Kitabı oku: «Jesus findet Muslime», sayfa 3

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Die Worte sprachen mir direkt aus der Seele. Kannte der Schreiber mich? Ich war verzweifelt. Genau wie die Perlen der Tasbih unaufhörlich durch meine Finger flossen, drehten sich meine Gedanken und fanden keine Ruhe. Ohne meine Gebetskette war ich nirgends mehr anzutreffen.

„Warum hast du mich in diese Lage gebracht, Gott? Warum macht mir mein Stiefsohn Ärger und plagt mich in seiner Eifersucht, bis ich nicht mehr kann? Warum sagt meine Mutter, ich sei selbst schuld? War es nicht sie, die mich damals gegen meinen Willen mit dem Alten verheiratet hat? Warum reicht uns das Geld nicht? Was hat das alles für einen Sinn? Was soll ich bloß tun? Gott! Bitte.“

Der Ärger lauerte mittlerweile in mir wie ein wütender Köter an seiner Kette, der beim geringsten Anlass hervorspringt und sich die Kehle heiser kläffte. Ich war des Lebens so müde.

Trotzdem zwang ich mich, jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen. Bevor ich zum Gebet in die Moschee ging, badete ich, legte Make-up auf und frisierte mich. Dann hüllte ich meine Schönheit sorgfältig in den Hijab.

Selbst Gott will mich nicht so sehen, wie ich bin. Diese Erkenntnis traf mich eines Morgens wie ein Fausthieb direkt ins Gesicht. Ich brach weinend zusammen. Jeden, der mir in die Quere kam, schrie ich wütend an. Mechanisch zwang ich mich weiterzumachen, doch der Hund an der Kette war ein wildes Ungeheuer. Eisern versuchte ich, mich zusammenzureißen, ihn zu bezähmen. Trotzdem gingen mir meine Kinder scheu aus dem Weg.

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Mein Leben ist dunkel. Gleich einem Abgrund, der mich zu verschlingen droht. Hör mein Schreien und hilf mir …“

Wieder und wieder las ich diese Worte. Sie verschafften mir seltsamen Trost.

Ich bezahlte meine Fahrkarte und ging hoch aufgerichtet durch den Mittelgang. Ich ließ mich auf einem freien Sitzplatz nieder. Bleich und abgemagert starrte mich in den Scheiben des Busses mein Spiegelbild an, während draußen die Landschaft vorbeizog. Wie viele Jahre war es her, dass ich alleine mit dem Bus nach S. gefahren war? Immer noch wunderte ich mich, dass mein Mann mir erlaubt hatte, alleine zu fahren.

Tags zuvor hatte ich meinen Bruder angerufen und ihn gebeten, mir zu helfen. Er holte mich am Bus ab, und zusammen fuhren wir zu seiner Wohnung. Während er seinen Wagen durch den dichten Nachmittagsverkehr lenkte, musterte ich ihn von der Seite. Mein großer Bruder hatte sich verändert. Sein Gesicht war weicher geworden. Er war ein starker Raucher gewesen, hatte ständig zu viel getrunken und eine Menge Probleme gehabt. Doch das war nicht der Grund dafür, dass meine Familie den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte. Eines Tages hatte meine Mutter mich angerufen und mir verboten, weiter mit meinem Bruder zu sprechen oder ihn zu besuchen. Er hätte sich von Gott abgewandt und sei Christ geworden, lautete ihre knappe Begründung. Da ich meine eigenen Sorgen hatte, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Ich gehorchte Mutter, ohne ihre Argumente infrage zu stellen. Wer sich mit Christen abgab, machte sich unrein. Und zudem könnte ich mich und meine Kinder mit einem christlichen Onkel in Lebensgefahr bringen. Doch nun brauchte ich ihn dringend, es war mir egal, was die Leute dazu sagen würden.

„Lieber Bruder, du bist der Einzige, der den ‚Alten‘ dazu bringen kann, mir Geld zu bezahlen.“

Ich versuchte meinem Bruder zu schmeicheln und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. „Es ist ja nicht für mich, sondern für meine Kinder. Mehr will ich gar nicht. Er hat sich seit Jahren nicht um uns gekümmert. Es ist nicht mehr als recht und billig, dass er Unterhalt für sie bezahlt.“

„Lass das Gott in Ordnung bringen.“

Gott? Was für eine seltsame Antwort aus dem Mund meines großen Bruders, dem es doch sonst nie an prahlerischen Worten gemangelt hatte. Schon wieder fühlte ich Ärger in mir aufsteigen.

„Das kann auch Gott nicht in Ordnung bringen.“

Unablässig betete und schrie ich doch schon zu Gott, auch jetzt hatte ich meine Tasbih, die Gebetskette, bei mir und ließ sie pausenlos durch meine Finger gleiten. Ich versuchte dem Allmächtigen zu gefallen, doch das gelang mir ganz offensichtlich nicht. Es schien, als wären Gottes Ohren taub.

Dass er längst unterwegs zu mir war, ahnte ich nicht.

„Es tut mir leid, dass du so traurig bist, Shayah.“ Leila, die Frau meines Bruders, nahm mich bei meiner Ankunft herzlich in ihre Arme und küsste mich. Dann führte sie mich in ihr Wohnzimmer, in dem es nach meinem Lieblingsgericht duftete. Tatsächlich gab es Fisch mit Safranreis! Während wir aßen, berichtete ich den beiden von meinem Leben in I.

Einmal fragte mein Bruder: „Möchtest du mit mir einen Hauskreis besuchen?“ Da ich immer aufgeschlossen für Neues bin und neugierig war, ging ich zusammen mit Leila und meinem Bruder dorthin.

Lieder und Gebete empfangen uns.

„Shaya, heute wirst du an Jesus glauben.“

Lachend wehre ich die Worte des Pastors ab, fühle mich etwas überrumpelt. „Ich bin doch Muslima.“

Obwohl ich noch nie unter Christen gewesen bin, beginne ich mich zu entspannen. Ich bin einfach da und sehe ihnen zu. Die Musik im Fernsehen gefällt mir. Alle singen mit und preisen Gott. Danach beten sie füreinander, so etwas kenne ich überhaupt nicht. Ich überlege: Zu ihnen zu gehören würde bedeuten, von der eigenen Familie verstoßen zu werden, so wie mein Bruder. Hinter vorgehaltener Hand würden die Leute tuscheln: „Shaya ist schmutzig, haltet euch fern von ihr.“

Inzwischen verteilen sich alle im ganzen Raum, stehen oder sitzen in kleinen Gruppen beieinander und unterhalten sich ungezwungen. Wir trinken Tee, und es gibt Obst dazu.

„Heute wirst du deine Knie vor Jesus beugen.“

Warum kann mich dieser Pastor nicht in Ruhe lassen?

„Hey, du kannst mich nicht zwingen.“

„Shaya, probiere es doch mal eine Woche aus, mit Jesus zu leben. Und lade ihn ein, dein Gast zu sein. Wenn du dich gut fühlst, dann gib Jesus dein Leben. Einen Versuch könnte es wert sein, oder?“

Das ist eigentlich keine schlechte Idee. Was habe ich schon zu verlieren? Schließlich wird es niemand merken, ob ich es eine Woche mit Jesus versuche.

„Gerne würden wir für dich beten, Shaya. Möchtest du das?“

Etwas zögerlich nicke ich und knie mich auf dem Fußboden nieder. Neben mir steht Leila, fest hält sie meine Hand. Der Pastor legt mit seiner Hand auch seine Bibel auf meine Schulter. Langsam spreche ich ihm das Gebet nach, das er mir vorbetet. Auf meiner Schulter wird es beinahe unerträglich heiß. Legt Jesus selbst mir gerade die Hand auf? Als der Pastor seine Hand wegnimmt, ist mir alle Last, die ich seit Wochen oder gar Jahren mit mir herumtrage, abgenommen. So gut, so leicht, habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt.

Die Leichtigkeit fiel auch dann nicht ab, als wir nach Hause fuhren. Beim Abendessen berichteten mir Leila und mein Bruder abwechselnd, was sie mit Jesus erlebt hatten. Wie er ihr Leben lebenswert gemacht hatte.

Ich nahm das Neue Testament, das mir Leila schenkte, mit in mein Zimmer. Es sollte sich dabei um den Teil der Bibel handeln, in dem am meisten über Jesus steht. Und ich begann darin zu lesen. Zufällig stieß ich auf eine Geschichte, in der Jesus über das Wasser geht. Es ist bereits Nacht, und Freunde von Jesus, in diesem Buch werden sie als seine Jünger bezeichnet, haben fürchterliche Angst. Sie dachten, Jesus wäre ein Gespenst.

Irgendwann schlief ich wohl über dem Lesen ein. Zum ersten Mal seit meiner Scheidung, ohne zuvor ein Schlafmittel eingenommen zu haben.

„Shaya, komm.“

Ich stehe am Ufer, Wasser umspült angenehm meine nackten Füße. Aus der Dunkelheit kommt mir ein großer, weiß gekleideter Mann entgegen. Über das Wasser geht er auf mich zu, seine Hand ist freundlich nach mir ausgestreckt. „Komm Shaya, komm. Hab keine Angst.“

Noch zögere ich, doch dann kann ich einfach nicht anders, als ihm entgegenzugehen. Ich gehe auf dem Wasser.

„Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was für ein Wasser das ist, in das man nicht einsinkt. Ich fühlte mich so wunderbar gut und leicht!“

Aufgeregt erzählte ich Leila am Morgen von meinem Traum.

„In der Bibel hat Jesus seinen Freund Petrus gebeten, über das Wasser zu ihm zu kommen. Sieh her, hier lese ich dir diese Stelle vor:

Das Boot mit den Jüngern war inzwischen weit draußen auf dem See.

Der Wind trieb ihnen die Wellen entgegen und machte ihnen schwer zu schaffen.

Im letzten Viertel der Nacht kam Jesus auf dem Wasser zu ihnen.

Als die Jünger ihn auf dem Wasser gehen sahen, erschraken sie und sagten:

„Ein Gespenst!“, und schrien vor Angst.

Sofort sprach Jesus sie an: „Fasst Mut! Ich bin‘s, fürchtet euch nicht!“

Da sagte Petrus:

„Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!“

„Komm!“, sagte Jesus.

Petrus stieg aus dem Boot, ging über das Wasser und kam zu Jesus.

Als er dann aber die hohen Wellen sah, bekam er Angst. Er begann zu sinken und schrie: „Hilf mir, Herr!“

Sofort streckte Jesus seine Hand aus, fasste Petrus und sagte:

„Du hast zu wenig Vertrauen! Warum hast du gezweifelt?“

Dann stiegen beide ins Boot, und der Wind legte sich.

Matthäus 14,24-32 (Gute Nachricht Bibel)

„Dann war es Jesus, der mich gerufen hat! Ich habe Jesus gesehen!“

Begeistert klatschte ich in die Hände! Jesus sprach zu mir!

Langsam begriff ich, er kümmerte sich tatsächlich um mich. Ich musste meine Sorgen nicht länger alleine tragen! Ausführlich besprach ich in den nächsten vier Tagen alles mit meinem Bruder und meiner Schwägerin. Sie lasen in der Bibel und beteten mit mir. Ich wurde immer ruhiger. Schließlich sah ich mich in der Lage, meinen Ex-Mann anzurufen. Ohne ihm Vorwürfe zu machen, bat ich ihn, Unterhalt für die Kinder zu zahlen. Dann fuhr ich wieder zurück nach Hause.

Und das Unfassbare geschah! Schon wenige Tage später rief mich der „Alte“ an, um mir mitzuteilen, er habe Geld für die Kinder überwiesen.

Ich spürte, wie meine Kinder mich heimlich beobachteten. Frey legte eines Abends seine Arme um mich: „Shaya, was ist mit dir passiert? Du bist so anders! So ruhig und liebevoll zu uns allen. Selbst wenn die Jungen frech sind, reagierst du nicht mehr wütend. Wir kennen dich gar nicht mehr!“ Lachend wirbelte er mich herum: „Die neue Shaya gefällt mir!“

Abends kuschelten meine Kinder plötzlich mit mir. War Frey nicht da, las ich ihnen die Geschichte vor, wie Jesus über das Wasser ging. Ich schloss immer mit den Worten: „Jesus können wir vertrauen, er liebt uns!“

Innerhalb weniger Tage hatte sich mein Leben zum Guten verändert. Ich entschloss mich, den Koran und die anderen religiösen Schriften wegzuwerfen. Stattdessen las ich viele Stunden lang in der Bibel. Ich war unersättlich. Matthäus 6, die Verse 25 und 26 wurden meine Lieblingsstelle:

Deshalb sage ich euch:

Macht euch keine Sorgen um das,

was ihr an Essen und Trinken zum Leben und an Kleidung für euren Körper braucht.

Ist das Leben nicht wichtiger als die Nahrung, und ist der Körper nicht wichtiger als die Kleidung?

Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte,

und euer Vater im Himmel ernährt sie doch.

Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?

Matthäus 6,25-26 (NGÜ)

Dann kam der Tag der Wahrheit. „Shaya, sag mir die Wahrheit, bist du Christ geworden?“ Ich trug eine Wasserschüssel ins Zimmer und bat Frey, Platz zu nehmen. „Ich habe Jesus erlebt, als ich bei meinem Bruder war. Wir haben gebetet, und Jesus hat mir ein neues, ruhiges Herz gegeben. Das hat mir geholfen, dass ich beim, Alten‘ anrufen konnte und er uns nun unterstützt. Ich muss Jesus einfach folgen. Mein ganzes Leben lang habe ich mich abgemüht, rechtschaffen und rein zu sein. Zu Jesus darf ich aber genau so kommen, wie ich bin, er ist es, der mich rein macht. Er hat mir alles vergeben. Deshalb möchte ich dich auch um Vergebung bitten. Als Zeichen dafür möchte ich dir deine Füße waschen, darf ich?“

Ich sah ihn erwartungsvoll an, mein Herz war mit einer ganz neuen Liebe zu ihm erfüllt.

„Gott sei Dank, dass du nicht mehr im Koran liest und endlich die Gebetskette weggelegt hast. Wie gesagt, du gefällst mir so viel besser.“

Shayas Beziehungen zu ihrem Mann und ihrem Stiefsohn besserten sich nun täglich. Sie gründeten in ihrem Haus einen Hauskreis, zu dem sie Freunde einlud. Bei ihren Treffen mussten sie sehr vorsichtig sein.

Dies ging einige Jahre gut, und auch ihre Tochter fand zum Glauben an Jesus Christus. Darüber war der „Alte“ so erzürnt, dass er die Hausgemeinde ihres Bruders anzeigte.

Frey war außer sich vor Sorge und machte ihr zusätzlich Druck.

Die Adressen aller christlichen Freunde fielen bei einer Razzia in die Hände der Geheimpolizei. Innerhalb weniger Tage musste Shaya mit ihrer Tochter das Land verlassen.

Ich sah gelassen auf das Meer hinaus. Blauer Himmel, weißer Sandstrand, winzige Schaumkronen auf den heranrollenden Wellen, Meer bis zum Horizont. Dieses Bild erinnerte mich an einen Tag vor vielen Jahren, als die Kinder noch klein gewesen waren und der Alte uns gegen unseren Willen hierhergebracht hatte.

Auch dieses Mal waren wir nicht im Urlaub. Erneut waren wir auf der Flucht, illegal. Um mich herum drängten sich Menschen. Ihre Gesichter waren vor Sorge und Angst bleich und verzerrt. Ich kümmerte mich um eine Frau, die alleine mit ihren Kindern die Fahrt über das Mittelmeer unternehmen musste.

„Warum bist du so ruhig?“ Fragend sah mich die Frau an, als wir endlich einen Platz auf dem Boot gefunden hatten. Unablässig murmelte sie: „Allah, hilf uns! Du musst zu Hossein beten, Shaya! Warum hast du keine Angst?“

„Unser Leben und die Überfahrt liegen in Gottes Hand, darum ich habe keine Angst. Ich weiß, Gott ist immer bei uns. Ich habe ihm alle meine Sorgen anvertraut, und nun ist es gut.“

Wir nahmen Kurs auf das offene Meer hinaus. Ich sah zum Himmel und zu den kleinen weißen Wolken hinauf. In meinem Herzen sprach ich mit Jesus. Ich brauchte keine Rituale, keinen Hijab und keine Waschungen mehr, bevor ich zu Gott kommen konnte. Ich durfte in meiner Sprache mit ihm reden und musste keine Worte benutzen, die ich nicht verstand. Direkt und unmittelbar unterhielt ich mich mit ihm, und er hörte mich und sprach auch zu mir. Früher hatten, wie bei der Frau neben mir, immer andere Menschen zwischen mir und Gott gestanden.

Wie oft hatte ich mich bemüht, Gott zu gefallen? Und trotzdem hatte ich mich immer sündig und schmutzig gefühlt und gedacht, er sei sauer auf mich. Also strengte ich mich noch mehr an, ein guter Mensch zu sein. Aber weil ich das nicht geschafft habe, war ich ständig unzufrieden. Jetzt weiß ich, dass Gott mich liebt, wie ich bin, und nicht mehr sauer auf mich ist.

Shaya und ihre Tochter haben die Überfahrt wohlbehütet überstanden. In verschiedenen Flüchtlingslagern und Übergangswohnungen lebt sie bis heute Tür an Tür mit Menschen, die ihren Glauben verachten. Teilt mit ihnen Küche und Badezimmer, und an manchen Tagen überfällt sie die nackte Panik.

„Komm, vertrau mir! Sorge dich nicht!“

Diese Worte Jesu sind es, die sie tagtäglich durchtragen.

Als ein Unbekannter und Namenloser kommt er zu uns, wie er am Gestade des Sees an jene Männer, die nicht wussten, wer er war, herantrat. Er sagt dasselbe Wort: Du aber folge mir nach!

Albert Schweizer, Theologe und Arzt

Es kommt die Zeit, da schicke ich euch eine Hungersnot.

Aber nicht nach Brot werdet ihr hungern und nicht nach Wasser verlangen.

Nein, nach einem Wort von mir werdet ihr euch sehnen!

Dann irren die Menschen ruhelos durchs Land, vom Toten Meer bis zum Mittelmeer, vom Norden bis zum Osten.

Doch ihre Suche wird vergeblich sein:

Ich, der HERR, antworte ihnen nicht.

Auch die schönen Mädchen und die jungen Männer werden an jenem Tag vor Durst zusammenbrechen.

Amos 8,11-13 (HfA)

4 Pink

Doch dann werde ich versuchen, sie wiederzugewinnen:

Ich will sie in die Wüste bringen und in aller Liebe mit ihr reden.

Hosea 2,16 (HfA)

Sue legte Lidschatten, verschiedene Lippenstifte und Cremes bereit, zusammen mit dem weißen Kajal für die Wasserlinie und dem Augenbrauenpuder. Die dunkelhaarige Dame mittleren Alters eilte in ihrem Atelier hin und her. Sue war nicht wie all die anderen Schönheitsberaterinnen, da war sie sich sicher. Sie war eine ganz besondere. In Gedanken bei den Kundinnen, die in einer knappen halben Stunde eintreffen würden, verglich sie sorgfältig ihre Farbpaletten. Alles musste perfekt stimmen. Musste hundertprozentig abgestimmt sein auf den Teint der Haut und die Farben des Kleides, die Haare und die Blumen. Sue war auf Hochzeits-Make-ups spezialisiert und gab sich nicht mit weniger zufrieden, als dass Braut und Brautmutter sich am Hochzeitstag als die schönsten Frauen der Welt fühlten. Von Schönheit konnte Sue einfach nicht genug kriegen. Sie war regelrecht süchtig danach. Doch das gestand sie sich kaum selbst ein.

Nun musste noch das Wachsbad für die Hände eingesteckt werden, damit es genau die richtige Temperatur bekam, und eine neue Packung Einwegwaschlappen bereitgelegt werden.

Zufrieden blickte sich Sue in ihrem apricotfarbenen Zimmer um, dem „Himmelreich für Bräute“, wie sie es beinahe zärtlich nannte. Sie würde den Damen einen Kaffee servieren, dann würde alles perfekt sein.

Jetzt ließ Sue sich erst mal auf dem Friseurstuhl nieder. Ihre Augen blieben an ihrem Lieblingsbild hängen, das sie gut sichtbar aufgehängt hatte: Marijam mit dem Jesus-Baby auf dem Arm.

Immer, wenn sie es ansah, regte sich eine Sehnsucht in ihr, genauso schön und rein zu sein wie Marijam. Kritisch betrachtete sie jetzt ihr Spiegelbild und schob eine Locke hinter ihr Ohr.

Ihre Gedanken gingen zurück zu ihrer eigenen Hochzeit.

Sie war zu jung gewesen. Hatte nichts über sich selbst, die Liebe oder gar Männer gewusst. Kein Wunder, dass es nicht funktioniert hatte. Trotzdem war es traurig. Ob es anders gekommen wäre, wenn sie noch zwei, drei Jahre gewartet hätte? Sicher! Jetzt hörte sie, wie ihre Kundinnen das Vorzimmer betraten. Noch schnell romantische Musik einschalten, und dann konnte es losgehen.

Das Braut-Mädchen erinnerte sie stark an sich selbst. Vor einigen Tagen, beim Beratungsgespräch, hatte sie ihr die Augenbrauen tätowiert, bevor sie gemeinsam die Frisur ausprobiert und die passenden Farben für das Make-up zusammengestellt hatten. Dabei hatte sie viel über das Mädchen erfahren, das, wie so viele, ihren Mann kaum kannte. Sue wünschte der knapp 16-jährigen Braut, dass sie bei ihrer Hochzeit noch einmal ihre Schönheit feiern könnte, denn in Zukunft würde sie diese meist verstecken müssen.

Die nächsten vier Stunden arbeitete Sue konzentriert. Sie wollte ihrerseits alles tun, dass das Mädchen einen wunderbaren Tag hatte.

Nachdem Brautmutter und Tochter gegen Mittag von einer Luxuslimousine abgeholt worden waren, schminkte Sue sich selbst sorgfältig. Dann hüllte sie sich in ihren Hijab und eilte zum Gebet in die Moschee. Das war ihr wichtig. Anschließend würde sie ihr „Himmelreich“ wieder salonfähig machen, und dann könnte sie endlich nach Hause gehen.

Diesen Monat arbeitete sie nur halbtags, denn sie fastete. Gott zu suchen war ihr wichtig, und dies war der einzige Weg, den Sue kannte.

Sue hat entsetzlichen Durst. Doch weit und breit gibt es hier kein Wasser. Trocken klebt ihr die Zunge am Gaumen. Unaufhörlich rinnt ihr der Schweiß die Stirn und den Rücken hinab. Ihre Füße finden im Sand keinen Halt, mühsam kämpft sie sich vorwärts durch die Einöde. Die Sonne steht senkrecht, nirgends ist eine Wolke zu sehen, und weit und breit gibt es keinen Schattenplatz. Die hoch aufragenden Felswände, an denen ihr Weg nun vorbeiführt, strahlen zusätzlich Hitze ab. Wenn sie nicht bald Wasser findet, wird sie hier draußen elend sterben.

Ihr Blick tastet verzweifelt suchend die zerklüftete Wand ab und bleibt an einem Vorsprung hängen. Vielleicht kann sie sich dort etwas ausruhen? Sie muss es versuchen. Als sie näherkommt, entdeckt sie tatsächlich eine unterirdische Höhle. Die Hände ausgestreckt tastet sie sich hinein. Ob es hier Wasser gibt? Langsam gelingt es ihr, im Dunkeln etwas zu erkennen. Befindet sie sich etwa im Grab von Marijam? Ihr Bild hängt groß gegenüber des Höhleneingangs. Marijam ist darauf von überwältigender Schönheit.

Sue geht näher, solch ein Bild hat sie noch nie von ihr gesehen. Plötzlich beginnt ein Licht zu strahlen und den Höhlenraum zu erhellen. Die Gestalt eines Mannes löst sich aus dem Bild. Er ist nicht wie ein Araber, sondern wie ein Römer gekleidet. Er kommt auf Sue zu und bietet ihr ein halb volles Glas Wasser an. Ohne lange zu überlegen, streckt sie durstig die Hände danach aus. Endlich!

Plötzlich weiß sie, es ist Jesus, der ihr das Wasser reicht.

Sie fragt ihn: „Warum ist das Glas halb leer?“

„Wenn du es austrinkst, wirst du nie mehr Durst haben.“

Nie wieder Durst haben …?

Ihr Blick wandert von Jesus zu dem Bild seiner Mutter hin. Warum hält sie denn kein Kind auf ihren Armen? Als hätte sie laut gefragt, antwortet Jesus ihr: „Marijam ist tot. Aber ich bin lebendig.“

Die Sonnenstrahlen fielen schon weit in ihr Zimmer und tauchten es in ein lichtes Gelb, als Sue aufwachte. Verwirrt schaute sie sich um. Sie war zu Hause und nicht mehr in der Wüste. Nie wieder Durst haben!? Das nächtliche Erlebnis hielt sie noch umfangen.

Unbewusst fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen. Jetzt eine Tasse Kaffee. Sorgfältig kleidete sie sich an und schminkte sich. Dabei dachte sie über den eigenartigen Traum nach. Sie war in der Wüste Sahara gewesen, und Jesus, nicht ihre geliebte Marijam, hatte zu ihr gesprochen. „Wie komme ich denn auf solche Ideen, ich war doch noch nie in der Sahara. Und Jesus … warum hat er gesagt, er lebe?“

Wochenlang ging ihr dieses nächtliche Erlebnis nicht mehr aus dem Sinn. Sicher hatte es nichts zu bedeuten, oder doch?

Wenn ich eine Bibel hätte, könnte ich vielleicht herausfinden, was der Traum meinte.

Wochen später hielt Sue endlich das verbotene Buch in ihren Händen. Ihre Tochter hatte es ihr während eines USA-Aufenthalts besorgt. Stundenlang blätterte sie darin, las mal hier, mal dort. Es verwirrte sie, und irgendwann legte sie es enttäuscht zur Seite. Die Sprache war recht altertümlich, die Geschichten aus einer ihr fremden Kultur. Sie konnte nichts damit anfangen. Außerdem war es viel zu dick. Resigniert legte sie das Buch in das unterste Fach ihrer Kommode und verschloss es fest. Ihre Fragen über Jesus ließen sich jedoch nicht einfach so wegsperren.

Immer wieder passierte es, wenn sie abends auf ihrer Couch saß, müde von der Arbeit im Beauty-Salon, dass sie beim Zappen auf christliche Fernsehsender stieß. Hier erfuhr sie mehr über Jesus. Dass er kranke Menschen geheilt hatte. Und mit ein paar wenigen Broten hatte er Tausende satt gemacht. Er war sogar mit Frauen befreundet gewesen und hatte mit Außenseitern gesprochen. Jesus hatte sich anscheinend um Leute gekümmert, mit denen sich sonst niemand abgab. Er musste schon ein verrückter Typ gewesen sein.

Heute war sie selbst die Braut, die sich vor dem Spiegel drehte. Sue hatte ihre Lieblingsmusik aufgelegt, aufgeregt tanzte sie durch ihr apricotfarbenes Reich. Im Schein der Kerzen frisierte sie ihr Haar und zog einen exakten Lidstrich. Für ihre vollen Lippen wählte sie ein dunkles Orange-Pink.

In ihrem Alter hatte sie nicht mehr damit gerechnet. Sie hatte sich in Mohammed verliebt. Er war unmerklich ihr Freund geworden, obwohl sie das nicht gesucht hatte und er mehr als zehn Jahre jünger war als sie. Ihre Liebe zueinander war langsam und stetig gewachsen. Wie die Blumen im Frühling hatte sie sich unaufhaltsam ihren Weg an die Oberfläche gebahnt. Zuerst hatte es keiner von ihnen bemerkt, und dann war sie plötzlich da gewesen, leuchtend, stark und schön. Tiefes Vertrauen prägte ihre Freundschaft. Sie konnten über alles miteinander reden und auch gemeinsam schweigen. Mohammed versuchte nicht, sie zu bevormunden, sondern besprach alles mit Sue. Das mochte sie. Sie erzählte ihm auch von ihrem Traum, und sie redeten stundenlang über Jesus. Er tat es nicht als Hirngespinst ab.

Auch nach der Hochzeit beschäftigte sie sich weiter mit dem Koran und anderen Schriften, in denen Jesus erwähnt wurde. Sie las alles, was sie über Jesus fand. Er übte eine nahezu magische Anziehungskraft auf sie aus.

„Mohammed, heute Nacht hat Jesus wieder zu mir gesprochen!“

Sue saß aufrecht in ihrem Bett und hatte ihren Mann aufgeweckt. „Sue, hat er etwas gesagt?“

Er versuchte seine Frau zu beruhigen.

„Er hat ganz klar und deutlich zu mir gesprochen: Suche mich im Licht und nicht in der Dunkelheit. Mohammed, ich möchte mit Jesus leben. Hast du ein Problem damit?“

Ihr Mann sah sie nachdenklich an. Er war kein Mann der schnellen Worte. „Sue, bis ich dich kennengelernt habe, war mein Leben sehr schwierig. Mit dir ist mir etwas Gutes passiert. Vielleicht bist du sogar das einzig Gute, das mir je geschehen ist. Ich denke, wenn Jesus zu dir gehört, ist Jesus etwas Gutes. Und wenn er gut für dich ist, dann ist er auch für mich gut, und dann werde ich mein Leben auch Jesus anvertrauen.“

„Mohammed, wir wissen nicht, wie man mit Jesus spricht. Lass uns meine Tochter in Amerika anrufen und sie fragen, ob sie einen Pastor kennt, der uns helfen kann.“

Wenige Tage später, es ist fünf Uhr in der Früh, sitzen Sue und Mohammed Hand in Hand in ihrem Wohnzimmer auf der Couch. Aufgeregt lauschen sie der Stimme von Sues Tochter: „Mama, ich habe Pastor Aslekian für euch gefunden. Außerdem ist hier noch George, er kann übersetzen. Ich habe ihnen alles erklärt, und ihr könnt nun selbst für euch sprechen.“

Sue und Mohammed erzählen Pastor Aslekian im weit entfernten Amerika von ihrem Wunsch, Jesus kennenzulernen. Es ist ein langes Gespräch. Sue und Mohammed kann nichts mehr von ihrem Entschluss abbringen. Sie wollen Jesus, koste es, was es wolle. Die fünf Menschen an den Telefonapparaten schließen ihre Augen, es ist ein heiliger Moment. Sues und Mohammeds Herzen werden von der Liebe und Nähe Gottes überwältigt.

„Sue“, sagt Mohammed anschließend, „während wir gebetet haben, fühlte ich Gott wie noch nie zuvor. Von Kopf bis zu den Zehen hinab durchlief mich eine Energie. Ich wusste plötzlich, Jesus ist da und weiß, dass wir es ernst meinen.“

„Mir ging es genauso. Ich wünsche mir so sehr, Jesus noch viel besser kennenzulernen.“

Beide denken nur noch an Jesus, als sie ihm an jenem Morgen ihr Leben anvertrauen. Von den Sorgen und Gefahren, die das mit sich bringen wird, ahnen sie noch nichts.

Von diesem Tag an erfüllte Sue und Mohammed eine nie gekannte Sehnsucht. Sue, die jahrelang von schweren Migräneanfällen geplagt war, wurde durch das Gebet, in dem sie Jesus ihr Leben anvertraut hatte, frei davon. Wie oft hatte sie als Muslima dafür gebetet und nichts hatte sich verändert?! Diese Heilung war ein unvergessliches Zeichen für sie. Jesus Christus hatte sie rein gemacht, er hatte sie in der Wüste ihres Lebens gerufen und ihr das Wasser des Lebens gegeben. Er hatte ihren Durst und ihre Sehnsucht in einer Weise gestillt, wie es nur ihm möglich war.

Mohammed vertraute Jesus, einfach, weil Sue es tat, und auch sein Glaube wurde jeden Tag tiefer und ernster. Nach seiner Entscheidung für Jesus legte er seinen alten Namen ab und entschied sich für einen neuen: Matt, nach dem biblischen Matthäus.

„Matt, du errätst nicht, was ich gefunden habe!“ Sue zeigte aufgeregt auf einen Abschnitt, den sie eben erst entdeckt hatte. Sie und Matt lasen jeden Tag zusammen in der Bibel. „Hier redet Jesus mit einer Frau, ganz ähnlich, wie er mit mir in meinem Traum gesprochen hat.“

Jesus gab ihr zur Antwort:

„Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen.

Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr durstig sein.

Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer Quelle werden, die unaufhörlich fließt, bis ins ewige Leben.“

„Herr, bitte gib mir von diesem Wasser!“, sagte die Frau.

„Dann werde ich nie mehr Durst haben.“

Johannes 4,13-15 (NGÜ)

Sue und Matt waren begeistert von Jesus. In ihren Herzen hatte etwas zu brennen begonnen. Alles, was sie über Christus erfuhren, trieb sie an, noch mehr in Erfahrung zu bringen.

Längst konnten sie ihren neuen Glauben nicht mehr für sich behalten. Sie begannen, mit Verwandten, Freunden und Bekannten über Jesus zu sprechen. Matts Familie war entsetzt. Jesus? An ihn zu glauben war gefährlich. Für sie war Jesus vielleicht einmal ein guter Prophet gewesen, doch das hatte heute nichts mehr zu bedeuten. Mohammed war für sie der Wegweiser zu Gott.

Doch Sue und Matt ließen sich nicht beirren. Sie beteten und baten Gott ihnen zu sagen, mit wem sie über ihre Erfahrungen sprechen sollten.

Sue wurde den Eindruck nicht los, sie solle ihrem Bruder alles erzählen. Und tatsächlich: Statt ihre Geschichte abzutun, nahm auch er Jesus an.

Seine Frau war alles andere als begeistert davon. Sues Schwägerin war eine streng gläubige Muslima, die den Koran und andere religiöse Schriften stets bei sich trug. Sie war wütend auf Sue und Matt, drohte ihnen und verbat sich, sie nochmal mit Jesus zu behelligen.

„Was macht ihr denn schon wieder hier? Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr euch hier nie wieder blicken lassen sollt?“ Sues Schwägerin war mitten hinein in ihre Gebetszeit geplatzt. Sie war außer sich.

Sue und Matt hatten mit Sues Bruder in der Bibel gelesen, gebetet und über Jesus gesprochen. Erst sechs Wochen war es her, dass sie und Matt von Sues Schwägerin aus ihrer Wohnung geworfen worden waren. Und nun hatten sie den Eindruck gehabt, dass Gott sie erneut dorthin schickte. Sue und Matt hatten das irrsinnig gefunden, doch wenn Jesus das so wollte – nun, dann würden sie es eben tun.

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