an beginnen die Quellen zu fließen. Wir wissen, dass Berthold zwischen 1250 und 1265 rastlos unterwegs war. In Niederbayern, in Speyer, Pforzheim und Augsburg hat er gepredigt, im Elsass und in der Schweiz, in Österreich, Böhmen und Schlesien, Thüringen und Ungarn. Es war die „kaiserlose, schreckliche Zeit“ des Interregnums, als Bürgerkrieg, Faustrecht und Straßenraub die Szene beherrschten. Fürsten und Adelige bekämpften sich auf Kosten der unteren Schichten, eine korrupte Justiz bot keinen Schutz. Doch auch eine frisch aufgebrochene religiöse Sehnsucht gehört zur Epoche, mit Alternativmodellen zur machtverkrusteten Kirche in neuen Frömmigkeitsformen und Gemeinschaften – und mit Aberglauben, Wundersucht und wilden apokalyptischen Ängsten.

Bertholds Namen scheint man bald in halb Europa gekannt zu haben. Er predigte meist im Freien, von der Stadtmauer oder von einem hölzernen Turm herunter. Salimbene de Adam: „Auf dessen Spitze wurde eine Fahne aufgepflanzt, um festzustellen, aus welcher Richtung der Wind wehte und wohin das Volk sich setzen sollte, um am besten zu hören.“ Bisweilen sind es solche technischen Details, die den begnadeten Redner verraten.

Wenn Berthold oben auf seiner Linde oder seinem Holzturm wie auf einer Kanzel stand und das Volk sich auf einer weiten Wiese ringsum lagerte, hatte er die schönste Kulisse für seine breit ausgemalten Gleichnisse. Die furchterregende Begegnung mit dem Satan schilderte er, als entwerfe er ein Bühnenbild:

„Und wäre es so, dass man den Teufel möchte sehen mit fleischlichen Augen, dass man vor Grauen nicht stürbe, und dass er jetzt dort her ginge aus dem Wald, und es stünde hier vor uns ein glühender Ofen, es gäbe das allergrößte Gedränge in den glühenden Ofen, das die Welt je sah …!“

Bertholds Predigten müssen eine unglaubliche Suggestivkraft entfaltet haben – was sicher vor allem an ihrer Drastik und ihrem Bilderreichtum lag. Gebannt lauschten die Zuhörer, wenn Berthold sich über die scheinbar frommen Anstrengungen eines notorischen Geizhalses lustig machte und dabei die feine Ironie Schritt für Schritt mit wütender Anklage vertauschte. Er soll nur das Kreuz nehmen und ins Heilige Land pilgern, der Geizkragen, es wird ihm nichts nützen:


So nimm das Kreuz, welches der Papst gibt, und nimm dazu das Kreuz, an dem der gute Schächer hing, und nimm des Sankt Andreas Kreuz und Sankt Peters Kreuz – das sind alles gar gute Kreuze – und dazu nimm das Kreuz, an welchem Gott als Mensch selbst starb, und führe die Kreuze alle übers Meer und erschlage Heiden und Tataren, und lass dich im Dienste Gottes erschlagen, und lass dich in das Grab legen, in welchem Gott selbst lag, und lass auf dich legen die heiligen Kreuze allesamt, und lass Gott selbst und Sankt Maria und die vier Evangelisten und die heiligen Apostel zu deinen Füßen und zu deinem Haupt stehen und alle Gottes Heiligen neben dir, und nimm den heiligen Leib Gottes in deinen Mund, und du bist nur acht Pfennige schuldig, die hast du als unrechtes Gut, und du weißt wohl, wem du sie schuldig bist, und magst sie nicht zurückerstatten und wiedergeben: Ihr Teufel, kommt her im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und zerrt ihm seine Seele aus dem Leib und führt sie in die ewige Marter, wo dir nimmermehr Rat wird. Sieh, Habgieriger, wie gefällt dir das?“

Woher bezogen diese Predigten ihr Charisma? Von Ohnmachten und lauten Schuldbekenntnissen berichten die Chronisten, manchmal klingt es nach einem Ausbruch von Massenhysterie. Todfeinde versöhnten sich – wie lange der Friede anhielt, wissen wir natürlich nicht –, Diebe und Raubritter brachten zurück, was sie gestohlen hatten. Als Berthold 1256 im schweizerischen Graubünden über Habgier und Machtmissbrauch sprach, soll er den Ritter Albert von Sax so beeindruckt haben, dass der dem Kloster Pfäfers das Schloss Wartenstein zurückgab, welches er sich widerrechtlich angeeignet hatte.

Manche Notizen in den alten Chroniken lesen sich wie Szenen einer Seifenoper: Da steht mitten in so einer donnernden Moralpredigt eine Frau auf, die für ihren lockeren Lebenswandel bekannt ist, beginnt hemmungslos zu schluchzen und gelobt, auf der Stelle ein neues Leben zu beginnen. Der Franziskaner, der wohl weiß, dass gute Vorsätze nicht immer lange halten, packt die Gelegenheit beim Schopf. Er fragt in die Runde, wer die bekehrte Sünderin zum Weib nehmen wolle. Tatsächlich meldet sich ein Bräutigam, und noch bevor die Predigt beendet ist, hat man unter der begeisterten Zuhörerschaft zehn Pfund Silberpfennige als Mitgift gesammelt.

Virtuoser Erzähler

Bruder Berthold, der Wundermann, hat auch keine bessere Predigttechnik als die übrigen Bettelmönche. Theologisch ist er ganz gut beschlagen, aber die Bibel zitiert er oft schlampig oder schlicht falsch, er wirft Personen und Fakten durcheinander oder dichtet nach eigenem Gusto dazu. Worin liegt dann das Geheimnis seines durchschlagenden Erfolgs?

Es ist das unnachahmliche persönliche Flair seiner Rede. Es ist die Farbe seiner Bilder, die lebendige Kraft seiner Sprache, die Anschaulichkeit seiner Gleichnisse. Es ist die Virtuosität, womit er eine bunte Vielfalt von Stilmitteln zu bändigen weiß, mit Fantasie, Humor, Lust am Erzählen, nicht ohne boshaften Sarkasmus, manchmal derb, dann wieder charmant, zart lockend und plötzlich in ein Donnerwetter ausbrechend, nicht jedes Mal tiefschürfend in seinen Gedanken, aber immer interessant, häufig von epischer Breite, aber nie langweilig.

Schon die Überschriften, die Bertholds Predigten in den ältesten Sammlungen tragen, machen neugierig: „Von sechs Mördern.“ – „Von zehn Chören der Engel und der Christenheit.“ – „Von zwölf Junkern des Teufels.“ Titel wie Schlagzeilen. „Von des Leibes Siechtum und dem Tod der Seele.“ – „Von rufenden Sünden.“ – „Von achterlei Speise im Himmelreich.“ Die Methode, den Predigtinhalt eingängig aufzulisten, teilt Berthold mit vielen Volkspredigern des Mittelalters bis hin zu Martin Luther.

Langweilig wird dieses Aufzählen nie. Wie ein geschickter Dramaturg beherrscht Berthold den Wechsel von behäbigen Schilderungen und stoßweisen Attacken, reiht er zauberhafte Bilder und Schreckensvisionen aneinander, inszeniert er von der Kanzel herab spannende Dialoge. Er kündigt an, etwas enorm Wichtiges sagen zu wollen, zögert den entscheidenden Satz dann aber so geschickt hinaus, dass sein Publikum bloß noch atemlos auf die erlösende Information wartet.

Berthold arbeitet mit Übertreibungen und grellen Kontrastwirkungen, er führt auf seiner Baumkanzel komplette kleine Dramen auf wie in seiner Predigt vom Jüngsten Gericht: Da lässt er einen eben Gestorbenen auftreten und die Qual des Sterbens beschreiben, die Teufel debattieren am Totenbett über ihren Anspruch auf die Seele, und Gott selbst fordert den armen Sünder zur Rechenschaft auf, was der Prediger wiederum mit beschwörenden Mahnungen an die Zuhörer kommentiert. Berthold-Experten sind sicher, dass er solche Reden wie ein Schauspieler vorgetragen hat, die einzelnen Rollen mit unterschiedlichen Stimmlagen und dramatischen Gesten verkörpernd.


Mancher läuft hin nach (Santiago de) Compostela zu Sankt Jakob (…). Nun, was findest du in Compostela? Da findest du Sankt Jakobs Haupt. Das ist sehr gut; doch ist es ein toter Schädel, der bessere Teil ist im Himmel. Nun, was findest du hier zu Hause bei deinem Hofzaun? Wenn du morgens in die Kirche gehst, dann findest du den wirklichen Gott!“

Und dann diese Fülle von Bildern! Wunderschön illustriert Berthold den Glaubenssatz von der Auferstehung der Toten: „In der Auferstehung wird die Seele einen Leib haben, lichter als der Sonnenschein, schneller als der Augenblick, beweglicher als die Luft.“

Die ziemlich abstrakte Lehre von der Dreifaltigkeit erklärt er so, dass ja auch Friedrich II. gleichzeitig römischer Kaiser, König von Deutschland und Herzog von Schwaben sei, ein und derselbe Mensch, der lediglich verschiedene Funktionen ausübe. Genauso seien Vater, Sohn und Heiliger Geist nicht drei Götter, sondern ein einziger Gott.

Und dann geht die Kanzelrede auf einmal in ein fast intimes Zwiegespräch mit einem armen Sünder über, der Franziskaner greift fiktive Einwände auf, stellt kritische Fragen und gibt sogleich selbst die Antwort, oder er wendet sich direkt an irgendeine Gestalt aus der Bibel oder ruft die Engel oder auch die Teufel zu Zeugen an. Er kann sanft schmeicheln, besonders wenn er die Frauen anspricht, die gewiss lieber beten als die Männer – und er kann dreinfahren wie ein Fuhrknecht: „Pfui Kupplerin, du Lockpfeife des Teufels, damit er manche Seele fängt!“ – „Pfui Fresser!“ – „Pfui Geizhals, wie hart dein Amen vor Gottes Ohren, wie Hundegebell!“

Anders als viele todernste Bußprediger seiner Epoche verfügt Bruder Berthold über einen bärbeißigen Humor. Die triviale Vorstellung, Gott sitze in seliger Muße droben im Himmel und lasse die Beine auf die Erde herunterbaumeln, pariert er mit dem Seufzer: „O weh, lieber Gott, da müsstest du lange Hosen haben!“ Den alten Leuten wirft er gern an den Kopf, sie sollten sich bloß nichts einbilden auf ihre Tugendhaftigkeit; zu Sünden wider die Keuschheit seien sie schlicht nicht mehr rüstig genug: „Ihr altes Gebein hat ausgehüpft, und jetzt denken sie daran, was sie in der Dummheit getan haben, und bereuen es oft mehr, als billig und ziemlich wäre.“

Warum gibt es so viele Arme?

Mit seiner Realistik, seinem aufmerksamen Blick für die Alltagswelt erhebt sich der Prediger Berthold weit über den Durchschnitt seiner Kollegen, die sich in der Regel auf das saft- und kraftlose Herbeten der Kirchenväter beschränkten. Darum waren die Germanisten um Jacob Grimm hell begeistert, als sie diese frische, unverwechselbare Stimme vor zweihundert Jahren wiederentdeckten.

Umso größer der Schock, als sich Bertholds Prosa als Produkt irgendwelcher anonymer Bearbeiter entpuppte. Die hatten aus den überlieferten lateinischen Predigtfassungen deutsche Übersetzungen gefertigt – mit den Eigenmächtigkeiten und Unschärfen, die zu erwarten sind, wenn von einem mittelalterlichen Wanderprediger lediglich verstreute Redensammlungen existieren, und wenn er selbst sich über schlampige Nachschriften beschwert, aber keine autorisierte, letztgültige Ausgabe vorgelegt hat. Man weiß außerdem, dass er mit Vorliebe improvisierte und sich keineswegs an die eigenen Entwürfe hielt. Die 263 über Europa verstreuten Handschriften mit seinen lateinischen Predigten sind Rekonstruktionen, und die deutschen Sammlungen sind wiederum nachträgliche Bearbeitungen dieser Rekonstruktionen.

Sei’s drum, Bruder Bertholds Botschaft ist zeitlos: Christsein, wie er es in seiner von Gewalt und Unrecht geprägten Epoche versteht, ist eine sehr praktische Sache. Reue und Buße müssen Folgen haben, auch soziale. Die Entscheidung für Christus muss das alltägliche Leben verändern, sonst bleibt sie fromme Heuchelei. Wobei Berthold keineswegs nur mit der Hölle droht, sondern eindringlich Gottes leidenschaftliche Liebe zu den Menschenkindern verkündet. Statt ihn ebenso stürmisch wiederzulieben und den Himmel erobern zu wollen, geben die sich aber mit dem bequemsten Weg zufrieden: „Lehre uns, wie wir gemächlich in das Himmelreich kommen!“, mokiert er sich über seine trägen Zuhörer und vergleicht sie mit Kriechtieren.

Wozu ist der Mensch denn auf der Welt? Um Gott lieb zu haben und seine Seele zu bewahren. Barmherzig sollen sie miteinander umgehen, seine Zuhörer. Ein Ehemann darf seine Frau nicht einfach beschimpfen und verprügeln, weil sie ihm untertan zu sein habe, „denn sie hat Gott in ihrem Herzen und deshalb soll sie dir gleich sein.“ Und nur deshalb gibt es so viele Arme, weil die Reichen prassen und saufen und im Luxus leben wollen.

Den Umsturz predigt Berthold nicht – wer tat das damals schon? Aber eine Bekehrung, die auch die Spitzen der Gesellschaft und der kirchlichen Hierarchie nicht ausspart. Seine ungeheure Popularität ermöglicht es dem Franziskaner, dem Kaiser und den Fürsten, den hohen Prälaten und dem Papst in Rom einen Spiegel vorzuhalten. „Herr Papst, wärt Ihr hier …!“, pflegt er solche Standpauken zu beginnen. „Herr Papst, wärt Ihr hier, ich getraute mich wohl, Euch zu sagen: Alle die Seelen, die Ihr dem allmächtigen Gott zugrunde richtet oder die durch Eure Schuld verloren gehen, sofern Ihr’s abwenden solltet und könntet, die müsst Ihr Gott erstatten zu Eurem großen Schaden.“

Was die Päpste nicht daran hindert, Berthold mit so heiklen Aufgaben zu betrauen wie der Kreuzzugspredigt gegen die Waldenser. Die gelten als Ketzer, weil sie eine arme Kirche ohne Hierarchie fordern, den Kriegsdienst ablehnen, Frauen predigen lassen und den Ablass ebenso überflüssig finden wie die Heiligenverehrung. Der Auftrag ist deshalb so heikel, weil er für eine Sache werben soll, an die er selbst nicht glaubt, schlimmer noch: die ihm zuwider ist. Denn für ihn grenzen die von Päpsten und Theologen hochgepriesenen Kreuzzüge an Mord.

„Pfui, Bluttrinker, wo ist dein Bruder?“, hat er den ersten Kreuzrittern zugerufen. Jetzt muss er der Kirchenführung gehorsam sein und Zwang und Gewalt im Namen Gottes legitimieren. Nach eineinhalb Jahren, in Rom ist gerade der Papst gestorben, stellt man ihn endlich von der ungeliebten Aufgabe frei. Als Ratgeber und Schlichter bei Familienstreitigkeiten und politischen Konflikten hat er genug zu tun.

Im Dezember 1272 stirbt Bruder Berthold im Regensburger Minoritenkloster. Seine Gebeine befinden sich im Regensburger Dom, in der Bischofsgruft.

„Gott leitet die Naturdinge durch natürliche Ursachen“

Pionier der mündigen Welt
Warum die Regensburger den Wandermönch Albertus Magnus (um 1200–1280) nicht als Bischof haben wollten

Eigentlich war der gelehrte Mönch Albert aus dem 13. Jahrhundert ein ganz moderner Mensch: Er wollte Christ sein ohne Berührungsängste gegenüber fremden Weltbildern. Er konnte Ideen, die zunächst nicht christlich gewesen waren, dankbar aufnehmen und in seine gläubige Weltsicht integrieren. Leidenschaftlich bemühte er sich darum, Frömmigkeit und kritisches Denken zu verbinden, Treue zur Erde und Liebe zum Himmel. Denn auch die Vernunft hielt er für ein Geschenk Gottes, und seine Spuren entdeckte er überall in der Schöpfung.

Merkwürdig, dass ausgerechnet dieser Beamtensohn aus der tiefsten Provinz eine Pioniergestalt der abendländischen Geistesgeschichte werden sollte! Aufgewachsen ist er in der schwäbischen Kleinstadt Lauingen. Bauern, Winzer, Fischer waren seine Freunde. Über seine Schulbildung wissen wir nichts. Albert stand bereits im vierten Lebensjahrzehnt, da tauchte er plötzlich in den Studentenlisten der italienischen Universität Padua auf.

Ein Examen legte er dort nicht ab, aber er kam in Padua in Kontakt mit den Dominikanern, damals ein Bettelorden, der auf die Predigt spezialisiert war und seinen Leuten deshalb ein theologisches Studium zur Pflicht machte. Die Dominikaner schickten den schon etwas angegrauten Schwaben als Studenten nach Köln. Ein paar Jahre später unterrichtete er bereits, publizierte erste Schriften und bildete in Straßburg den Ordensnachwuchs aus.

Als Lehrer muss er so faszinierend gewesen sein, dass ihn sein Orden um 1244 als ersten deutschen Professor an die berühmte Universität Paris sandte. Der größte Hörsaal war hoffnungslos überfüllt, wenn „Albert der Deutsche“ Vorlesung hielt. Man bewunderte seine verwegene Vorliebe für Aristoteles: Erst kürzlich hatte eine Synode in Paris das Studium von dessen naturphilosophischen Schriften verboten.

Albert ließ sich davon nicht abschrecken. Zu viel, meinte er, war von dem genialen Heiden zu lernen. Er war sich seines Glaubens so sicher, dass er keine Angst vor dem Dialog hatte. Man musste eben genau unterscheiden, was die Vernunft ergründen kann und was man aus Vertrauen auf die Wahrheit Gottes schlicht und einfach glauben muss. Albert: „Zwar handeln Glauben und Wissen vom gleichen Gegenstand, jedoch nicht in der gleichen Hinsicht, und daher entleert das eine das andere nicht.“

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