Kitabı oku: «Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD)», sayfa 2

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13EKD, Zahlen und Fakten, S. 20 (Statistik aus dem Jahr 2017).

14Vgl. die Nichtamtliche Begründung zum Zweiten Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland 2013 (MVG-EKD) vom 13. November 2013, S. 1, abrufbar unter http://www.kirchenrecht-ekd.de/document/12677 (Stand: 25.07.2018).

15Siehe nur BAG vom 22.03.2018 – 6 AZR 835/16, BeckRS 2018, 13917; vom 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Kirchendienst; vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11, NZA-RR 2013, 627, 630 [Rn. 38 ff.]; vom 29.09.2011 – 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628 ff.; vom 19.02.2003 – 4 AZR 11/02, NZA 2004, 54 ff.; ferner zu einer Dienstvereinbarung nach § 38 MAVO BAG vom 19.06.2007 – 1 AZR 340/06, AP Nr. 4 zu § 1a KSchG 1969.

16Vgl. BAG vom 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Kirchendienst [Rn. 12]; zustimmend LAG Berlin-Brandenburg vom 25.01.2017 – 15 Sa 1891/16, BeckRS 2017, 108497 [Rn. 18]; die Frage offenlassend hingegen der 6. Senat, vgl. BAG vom 22.03.2018 – 6 AZR 835/16, BeckRS 2018, 13917 [Rn. 43].

17Stellvertretend für die Befürworter der normativen Wirkung siehe nur Fey, ZMV 1996, 117, 118; Joussen, ZTR 2007, 300, 303 m.w.N.; gegen die unmittelbare und zwingende Wirkung zuvor ausdrücklich nur Schliemann, NZA 2005, 976, 977; Reichold, ZMV-Sonderheft 2007, 14, 21.

18Wiszkocsill, ZMV 2017, 78.

19Erfreulich ist es, dass in der Literatur die kirchliche Dienstvereinbarung jüngst wiederholt in grundlegenderen Beiträgen in den Blick genommen wurde; vgl. nur Joussen, RdA 2016, 320 ff. („Die normative Wirkung kirchlicher Dienstvereinbarungen nach § 36 Abs. 3 MVG.EKD und § 38 Abs. 3a MAVO“); Reichold, ZTR 2016, 294 ff. („Regelungskompetenz und Normwirkung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen (insbesondere in kirchlichen Einrichtungen)“); Klumpp, ZAT 2017, 172 ff. („Normative Wirkung kirchlicher Dienstvereinbarungen“).

20Hierzu Baumann-Czichon/Gathman/Germer, MVG-EKD, Einleitung Rn. 9.

B. Gang der Untersuchung

Für die Bearbeitung dieser beiden Hauptschwerpunkte wird eine grobe Untergliederung von insgesamt vier Kapiteln gewählt. Am Ende der Arbeit werden die wichtigsten Erkenntnisse in Thesen zusammengefasst.

Der Untersuchung zur Dienstvereinbarung wird im ersten Kapitel21 zunächst eine thematische Grundlegung vorangestellt. Bereits die ausgewählten Bearbeitungsschwerpunkte lassen erkennen, dass die Ergebnisfindung stets davon abhängig sein wird, in welchem Verhältnis kirchliches und staatliches Recht stehen. Bevor daher das Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung eingehender in den Blick genommen werden kann, bedarf es der Klärung, wie sich kirchliche und staatliche Rechtsetzung zueinander verhalten. Ein besonderes Augenmerk ist in diesem Kontext auf die in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV enthaltene verfassungsrechtliche Verbürgung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu legen, da die Möglichkeiten eines kirchenrechtlichen Einwirkens in den säkularen Rechtskreis durch diese Verfassungsbestimmung abschließend vorgegeben werden (hierzu unter § 1).22 Daneben bedarf es vorab einer Einschätzung, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus den in der Präambel zum Mitarbeitervertretungsgesetz aufgeführten Leitideen für die Beurteilung der kirchlichen Dienstvereinbarung ergeben können. Kirchlicher Dienst ist nach dem Selbstverständnis der Kirche kein Selbstzweck, sondern stets dem kirchlichen Sendungsauftrag verpflichtet; die Präambel weist darauf hin, dass die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie die Dienststellenleitung und die Mitarbeiter zu einer Dienstgemeinschaft verbindet und sie zu vertrauensvoller Zusammenarbeit verpflichtet (hierzu unter § 2).23 Ausgehend von diesen allgemeinen Grundlagen erfolgt sodann anhand der mitarbeitervertretungsrechtlichen Vorschrift des § 36 MVG-EKD eine überblicksartige Analyse des Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung. Mit diesen die Grundlegung abschließenden Ausführungen werden die notwendigen Verständnisvoraussetzungen für die in den folgenden Kapiteln zu erörternden Bearbeitungsschwerpunkte geschaffen (hierzu unter § 3).24

Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels25 steht die Frage nach der unmittelbaren und zwingenden, kurz der normativen Wirkung der Dienstvereinbarung. Der zentrale und die Untersuchung in diesem Kapitel leitende Gedanke ergibt sich aus der Überlegung, ob und auf welche Weise sich eine normative Wirkung gegenüber den Regelungsadressaten legitimieren lässt. Es wird aufgezeigt werden, dass im Grunde drei unterschiedliche Ansätze für die Legitimation einer Normwirkung in Betracht kommen (hierzu unter § 4).26 Der erste Ansatz setzt auf die Vorstellung, dass sich die normative Wirkung auf einen freiheitlichen Akt der Selbstbestimmung der Arbeitsvertragsparteien zurückführen lassen kann (hierzu unter § 5).27 Der zweite Ansatz bezieht demgegenüber die normative Wirkung der Dienstvereinbarung auf einen Akt staatlicher Rechtsetzung (hierzu unter § 6).28 Der dritte Ansatz geht wiederum von einer eigenständigen kirchlichen Legitimationsquelle aus und fragt, ob und in welchem Umfang der kirchliche Gesetzgeber in der Lage ist, die Dienstvereinbarung mit einer normativen Wirkung gegenüber ihren Regelungsadressaten auszustatten (hierzu unter § 7)29. Ausgehend von dem dritten Ansatz wird die normative Wirkung der Dienstvereinbarung in Abhängigkeit von der Reichweite der Regelungsbefugnis bejaht werden.

Im dritten Kapitel30 wird untersucht, wie weit die Befugnis der Dienststellenpartner zur Regelung von Arbeitsbedingungen in einer Dienstvereinbarung reicht. Aufgegriffen wird zunächst ein im Schrifttum verbreiteter Vorschlag, dem zufolge die Reichweite der Regelungsbefugnis schlicht in Anlehnung an das staatliche Rechtsinstitut der Betriebsvereinbarung bestimmt werden soll (hierzu unter § 8)31. Dieser Weg ist jedoch aus mehreren Gründen nicht gangbar, weshalb im Anschluss eine umfassende Auswertung der Vorschriften des Mitarbeitervertretungsrechts erfolgt, mittels derer versucht wird, die Reichweite der Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien positiv zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden verschiedene Normen untersucht, aus denen sich eine umfassende Regelungsbefugnis ergeben könnte. Jedoch wird sich im Ergebnis keine Vorschrift des Mitarbeitervertretungsgesetzes als tragfähige Grundlage für die Annahme einer umfassenden Regelungsbefugnis erweisen (hierzu unter § 9)32.

Dieser Befund wird die Veranlassung dazu geben, die Reichweite der Regelungsbefugnis mittelbar anhand der Vorschriften über die Beteiligung der Mitarbeitervertretung zu bestimmen (hierzu unter § 10)33. Der weiteren Vorgehensweise in jenem Abschnitt liegt die Überlegung zugrunde, dass die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien innerhalb des Kernbereichs der betrieblichen Mitbestimmung zugleich als Maßstab für die Regelungsbefugnis außerhalb dieses Kernbereichs herangezogen werden kann. Infolgedessen wird ein Schwerpunkt der Untersuchung auf den zentralen Beteiligungstatbestand des § 40 MVG-EKD über die Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten gelegt werden. Ausgehend vom Zweck der Mitbestimmung wird schließlich der nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz erforderliche Umfang der Regelungsbefugnis in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten erschlossen. Die Teleologie der Mitbestimmung wird tragend für die Annahme sein, dass sich die Regelungsbefugnis der Dienststellenpartner in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten an den einseitigen Gestaltungsbefugnissen der Dienststellenleitung orientiert. Da sich diese Erkenntnis als verallgemeinerungsfähig erweisen wird, lässt sich als Ergebnis des dritten Kapitels konstatieren, dass sich die Befugnis der Dienstvereinbarungsparteien zur Regelung von Arbeitsbedingungen zumindest im Regelfall akzessorisch zur einseitigen Regelungsbefugnis der Dienststellenleitung verhält. Deshalb sind die Dienststellenpartner grundsätzlich dazu berechtigt, für die Mitarbeiter sowohl begünstigende als auch belastende Regelungen zu treffen, wenn die Dienststellenleitung in einer nicht mitbestimmten Dienststelle zu einer einseitigen Gestaltung gegenüber den Mitarbeitern befugt wäre. Obgleich die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien daher im Grundsatz nur von begrenztem Umfang ist, wird sich zudem erweisen, dass sich das Regelungsinstrument der Dienstvereinbarung einer individual- oder kollektivvertraglich begründeten Erweiterung der Regelungsbefugnis der Dienststellenpartner nicht verschließt. Die Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien kann deshalb durch den Arbeitsvertrag oder einschlägige Arbeitsrechtsregelungen respektive Tarifverträge erweitert werden.

Mit dem vierten Kapitel34 wird ausgehend von den Erkenntnissen des dritten Kapitels die Frage aufgeworfen, inwieweit es einer zusätzlichen Grenzziehung bedarf, wenn die Befugnis der Dienstvereinbarungsparteien zur Regelung von Arbeitsbedingungen dem Grunde nach gegeben ist. Mögliche Beschränkungen sind zum einen unter dem Aspekt der Sicherung der Individualfreiheit des Arbeitnehmers (hierzu unter § 11)35 und zum anderen hinsichtlich der Sicherung der Koalitionsfreiheit (hierzu unter § 12)36 zu diskutieren. Zum Schutz der Individualfreiheit wird es im Ergebnis für ausreichend gehalten, dass die Dienststellenpartner bei der Regelung von Arbeitsbedingungen durch eine Dienstvereinbarung nach § 33 Abs. 1 S. 3 MVG-EKD an die zwingenden Rechtssätze sowohl der kirchlichen als auch der staatlichen Arbeitsrechtsordnung gebunden sind. Schließlich gewährleistet § 36 Abs. 1 S. 2 und 3 MVG-EKD den Vorrang koalitionärer Regelungsformen, sodass auch die koalitionsfreiheitsgemäße Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung festgestellt werden kann.

21Siehe S. 25 ff.

22Siehe S. 26 ff.

23Siehe S. 61 ff.

24Siehe S. 69 ff.

25Siehe S. 79 ff.

26Siehe S. 82 ff.

27Siehe S. 85 ff.

28Siehe S. 98 ff.

29Siehe S. 124 ff.

30Siehe S. 149 ff.

31Siehe S. 151 ff.

32Siehe S. 169 ff.

33Siehe S. 179 ff.

34Siehe S. 261 ff.

35Siehe S. 263 ff.

36Siehe S. 297 ff.

C. Weitere hervorzuhebende Untersuchungsschwerpunkte

Einige Einzelfragen, die in dieser Untersuchung en passant behandelt werden, sollen – die Einführung abschließend – zur leichteren Orientierung ebenfalls vorab benannt werden.

Im ersten Kapitel wird ein besonderes Augenmerk auf die Schrankenbestimmung des Art. 137 Abs. 3 WRV gelegt und ihre Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts herausgearbeitet (hierzu unter § 1 B. II. 2.)37. Des Weiteren wird der für das kirchliche Arbeitsrecht zentrale Begriff der „Dienstgemeinschaft“ kritisch gewürdigt und seine nur begrenzte Relevanz für die weitere Untersuchung zur Dienstvereinbarung aufgezeigt (hierzu unter § 2 B.)38.

Im zweiten Kapitel werden die Ansätze gewürdigt, mittels derer versucht wird, im staatlichen Recht eine normative Wirkung der Betriebsvereinbarung zu begründen (hierzu unter § 6 A.)39. Ferner wird kritisch zu der Auffassung Stellung bezogen, dass eine normative Wirkung der Dienstvereinbarung allein schon deshalb nicht in Betracht komme, weil sich die Kirche im Wege einer bindenden Rechtswahl auf die Anwendung der staatlichen Privatrechtsordnung festgelegt habe (hierzu unter § 7 D. II.)40.

Im dritten Kapitel erfolgt anlässlich der Untersuchung zur grundsätzlichen Reichweite der Regelungsbefugnis der Dienstvereinbarungsparteien eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem durch die §§ 37 ff. MVG-EKD geregelten Verfahren der Beteiligung der Mitarbeitervertretung (hierzu unter § 10 A.)41. Eingehend wird der Frage nach der Zweckrichtung der Mitbestimmung und des Mitarbeitervertretungsrechts nachgegangen; aufgegriffen werden die klassischen Ansätze zur Schutz-, Teilhabe- und Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung und auf ihre Relevanz für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht überprüft (hierzu unter § 10 A. III.)42.

Im vierten Kapitel wird zur Bedeutung des Günstigkeitsprinzips vor dem Hintergrund einer begrenzten Regelungsbefugnis Stellung genommen (hierzu unter § 11 A.)43. Untersucht wird ferner, ob die Dienstvereinbarung als kirchenrechtliches Rechtsinstitut einer AGB-Kontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB zu unterziehen ist (hierzu unter § 11 D. I. 1.)44. Schließlich wird der Nachweis geführt, dass auch die Dienstvereinbarungsparteien in gewissem Umfang einer Grundrechtsbindung unterliegen; befürwortet wird eine privatrechtsvermittelte Grundrechtsbindung (hierzu unter § 11 D. II. 2. c.)45. Erörtert wird außerdem, wie der von der Vorrangtheorie und der Zwei-Schranken-Theorie geführte Streit um die zutreffende Verhältnisbestimmung der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG die Auslegung des Mitarbeitervertretungsrechts beeinflusst (hierzu unter § 12 B. II. 2.)46.

37Siehe S. 42 ff.

38Siehe S. 62 ff.

39Siehe S. 98 ff.

40Siehe S. 132 ff.

41Siehe S. 180 ff.

42Siehe S. 199 ff.

43Siehe S. 264 ff.

44Siehe S. 270 ff.

45Siehe S. 285 ff.

46Siehe S. 308 ff.

Erstes Kapitel: Grundlegung

§ 1 Staatskirchenrechtliche Grundlegung

Die Evangelische Kirche in Deutschland, die Landeskirchen und die verschiedenen privatrechtlich organisierten Einrichtungen der Kirche wie das Diakonische Werk e. V. greifen zur Ausgestaltung des kirchlichen Dienstes überwiegend auf die vom staatlichen Gesetzgeber ausgestaltete Privatrechtsordnung zurück. So wird insbesondere das Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnen Mitarbeiter und dem kirchlichen Dienstgeber nicht selten durch einen Arbeitsvertrag begründet und ausgestaltet. Demgegenüber handelt es sich beim Mitarbeitervertretungsrecht um klassisches Kirchenrecht, das unabhängig von staatlichen Stellen durch die kirchlichen Organe erlassen wird. Aufgrund des Mitarbeitervertretungsgesetzes kann in einer Dienststelle eine Mitarbeitervertretung eingerichtet werden, die wiederum gemeinsam mit der Dienststellenleitung gewisse Angelegenheiten, die die Mitarbeiter einer Dienststelle betreffen, regeln darf. Als zentrales Regelungsinstrument wird ihnen durch das Mitarbeitervertretungsgesetz die Dienstvereinbarung als kirchenrechtliches Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt. Insoweit nun allerdings durch eine Dienstvereinbarung auch die privatrechtlich begründeten Rechtsverhältnisse innerhalb einer Dienststelle ausgestaltet werden sollen, stoßen mit der Privatrechtsordnung einerseits und dem Mitarbeitervertretungsrecht andererseits staatliches und kirchliches Recht aufeinander. Dies führt unweigerlich zu der Frage, in welchem Verhältnis kirchliches und staatliches Recht stehen; hieran schließt sich die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Staat und Kirche an.

A. Verhältnis von Staat und Kirche

Für die Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche sowie ihrer Rechtsordnungen bietet es sich zunächst an, aus der jeweiligen Perspektive das Verhältnis näher zu betrachten. Begonnen wird mit der staatlichen Perspektive, im Anschluss wird der Blick auf die kirchliche Perspektive gelenkt.

I. Staatliche Perspektive

Die Sichtweise des Staates auf die Rechtsetzung der Kirchen wird maßgeblich durch das Verfassungsrecht bestimmt. Als zentrale Vorschrift, die das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen anerkennt, ist die durch Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporierte Vorschrift des Art. 137 Abs. 3 WRV zu betrachten:

„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

1. Staatskirchenrechtlicher Kompromiss der Weimarer Reichsverfassung

Art. 137 Abs. 3 WRV ist Teil eines historischen Kompromisses in der Frage um die Trennung von Staat und Kirche, den die verfassungsgebende Nationalversammlung mit den Staatskirchenartikeln der Weimarer Reichsverfassung umgesetzt hat. Einigkeit bestand in der Nationalversammlung jedenfalls im Grundsatz darüber, dass parteiübergreifend die Abgeordneten eine Trennung47 von Kirche und Staat befürworteten.48 Gestritten wurde allerdings darüber, wie weitgehend diese Trennung vorzunehmen sei. Es waren vor allem die Vertreter der SPD und der USPD, die forderten, die Religionsgemeinschaften den privaten Vereinen vollständig gleichzustellen und kirchliche Privilegien umfänglich abzubauen.49 Nur am Rande wurde indes auch eine staatliche Einmischung in das Selbstverwaltungsrecht der Kirche gefordert.50 Demgegenüber wollten die Vertreter der bürgerlichen Parteien (DVP, DDP, DNVP) und des Zentrums an einigen Privilegien der Kirchen wie dem Körperschaftsstatus oder dem Besteuerungsrecht festhalten. Insbesondere die Diskussion51 um den – damals noch hoch umstrittenen und ungeklärten – Körperschaftsstatus verdeutlicht, dass einerseits eine Einflussnahme des Staates auf die Kirche,52 andererseits aber auch die Möglichkeit eines behördlichen Tätigwerdens der Kirchen befürchtet wurde.53 Dass schließlich eine privilegierte Stellung der Kirchen gegenüber privaten Vereinen in der Weimarer Verfassung ihren Niederschlag finden konnte, war zum einen der Anerkennung der Kirchen als Träger gesellschaftlicher Verantwortung – insbesondere im Wohltätigkeitsbereich –54 und zum anderen der Ermöglichung des privilegierten Status auch für andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsverbände geschuldet55. Dass die besondere Rechtsposition der Kirchen jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen des staatlichen Rechts gewährleistet werden sollte, darüber bestand ebenfalls Einigkeit, sodass die Schrankenformel in den Wortlaut aufgenommen wurde, ohne dass jedoch der Begriff des für alle geltenden Gesetzes näher diskutiert worden wäre.56

2. Regelung des Staatskirchenrechts unter dem Grundgesetz

Ebenso wurde auch bei der Entstehung des Grundgesetzes diskutiert, wie die Trennung von Staat und Kirche nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus57 verankert werden könne.58 So waren insbesondere in zwei Anträgen zunächst weitreichende Kirchenartikel durch die Fraktionen der CDU/CSU, des Zentrums und der Deutsche Partei vorgeschlagen worden. So formulierte der erste Antrag noch: „Die Kirchen werden in ihrer Bedeutung für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen und staatlichen Lebens anerkannt und vom Staat geachtet und geschützt. Aus eigenem Recht ordnen und verwalten sie ihre Angelegenheiten selbstständig und dürfen in ihrer freien Entfaltung nicht beschränkt werden.“59 Im zweiten Antrag hieß es sodann in abgeschwächter Form: „(1) Die Kirchen werden in ihrer Bedeutung für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens anerkannt. […] (2) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten selbständig aus eigenem Recht. […]“60

Diese Anträge stießen insbesondere bei SPD und FDP auf Bedenken und erwiesen sich nicht als konsensfähig. Grund dafür war die Frage nach der bundesrechtlichen Kompetenz; so sollte die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche den Ländern vorbehalten bleiben. Ungeklärt war zudem, welche Konsequenzen sich aus einer Abweichung von den Weimarer Vorschriften für das Verhältnis von Kirche und Staat ergeben könnten.61 Zustimmung erfuhr schließlich der Kompromissvorschlag, dass die in der Weimarer Verfassung getroffene Regelung zum Staatskirchenrecht auch im Grundgesetz ihren Niederschlag finden solle.62 Einigen konnte man sich auf die vom Fünfer-Ausschuss vorgeschlagene Fassung des Art. 140 GG. Nach einigen kleineren Änderungen wurde dieser Artikel in der noch heute geltenden Fassung durch den Hauptausschuss beschlossen.63 Der konkrete Inhalt von Art. 137 Abs. 3 WRV wurde hingegen nicht mehr beraten.64

Trotz des „eigentümlichen parlamentarischen Entstehungsvorgangs“65 ist nicht zu verkennen, dass die Staatskirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung durch Art. 140 GG als unmittelbares und gleichwertiges Verfassungsrecht einbezogen sind.66 Mit Blick auf die Auslegung von Art. 137 Abs. 3 WRV und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen haben die bereits zur Weimarer Zeit bestehenden antagonistischen Standpunkte durch die Inkorporation auch unter dem Grundgesetz weiter ihre Bedeutung. Durch die „Einbettung in das gesamte Wertsystem des Grundgesetzes“67 ist der Antagonismus jedoch nicht allein innerhalb der Vorschrift aufzulösen, sondern es muss immer das gesamte Grundgesetz als Wertentscheidung in den Blick genommen werden.68

Der Antagonismus hat auch heute noch seine volle Bedeutung; nach der Wiedervereinigung hielt die Gemeinsame Verfassungskommission – trotz geäußerter Bedenken in einzelnen Parteien – eine Änderung der Staatskirchenartikel nicht für notwendig.69 Die Bedeutung der Kirchen in der Gesellschaft mag zwar abgenommen haben, ihre verfassungsrechtlichen Gewährleistungen haben dadurch aber – jedenfalls bisher – nicht an Kraft verloren.70