Kitabı oku: «Mein Leben mit dir hat bereits begonnen», sayfa 3
Nellys Nervenkostüm war durch ihre private Situation mehr als angegriffen und es war total verrückt und nicht angebracht, wie sie hier reagierte, dessen war sie sich bewusst. Trotzdem konnte sie die Tränen kaum zurükhalten.
Die Hand auf ihrem Oberschenkel drückte diesen leicht zusammen:
„Bitte Nelly -nicht weinen.“
Eindringlich sah Aaron sie an.
„Ich gehe nicht mehr aus deinem Leben -nie mehr. Du bist mein Leben, aber dieser Termin ist sehr wichtig für mich und ich werde dich wiedersehen -so schnell ich kann. Ich finde dich, egal wo du bist. Mein Leben mit dir hat bereits begonnen“
Nelly schluckte und nickte.
„Ich gebe dir jetzt meine Handynummer. Merke dir diese Nummer, schreibe sie niemals auf und gebe sie niemanden weiter -niemals und niemanden -auch nicht Hanna. Versprichst du mir das?“
Nelly nickte.
Aaron hielt sich unauffällig die Hand vor den Mund und nannte ihr eine leicht zu merkende Handynummer.
„Niemand weiß von der Nummer und sie ist ausschließlich für dich bestimmt. Wenn du mich brauchst, egal wann und wo, kannst du mich über diese Nummer erreichen, ich bin für dich da -okay?“
Nelly nickte erneut: „Möchtest du auch meine Nummer haben?“ fragte sie ihn schüchtern, doch Aaron lächelte sie nur an und schüttelte den Kopf.
„Nein, gib sie mir nicht jetzt -zu viele Augen und Ohren hier. Ich muss jetzt gehen -du kommst mit Hanna nach Hause?“
Nelly nickte erneut und sie bekam die Panik kaum in den Griff, bei dem Gedanken, dass er jetzt jeden Moment aufstehen und verschwinden würde, der Mann, den sie erst seit knapp einer Stunde kannte. Wie albern und kindisch ich mich aufführe, schoss es ihr durch den Kopf, aber ihr ganzer Körper wehrte sich dagegen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, das Aaron jetzt gehen würde.
Aaron winkte Hanna heran und auch Nick, der immer noch auf Ron wartete, kam mit zu ihnen an den Tisch.
„Han, du bringst deine Freundin später sicher nach Hause?“, Aaron sah Hanna bittend an.
Hanna stellte sich neben Nelly um ihr ihren Arm um die Schulter zulegen, dabei sah sie Aarons Hand auf Nellys Oberschenkel liegen. Hanna sagte nichts und wendete ihren Blick wieder Aaron zu.
„Nichts anderes hatte ich vor, du Klugscheißer. Kümmere dich lieber um deinen Scheiß. Ich wusste nicht, dass Kalle gerne warten gelassen wird“.
Aaron zog seine Hand langsam von Nellys Oberschenkel und hinterließ eine Spur auf ihrer Haut, die gleichzeitig brannte und kribbelte.
Reis dich zusammen, ermahnte Nelly sich selbst und schaute Hanna an.
Dabei begegnete sie Nicks Blick. Er sah sie mit undurchschaubarem Blick an und Nelly schaute direkt weg, der Blick war ihr unangenehm.
„Komm wir gehen tanzen“, schlug Hanna Nelly vor und zog sie auf die Tanzfläche. Als Nelly zurückschaute, war Aaron schon verschwunden. Es kam Nelly alles wie ein Traum vor, sie fühlte sich glücklich und lebendig, aber doch so unglaublich einsam.
-4-
Nelly wurde am nächsten Morgen durch ein Poltern geweckt. Sie lag auf der Liege im Schlafzimmer und blickte sich um. Benno lag nicht mehr im Bett und sie konnte Stimmen aus dem Wohnzimmer vernehmen. Patrik und Benno unterhielten sich, augenscheinlich war der Infusionsständer umgekippt.
Nelly kniff die Augen zusammen und reckte sich. Es war gestern noch recht spät geworden. Sie hatte mit Hanna noch ordentlich getrunken und getanzt -nachdem Aaron verschwunden war.
Aaron… Nelly war plötzlich hellwach. Aaron -was war das gestern gewesen?
Im Nachgang hatte sie das Gefühl, als ob das wirklich nur ein Traum gewesen sei -so unwirklich. Sie versuchte sich die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen und ihr viel direkt die Handynummer ein, die er sie mehrfach hinter vorgehaltener Hand hatte wiederholen lassen.
Diesen magischen Augenblick, als sie ihn im Club gesehen hatte- hatte sie wirklich jemand Fremdem versprochen, ihn zu retten?
Sie schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Bettkante. Sie war bestimmt durch den Schlafmangel gestern nur total daneben gewesen und der Alkohol hatte den Rest erledigt.
Aaron würde sie bestimmt für eine total abgedrehte Person halten, er würde bestimmt glauben, dass sie Drogen nahm.
Oh Gott, wie peinlich! Egal, ich werde ihn nie wiedersehen, beruhigte Nelly sich selbst und stand auf. Direkt als sie diesen Gedanken hatte, wurde ihr aber schlagartig bewusst, dass sie aber etwas ganz anderes wollte. Ganz hinten in ihrem Kopf gab es diese Stimme, die lautstark rebellierte und versuchte gehört zu werden.
Als Nelly dieser Stimme Gehör verschaffte, wurde ihr klar, dass sie selbst nicht daran glaubte. Natürlich würde sie Aaron wiedersehen, sie würde sogar alles dafür tun, um ihn wiederzusehen.
Ja, sie hatte ihm versprochen sein Leben zu retten, so wie er es ihr versprochen hatte. Sie glaubte fest daran und es kam ihr so natürlich vor, als wäre es schon immer so geplant gewesen. Er war kein Fremder -ja, es stimmte, sie kannte ihn erst seit gestern, aber ihr Gefühl sagte ihr, das er ihr Seelenverwandter war -es war so, als hätte sie nur auf ihn gewartet. Sie stoppte diese Stimme wieder und kam sich so verrückt und zerrissen vor.
Sie ging ins Wohnzimmer und sah Benno im Rollstuhl am bodentiefen Fenster vor dem Fluchtbalkon sitzen. Es gab wenige Tage, wo er noch das Bedürfnis hatte an die Luft zu gehen -es schien ein guter Tag für ihn zu sein.
„Hallo du Schlafmütze“, begrüßte er Nelly.
Nelly ging zu ihm und küsste ihn sanft auf die Stirn und setzte sich auf seinen Schoss.
„Morgen. Habe ich dich heute Nacht geweckt als ich nach Hause gekommen bin?“, fragte Nelly ihn.
Benno schüttelte leicht den Kopf: „Nein, ich hatte leider so viel Morphium intus, das ich dich zwar gehört habe, aber nicht in der Lage war dich anzusprechen. Hattest du denn einen schönen Abend? Hanna hat bereits 2 Mal angerufen und wollte dich unbedingt sprechen. Ich habe Patrik aber verboten dich zu wecken, ich war so froh, dass du endlich mal schlafen konntest.“
Hanna hatte bereits 2 Mal angerufen, wie spät war es, fragte sich Nelly und schaute auf die Uhr.
„Scheiße, wir haben schon nach 13 Uhr“. Nelly sprang auf. „Herr Dr. Schumacher wollte heute noch nach dir schauen und ich stehe hier im Schlafanzug. Sch… ich springe schnell unter die Dusche und kümmere mich ums Essen -hat Patrick dir schon was gemacht?“
„Nelly entspann dich. Ich hatte keinen Hunger und Patrick hat mir eine Banane gegeben. Alles gut. Mach dich in Ruhe fertig und dann essen wir später zusammen eine Kleinigkeit.“
Nelly griff sich Unterwäsche aus ihrem Schrank und sprang unter die Dusche. Warum hatte Hanna angerufen? Was kann so wichtig sein, dass sie bereits 2 Mal angerufen hatte? War etwas mit Aaron? Nellys Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Nelly nahm sich vor, nach dem Duschen Hanna anzurufen, es hatte keinen Zweck sich hier verrückt zu machen, das konnte ganz schnell geklärt werden.
Nelly band sich ein Handtuch um ihre Haare und ein Duschtuch um ihren Körper. Sie ging in das Schlafzimmer und auf dem Weg dorthin sah sie ihr Handy in ihrer Tasche blinken -augenscheinlich hatte sie Nachrichten auf ihrem Handy erhalten. Sie nahm es aus der Tasche und klappte es im Schlafzimmer auf. Sechs verpasste Anrufe und 27 WhatsApp-Nachrichten -was zur Hölle war hier los?
Nelly setzte sich auf den Rand ihrer Liege und sah, dass alle Anrufe von Hanna waren. Sie hatte jedoch keine einzige Sprachnachricht hinterlassen. Von den WhatsApp waren ganze 20 von Hanna. Nelly öffnete sie und Hanna schien augenscheinlich durchzudrehen. Bevor sie alle WhatsApp las, die alle einen ähnlichen Inhalt hatten -sie solle sich endlich melden, mal mit Gewaltandrohungen mal bittend -wählte sie Hannas Nummer.
Direkt beim ersten Klingeln war Hanna am Apparat: „Wie schön, dass du dich auch mal zurückmeldest!“
Hanna schien ziemlich angepisst zu sein.
„Dir auch einen schönen guten Morgen liebe Hanna“, Nelly musste schon fast lachen.
„Was liegt dir auf dem Herzen, dass… “
Hanna sprach ihr dazwischen: „Nicht am Telefon. Ich komme bei dir vorbei -wann passt es bei dir?“.
„Ich weiß nicht so recht Hanna, ob es heute geht“, stammelte Nelly.
„Dr. Schumacher ist auf dem Weg zu uns und ich sitze hier noch im Duschtuch bekleidet vor meinem Schlafzimmerschrank. Ich bin noch ziemlich angeschlagen von gestern und Benno ist recht gut drauf, eigentlich wollte ich einen ruhigen Abend mit ihm verbringen“.
„Wir sehen uns noch heute, und wenn du mir keine Uhrzeit nennen möchtest, komme ich jetzt bei dir vorbei!“
Hanna verstand echt keinen Spaß, anscheinend wollte sie wirklich heute noch das Gespräch mit ihr.
„Okay“, gab Nelly nach. „Ich denke Dr. Schumacher wird so gegen 15 Uhr wieder weg sein. Danach können wir uns auf einen Kaffee treffen. Wie wäre es um 16 Uhr im ‚Sahneschnittchen‘?“
„Okay“, Hanna atmete tief durch. „18 Uhr im Café“ und legte auf.
Als Nelly sich gerade das Haar föhnte, klingelte es an der Tür. Patrick öffnete sie und Nelly hörte, wie er den Arzt ins Wohnzimmer bat. Schnell machte sich Nelly fertig und als sie ins Wohnzimmer kam, war Dr. Schumacher bereits mit seinen Untersuchungen im Gange.
Als er sie sah, hob er die Augenbraue: „Guten Tag Frau Lange. Ihr Mann sagte mir gerade, dass sie etwas Schlaf gefunden haben. Sie sehen auch schon wieder etwas besser aus“.
Nelly lachte: „Hallo Dr. Schumacher. Etwas besser aussehen, fasse ich mal als Kompliment auf.“
Der Doktor und Benno grinsten sich an.
„Ich höre jetzt nur noch mal die Lungen ab, wollen wir uns dann einmal zusammensetzten?“
„Ja gerne -Patrick kannst du uns bitte einen Kaffee machen -der Doktor nimmt ihn mit einem Stück Zucker“.
Patrick ging in die Küche und Nelly schaute noch bei der Untersuchung zu und setzte sich dann an den Tisch. Ihre Gedanken drehten sich nun nur noch um Benno und seine Krankheit.
Benno war nur ein Jahr älter als sie. Er war immer gesund und sportlich aktiv gewesen, bis er sich bei einem Fahrradunfall vor knapp 4 Monaten das Schienbein brach. Es war ein ganz glatter Bruch, ohne Komplikationen. Im Krankenhaus stellten sie dann fest, dass seine Blutwerte nicht okay waren und ordneten beim Hausarzt weitere Untersuchungen an.
Später wurde dann diagnostiziert, dass Benno Krebs hatte. Zu diesem Zeitpunkt konnte man schon nicht mehr sagen, wo der Krebs seinen Ursprung hatte, sein ganzer Körper war voller Metastasen.
Der Krebs hatte gestreut und sich im ganzen Körper verteilt. Es gab kaum ein Organ, dass nicht befallen war und es war allen klar, dass Benno das nicht überleben konnte. Es war ein Schock für alle, keiner hatte je einen Gedanken daran verschwendet, dass einer von ihnen beiden zu diesem Zeitpunkt erkranken oder sogar sterben könnte.
Krebs -das lag alles so weit weg.
Die Ärzte hatten ihm keine Hoffnung gemacht und erst gar keine Chemotherapie in Betracht gezogen, alles was er jetzt noch einnahm waren Medikamente gegen die Schmerzen.
Die gute und professionelle Hauspflege konnten sie sich nur leisten, weil Benno etwas geerbt hatte.
Sie gaben Benno damals noch ca. 12 Monate, davon waren etwa 3 Monate vergangen und nun sprach man von nur noch 3-4 Monaten…
Nelly konnte die Tränen nicht zurückhalten, wie so oft in letzter Zeit liefen sie ihr einfach über die Wangen. Oft bemerkte sie das erst, wenn ihr ganzes Gesicht komplett benässt war.
Sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und tupfte sich das Gesicht trocken. Ihre Augen brannten und das Gesicht juckte von den Tränen.
Sie stand auf und wusch sich das Gesicht und trocknete es sich vorsichtig ab. Durch das häufige Weinen war ihre Haut gereizt und brannte beim Abtrocknen. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, wo bereits der Doktor und Benno am Tisch ihren Kaffee tranken.
„Komm, setz dich zu mir“, Benno klopfte auf seine Beine und Nelly ließ sich, ohne auf den Arzt zu achten auf seinen Schoss gleiten. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und Benno strich zärtlich über ihren Rücken.
„Wollen wir das Gespräch vielleicht ein anderes Mal führen?“ fragte Dr. Schumacher.
„Nein“, sagte Benno leise, aber bestimmt.
„Mir bleibt nicht mehr viel Zeit und man weiß ja nie, ob es ein nächstes Mal gibt.“
Nelly versteckte ihr Gesicht in Bennos Halsbeuge, sein Geruch hatte sich verändert. Er roch nicht mehr nach Sommer und Sonne, sondern nach Medikamenten und Desinfektionsmittel. Nelly versuchte doch noch den Duft zu erschnuppern, aber da war nichts mehr. Ihr traten wieder die Tränen in die Augen.
„Herr Schrimpf, wie ich bereits Ihrer Frau gestern mitteilte, ihre Krankheit schreitet viel schneller voran als angenommen. Ihre Blutwerte sind erschreckend und sie hier im Rollstuhl zu sehen grenzt schon fast an ein Wunder.“
Der Arzt räusperte sich: „Ich möchte ehrlich sein, wir dürfen davon ausgehen, dass dies nicht mehr lange so bleiben wird, ihre Organe werden nacheinander versagen. Ihre Frau hat bereits mit dem Spital Kontakt aufgenommen und heute Morgen erhielt ich den Anruf, dass sie in 4 Wochen dort aufgenommen werden können.“
Nun schluchzte Nelly haltlos, ihr Körper schüttelte sich unter den Tränenausbrüchen. Hätte Benno sie nicht gehalten, wäre sie erschöpft von seinem Schoss gerutscht. Sie hatte schon so viel geweint, dass sie gar nicht wusste woher die Tränen überhaupt noch kamen.
Benno strich ihr weiter sanft über den Rücken und wiegte sie wie ein kleines Kind auf seinem Schoss hin und her. Das beruhigte sie etwas und das Schluchzen wurde leiser.
„Ich habe bereits für Sie den Termin bestätigt -für Sie und ihre Frau. Frau Lange kann die Unterlagen nächste Woche abholen. Falls Sie noch Fragen haben, ich bin jederzeit für Sie da“, der Doktor stand auf und reichte Benno seine Hand. Benno verabschiedete sich und bedankte sich für alles was der Arzt für sie bereits getan hatte und versprach, bei Fragen ihn zu kontaktieren.
Nelly war so müde vom Weinen, dass sie den Kopf nicht hob und sich auch nicht vom Arzt verabschieden konnte und wollte. Sie hörte wie Patrick den Doc zur Tür brachte und wäre so gerne einfach auf Bennos Schoss sitzen geblieben -sie war so unendlich traurig und unendlich müde -alle Kraft war aus ihrem Körper gewichen.
„Nelly?“, sie hörte Patricks Stimme.
„Nelly -du musst aufstehen. Ich glaube, Benno benötigt seine Schmerzmittel“.
Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass Benno weder ihren Rücken streichelte noch etwas sagte. Erschrocken schaute sie auf. Benno saß bleich und mit geschlossenen Augen da.
Nelly sprang von seinem Schoss.
„Benno -Patrick bringt dich jetzt zu Bett und gibt dir deine Medikamente – okay?“
Benno nickte unmerklich und Patrick war bereits dabei das Schmerzmittel in den Zugang zu spritzen. Das Medikament wirkte schnell und Bennos von Schmerzen verzogener Gesichtsausdruck entspannte sich.
„Ich bringe ihn ins Bett, bevor er mir aus dem Rollstuhl fällt“.
Nelly nickte zustimmend und Patrick schob Benno ins Schlafzimmer, wo er mit ihm leise sprach.
Nelly sackte auf der Couch zusammen, wie konnte ihr Kopf so leer sein und doch gleichzeitig so betonschwer? Sie saß noch da, als Patrick Minuten später ins Wohnzimmer kam.
„Es war wohl sehr anstrengend für ihn. Ich habe ihm das Maximum an Morphium gegeben -er wird die Nacht bestimmt nicht mehr wirklich klar werden. Lina kommt gleich -möchtest du dich auch hinlegen“, besorgt schaute Patrick sie an.
Nelly schaute auf die Uhr, es war kurz nach 15 Uhr.
„Nein, ich treffe mich noch mit Hanna. Kannst du mit Lina die Übergabe machen? Sag ihr bitte, dass ich noch nicht weiß, wann ich wieder da bin, aber jederzeit erreichbar bin.“
Patrick nickte und Nelly machte sich für das Treffen mit Hanna fertig.
-5-
Hanna wartete bereits im ‚Sahneschnittchen‘ als Nelly mit dem Taxi ankam. Nelly konnte bereits von der Tür aus sehen, wie Hanna dort saß, wie angespannt sie augenscheinlich war. Sie ging auf den Tisch zu und Hanna sprang direkt auf und umarmte Nelly kurz.
„Ich habe uns bereits 2 Kaffee bestellt. Vielleicht möchtest du auch einen Kuchen?“ Hanna schaute Nelly fragend an.
„Nein, ich habe heute noch nichts gegessen. Kuchen wäre jetzt nicht das Richtige, aber du kannst dir gerne etwas bestellen.“
Nelly ließ sich auf die Eckbank fallen, und die Kellnerin kam und brachte ihnen ihren Kaffee. Nelly legte ihre kalten Hände um den heißen Kaffeebecher.
„Dr. Schumacher war heute da. Sie geben ihm nur noch 3-4 Monate und in 4 Wochen gehen wir ins Spital.“ Nellys Stimme klang so traurig, wie sie sich fühlte.
Tränen liefen Nelly über ihr Gesicht und Hanna legte ihre Hände um Nellys Hände, die immer noch den Kaffeebecher umklammerten.
„Oh Nelly, das tut mir so unendlich leid. Ich hatte so sehr auf mehr Zeit für euch gehofft.“
Nelly nickte, beide schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Obwohl Nelly es ahnte, fragte sie Hanna nach einiger Zeit: „Über was wolltest du mit mir sprechen?“.
Hanna schaute Nelly an: „Nicht so wichtig wie das jetzt hier. Kann ich etwas für euch tun? 4 Wochen, das ist so bald… “
Nelly nickte wieder: „Ja, alles geht so wahnsinnig schnell. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit mit ihm. Benno schläft jetzt, ich konnte mit ihm noch gar nicht darüber reden, dass wir jetzt schon ins Spital sollen.“
Nelly löste sich von der Kaffeetasse und trocknete sich die Tränen. Sie tranken schweigend ihren Kaffee.
„Komm ich lade dich zum Essen ein. Im Clubhaus gibt es heute Braten mit Klößen und Rotkohl -wie bei Muttern“, Hanna lächelte aufmunternd.
Nelly lief erstaunlicherweise wirklich das Wasser im Munde zusammen, ja darauf hatte sie jetzt echt Appetit. Sie schrieb Lina eine kurze WhatsApp und erst im Auto kam ihr der Gedanke, dass Aaron auch da sein könnte. Vorsichtig fragte sie bei Hanna nach.
„Ich glaube nicht.“ Hanna überlegte kurz, „Ron ist nicht häufig im Clubhaus -keiner weiß wirklich, wann er auftaucht. Er weigert sich ein Handy zu benutzen und das bringt alle zum Verzweifeln. Wenn Kalle ihn auch nicht auf dem Festnetz erreicht, schickt er ihm einen seiner Laufburschen nach Hause. Meist ist er aber noch nicht mal da erreichbar, dann hinterlassen sie ihm Nachrichten auf seinem AB oder piepen ihn an. Wer zum Henker hat heutzutage kein Handy und nur einen Festnetzanschluss?!“
Hanna schüttelte den Kopf als würde sie es immer noch nicht begreifen können.
Nach einer kurzen Pause sprach Hanna in einem ungewöhnlich weichen Ton weiter: „Nelly, ich weiß nicht, was zwischen euch beiden gestern abgelaufen ist, das war wie in einem beschissenen Horrorfilm von Besessenen und ich krieg es nicht in und aus meinen Kopf. Wir müssen nicht jetzt darüber rede, aber ich würde es gerne verstehen. Ich kenne dich schon mein Leben lang und Ron -hatte ich geglaubt- auch zu kennen, aber das gestern waren weder er noch du.“
Nelly starrte aus dem Autofenster. Was sollte sie Hanna sagen, sie verstand es selbst nicht. Sie verstand auch nicht, dass Aaron ihr eine Handynummer von sich gegeben hatte, wo doch niemand, selbst Kalle, keine Nummer von ihm hatte.
War das wirklich seine Nummer und warum wollte er ihre nicht? Warum hatte er ihr gestern einen Osbourne gebracht und nicht wie Hanna ein Bier -woher kannte er ihr Lieblingsgetränk? Und warum nur hatte er diese magische Wirkung auf sie und wird das beim nächsten Aufeinandertreffen wieder so sein?
Nelly schwirrten die Fragen kreuz und quer durch den Kopf, aber sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und erst recht keine Antwort hierzu finden.
Als sie am Clubhaus ankamen hatte Nelly solch einen Hunger, dass ihr schon schlecht war. Sie schaute sich auf dem Parkplatz um, aber sie wusste nicht wirklich wonach sie Ausschau halten sollte. Hatte Aaron überhaupt ein Auto oder fuhr er wie die meisten hier Motorrad? Nelly schüttelte den Kopf und wollte sich jetzt nicht mehr mit Aaron befassen, sie hatte Hunger.
Sie betratn das Clubhaus und waren überrascht wie gut dieses am frühen Abend besucht war. Natürlich bekam Hanna trotzdem noch einen freien Tisch und die Kellnerin rief ihnen im Vorbeigehen zu, dass es selbstverständlich den Mittagstisch für sie Beide noch gebe würde.
Nelly freute sich auf das Rotkohl, sie hatte es schon einmal hier gegessen und Elke die Köchin machte es immer mit frischen Apfelstückchen, so wie sie es liebte.
Hanna bestellte sich ein Bier und ihr eine Coke, während sie die Zeit nutzte und sich umschaute. In der Ecke erkannte sie Kalle mit seinem Gefolge, darunter auch Nick -Aaron war aber augenscheinlich wirklich nicht da. Nelly atmete auf, sie wusste jedoch nicht, ob sie froh oder enttäuscht über diese Tatsache sein sollte.
Als sie die Männer am Tisch beobachtete, merkte sie, dass Nick zu ihr rüber sah. Er beugte sich dabei zu Kalle rüber und sprach mit ihm. Er hatte die Ellenbogen vor sich auf den Tisch aufgestellt und sprach mehr oder weniger gegen seinen Unterarm, so dass Nelly nicht wirklich erkennen konnte, ob Nick tatsächlich sprach. Nelly fiel ein, dass auch Aaron gestern seine Hand vor seinen Mund gehalten hatte, nicht direkt, aber sie war sich ganz sicher, dass er diesen abgedeckt hatte.
„Hanna, was ist das für eine Sache mit der Hand vor dem Mund, wenn die sich hier Unterhalten?“
Hanna hätte fast das Bier ausgespuckt: „Wie kommst du jetzt darauf?“
Nelly zeigte mit einem kurzen Kopfnicken zu dem Tisch von Kalle. Hanna drehte sich um und schaute nun auch kurz hinüber.
Abrupt drehte sie sich wieder um.
„Scheiße Nelly -starr da nicht so hin,“ fauchte sie und sah Nelly ärgerlich an.
„Die halten die Hand vor den Mund, damit keiner von ihren Lippen ablesen kann. Augenscheinlich wollen die nicht, dass andere mitbekommen, über was sie sich unterhalten, deshalb schau da nicht so rüber! Wir wissen untereinander nicht wirklich wer das Lippenlesen beherrscht und wer nicht.
Nick kann das, das weiß ich ganz sicher und sicherlich kann das auch Kalle.“
Hanna hielt kurz inne.
„Du sitzt denen genau gegenüber, und ich bin mir sicher, dass Nick sich daraus einen Spaß macht, von deinen Lippen abzulesen. Vielleicht war das nach gestern eine blöde Idee mit dir hierher zu kommen. Wollen wir lieber gehen?“
Nelly schüttelte den Kopf, auf keinen Fall würde sie jetzt auf ihr Essen verzichten, das ganze Clubhaus roch nach Rotkohl und egal was sie jetzt noch anderes zu Essen bekommen würde, es würde ihr einfach nicht mehr schmecken.
„Nein Hanna, ist schon okay. Wer weiß, wie oft Nick das schon gemacht hat. Ich habe nichts zu verheimlichen und bin so uninteressant wie weiß Gott wer.“
Nelly hatte das provokativ in Nicks Richtung gesprochen und hielt sich dann dramatisch die Hand vor den Mund: „Lass uns bitte hier essen, und dann verschwinden wir wieder -okay?“
Die Kellnerin kam gerade auch mit dem Essen an ihren Tisch und Hanna konnte nur noch zustimmen. Während des Essens unterhielten sie sich über alles Mögliche und gaben sich die größte Mühe nicht über Ron oder Benno zu sprechen.
Es war ein schöner Abend und das Essen war wie erwartet köstlich. Sie hatten gerade der Kellnerin ein Zeichen zum Bezahlen gegeben, als die Tür aufging und Nelly Aaron hereinkommen sah.
Sofort traf sie die Erregung wie ein Blitz, ihr Herz raste und ihre Hände wurden augenblicklich feucht. Doch Nelly musste schmerzhaft feststellen, dass Aaron nicht alleine war. Eine gutaussehende, jedoch etwas billig wirkende, junge Frau folgte ihm und als Aaron Nelly sah blieb er stehen, was die junge Frau wohl als Aufforderung ansah, sich mit ihren gemachten Titten an ihn zu schmiegen.
Nelly spürte, wie sich ihr Magen drehte und ihr die Magensäure in den Mund schoss. Schnell legte sie die Hand auf ihren Mund und während Hanna zahlte sprang sie auf und rannte zum Klo.
Obwohl der Club voll war, sah Aaron Nelly sofort. Er hatte den Raum nicht mit seinen Augen absuchen müssen, er hatte gespürt, dass sie heute hier sein würde. Er hatte dummerweise Jaqueline auf dem Parkplatz getroffen, die ihm bereits auf dem Parkplatz angeboten hatte, ihm im Auto einen zu blasen. Aber er hatte dankend abgelehnt, das war noch nie sein Ding gewesen.
Er dann sah er Nellys erschrockene Augen und wie sie die Farbe aus dem Gesicht verlor, als Jaqueline sich an ihn drückte.
Die Kellnerin kam an Nellys Tisch und versperrte ihm für einen Augenblick den Blick. Dennoch sah er, dass Nelly schnellen Schrittes Richtung WC ging. Er schob Jaqueline von sich, die bereits die ersten Frauen begrüßte und ging Nelly hinterher. Er zögerte kurz, ob er das Damen-WC betreten sollte, entschied sich aber Nelly zu folgen.
Im Vorraum bei den Waschbecken standen 2 Freundinnen seiner Kameradschaft und machten sich vor den Spiegeln zurecht.
„He Ron- falsche Tür, oder haben wir da was verpasst?!“, die beiden Frauen lachten.
„Raus!“ knurrte Ron die zwei an und ohne noch etwas zu sagen griffen die beiden schnell ihre Taschen und liefen raus.
„Nelly“, rief Ron. Keine Antwort.
„Nelly, ich weiß, dass du hier drin bist. Sag was, bevor ich hier jede Tür auftrete“, und um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug er gegen die erste Türe, die sich knallend gegen die Wand öffnete.
Plötzlich hörte er, dass jemand sich in der neben Kabine übergab.
„Ach shit, was machst du da drin?“, Aarons Stimme wurde weicher.
„Nach was hört sich das denn an?“ hörte er eine schwache Stimme aus der Kabine.
„Okay, Kleines -mach die Tür auf… “, aber bevor er den Satz beenden konnte, flog die Vorraumtür auf und Hanna stand im Rahmen.
“Raus -sofort“, schrie Hanna ihn an.
“Hallo Han,“ Aarons Stimme klang übertrieben süßlich: „Ich kann deiner freundlichen Bitte leider erst Folge leisten, wenn mir hier jemand erklärt hat, was hier los ist und warum Nelly mit dem Kopf über dem Klo hängt.“
Aarons Stimme wurde bei jedem Wort aggressiver und nun stand er, mit verschränkten Arme vor seinem Brustkorb, vor Hanna.
„Auch wenn ich der Meinung bin, dass dich das einen Scheiß angeht…“, fauchte Hanna und drehte sich dann aber zu einem Mädchen um, dass gerade an ihr vorbei aufs Klo wollte:
„Hey, wie heißt du?“ fragte Hanna ziemlich schroff.
Das Mädchen sah verwirrt abwechselnd Ron und Hanna an.
„Dana…Warum?“
„Pass auf Dana“, kommandierte Hanna, „Du gehst jetzt pissen und danach hilfst du meiner Freundin Nelly, die das Essen nicht vertragen hat und sich gerade auf dem Klo auskotzt.“ Dabei schaute Hanna Aaron giftig an, „Danach bringst du sie wieder in den Clubraum an ihren Tisch -hast du das verstanden?“
Nelly konnte die Antwort nicht hören, wahrscheinlich konnte die Ärmste gerade nur noch nicken.
„Und du mein Freund kommst jetzt mit, ich denke wir sollten uns mal unterhalten!“
Aaron klopfte vorschichtig an Nellys Klotür: „Ist das okay für dich, Kleines?“
Aarons Stimme klang so liebevoll, dass Nelly, obwohl es ihr so schlecht ging, eine Gänsehaut auf ihrem Körper spürte.
„Ja, alles okay. Wir sehen uns später.“
Nelly hörte wie die Tür zugeknallt wurde.
„Ähm, hallo… Ich heiße Dana –ich soll mich um dich kümmern. Alles klar bei dir?“
„Es geht, nicht richtig gut. Du kannst aber ganz in Ruhe erst Mal aufs Klo gehen, ich komme hier noch nicht weg“, sprach Nelly und musste wieder würgen.
Vielleicht war das Essen doch etwas zu mächtig gewesen, dachte Nelly, aber im gleichen Augenblick fiel ihr wieder das Bild von Aaron mit dem hübschen jungen Mädchen ein und wie sie sich an ihn geschmiegt hatte. Bestimmt war das seine Freundin. Nelly traten die Tränen in die Augen und sie musste erneut würgen. Wie blöd war sie eigentlich, warum hatte sie nur angenommen, dass so ein Mann keine Freundin hätte?!?
Neben ihr ging die Toilettenspülung und sie hörte wie die Nebentür entriegelt wurde und das Mädchen sich danach die Hände wusch.
Bei Nelly drehte sich alles und sie legte ihren Kopf auf ihrem Arm ab, der auf der Klobrille lag. Nelly hatte zwar Klopapier unter ihrem Arm gelegt, trotzdem ekelte sie sich davor und der Geruch aus der Kloschüssel machte es nicht besser.
„Kann ich reinkommen?“ frage Dana.
„Besser nicht, ich glaube, das ist hier kein schöner Anblick“, antwortete Nelly schwach.
„Wenn ich mich aber nicht gut um dich kümmere, reist mir Hanna den Kopf ab.“
„Das wird sie schon nicht“, entgegnete Nelly kraftlos.
„Oh, da kennst du Hanna aber nicht. Ich habe Geschichten von ihr gehört über dies das. Alter, da wird dir echt übel.“ Dana kicherte, wahrscheinlich fiel ihr gerade ein, wie übel es Nelly bereits gehen musste.
„Und einmal war ich dabei, da hat sie einem Mädchen von hinten in die Haare gegriffen und sie mit der Stirn auf die Theke geschlagen, bis der das Blut über das komplette Gesicht spritzte. Scheiße war das heftig!!! Keiner von uns hat sich getraut dazwischen zugehen und die hätte die Tod gemacht, wenn Kalle nicht dazwischen gegangen wäre.
Und weißt du, warum die das gemacht hat? Haste keine Ahnung?“, fragte Dana.
Nelly brummte nur und fing wieder an zu würgen. Sie hoffte, das dies nur eine rein rhetorische Frage war.
„Die hat die fast totgemacht, weil -und jetzt halt dich fest- Alter- weil die ihr Bier zur Seite gestellt hatte. Zieh dir das rein, weil die ihr Bier weggestellt hat! Siehste selbst, oder? Also wenn Hanna sagt, dass ich auf dich aufpassen soll, dann tu ich das. Sie hat gesagt, du bist ihre Freundin- und das weiß jeder hier, das ist mehr wert als ein blödes Bier. Oder was meinst du?“
Dana klopfte an der Tür.
„Ja, ich gehe davon aus, dass ich ihr mehr Wert bin als ein Glas Bier.“
Nelly erschöpfte das Reden, sie konnte zwar nicht glauben, was das Mädchen vor ihrer Tür über Hanna sagte, aber sie wollte jetzt auch nicht mit ihr diskutieren.
„Ich habe ein nasses Tuch für dich aus den Papierhandtüchern gemacht, willste die haben? Ich gebe sie dir unter der Tür durch.“
Nelly hörte wie Dana sich an ihrer Tür hinuntergleiten lies und ihr die feuchten Tücher unter der Tür reichte.