Kitabı oku: «Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen», sayfa 2
1. Teil: Aufbauschemata mit Erläuterungen
Vorbemerkungen
Am Anfang steht die Frage nach einer Arbeitsdefinition für das Eingriffsrecht. Dieses wird (vereinfacht) beschrieben als die Summe der polizei- und strafverfahrensrechtlichen Normen, die die Polizei zu Eingriffen in die Grundrechte ermächtigen.1 In eingriffsrechtlichen Klausuren haben die Studierenden im Regelfall im Sachverhalt geschilderte, von Polizeibeamtinnen und -beamten getätigte Maßnahmen sozusagen „nachträglich“ auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu „prüfen“. Dabei sollten sie sich an einem konsistenten Prüfungsschema orientieren, denn eine nachvollziehbare, konsequente und überzeugende Reihenfolge der Darstellung gehört zu den wesentlichen Bewertungskriterien für Klausurbearbeitungen.2 Eine gewisse „Systematik“ gewährleistet, dass alle relevanten Fragen, die ein Sachverhalt aufwirft, benannt und eingeordnet werden. Mithin wird auch der Gnade der menschlichen Vergesslichkeit so entgegengetreten. Für die Prüfung einer Eingriffsmaßnahme aus dem Polizei- oder Strafprozessrecht werden daher Aufbauschemata zugrunde gelegt. Es handelt sich bei diesen Schemata allerdings nicht um eine zwingend zu beachtende Form, in die die Lösung hineingepresst werden muss. In der Klausur müssen zwar bestimmte Prüfungspunkte durchgegangen werden. Der konkret zu bearbeitende Fall darf aber nicht von dem Schema „verschluckt“ werden. Aufbauschemata bieten keineswegs die Gewähr für das Gelingen einer guten Fallbearbeitung, sie sind eher als Aufbauhilfen zu verstehen, die für die rechtliche Prüfung erforderliche Merkposten enthalten, ohne dass deswegen auch immer jeder Merkposten überhaupt oder in der gleichen Ausführlichkeit geprüft werden muss. Wer das Schema „im Kopf hat“, weiß zudem, welche Gesichtspunkte formeller und materieller Natur bei der Lösung eines Falles zu beachten sind. Zu beachten ist vor allem, dass nur solche „Schemapunkte“ näher auszuführen sind, die problematisch sind. Unproblematische Punkte sind dagegen mit bündiger Kürze im sog. Urteilsstil abzuhandeln. Es verbietet sich ein sklavisches Festhalten an Aufbauschemata („Schema-Manie“).3
„Schemata sind wie Laternen: Wenn es dunkel ist, können sie den Weg weisen, aber nur Betrunkene halten sich an ihnen fest“4
Prüfungsschemata sind Lern- und Verständnishilfen. Sie ermöglichen, einen thematischen Abschnitt und seine Vorschriften auf einen Blick zu erschließen. Viel wesentlicher ist noch die anwendungsorientierte Perspektive auf das geltende Recht. Schemata ermöglichen den Lernenden, die Prüfungsreihenfolge entsprechend der Systematik und Dogmatik zu erfassen.5
Prüfungsschemata ersetzen nicht das Verstehen rechtlicher Zusammenhänge und nicht die Lektüre des Gesetzes.
Gleichwohl kann die gutachtliche Prüfung einer polizeilichen Maßnahme durch eine Aufbauhilfe wesentlich erleichtert werden.6 Methodisches Vorgehen im Rahmen der Fallbearbeitung soll gewährleisten, dass alle rechtlich relevanten Fragen, die ein Sachverhalt aufwirft – und nur diese –, benannt und in ihren Konsequenzen zutreffend eingeordnet werden. Diesem Ziel dienen Aufbauschemata, die allerdings nur werthaltig verwendet werden können, wenn die den einzelnen Prüfungsstationen zu Grunde liegenden Sachfragen bekannt sind.7
Die richtige Schwerpunktsetzung in der Fallbearbeitung ist für das gesamte Studium wichtig.
Im Eingriffsrecht werden für die Überprüfung polizeilicher Maßnahmen (allgemein) verschiedene Lösungsschemata zugrunde gelegt8, die im Detail voneinander abweichen. Welches Schema im Einzelfall „benutzt“ wird, erscheint zweitrangig. Eine „Grundstruktur“ wird (abgestimmt) an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV NRW) im Rahmen des Bachelor-Studiums verwandt.9 Ansonsten folgt ein „allgemeiner“ Prüfungsaufbau einem „Dreierschritt“ und besitzt folgende „Grundstruktur“10:
I. Ermächtigung
– Grundrechtseingriff
– Zielrichtung
– Ermächtigungsgrundlage
II. Formelle Rechtmäßigkeit
– Zuständigkeit (örtliche, sachliche)
– Verfahren, Form
III. Materielle Rechtmäßigkeit
– Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
– Besondere Verfahrensvorschriften
– Adressatenregelung
– Rechtsfolge, Bestimmtheit, Ermessen und Verhältnismäßigkeit
IV. Ergebnis
Erst die Grundrechtsbetroffenheit erzeugt ein Legitimationsbedürfnis. Liegt ein Grundrechtseingriff nicht vor, handelt es sich um sog. „schlicht-hoheitliches Handeln“. Es bedarf dann keiner gesetzlichen Eingriffsgrundlage. In diesem Fall reicht eine Aufgabenzuweisung aus. Zu prüfen ist dann (nur) die Zuständigkeit (formelle Rechtmäßigkeit). Es ist also zwingend zu klären, ob ein Eingriff vorliegt oder ob (nur) schlicht-hoheitliches Handeln vorliegt.11 Unter formeller Rechtmäßigkeit werden mithin alle rechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Zustandekommens, unter materieller Rechtmäßigkeit die Anforderungen an den Inhalt staatlicher Maßnahmen geprüft. Die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen ermöglicht dabei einerseits eine übersichtlichere Darstellung und trägt andererseits der Tatsache Rechnung, dass Verstöße gegen formelle Vorgaben (Zuständigkeit, Verfahren, Form) im Vergleich zu Verletzungen materiellen, also inhaltlichen Rechts häufig von geringerem Gewicht sind.12
Die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Eingriffsmaßnahme bildet regelmäßig den Schwerpunkt in einer Fallbearbeitung.
I. Prüfung einer Eingriffsmaßnahme ohne Zwang
I. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist.
1. Grundrechtseingriff
2. Zielrichtung (präventiv/repressiv)13
3. Ermächtigungsgrundlage
II. Formelle Rechtmäßigkeit
1. Zuständigkeit
a) Örtliche Zuständigkeit
b) Sachliche Zuständigkeit
2. | Verfahren | § 28 Abs. 1 VwVfG NRW: | Anhörung Beteiligter |
3. | Form | § 37 Abs. 2 VwVfG NRW: | Grundsatz: Formfreiheit |
4. | Begründung | § 39 VwVfG NRW: | Begründung des VA |
5. | Ordnungsgemäße Bekanntgabe | § 41 VwVfG : | Bekanntgabe des VA |
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
2. Besondere Verfahrensvorschriften
a) Vorschriften, die bei einzelnen Maßnahmen zu beachten sind14
b) Anordnungsbefugnis
3. Adressatenregelung
4. Rechtsfolge der konkret herangezogenen Ermächtigungsgrundlage
a) Rechtsfolge entspricht der Ermächtigungsgrundlage
b) Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW)
c) Ermessen (§ 3 PolG NRW)
aa) Entschließungsermessen, ggf. Ermessensreduzierung auf Null
bb) Auswahlermessen (§ 3 Abs. 2 PolG NRW)
d) Übermaßverbot; Verhältnismäßigkeit i. w. S. (§ 2 PolG NRW)
aa) Geeignetheit
bb) Erforderlichkeit
cc) Verhältnismäßigkeit i. e. S. (Angemessenheit)
IV. Ergebnis
Erläuterungen zur Prüfung einer Eingriffsmaßnahme ohne Zwang
zu I.: Ermächtigungsgrundlage
Eingriffsbegriff
Nach einem Einleitungssatz beginnt die Prüfung mit der Feststellung der Grundrechte, in die durch die polizeiliche Maßnahme eingegriffen wird. Häufig greift die Polizei mit ihren Maßnahmen in die Schutzbereiche von Grundrechten ein. Hierfür benötigt sie aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.15 Der Begriff „Schutzbereich“ drückt nicht aus, dass ein bestimmtes, darunter fallendes Verhalten einen absoluten Schutz genießt, sondern dass der Staat zwar in das Grundrecht eingreifen kann, aber hierfür eine Rechtfertigungslast hat.16 Die Schutzbereiche der entsprechenden Grundrechte sind mit (kurzer) Begründung zu benennen. Es ist darauf zu achten, dass alle in Betracht kommenden Grundrechte Erwähnung finden. Nach herkömmlichem Verständnis gehören zum klassischen Eingriffsbegriff die Merkmale der Finalität, der Unmittelbarkeit, der Qualität als Rechtsakt sowie der Durchsetzung mit Befehl oder Zwang. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein und zu einer Verkürzung des Schutzbereichs führen.17 Allerdings greift dieser (klassische) Eingriffsbegriff in der heutigen Grundrechtsdogmatik zu kurz, z. B. im Falle einer polizeirechtlichen Observation, die sich als Realakt darstellt. Es bedarf der Erweiterung dieses Eingriffsbegriffs.18 Mithin versteht man unter einem Eingriff jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (sog. Moderner Eingriffsbegriff).19 Mit diesem weiten Begriffsverständnis sollen vor allem mittelbare und auch faktische Eingriffe abgedeckt werden. Diese Begriffe sind aber nicht synonym zu verwenden. Mittelbar ist zunächst nur der Gegensatz zur Unmittelbarkeit, faktisch bedeutet „tatsächlich“ und ist als Gegensatzpaar zur Rechtsförmlichkeit zu verstehen.
Prüfungsreihenfolge: Eingriff20 | |
1. Klassischer Eingriff | a) Verkürzung des Schutzbereichsb) durch staatliches Handeln Kumulativ: Final, unmittelbar, rechtsförmlich, imperativ |
2. Moderner Eingriff | a) Verkürzung des Schutzbereichsb) durch staatliches Handeln Kausalität: Äquivalenz und Adäquanz Alternativ: Final, unmittelbar, rechtsförmlich, imperativ |
Ein Eingriff ist dann zu verneinen, wenn der Betroffene wirksam auf das Grundrecht verzichtet (Grundrechtsverzicht).21 So ist eine Anordnung gem. § 105 Abs. 1 StPO dann entbehrlich, wenn der von der Durchsuchung Betroffene in die Durchführung der Maßnahme eingewilligt hat. Zu berücksichtigen ist generell, dass es immer nur um eine individuelle Verfügung gehen kann; ein allgemeiner (Grundrechts-)Verzicht würde die Wesensgehaltsgarantie missachten (Kollektivtheorie). Grundsätzlich gilt: Dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht (volenti non fit iniuria). Ein Verzicht auf die Menschenwürde ist mithin nicht möglich.22 Dagegen kann auf die Ausübung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verzichtet werden.
Zielrichtung
Als nächstes ist die sog. Zielrichtung der polizeilichen Maßnahme zu bestimmen. Sofern nicht ein Fall der Wahrnehmung einer besonderen polizeilichen Aufgabe vorliegt, geht es allein um die Abgrenzung von „präventivem“ und „repressivem“ Handeln.23 Es ist zu bewerten, ob die konkret zu prüfende Maßnahme der Gefahrenabwehr (präventives Tätigkeitsfeld) oder der Erforschung und Verfolgung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten (repressives Tätigkeitsfeld) zuzuordnen ist. Es kann sich allerdings die Notwendigkeit ergeben, mit eingehender Begründung eine Zuordnung vornehmen zu müssen. Dies ist etwa dann erforderlich, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, die sowohl präventive als auch repressive Ziele verfolgt (sog. doppelfunktionale Maßnahme). Ein mögliches Abgrenzungskriterium ist die Zuordnung nach dem Schwerpunkt der konkreten Maßnahme, wobei dies nach objektiven Maßstäben oder aber aus Sicht der handelnden Beamten bewertet werden kann.
Ermächtigungsgrundlage
Steht die Zielrichtung fest, ist die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme möglichst präzise zu benennen;24 gedankliche „Checkliste“:
(1) Ermächtigungsgrundlage aus speziellem Gesetz
(2) Standardmaßnahme aus dem PolG NRW oder der StPO
(3) Generalklausel (§ 8 Abs. 1 PolG NRW oder § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO)
Enthält die entsprechende Vorschrift mehrere unterschiedliche Ermächtigungsgrundlagen, sind Absatz, Satz, Nummer, Buchstabe genau zu bezeichnen.
Die Prüfung von Grundrechtseingriff, Zielrichtung und Ermächtigungsgrundlage sowie der Zuständigkeit weisen in Klausuren regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten auf und sollen in diesen Fällen in der gebotenen Kürze dargestellt werden. Auf eine Darstellung im Gutachtenstil kann verzichtet werden.
zu II.: Formelle Rechtmäßigkeit
Die formelle Rechtmäßigkeit ist anhand der Trias Zuständigkeit – Verfahren – Form zu überprüfen.25
Zuständigkeit
Zuständigkeit ist neben Verfahren und Form eine Voraussetzung der formellen Rechtmäßigkeit des polizei- und ordnungsbehördlichen Handelns. Es muss die im konkreten Fall zuständige Behörde handeln. Unter Zuständigkeit versteht man die Zuordnung einer Kompetenz zu einer Behörde, unter Kompetenz die Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen. Die Zuständigkeit bestimmt also, welche Behörde welche Aufgaben zu erfüllen hat und welche Befugnisse sie dafür besitzt.26 Es gilt der Grundsatz, dass speziellere Regelungen den allgemeinen vorgehen. Grundsätzlich richtet sich die Frage der Zuständigkeit nach den Regelungen des jeweiligen Gesetzes, aus dem die Ermächtigungsgrundlage stammt. Soweit das jeweilige Gesetz dort einfach auf die zuständige Behörde verweist, richtet sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Regelungen des jeweiligen Landesrechts. Wenn es sich um eine Ermächtigung aus einem Bundesgesetz handelt, ist zusätzlich darauf zu achten, ob auf der Landesebene spezielle Durchführungsgesetze oder Verordnungen bestehen.27
Bei der Zuständigkeit unterscheidet man die sachliche, die instanzielle, die funktionelle und die örtliche Zuständigkeit; es handelt sich um feste Größen bei der rechtlichen Beurteilung polizeilichen Handelns.28
Die funktionelleZuständigkeit betrifft die Unterscheidung zwischen eigenständiger Aufgabenwahrnehmung und deren Beaufsichtigung durch Fach- und Rechtsaufsichtsbehörden. Die instanzielle Zuständigkeit bedeutet die Aufteilung derselben sachlichen Zuständigkeit auf die unterschiedlichen hierarchischen Ebenen. Die sachliche Zuständigkeit bezieht sich auf den Inhalt der wahrzunehmenden Aufgaben und Befugnisse. Die örtliche Zuständigkeit betrifft den räumlichen Bereich, innerhalb dessen eine sachlich zuständige Behörde handeln darf. Da sich im Regelfall eine Aufgabenzuweisung an die Kreispolizeibehörden ergibt und dort keine verschiedenen Ebenen bestehen, können die sachliche und die instanzielle Zuständigkeit zusammengefasst werden.29 Die örtliche Zuständigkeit wird Klausuren oftmals unterstellt. Ist dies nicht der Fall, genügt im Regelfall ein Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 1 POG NRW (Regelzuständigkeit). Sonderfälle eines Tätigwerdens der Polizei außerhalb ihres Polizeibezirks, außerhalb von Nordrhein-Westfalen oder im benachbarten Ausland regeln §§ 8 und 9 POG NRW.30
Die sachliche Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Sätze 1, 2 (bzw. Satz 3) PolG NRW, §§ 10, 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW. Für die Erforschung von Straftaten ist die Polizei gem. § 1 Abs. 4 PolG31 NRW i. V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO zuständig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist die Polizei zuständig gem. § 1 Abs. 4 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW i. V. m. § 53 Abs. 1 OWiG.32
Überdies ist die Polizei sachlich zuständig aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen, z. B. nach dem BVersG oder dem WaffG. Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich eine sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden (§ 2 Abs. 1 POG NRW). Für diese handeln die tätig werdenden Polizeibeamtinnen und -beamten („Amtswalter“).
Unausrottbar scheint die in Polizeirechtsklausuren ausgelebte Neigung zu sein, innerhalb der – zumeist unproblematischen – Zuständigkeitsprüfung – eingehend darzulegen, dass eine konkrete oder gar qualifizierte (z. B. gegenwärtige) Gefahr vorliegt. Eine solche Erörterung wirkt besonders befremdlich, wenn die spätere Eingriffsnorm überhaupt keine konkrete Gefahr voraussetzt (z. B. § 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW).33
Verfahren
Bei der Frage des Verfahrens ist danach zu differenzieren, ob die Maßnahme als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist oder nicht, denn die allgemeinen Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze gelten (vgl. § 9 VwVfG NRW) – nur bei Verfahren, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes (oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) gerichtet sind.34 Die Relevanz der Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Realakt ist an dieser Stelle allerdings gering. Da weder das VwVfG NRW noch das PolG NRW für Realakte Verfahrensanforderungen normieren35, wird für Realakte auch eine Regelungslücke angenommen. Insoweit wird teilweise vertreten, die Regelungen des VwVfG NRW für Verwaltungsakte analog auch auf Realakte anzuwenden.36 Im Falle des Erlasses eines Verwaltungsaktes ist das Anhörungsgebot aus § 28 Abs. 1 VwVfG NRW zu beachten. Die Norm ist auch dort anzuwenden, wo es keine inhaltsgleiche gesetzliche Regelung gibt.37 Verlangt wird, dass dem Adressaten eines ihn belastenden Verwaltungsakts vor dessen Erlass Gelegenheit dazu gegeben werden muss, sich zum Sachverhalt zu äußern (Anhörung). Ist eine Anhörung erfolgt (bzw. hat der Adressat die Gelegenheit zur Äußerung erhalten, sie aber nicht genutzt), kann dies schlicht festgestellt werden.38 Nur wenn Verfahrensvorschriften verletzt wurden, sind die Rechtsfolgen dazulegen. Fehlt eine vorherige Anhörung, ist zu erörtern, ob von ihr nach § 28 Abs. 2 VwVfG NRW abgesehen werden konnte.39
Form
Im dritten Schritt ist der Frage nachzugehen, ob die Maßnahme unter Einhaltung bestehender Formvorschriften getroffen wurde. Gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Realakte sind (mit Ausnahme schriftlicher Hinweise u. ä. ohne Regelungscharakter) regelmäßig faktische Handlungen, die nicht in einer bestimmten „Form“ erfolgen können (z. B. der Einsatz von unmittelbarem Zwang).40
Von Bedeutung ist zudem, dass gem. § 41 VwVfG jeder Verwaltungsakt bekannt gegeben werden muss. Ansonsten kommt allenfalls ein Vorgehen der Polizei im Rahmen des Sofortvollzugs in Betracht.41 Gem. § 43 Abs. 1 VwVfG NRW wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
Sind entsprechende (Form-)Vorschriften verletzt worden, sind die Rechtsfolgen anhand der §§ 44–46 VwVfG NRW zu untersuchen.
Begründung
Im vierten Schritt ist darzulegen, ob die entsprechende Verfügung begründet wurde. Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW; Ausnahmen in Absatz 2).
Ordnungsgemäße Bekanntgabe
Für die Zugang mündlicher Verwaltungsakte ist eine tatsächliche Kenntnisnahme erforderlich. Für den Zugang schriftlicher Verwaltungsakte ist eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht vonnöten. Der schriftliche Verwaltungsakt muss in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein (§ 41 Abs. 2 VwVfG NRW und subsidiär § 130 BGB analog).42
Wenn der Sachverhalt zu Zuständigkeit, Verfahren oder Form keine Angaben enthält, dürfen die entsprechenden Punkte nicht etwa in der Weise im Gutachtenstil behandelt werden, dass erst umständlich ein Obersatz und eine Definition gebildet werden, um dann lapidar festzustellen, dass der Sachverhalt zu diesen Punkten schweigt. Stattdessen gilt der Grundsatz, dass mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die Behörden richtig gehandelt haben.43
zu III. Materielle Rechtmäßigkeit
Die materielle Rechtmäßigkeitsprüfung setzt sich aus der Untersuchung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage („Vorbehalt des Gesetzes“), der Behandlung der besonderen (maßnahmenspezifischen) Verfahrensanforderungen (Anordnungsbefugnis und Durchführungsbestimmungen), Überlegungen zum zulässigen Adressaten, zur Rechtsfolge, zum Ermessen und zur Verhältnismäßigkeit zusammen.