Kitabı oku: «Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen», sayfa 3

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Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

Viele Ermächtigungen enthalten lediglich eine Ermächtigungsgrundlage, andere gliedern sich dagegen in mehrere solcher Grundlagen. Zudem kann es erforderlich sein, weitere gesetzliche Vorschriften heranzuziehen, die z. B. Definitionen tatbestandlicher Voraussetzungen enthalten oder diese wiederum an weitere Voraussetzungen knüpfen.44

Besondere Verfahrensvorschriften

Während die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen die Frage behandelt, „ob“ die Polizei eine bestimmte Maßnahme treffen darf, regeln die maßnahmenspezifischen Verfahrensanforderungen das „Wie“. Aufgrund des Grundsatzes des „Vorrangs des Gesetzes“ haben die handelnden Polizeibeamtinnen und -beamten auch diese Anforderungen zu beachten. Nicht jeder Verstoß führt allerdings zur Rechtswidrigkeit der Eingriffsmaßnahme.45 Auch ist zu klären, wer die konkrete Maßnahme anordnen (bzw. durchführen) darf. Bestimmte Ermächtigungsgrundlagen verlangen zudem die Beachtung besonderer Durchführungsbestimmungen. So ordnet § 39 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW als Durchführungsbestimmung für die Durchsuchung von Personen an, dass Personen nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden dürfen.

Adressat

Zu klären ist, ob derjenige, gegen den sich die konkrete Maßnahme richtet, aufgrund der gesetzlichen Vorgaben auch in rechtlich zulässiger Weise mit dieser belegt werden darf. Soweit sich nicht eindeutig aus der Ermächtigungsgrundlage ergibt, wer Adressat der Maßnahme ist, muss auf allgemeine Bestimmungen zurückgegriffen werden. Bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind – soweit keine spezielleren Vorschriften einschlägig sind – die §§ 4–6 PolG NRW zu prüfen. Bei strafprozessualen Maßnahmen ergibt sich der Adressat aus der Ermächtigung (Beschuldigte, Verdächtiger, Zeuge).46

Rechtsfolge

Unter dem Punkt „Rechtsfolge“ ist zu erörtern, ob die tatsächlich getroffene Maßnahme von der Ermächtigungsgrundlage erfasst ist, also „gedeckt“ ist. Es bietet sich an, an dieser Stelle zu definieren, zu welchen Maßnahmen die Norm konkret ermächtigt.47 Prüfungsmaßstab ist damit die Frage, ob sich die Maßnahme innerhalb des durch die Ermächtigungsgrundlage eröffneten Rechtsfolgerahmens bewegt. Dies ist keinesfalls nur eine Frage des Ermessens, vielmehr sind der Maßnahme auch zahlreiche, von der Willensbildung der Behörde unabhängige, objektive Grenzen gesetzt. Die wichtigste dieser Fragen, nämlich ob die Maßnahme abstrakt der von der Ermächtigungsgrundlage vorgesehenen Rechtsfolge entspricht, wurde allerdings bei der Suche nach der richtigen Ermächtigungsgrundlage vorweggenommen.48

Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW)

Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass auch die im Einzelfall polizeilich getroffene Maßnahme hinreichend bestimmt sein muss. Der Adressat muss erkennen können, wie er sich zu verhalten hat, um dem ihm auferlegten Ge- oder Verbot zu entsprechen. Polizeiliche Maßnahmen genügen diesen Anforderungen, wenn sie so bestimmt sind, dass sie aus sich selbst heraus verständlich sind und ohne weitere Konkretisierung Grundlage einer nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahme sein können.49 Ist ein polizeilicher Verwaltungsakt nicht inhaltlich hinreichend bestimmt, ist er materiell rechtswidrig und im schlimmsten Fall sogar nichtig.50

Ermessen (Entschließungs- und Auswahlermessen)

„Ermessen“ bedeutet, dass den handelnden Polizeibeamten durch die Ermächtigungsgrundlage Entscheidungsspielräume hinsichtlich der Rechtsfolge, also der zu treffenden Maßnahme eingeräumt sind.51 Zwei Stufen der Ermessenausübung sind zu unterscheiden:52

Entschließungsermessen: Infrage steht das Handeln überhaupt.

Auswahlermessen: Infragesteht die Art der Maßnahme selbst.

Bei präventivem Handeln, insbesondere zur Gefahrenabwehr, kommt der Polizei ein Entschließungsermessen zu. Sie kann also entscheiden, ob sie überhaupt tätig wird. Gem. § 3 Abs. 1 PolG NRW hat die Polizei ihre Maßnahmen nach „pflichtgemäßem Ermessen“ zu treffen (§ 3 Abs. 1 PolG NRW). Bei der Rechtmäßigkeitsprüfung einer bereits getroffenen Maßnahme ist allein zu prüfen, ob der Polizei Ermessensfehler unterlaufen sind. Die Frage der Ermessensreduzierung spielt dabei hauptsächlich in Verpflichtungskonstellationen eine Rolle, in denen ein Anspruch auf das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme geltend gemacht wird. Mitunter besteht eine „Ermessensreduktion auf Null“, insbesondere wenn es um die Abwehr von Lebensgefahren geht.53 Ob eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, ist im Rahmen einer Güterabwägung zu ermitteln. Ermessensreduzierende Gründe sind dabei:54

– Schwere und Ausmaß der Gefahr,

– die hohe Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts und

– die Möglichkeit der Polizei zum Handeln und das Fehlen anderer vorrangiger Aufgaben.

Die Schutzpflicht des Staates ist umso stringenter, je höher der Rang des jeweiligen Grundrechts bzw. Rechtsguts innerhalb der Wertordnung anzusetzen ist.

Liegt der Anfangsverdacht einer Straftat vor, greift das sog. Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2, § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO).55 Ein „Entschließungsermessen“ der Polizei, ob sie überhaupt zur Erforschung der Straftat tätig wird, besteht in diesem Fall nicht. Unzutreffend ist es allerdings, bei repressiven Maßnahmen im Zusammenhang mit Straftaten ein Ermessen generell abzulehnen. Denn die handelnden Polizeibeamten können auch im repressiven Tätigkeitsfeld entscheiden, an wen sie ihre Maßnahmen richten, z. B. welchen Zeugen sie zuerst vernehmen bzw. welche repressiven Maßnahmen zunächst getroffen werden sollen.

Formulierungsvorschlag:56

„Bei repressiven Maßnahmen im Zusammenhang mit Straftaten ist das Entschließungsermessen wegen des Legalitätsgrundsatzes auf Null reduziert. Ermessensfehler sind im Übrigen nicht ersichtlich.“

Verhältnismäßigkeit i. w. S./Übermaßverbot

Die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes spielt eine entscheidende Rolle und wird in vier Schritten vollzogen

(1) Legitimität des Zwecks der Maßnahme; dieser Zweck der Maßnahme ist dann legitim, wenn er sich im Rahmen der Staatsaufgaben bewegt

(2) Geeignetheit der Maßnahme; die Maßnahme ist geeignet, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Ziels objektiv zwecktauglich ist

(3) Erforderlichkeit der Maßnahme; die Maßnahme ist erforderlich, wenn kein anderes milderes Mittel zur Verfügung steht

(4) Verhältnismäßigkeit i. e. S.; die Maßnahme ist angemessen, wenn sie den Betroffenen nicht übermäßig belastet und nicht unzumutbar ist. „Zweck“ und „Mittel“ müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen (sog. „Mittel-Zweck-Relation“).57

Der legitime Zweck ist zu bestimmen, um im Rahmen der Geeignetheit feststellen zu können, ob die Maßnahme diesen Zweck jedenfalls fördern kann. Bei präventiven Maßnahmen kann als Zweck allgemeiner die Gefahrenabwehr, konkreter das jeweils geschützte Rechtsgut (bzw. die geschützten Rechtsgüter) benannt werden.58 Bei repressiven Maßnahmen ist der Zweck die Sicherung einer ordnungsgemäßen Strafverfolgung bzw. einer Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.59

Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie objektiv zwecktauglich ist, das polizeiliche Ziel zu erreichen, wenn sie den Zweck jedenfalls fördern kann („Schritt in die richtige Richtung“). Nur wenn sie unter allen denkbaren Gesichtspunkten nichts zur Erreichung des Zwecks beitragen kann, ist sie als ungeeignet und damit als unverhältnismäßig (und rechtswidrig) zu bewerten.

Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es kein milderes, mindestens gleich geeignetes Mittel gibt. An dieser Stelle ist zu erörtern, welche Handlungsalternativen in Betracht gekommen wären. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei gem. § 3 Abs. 1 PolG NRW diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

Bei der Verhältnismäßigkeit i. e. S. muss festgestellt werden, ob die Maßnahme auch angemessen gewesen ist. Hierbei ist die Zweck-Mittel-Relation zu erörtern. Der Eingriff in die Grundrechte des Adressaten darf nicht außer Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck stehen. Bei präventiven Maßnahmen sind die Grundrechte des Adressaten gegen die geschützten Rechtsgüter gefährdeter Dritter abzuwägen.

Einen gravierenden Fehler stellt es dar, wenn auch bei repressiven Maßnahmen die Grundrechte des Adressaten gegen die Grundrechte des „Opfers“ einer Straftat abgewogen werden. Denn der Zweck solcher Maßnahmen ist nicht – wie bei Gefahrenabwehrmaßnahmen – der Rechtsgüterschutz, sondern die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Strafverfolgung.60 Daher sind die Grundrechte des Adressaten gegen das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwägen.61

II. Prüfung einer gefahrenabwehrenden Zwangsmaßnahme im gestreckten Verfahren 62

Prüfung der Grundmaßnahme ist erfolgt

I. Ermächtigungsgrundlage

Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist.

1. Grundrechtseingriff

2. Zielrichtung

3. Ermächtigungsgrundlage

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme

1. Zuständigkeit

– Verweis auf vorgängige Prüfung der Grundmaßnahme

– § 56 VwVG NRW analog

2. Verfahren

– Anhörung entfällt (Ersatzvornahme/Unmittelbarer Zwang sind Realakte63)

– bei a. A. Anhörung entbehrlich, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG64

– bei Anlass: § 56 Abs. 4 PolG NRW, § 55 Abs. 3 PolG NRW

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme

1. Zulässigkeit des Zwangs (§ 50 Abs. 1 PolG NRW)

a) Vollstreckbare Grundverfügung

aa) Wirksamkeit

– ordnungsgemäße Bekanntgabe, § 43 VwVfG NRW

– keine Nichtigkeit nach § 44 VwVfG NRW

bb) Inhaltliche Vollstreckbarkeit

– Befehlender Verwaltungsakt (Handeln/Dulden/Unterlassen)

cc) Formelle Vollstreckbarkeit

– Bestandskraft oder

– sofortige Vollziehbarkeit gem. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO

dd) Nichterfüllung der durch die Grundverfügung auferlegten Pflicht

b) Konnexitätsgrundsatz

2. Zulässigkeit des Zwangsmittels (§ 51 PolG NRW)

a) Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW)

b) Zwangsgeld (§ 53 PolG NRW)

c) Unmittelbarer Zwang (§§ 55, 58 PolG NRW)

3. Art und Weise der Zwangsanwendung

a) Ersatzvornahme, § 56 PolG NRW, unter Hinweis auf Kostenmitteilung

b) Zwangsgeld, § 56 PolG NRW, Androhung in bestimmter Höhe;

Festsetzung, § 53 Abs. 1 und 2 PolG NRW

c) Unmittelbarer Zwang, § 61 PolG NRW

4. Bei Anlass: Besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

a) Fesselung (§ 62 PolG NRW)

b) Schusswaffengebrauch (§§ 63–65 PolG NRW)

5. Ermessen

6. Übermaßverbot

a) Geeignetheit

b) Erforderlichkeit

c) Verhältnismäßigkeit

IV. Ergebnis

Allgemeine Erläuterungen zum polizeilichen Zwang

Polizeilicher Zwang bringt das Recht zur Wirkung. Die Zwangsanwendung sorgt dafür, dass das Recht gegenüber demjenigen durchgesetzt wird, der es nicht beachtet. Insoweit haben polizeiliche Zwangsmaßnahmen zwei Funktionen: zum einen Beugefunktion; angesichts von angedrohtem oder angewendetem Zwang gibt der Rechtsbrecher sein rechtswidriges Verhalten auf. Durch den Bruch des Widerstandes wird zum anderen ein rechtmäßiger Zustand hergestellt (Realisierungsfunktion).65 Eine Straffunktion (d. h.: Sühne für begangenes Unrecht) hat die Zwangsanwendung nicht (wenn sie auch von den Betroffenen häufig „als Strafe“ empfunden wird). Durch Zwang sollen ausschließlich rechtskonforme Zustände hergestellt werden. Deswegen sind Zwangsmaßnahmen sofort einzustellen, wenn dieses Ziel erreicht wird.66 Aus der Befugnis, einen Verwaltungsakt zu erlassen, folgt noch nicht das Recht, diesen auch zu vollstrecken. Vollstreckungshandlungen bedürfen, ebenso wie die zu vollstreckende Verfügung selbst (z. B. „Öffnen Sie die Tür!“ = Begleitverfügung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PolG NRW), einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (Vorbehalt des Gesetzes), die in den §§ 50 ff. PolG NRW zu finden ist. In Betracht kommen § 50 Abs. 1 PolG NRW oder § 50 Abs. 2 PolG NRW, also das gestreckte Verfahren oder der Sofortvollzug.

§ 50 Abs. 1 PolG NRW beschreibt die polizeiliche Grundkonstellation von „Befehl und Zwang“. Das bedeutet, dass die Polizei nach Erkenntnis einer Gefahrenlage einen Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG) erlässt, durch den der Adressat aufgefordert wird, durch zwecktaugliches Verhalten (= Tun, Dulden oder Unterlassen) die Gefahr abzuwehren.

Rechtsgrundlage der Verfügung ist regelmäßig eine Standardbefugnis oder die Generalklausel.67 Der sofortige Vollzug, § 50 Abs. 2 PolG NRW, enthält eine Ausnahme vom Grundsatz „Befehl und Zwang“. Die Vorschrift ermächtigt zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen, ohne dass zunächst ein Verwaltungsakt („Befehl“) erlassen werden muss, der nicht befolgt wird. Dies ist aber nur gestattet, wenn der sofortige Vollzug „notwendig“ ist, um z. B. eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 50 Abs. 2 PolG NRW). Das heißt, nur wenn das gestreckte Verfahren nicht in Betracht kommt, etwa weil die Polizei im konkreten Fall besonders schnell handeln muss, um eine Gefahr abzuwehren, ist der sofortige Vollzug nach § 50 Abs. 2 PolG NRW zulässig. Das gestreckte Verfahren ist also der Regelfall, der sofortige Vollzug die Ausnahme.68 Die Zwangsmittel, die der Polizei zur Verfügung stehen, sind in § 51 Abs. 1 PolG NRW genannt. Das sind Ersatzvornahme, Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang. Die Aufzählung ist abschließend. Die Ersatzzwangshaft (§ 54 PolG NRW) ist kein eigenes Zwangsmittel, sondern nur Verstärkung des Beugemittels Zwangsgeld.

Durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen wird – je nach Fallgestaltung und Zwangsmittel neben dem (subsidiären) Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) – häufig in unterschiedliche besondere Freiheitsrechte eingegriffen, zu nennen sind vor allem

– Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit, z. B. durch Festsetzung von Zwangsgeld)

– Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Körperliche Unversehrtheit, z. B. Anwendung unmittelbaren Zwangs)

– Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben, z. B. durch „Finalen Rettungsschuss)

– Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung, z. B. durch Eindringen in Wohnung)

– Art. 14 GG (Ersatzvornahme, z. B. durch Abschleppen eines Fahrzeugs, Schusswaffengebrauch gegen Sachen).

Erläuterungen zur Prüfung einer gefahrenabwehrenden Zwangsmaßnahme im gestreckten Verfahren
zu I. Ermächtigungsgrundlage

Nach Darlegung des Grundrechtseingriffs und der Zielrichtung (Verweis auf Grundmaßnahme) ist die Ermächtigungsgrundlage festzulegen. In Betracht kommt § 50 Abs. 1 PolG NRW. Ob im konkreten Fall das eingesetzte Zwangsmittel als Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW), Zwangsgeld (§ 53 PolG NRW) oder unmittelbarer Zwang (§§ 55, 57 ff. PolG NRW) zu bewerten ist, muss an dieser Stelle noch nicht entschieden werden.

zu II. Formelle Rechtmäßigkeit
Zuständigkeit

Es gilt der Grundsatz, dass diejenige Behörde für die Anwendung von Zwangsmitteln zuständig ist, die die zu vollstreckende Grundverfügung erlassen hat (Prinzip der Selbstvollstreckung). Für die Vollstreckung nach dem VwVG NRW, das für die Polizei nicht einschlägig ist, ist dieser Grundsatz in § 56 VwVG NRW geregelt: Ein Verwaltungsakt wird von der Behörde vollzogen, die ihn erlassen hat.

In der Klausur ist es vertretbar, zur Begründung der sachlichen Zuständigkeit „nach oben“ auf die vorgängige Prüfung der Grundverfügung zu verweisen.

Wenn die Polizei zum Erlass der Grundverfügung sachlich zuständig war, dann ist sie nach dem Grundsatz der Selbstvollstreckung auch für die zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme zuständig. Es reicht also aus, wenn kurz und bündig festgestellt wird, dass die Polizei sachlich zuständig ist, da sie den Grundverwaltungsakt erlassen hat, der vollstreckt wird. Ob man dies mit § 50 Abs. 1 PolG NRW belegt, mit § 56 VwVG NRW analog69 oder durch die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen zum Grundverwaltungsakt („Verweis auf oben“), spielt letztlich keine Rolle.70

Verfahren

Zu erörtern ist, ob eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW zu erfolgen hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Anwendung des Zwangsmittels einen Verwaltungsakt i. S. des § 35 Satz 1 VwVfG NRW darstellt. Nach mittlerweile überwiegender Auffassung haben Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges und die Ersatzvornahme regelmäßig (mangels Regelungswirkung) keine Verwaltungsaktsqualität. Es wird kein Gebot ausgesprochen, welches der Betroffene zu befolgen hätte. Vielmehr wird die Behörde ohne Weiteres zu einem selbstständigen Tätigwerden befugt. Unmittelbarer Zwang und Ersatzvornahme sind Realakte, so dass § 28 VwVfG NRW nicht anwendbar ist (§§ 9, 28 Abs. 1 VwVfG NRW) und nicht angehört werden muss. Demgegenüber wurde früher die Verwaltungsaktsqualität von Ersatzvornahme bzw. unmittelbarem Zwang bejaht, da der Zwangsmaßnahme stets eine unausgesprochene „konkludente Duldungsverfügung“ innewohne.71 Dann wäre grundsätzlich eine Anhörung des Betroffenen nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erforderlich, kann aber wiederum wegen § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW unterbleiben. Auch diese Ansicht ist vertretbar (wenn auch überflüssig und reichlich absurd): „Denn dann müsste man z. B. behaupten, dass der Schlag des Polizisten mit dem Gummiknüppel den unausgesprochenen Befehl enthielte, diesen Schlag zu erdulden …“72.

Bei der Anwendung von Zwangsmitteln entfällt die Anhörung.

zu III. Materielle Rechtmäßigkeit
Zulässigkeit des Zwangs (§ 50 Abs. 1 PolG NRW)

Es können nur (befehlende) Verwaltungsakte (sog. Grundverfügungen) vollstreckt werden. Die entsprechende Polizeiverfügung muss einen vollstreckbaren Inhalt haben („ … auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet“).

Im Rahmen des gestreckten Verfahrens sind alle Schritte des Verwaltungszwanges einzuhalten. Grundlegend hierfür ist das Vorliegen einer wirksamen und vollstreckbaren Grundverfügung. Dabei muss der VA auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen des Polizeipflichtigen gerichtet sein:73

Handlung: „Halt Polizei! Legen Sie das Messer auf den Boden.“

Duldung: „Wir werden Sie jetzt durchsuchen.“

Unterlassung: „Unterlassen Sie den Angriff.“

Voraussetzung ist, dass die Grundverfügung wirksam erlassen wurde. Unwirksame Verwaltungsakte sind nicht-existent und können deshalb auch nicht mit Zwang durchgesetzt werden. Ein Verwaltungsakt ist wirksam, wenn er bekannt gegeben wurde (§ 43 VwVfG NRW) und nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet, also nicht nichtig i. S. des § 44 VwVfG NRW ist. Allein aus der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes darf nicht auf seine Nichtigkeit geschlossen werden. Nichtigkeit darf nicht mit Rechtswidrigkeit verwechselt werden. Rechtswidrige Grundverfügungen sind wirksam und können vollstreckt werden. Nur bei besonders schweren Fehlern i. S. des § 44 VwVfG NRW ist eine Verfügung nichtig und damit unwirksam.74

Hierauf ist in einer Klausur nur dann einzugehen, wenn diesbezüglich Probleme bestehen sollten, was kaum jemals der Fall sein wird.

Die Grundverfügung muss formell vollstreckbar sein. Entsprechend § 50 Abs. 1 PolG NRW kann ein Verwaltungsakt vollstreckt werden, wenn er „unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat“. Unanfechtbar ist ein Verwaltungsakt erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen (Bestandskraft des Verwaltungsaktes) bzw. mit der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung (Rechtskraft). Dieser Fall hat in der vollzugspolizeilichen Praxis wegen der meist besonderen Eilbedürftigkeit der Gefahrenabwehr regelmäßig wenig Relevanz und kommt etwa in Betracht im Falle von sog. Aufenthaltsverboten (§ 34 Abs. 2 PolG NRW).75

Praxis- und klausurrelevant ist das Entfallen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels. Zwar haben nach § 80 Abs. 1 VwGO Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt).76 Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen entfällt in den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO.

§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO enthält für die typischen Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes eine maßgebliche Regelung: Bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. „Unaufschiebbar“ im Sinne der Vorschrift sind stets eilbedürftige Gefahrenabwehrmaßnahmen. Ein Abwarten würde den Erfolg der Maßnahme gefährden bzw. vereiteln.77 Dies ist beim Handeln der Vollzugspolizei regelmäßig der Fall. Weiterhin kann die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes durch die erlassende Behörde (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO: bei überwiegendem öffentlichen Interesse) angeordnet werden. Diese Alternative ist grundsätzlich dann einschlägig, wenn die Polizei einen schriftlichen Verwaltungsakt erlässt, der vollstreckt werden soll. Denn hier ist § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO („unaufschiebbare Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten) regelmäßig nicht einschlägig.78

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