Kitabı oku: «Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD)», sayfa 3

Yazı tipi:

3. Verhältnis von Selbstbestimmungsrecht und Religionsfreiheit

Der veränderte Stellenwert71 der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierten Religionsfreiheit unter dem Grundgesetz im Verhältnis zur Ausgestaltung in der Weimarer Zeit durch Art. 135 WRV könnte allerdings zur Folge haben, dass die aus der Weimarer Verfassung ins Grundgesetz übernommenen Staatskirchenartikel nunmehr durch die Religionsfreiheit vollständig überlagert werden. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Entwicklung der Grundrechtsdogmatik: So wird durch Art. 4 GG nach einhelliger Auffassung auch ein korporatives Grundrecht garantiert.72 Die Kirche hat als Zusammenschluss der einzelnen Gläubigen Anteil an der durch die einzelnen Kirchenmitglieder vermittelten Religionsfreiheit und übt in ihrem Handeln diese Religionsfreiheit wiederum aus. Vor diesem Hintergrund könnte es naheliegen, dass die grundrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit auch eine Garantie zugunsten einer umfassenden Selbstbestimmung der Institution Kirche beinhaltet.73

Bereits der besondere historische Entstehungsprozess des Selbstbestimmungsrechts lässt jedoch daran zweifeln, dass Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV keinen eigenen Bedeutungsgehalt mehr gegenüber der Religionsfreiheit haben soll. Die Diskussionen um das Selbstbestimmungsrecht zeigen, dass die Vorschrift des Art. 137 Abs. 3 WRV nicht ausschließlich zur Abgrenzung solcher Regelungsbereiche dienen sollte, die zugleich Ausdruck der Religionsausübung sind. So wird schwerlich die Erhebung von Kirchensteuern, die Verwaltung von Grundvermögen oder aber auch die schlichte Organisation von Arbeitsabläufen bereits unmittelbar eine Religionsausübung darstellen.74 Unberührt bleibt, dass es sich hierbei um Tätigkeiten handelt, die eine ungehinderte Religionsausübung fördern können. Sie stellen aber keine notwendige Bedingung für die Religionsausübung dar und müssen nicht zwingend den Religionsgemeinschaften zur eigenen Regelung überlassen werden. Gleichwohl gibt es allerdings auch Bereiche, in denen sich die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts und die Ausübung der Religionsfreiheit offensichtlich überschneiden. So wird durch die Entscheidung über Glaubensinhalte die Religionsfreiheit ausgeübt; erfolgt die Entscheidung durch die verfasste Kirche, so handelt es sich zugleich um einen Akt, mit dem die Kirche ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnimmt.

Für letzteren Fall leuchtet es ein, dass „das Selbstbestimmungsrecht grundrechtlich unterfüttert“75 ist.76 In ersterem Fall ist hingegen ein eigenständiger Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsrechts gegeben, bei dem der Versuch versagt, das Selbstbestimmungsrecht allein auf die Religionsfreiheit zurückzuführen. Das Schaffen von günstigen Bedingungen für die Religionsausübung stellt noch keine Betätigung der Religionsfreiheit dar. Vielmehr zeichnet sich dort deutlich der Charakter des Selbstbestimmungsrechts als weiterreichendes Freiheitsrecht der Institution Kirche ab.77 Es dient der Abgrenzung von Regelungsbereichen zweier Institutionen, des Staates einerseits und der Kirche andererseits. Zutreffend ist in dieser Hinsicht auch die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, wenn es in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht betont, dass es „der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgesellschaften (Art. 4 Abs. 2 GG) die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt.“78

Die Einordnung des Selbstbestimmungsrechts als selbständige institutionelle Gewährleistung wird durch die Beratungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung von Weimar bestätigt, die die Trennung von Kirche und Staat in der Weimarer Verfassung als eine Trennung von Institutionen diskutierten.79 Nur so lässt sich auch die für die Beibehaltung des Sonderstatus tragende Argumentation, die sich auf die besondere gesellschaftliche Verantwortung der Kirche bezieht, zutreffend verstehen; die Verantwortung der Kirche wurde nicht als kollektive Verantwortung der einzelnen Gläubigen wahrgenommen, sondern als die gesellschaftliche Verantwortung der Kirchen als Institutionen. Bezeichnend ist, dass diejenigen Vertreter, die damals die Bedeutung der Institution Kirche bezweifelten, gerade die Vergleichbarkeit der Kirchen mit einfachen privatrechtlichen Vereinen betonten; entgegen diesen Stimmen wurde jedoch den Kirchen eine privilegierte Stellung eingeräumt. Die historische Verankerung des Selbstbestimmungsrechts unterstreicht damit die eigene Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts gegenüber der Religionsfreiheit. Die Gegenthese, nach der das Selbstbestimmungsrecht vollständig durch die Religionsfreiheit überlagert sei, ist folglich ahistorisch.80

Das Verständnis als institutionelle Garantie ermöglicht es, dem Selbstbestimmungsrecht eine eigenständige Bedeutung auch gegenüber der Religionsfreiheit abzugewinnen, soweit sich beide überschneiden: Die Religionsfreiheit hat als grundrechtliche Gewährleistung zuvorderst eine Abwehrfunktion gegenüber staatlichen Beschränkungen.81 Aufgrund der durch Art. 1 Abs. 3 GG vermittelten Grundrechtsbindung darf der staatliche Gesetzgeber lediglich solche Beschränkungen der Religionsfreiheit vornehmen, die im Hinblick auf einen verhältnismäßigen Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern erforderlich sind.82 Insoweit ein Konflikt verschiedener Verfassungsgüter im Raum steht, hat der Staat diesen zu antizipieren und die widerstreitenden Verfassungsgüter in einen Ausgleich zu bringen. Bedeutsam ist jedoch, dass ausschließlich der staatliche Gesetzgeber die Befugnis zur ausgleichenden Regelung innehat, nicht hingegen der Grundrechtsberechtigte selbst. Die garantierte Religionsfreiheit wird demnach im Regelfall eine durch den Staat umrissene, in diesem Sinne „fremdbestimmt“ ausgestaltete Freiheit sein. Wird nun das garantierte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften ins Spiel gebracht und das institutionell verbürgte Recht als Gewährleistung von eigenen Regelungskompetenzen verstanden, so erfolgt aufgrund des Selbstbestimmungsrechts nach Art. 137 Abs. 3 WRV eine Verschiebung der Kompetenz. Im Grundsatz ordnen und verwalten die Religionsgesellschaften ihre eigenen Angelegenheiten selbst; dass sie dies nur innerhalb des für alle geltenden Gesetzes dürfen, ihnen damit also ebenfalls eine Bindung auferlegt wird, ändert nichts an der grundsätzlich gegebenen Umkehrung der Regelungskompetenzen. Erst aufgrund des Selbstbestimmungsrechts obliegt es im Grundsatz allein den Religionsgesellschaften, sowohl ihre Angelegenheiten auszugestalten als auch sie zugleich mit anderen widerstreitenden Rechtspositionen abzustimmen; eine vergleichbar weitgehende Kompetenz folgt nicht bereits aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit.

Damit steht Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, soweit durch die Selbstbestimmung auch die Religionsfreiheit ausgeübt wird, in seiner Anwendung mit einer eigenen Bedeutung neben Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Eine vollständige Überlagerung des Selbstbestimmungsrechts durch die Religionsfreiheit findet nicht statt.83 Wenn der Staat eine Regelung trifft, ist diese sowohl an Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV als auch an Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu messen; im Rahmen von Art. 137 Abs. 3 WRV ist die Entscheidung des Verfassungsgebers zugunsten einer eigenen Regelungskompetenz der Religionsgesellschaft zu berücksichtigen; diese kann – soweit die Außenschranke des für alle geltenden Gesetzes nicht betroffen ist – in ihrer maximalen Reichweite eine staatliche Regelungskompetenz vollständig verdrängen. Soweit sich für die Kirche aufgrund des Selbstbestimmungsrechts eine umfassende Regelungskompetenz ergibt, hat die Religionsfreiheit keinen weiterreichenden Regelungsgehalt; die institutionelle Garantie des Art. 137 Abs. 3 WRV verhilft in diesem Fall auch der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu einer umfänglichen Geltung.

4. Zusammenfassung

Für die staatliche Sicht auf die Kirche als Institution lässt sich festhalten, dass die Kirche wegen ihrer Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung einen besonderen Freiraum bei der Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten zugestanden bekommt, der weiter ist als derjenige sonstiger privatrechtlicher Vereinigungen.84 Das Selbstbestimmungsrecht gewährleistet den Kirchen als institutionelle Garantie eine besondere Regelungskompetenz. Zu Überschneidungen mit dem Schutzbereich der Religionsfreiheit kann es insoweit kommen, als die Regelung einer selbstbestimmten Angelegenheit zugleich als Ausübung der Religionsfreiheit erscheint. Ist ein Tätigwerden der Kirche allerdings bereits umfänglich durch das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gedeckt, so verwirklicht sich in gleichem Maße auch die korporative Religionsfreiheit. Als primärer Bezugspunkt der kirchlichen Selbstbestimmung steht damit die Gewährleistung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV im Vordergrund.

II. Kirchliche Perspektive

Ein Perspektivenwechsel soll nun noch einen Einblick ermöglichen, wie die Kirche die ihr seitens des Staates garantierte Regelungskompetenz wahrnimmt. Bedarf es zur Klärung der rechtstheologischen Frage nach der innerkirchlichen Legitimität von Kirchenrecht noch der näheren theoretischen Grundlegung in weiteren Arbeiten85, soll es für die vorliegende Arbeit ausreichen, sich an der praktischen Einschätzung der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen hinsichtlich der Setzung von Kirchenrecht zu orientieren.86

Das Bewusstsein für ein selbstbestimmtes kirchliches Wirken tat sich in der evangelischen Kirche erstmals vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus auf. Als ein Meilenstein des protestantischen Selbstverständnisses, dass kirchliche Regelungen zur Wahrung des innerkirchlichen Propriums notwendigerweise vom Staat unbeeinflusst zu treffen sind, ist die Barmer Theologische Erklärung von 1934 anzuführen; die dort formulierten Grundsätze finden über Art. 1 Abs. 3 S. 1 GO-EKD auch Eingang in die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen haben vor diesem Hintergrund allesamt eigenes Kirchenrecht erlassen und gehen zugleich von ihrer Eigenlegitimation aus. Nach Auffassung der Kirche ist die eigene Rechtsetzung auf ihren Auftrag – die Verkündigung des Evangeliums – bezogen und nimmt ihm gegenüber eine dienende Funktion ein.87

Dass der Kirche durch das Grundgesetz die Freiheit eingeräumt ist, ihre eigenen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten, hat indessen ebenfalls Einfluss auf den praktischen Umgang mit der eigenen Rechtsetzungsbefugnis.88 Die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit bedarf zum einen der Ausfüllung durch den kirchlichen Gesetzgeber, zum anderen geht mit der verfassungsrechtlichen Verankerung zugleich eine Rücksichtnahme auf die übrige Verfassungsordnung einher. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das kirchliche Recht auch von anderen Notwendigkeiten – beispielsweise durch Gesichtspunkte der „Regelhaftigkeit“ und „Erwartungssicherheit“ – nicht unbeeinflusst bleibt und es insoweit anderen „Institutionalisierungsprozessen“ vergleichbar ist.89

Festhalten lässt sich daher für den Blickwinkel der EKD, dass die Kirche die verfassungsrechtlich gewährte Freiheit annimmt und im Hinblick auf den kirchlichen Auftrag ausgestaltet.90 Hierbei hat das Kirchenrecht zwar gegenüber dem kirchlichen Auftrag eine dienende Funktion; die praktische Ausgestaltung folgt jedoch nicht allein geistlichen, sondern durchaus auch weltlich-pragmatischen Erwägungen.

III. Zusammenfassung

Die dienende Funktion des Kirchenrechts gegenüber dem kirchlichen Auftrag macht aus der Perspektive der Kirche die Rechtsetzung zu einer eigenen Aufgabe, die nur von ihr selbst wahrgenommen werden kann. Diesem Selbstverständnis gibt auch die Gewährleistung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Raum. Diese historisch brisante und viel diskutierte Vorschrift anerkennt die Kirchen als Träger einer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung. Aus diesem Grund ist ihnen in Form einer institutionellen Garantie durch das Grundgesetz eine grundsätzlich umfassende Regelungskompetenz für die eigenen Angelegenheiten gegeben. Dem Selbstbestimmungsrecht sind allein durch die Schranke des für alle geltenden Gesetzes Grenzen gezogen; dadurch obliegt es dem Staat, über die Rechtsgüterzuordnung zu wachen, soweit es zum Konflikt des Selbstbestimmungsrechts mit anderen durch den Staat zu schützenden Rechtsgütern kommt. Insofern zugleich der Anwendungsbereich der Religionsfreiheit eröffnet ist, unterstützt sie das Selbstbestimmungsrecht der Kirche, ohne jedoch weitergehende Befugnisse der Kirche zu begründen, wenn bereits das Selbstbestimmungsrecht vollumfänglich zur Geltung gelangt. Im Vordergrund steht deshalb zunächst immer die Verfassungsvorschrift des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV.

B. Selbstbestimmungsrecht der Kirche und Mitarbeitervertretungsrecht

Das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV markiert folglich die entscheidende Trennlinie zwischen kirchlicher und staatlicher Rechtsetzungskompetenz. Zugleich dient es als Mittler für die Anerkennung kirchlichen Handelns im staatlichen Rechtskreis. Im Vorgriff auf die weitere Untersuchung soll diese Trennlinie und Mittlerstellung im Hinblick auf das Mitarbeitervertretungsrecht und die Dienstvereinbarung als kirchenrechtliches Rechtsinstitut noch näher umrissen werden.

I. Einfachgesetzliche Exemtionen zugunsten der Kirche

In einem nicht veröffentlichten Rechtsgutachten des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland konstatierte Rudolf Smend bereits 1951: „Die vom Bund zu erlassenden Betriebsverfassungsgesetze sind kein allgemeines Gesetz i.S. des Art. 137 Abs. 3 WRV. Jedoch sind die Kirchen als verpflichtet anzusehen, kirchengesetzlich eine Regelung des Rechts ihrer Arbeitnehmer auf Beteiligung und Mitbestimmung in den Betrieben und Verwaltungen zu schaffen.“91 Tatsächlich ist die Anwendung der staatlichen Gesetze über die Arbeitnehmermitbestimmung auf kirchliche Rechtsverhältnisse überwiegend durch den staatlichen Gesetzgeber ausgeschlossen worden. So findet sich in § 118 Abs. 2 BetrVG die Ausklammerung für das Betriebsverfassungsrecht92 und in § 119 BPersVG jene für das Personalvertretungsrecht des Bundes; die Landespersonalvertretungsgesetze sehen teilweise entsprechende Ausklammerungen vor.93 Für den Bereich der leitenden Angestellten hält § 1 Abs. 3 Nr. 2 SprAuG eine Exemtion bereit.

II. Verfassungsrechtliche Garantie und Mitarbeitervertretungsrecht

Während demnach das einfache staatliche Recht auf dem Gebiet des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts überwiegend Exemtionen zugunsten der Kirche vorhält, gilt es nunmehr diese Bereichsausnahmen im verfassungsrechtlichen Kontext zu verorten. Es ist der Nachweis zu führen, dass es der Kirche im Rahmen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts zukommt, ein eigenes Mitarbeitervertretungsrecht zu regeln. Berücksichtigung finden muss schließlich, welche Bindungen dem kirchlichen Gesetzgeber durch das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsrechts auferlegt sind, deren Missachtung einer Geltung des kirchlichen Rechts im staatlichen Rechtskreis entgegenstünde.

1. Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts

Das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht lässt sich als Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts begreifen, wenn die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse innerhalb kirchlicher Dienststellen vom Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts erfasst ist.

a. Begriff der Religionsgemeinschaft

Träger des durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften. Selbstverständlich ist es, dass die verfassten Kirchen in Deutschland – in der evangelischen Kirche sind dies die jeweiligen Landeskirchen sowie ihre Zusammenschlüsse94 – dem Begriff der Religionsgesellschaft unterfallen. Insoweit werden in dieser Arbeit die Begriffe „Religionsgesellschaft“ und „(verfasste) Kirche“ synonym verwendet.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht der verfassten Kirche, ihre eigenen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten, allerdings nicht darauf beschränkt, dass die Kirche allein für die verfasste Kirche Regelungen erlassen darf. Vielmehr soll es ihr auch möglich sein, den Geltungsbereich des kirchlichen Rechts auf Einrichtungen zu erstrecken, die eine gewisse Nähe und Verbindung zur verfassten Kirche aufweisen.95 Dabei stellt die Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die bestehende Beziehung zwischen verfasster Kirche und zugeordneter Einrichtung. Ausreichend sei es, dass die Kirche nach ihrem Selbstverständnis die Einrichtung als die Ihrige begreift.96 Dem ist beizupflichten unter dem Gesichtspunkt, dass es der verfassten Kirche möglich sein muss, nach ihrem Selbstverständnis den kirchlichen Auftrag in der Gesellschaft wahrzunehmen; welcher Rechtsform und insbesondere welcher Organisationsform sie sich dazu bedient, darf hingegen keine maßgebliche Bedeutung haben.97 Insoweit daher in plausibler Weise die Zuordnung einer bestimmten Einrichtung zur verfassten Kirche begründet wird, muss dies für die Einbeziehung in den Anwendungsbereich der kirchlichen Gesetzgebung ausreichen. Die Zuordnung ist jedenfalls dann nachvollziehbar, wenn die Kirche einen ordnenden und verwaltenden Einfluss auf die Einrichtung ausüben kann98 und die Einrichtung die Zugehörigkeit zur Kirche nicht bestreitet99. Die Zuordnung privatrechtlicher Einrichtungen darf jedoch nicht dazu verleiten, diese Einrichtungen nunmehr unmittelbar selbst als Träger des Selbstbestimmungsrechts zu betrachten mit der Folge, dass sie unabhängig von der verfassten Kirche Regelungen treffen könnten; das Selbstbestimmungsrecht und die damit verbundenen Privilegien sind ausschließlich der Religionsgesellschaft, also der verfassten Kirche zugeordnet.100

Für das Mitarbeitervertretungsrecht in der evangelischen Kirche hat dies zur Folge, dass nicht nur die Dienstverhältnisse mit der EKD oder einer Landeskirche der Rechtsetzungsmacht der Kirche unterliegen, sondern auch solche Dienstverhältnisse in privatrechtlich organisierten Einrichtungen wie dem Diakonischen Werk e.V.101 oder Krankhäusern in kirchlicher Trägerschaft102. § 1 MVG-EKD erhebt einen entsprechend weitreichenden Geltungsanspruch für das Mitarbeitervertretungsgesetz.

Dieser Erstreckung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auf privatrechtliche Einrichtungen der evangelischen Kirche tragen die staatlichen Arbeitsgesetze mit ihren Exemtionen zugunsten der Kirche allerdings nur teilweise Rechnung. So schließen die § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG und § 1 Abs. 3 Nr. 2 SprAuG zwar ausdrücklich karitative und erzieherische Einrichtungen aus dem Anwendungsbereich der jeweiligen Gesetze aus. Infolgedessen unterfallen auch die meisten Einrichtungen der evangelischen Kirche bei einer weiten Auslegung nicht dem Anwendungsbereich der staatlichen Gesetze. Weitergehend sind jedoch auch sonstige Einrichtungen der Kirche, die im Zusammenhang mit ihrem Verkündigungsauftrag stehen, im Wege der verfassungskonformen Auslegung aus dem Anwendungsbereich der Gesetze herauszunehmen.103 Von den Exemtionen werden demnach nur solche Einrichtungen nicht erfasst, die auch nach dem kirchlichen Selbstverständnis in keiner Weise zum Verkündigungsauftrag beitragen und ausschließlich der gewerblichen Betätigung dienen.104

b. Ordnen und Verwalten

Die Kirche kann nach Art. 137 Abs. 3 WRV ihre eigenen Angelegenheiten ordnen und verwalten. Der Bereich des Ordnens umfasst dabei legislative Aufgaben, also die eigenverantwortliche Rechtsetzung. Beim Verwalten handelt es sich um die notwendige Ergänzung des Ordnens im Sinne der Gewährleistung einer exekutiven Eigenverantwortung, namentlich der Leitung und Organisation der Kirche und ihrer Einrichtungen samt Umsetzung der im Bereich des Ordnens erlassenen Vorschriften. Umfasst ist weiterhin auch die eigene Rechtskontrolle.105

Das Bundesverfassungsgericht umreißt das Selbstbestimmungsrecht daher in ständiger Rechtsprechung als eine „rechtlich selbstständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt“.106 Insoweit eine eigene Angelegenheit gegeben ist, können die Kirchen folglich ihr eigenes Recht setzen, die Durchführung durch eine eigene Verwaltung sicherstellen und eine von der staatlichen Judikative unabhängige Gerichtsbarkeit einrichten.