Kitabı oku: «Bildung auf Augenhöhe», sayfa 4

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Über die Bedeutung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden

Die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Lernenden ist ein ganz entscheidender Faktor, der sich auf das Vorankommen der Schülerinnen und Schüler auf ihrem Bildungsweg förderlich oder hemmend auswirken kann. Zwar wird diese Beziehung gerade am Gymnasium selten thematisiert und noch seltener reflektiert. Wenn ich hingegen den Jugendlichen die Frage stelle, wodurch ich für sie und ihr Lernen nützlich werden konnte, erzählen sie in ihren Antworten eine Menge über ihre Bedürfnisse und darüber, was sie sich von einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung erwarten:

Da geht es um die Augenhöhe: »Für mich war der Lehrer ›kein‹ Lehrer. Nicht von der Qualifikation oder so, sondern so, wie er den Unterricht gestaltet hat, war er mehr wie ein Leiter. Er war immer am Ball und war verantwortlich für unseren Weg. Er gestaltete den Unterricht so, dass immer eine Diskussion entstand und somit immer etwas hängen bleibt.« (Klassenstufe 7) »Ich habe das meiste durch Sie verstanden, weil Sie auch viel mit und nicht zu uns gesprochen haben.« (Klassenstufe 7) »Ihre herausfordernde Art ist nicht jedermanns Sache, aber ich mag es, dass Sie Wert auf andere Meinungen legen und dass wir sagen dürfen, was wir fühlen und denken.« (Klassenstufe 7)

Es geht um Klarheit und Sicherheit: »Sie haben immer sehr klare Bedingungen gestellt. Das ist gut für uns, denn dann wissen wir, was wir tun müssen.« (Klassenstufe 7)

Es geht um Gerechtigkeit im Umgang: »Ich denke auch, dass sie zu allen sozial sind, d.h., ich habe das Gefühl, dass Sie wollen, dass jeder das versteht, was Sie sagen.« (Klassenstufe 7)

Es geht um Impulse beim Testen und Einüben neuer Lerntechniken: »Sie waren sehr hilfreich beim Kennenlernen von neuen und ungewohnten Arbeitsweisen.« (Klassenstufe 8) »Sie können uns Sachen einfach beibringen, Sie machen uns selbstständig.« (Klassenstufe 7)

Es geht um Respekt und Achtung: »Ich fand Sie hilfreich, weil Sie uns immer wieder gezeigt haben, dass man sich nicht aufgeben sollte. Ich fand es gut, dass Sie uns Vertrauen geschenkt haben.« (Klassenstufe 8) »Positiv ist auch, dass Sie ›mit‹ uns arbeiten und Wünsche annehmen und uns gegenüber Respekt zeigen.« (Klassenstufe 8)

Es geht um Herausforderung und Ansporn: »Sie haben uns in jeder Lektion gefördert und gefordert. Wir mussten uns anstrengen, um mitdenken zu können, und wir taten das auch gerne. Wir lernten alle besser denken und vor allem sorgfältigeres Denken. Denken hilft uns in jeder Lebenssituation und in jedem Schulfach.« (Klassestufe 8)

Eine Kindergartenleiterin sagte vor geraumer Zeit zu mir: »Ihr am Gymnasium erreicht eure Bildungsziele nicht, weil ihr eure Schüler nicht erreicht.« Und in einem Dialog mit sich selbst lässt der französische Schriftsteller und Lehrer Daniel Pennac noch einmal den Jugendlichen, der er einmal war, zu Wort kommen, und richtet sich mit deutlichen Worten an sein »heutiges Ich«: »Ihr Lehrer seid alle gleich! Was euch fehlt, sind Lehrveranstaltungen über Unwissenheit. Ihr müsst eine Unmenge Prüfungen über eure Kenntnisse ablegen, während eure wichtigste Fähigkeit darin bestehen sollte, euch den Zustand dessen vorzustellen, der nicht über euer Wissen verfügt! […] Das große Handicap der Lehrer bestünde demnach in ihrer Unfähigkeit, sich selber als jemanden vorzustellen, der nicht über das Wissen verfügt, über das sie verfügen. Egal, wie schwer es ihnen fiel, die Kenntnisse zu erwerben, die sie heute besitzen, sobald diese Teil ihrer selbst geworden sind, betrachten sie sie als etwas, das einem von allein einleuchtet […], sie können sich nicht mehr vorstellen, wie vollkommen fremdartig diese Kenntnisse für jemanden sind, der auf diesem Gebiet im Zustand der Unwissenheit lebt« (Pennac 2009, S. 71 f.). Hier ist die Rede von einem Kernelement der Lehrer-Schüler-Beziehung, das lebendige und expansive Lernprozesse bei jungen Menschen erst möglich macht: die Fähigkeit, sich in die Situation eines lernenden Menschen hineinzuversetzen.

Als ich vor etwas mehr als sieben Jahren als Lehrperson am Gymnasium zu arbeiten begann, hatte ich große Probleme damit, die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern zu verstehen und mich in dieses Setting einzufinden. Hatte ich zuvor in der Beratung mit Kundinnen und Kunden »auf Augenhöhe« zu tun, war ich nun Tag für Tag in eine Kultur von Kommunikationsprozessen verwickelt, die ich bisher so noch nicht erlebt hatte. Die Art und Weise, wie mir die Lernenden begegneten, wie sie auf meine direkte und offene Art reagierten, auf meine Angebote zu selbstständigem Arbeiten, auf meine Einladungen, das eigene nicht nur instrumentelle, sondern das kreative, innovative und investigative Denken zuzulassen, und meine Versuche, mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren, das alles schien sie massiv zu überfordern, weil sie es nicht kennen. So schrieb mir erst jetzt wieder ein 13-jähriger Junge am Ende des Schuljahres über sein Verhältnis zu mir als Fachlehrer:

»Ich konnte mit einem Lehrer diskutieren, ein anderer hätte bereits abgebrochen und wäre weitergefahren.« (Klassenstufe 7)

Erst nachdem ich am Ende meines ersten Schuljahres über zweihundert qualifizierte Feedbacks von Schülerinnen und Schüler vor mir liegen hatte, konnte ich mir erklären, was da los ist. Die Aussagen der Lernenden ließen in ihrer Fülle die Vermutung zu, dass die sogenannte Lehrer-Schüler-Beziehung am Gymnasium ein Konstrukt ist, das sich von allen anderen professionellen Beziehungen außerhalb der Schule vor allem darin unterscheidet, dass sie wesentlich künstlich ist und nicht auf normalen zwischenmenschlichen Funktionen basiert. Vielmehr scheinen sich die Gespräche, die Menschen in der Schule miteinander führen, von allen anderen Gesprächsformen in kulturellen Kontexten außerhalb der Schule grundsätzlich zu unterscheiden.

Noch immer scheint zum Beispiel die Mehrzahl der Lehrpersonen zu fordern, dass sich Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen per Handzeichen melden, wenn sie einen verbalen Beitrag am Unterrichtsgeschehen leisten möchten. Lehrpersonen erteilen das Wort und entziehen es. Sie versuchen dadurch offensichtlich, eine Führungsfunktion auszuüben, aus der sich eine gewisse Disziplin ergeben soll. In Wahrheit führt das dazu, dass Schülerinnen und Schüler genau dadurch lernen, nicht aufeinander und auf den Verlauf eines Unterrichtsprozesses zu achten. Stattdessen lernen sie, dass dafür ihre Vorgesetzten, ihre »Häuptlinge« an der Tafel zuständig sind, die ihnen oder eben ihnen nicht das Wort erteilen. Dieses »Aufstrecken« war etwas vom Ersten, was ich konsequent abgeschafft habe. Entsprechend häufig taucht es in den Rückmeldungen der Lernenden auf – als große Umgewöhnung, aber auch als Chance:

»Das Reden ohne Strecken ist eine sehr gute Methode, alle sich beteiligen zu lassen, weil es viele Lehrer gibt, die nur bestimmte Schüler reden lassen!« (Klassenstufe 9)

In einem Setting, in dem nur bestimmte Menschen reden dürfen, erhalten selbstständige Wortbeiträge a priori den Charakter von »Störungen«, seien diese ausgesprochen oder nicht. Dabei gehört es doch zur Grundausstattung jeder dialogischen Kompetenz, dass ich lerne, einem Gespräch, einem Dialog, einem Diskurs so aufmerksam zu folgen, dass ich meine Beiträge gut und rücksichtsvoll platzieren kann, ohne dabei den Gesprächsverlauf aus den Augen zu verlieren. In zwei Feedbacks aus einer neunten Klassenstufe ist dazu zu lesen:

»Ebenfalls merkte ich, dass wir, wenn wir nicht [auf-]strecken müssen, eigentlich eine viel ruhigere Klasse sind. Wir hören einander auch besser zu, das fand ich immer sehr positiv im Unterricht.«

»Ich fand es sehr gut, dass man nicht [auf-]strecken musste. Dadurch musste man auf die anderen mehr eingehen und ihnen zuhören! Dadurch ist auch eine richtige Diskussion entstanden.«

Und aus einer siebten Klassenstufe kommt folgende Rückmeldung:

»Es war auch cool, dass man nicht strecken sollte, denn man redet zu Hause ja auch einfach und streckt nicht. Obwohl man einfach reden kann, ist es kein Durcheinander.«

Und aus einer achten Klassenstufe:

»Das mit einfach reden, ohne zu strecken, finde ich gut, weil man da lernt, wann einer fertig geredet hat, und Rücksicht nimmt, nicht einfach dreinredet.«

Wenn ich als Lehrperson meinen Unterricht durch Aufrufen und Handzeichen »dirigiere«, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn außerhalb dieser künstlichen Situation des frontal gesteuerten Meldewesens, zum Beispiel in Gruppenarbeiten, nach kurzer Zeit ein zügelloses Durcheinander entsteht, in dem keiner auf die andere hört und wild durcheinander geredet wird, wenn das Ganze ziemlich rasch aus dem Ruder läuft, wenn Jugendliche bis kurz vor der Matura die Anliegen und Chancen von »Lernen im Team« trotz unzähliger sogenannter »Gruppenarbeiten« nicht wirklich verstanden oder für sich genutzt haben. Das ist übrigens auch oft der Grund, warum Lehrpersonen am Gymnasium von echten Gruppenarbeiten Abstand nehmen. Dabei sehen sie nicht, dass ihr Unterricht die Hauptursache für das Chaos ist, das sie befürchten. Wenn Jugendliche nicht lernen, sich in einfachen, aber durchaus geführten und moderierten Gesprächssituationen am Gespräch selbst und dessen Verlauf zu orientieren, wie sollten sie dann lernen, selbstständig und professionell Gespräche, Dialoge oder gar Diskurse zu führen?

Ein schwerwiegender Nebeneffekt dieser »heimlichen Dressur« liegt darin, dass Jugendliche dadurch »lernen, nicht zu lernen«. Weil sie sich auf die frontal organisierte Informationslogistik einstellen, sind für sie alternative Lern- und Arbeitsformen nicht plausibel. So lese ich in einem Schülerfeedback aus der Klassenstufe 8:

»Ich selber habe große Schritte in der Selbstständigkeit und in selbstständigem Arbeiten/Nachforschen gemacht. Sie als Lehrer waren allerdings nicht sehr präsent, was uns gezwungen hat, selbst Antworten und Lösungen auf Probleme zu suchen. Das kommt bei Schülern nicht gut an, da es sie zur Arbeit zwingt, aber rückblickend gesehen, hat mir das sehr weitergeholfen.«

In einer elften Klassenstufe klingt es so:

»Der Unterricht hat mich selber sehr zum Denken angeregt. Man wurde stets dazu aufgefordert, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu verstehen. Im Moment ist das manchmal anstrengend, aber ich finde es sehr gut, dass das so gemacht wird, weil das sonst an dieser Schule zu wenig gefördert wird. Weshalb es auch als anstrengend empfunden wird.«

Wenn Schülerinnen und Schüler mit Modellen selbstständigen Teilnehmens und damit Denkens konfrontiert werden, dann leiden sie zuerst einmal unter dieser »neuen Offenheit« und an den vielen Möglichkeiten, die damit verbunden sind. Zwar leiden sie unter dem klassischen Modell auch, weil es von ihnen massenhaftes und unverdautes Wiedergeben von Informationen verlangt, aber sie können dann wenigstens den Aufwand und den Einsatz exakt abschätzen. Sie haben die Sicherheit, von wo bis wo sie sich »engagieren« müssen und wann das Leiden ein Ende hat – um in ein anderes Leiden zu münden.

Diese Problematik zieht sich übrigens bis hinein in die Prüfungen und Klausuren. Das klassische System, das sich vor allem im (mehr oder weniger geschickten) Abfragen von Informationen bewegt, ist den Lernenden vertraut und gibt ihnen vor allem deshalb Sicherheit, weil sie »wissen, was verlangt wird«, und weil über weite Strecken das »Richtig-falsch-Schema« zur Anwendung kommen kann. Hingegen melden nahezu alle Lernenden in ihren schriftlichen Feedbacks zurück, dass sie mindestens am Anfang große Probleme mit jenen »Prüfungen« haben, die im Rahmen selbstständig organisierter Lernprozesse nicht nach Wissen fragen, sondern den Einsatz von Kompetenzen prüfen. Das ist umso tragischer, als es sich dabei ja um Kompetenzen handelt, die sie benötigen, um mit Wissen umzugehen: es sich zu verschaffen, es in seine Bestandteile zu zerlegen, es zu verknüpfen, Zusammenhänge und Hintergründe zu erforschen und neue Kontexte zu generieren. Das fällt nahezu allen Lernenden außerordentlich schwer, weil sie es am Gymnasium nicht lernen. Dennoch schätzen sie einen sanften Übergang zu neuen Formen des Arbeitens und realisieren die Unterschiede recht genau:

»Die große Selbstverantwortung, welche uns von Ihnen übergeben wurde, war für mich neu. Wir konnten noch nie den Unterricht so aktiv selber mitgestalten. Jedoch möchte ich betonen: MITgestalten und nicht gestalten, denn für uns als etwas unaufmerksame Klasse wäre die völlige Gestaltungskontrolle über den Unterricht ein zu großes Gefahrenpotenzial.« (Klassenstufe 11)

Eine lesenswerte Einführung in den Themenbereich »Prüfen und Bewerten im Rahmen offener Formen des Lehrens und Lernens« bietet übrigens Bohl 2009.

Die Reziprozität der Beziehung als Schlüssel gelingender Lernprozesse

Eine oft gestellte, aber selten befriedigend beantwortete Frage ist die, wie die Qualität von Unterricht mit der Person der Lehrerin und des Lehrers zusammenhängt. Hängt ein gelingender Unterricht von den Einstellungen und charakterlichen Fähigkeiten einer Lehrperson ab – ähnlich wie in therapeutischen Settings? Nicht selten ist auch die Rede von »geborenen Lehrern«, von sogenannten »Talenten«, und davon, dass das entscheidende am Lehrerberuf ja gar nicht gelernt werden kann. Diese und ähnliche Vorstellungen und Klischees bedürfen meines Erachtens mindestens der Unterscheidung zwischen der Person eines Lehrers beziehungsweise einer Lehrerin und seinen oder ihren Kompetenzen als Lehrperson. Natürlich braucht gelingendes Lehrersein personale und soziale Kompetenzen. In pädagogischen, therapeutischen und beratenden Settings hängt der Erfolg des professionellen Handelns maßgeblich von diesen beiden Kompetenzen ab. Angehörige der entsprechenden Berufe übernehmen stellen- und zeitweise große Verantwortung für die Entwicklung ihrer Klientinnen und Klienten. Diese Verantwortung manifestiert sich vor allem darin, dass wir Lehrende unsere Klientinnen und Klienten aus ihrer Abhängigkeit von uns »Profis« in eine zunehmende Unabhängigkeit hinein (zu) begleiten (hätten). Theoretisch. Es ist unsere Aufgabe, mit den Lernenden zusammen Kompetenzen zu entwickeln, die ihnen einen »zunehmenden Zuwachs« an Selbst- und Welterschließung ermöglichen. Solche Prozesse spielen sich allesamt innerhalb professioneller Beziehungen zwischen den Beteiligten ab. In einer Schlagzeile formuliert: Gelingende Lernprozesse hängen vor allem von der Gestaltung der Beziehungen ab, die Lehrende und Lernende miteinander pflegen. Aber nach vielen Versuchen, das tatsächliche »Verhältnis« zwischen Lehrern und Schülern zu begreifen, nach unzähligen schriftlichen Feedbacks und Diskussionen mit Lernenden, nach so mancher »Kneipenlektion« am Ende eines Semesters und nach Gesprächen mit Ex-Maturandinnen und Ex-Maturanden bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem, was sich zwischen einzelnen Lernenden, einer Klasse und den Lehrpersonen abspielt, im Normalfall gar nicht um eine Beziehung im eigentlichen Sinne handelt, sondern um eine Simulation von Beziehung.

Ganz wesentliche Aspekte, die wir auch bei professionellen Beziehungen zwischen Menschen voraussetzen, kommen nämlich in einer gymnasialen Lehrer-Schüler-Beziehung gar nicht vor. Das erste Merkmal, das zur Gänze fehlt, ist die Reziprozität, die Gegenseitigkeit. Das wiederum schlägt sich in einem der wichtigsten Bereiche nieder, der das gesamte gymnasiale System trägt und nach wie vor sein Fundament bildet: im Beurteilen und Bewerten.

Zensur, Klausur, Korrektur. Und immer nur in eine Richtung

Nirgendwo sonst in meiner Welt ist Reziprozität – im Sinne einer Gegenseitigkeit – so konsequent ausgeschaltet wie im gymnasialen Beurteilungssystem. Nirgendwo sonst ist die Gegenseitigkeit des Beurteilens so verneint, so prinzipiell nicht vorgesehen wie hier. Vielleicht bilden sich ja deshalb immer wieder Foren im Internet, in denen Jugendliche Lehrpersonen und ihren Unterricht bewerten. In der Schule beurteilen Lehrer die Schüler, nicht umgekehrt. Lehrer tun eigentlich in jeder Phase und in jedem Moment ihres Arbeitens nichts anderes, als Schüler zu beurteilen (und darüber hinaus auch andere Lehrer und Fächer, die Schulleitung, die Bildungspolitik, die letzte schulinterne Weiterbildung, das schreckliche neue Lehrmittel, das Mensaessen und die regionale Tageszeitung), aber nicht annähernd sich selbst und die Qualität ihrer Arbeit – nach Kriterien, die diesen Namen verdienen. Selbst dann, wenn Lehrpersonen Unterricht vorbereiten oder auswerten, auch wenn Beurteilung nicht im Vordergrund steht, steht sie prägend im Hintergrund. Das Ziel ist: Beurteilung. Aber immer nur in eine Richtung. Über jedes durch das Setting bedingte Maß an Beurteilung hinaus (Lehrer müssen ihre Schüler ja beurteilen, es ist notwendig) ist das, was Beziehung recht eigentlich ausmacht, nämlich die Gegenseitigkeit, im Gymnasium systemisch ausgeschaltet – und das, obwohl man sehr genau weiß, wie entscheidend die Beziehung zwischen einer Lehrperson und ihren Klientinnen und Klienten für die Qualität des Lernens ist. Auch alle pädagogischen Theorien von Rang betonen, dass die Lehrer-Schüler-Beziehung eine ganz unverzichtbare Voraussetzung für das Lernen der Lernenden sei und dass die Qualität dieses Lernens (»was Lernende lernen und was nicht«) vor allem von der Qualität dieser Beziehung abhängt.

Wenn nun in der Lehrer-Schüler-Beziehung gerade in Bezug auf Beurteilung und Selektion keine Gegenseitigkeit sein darf, wenn Reziprozität, Transparenz in der Kommunikation und eine Kultur der gegenseitigen, artikulierten Wertschätzung qua System ausgeschaltet bleiben: wie wird dann das Lernen der Lernenden aussehen? So, wie es in der Realität aussieht: immer nur in eine Richtung gehend und eben nicht beidseitig hinterfragend oder forschend und schon gar nicht reziprok kritisch. Wenn ich in Gesprächen mit Lehrpersonen des Gymnasiums Unverständnis und Kopfschütteln hervorrufen möchte, dann muss ich das Gespräch auf die Möglichkeit und den Nutzen einer regelmäßigen, professionell durchgeführten und gegenseitigen Beurteilung von Lehrenden und Lernenden bringen.

Dabei sind das ja Kernelemente eines jeden Bildungsprozesses: beurteilen, bewerten, einschätzen, verbessern. Und wer Lernende in geeigneter Form dazu einlädt, ihre Einschätzung über die erlebten Fähigkeiten einer Lehrperson und deren Entwicklungspotenzial aus ihrer Sicht kundzutun, der oder die kann Bauklötze staunen, zu welch differenzierten und wertschätzenden Aussagen die Jugendlichen fähig sind. Ich lege großen Wert auf die Rückmeldungen der Lernenden, denn sie sind es ja, die mich Tag für Tag erleben (und manchmal erleiden), die meine Stärken und Schwächen erkennen und intuitiv wie reflexiv realisieren, wo ich noch etwas aus mir herausholen kann, das sie in ihrem Lernen noch besser unterstützt. Damit mache ich von Jahr zu Jahr immer bessere Erfahrungen. Außerdem schafft diese Gegenseitigkeit an wertschätzenden Rückmeldungen eine wichtige Vertrauensbasis, auf der die Zusammenarbeit mehr und mehr an Qualität gewinnt.

Dennoch ist diese Gegenseitigkeit am Gymnasium qua Design und System aus den Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden und den Lernprozessen ausgeschlossen – und damit aus dem Bildungsprozess selbst verbannt. Es herrscht im Normalfall eine Form der »Unerreichbarkeit« in ganz einfachen zwischenmenschlichen Aspekten. Lehrpersonen können sich in jedem Moment und ohne Angabe von Gründen hinter diverse Autoritätsansprüche zurückziehen, sie können Dialoge einfordern und abbrechen, wann immer sie wollen, sie können Monologe halten, die Lernenden mit Texten zuschütten, denen sie die eigene Deutung (kraft ihrer Deutungshoheit) hinterherschicken. Sie unterbrechen Vorträge und Präsentationen, um sachliche Fehler klarzustellen (anstatt diese Probleme auf höflichere und nachhaltigere Weise zu lösen), sie können aufrufen und abklemmen, wen und wann immer sie wollen, und sie tun das alles auch – Tag für Tag. Aber Dialoge und Diskurse, die diesen Namen verdienen, leben, wenn sie von Grund auf gelernt werden sollen, vor allem davon, dass Meinungen, Positionen und Argumente gegenseitig in einer wertschätzenden Art beurteilt und zurückgemeldet werden können. Sie leben von einer Kultur der gegenseitigen Beurteilung, die positive Folgen für den Dialog hat und die Lust schürt, ihn auszubauen und fortzuführen. Genau deshalb leben sie aus der Reziprozität. Wo Einschätzungen und Bewertungen nur einseitig erfolgen, wird der Dialog nicht erlernt, weil er nicht stattfindet. Dass dies im Gymnasium der Normalfall ist, erkenne ich daran, wie schwer es Lernenden zuerst einmal fällt, das Angebot reziproker Beurteilungen wirklich an- und ernst zu nehmen, und wie lange es dauert, bis sie es als einen Teil der Lern- und Bildungskultur verstehen und selbstverständlich nutzen. Sollen aber Dialog- und Diskursfähigkeit im Gymnasium wirklich gelernt werden, dann braucht es dazu eine Kultur und eine Form, die diese Lernprozesse ermöglicht und die sie über das persönliche Engagement von Lehrpersonen hinaus garantiert. Diese Form beziehungsweise Kultur ist das Gespräch (vgl. Kapitel 6, »Dritte Alternative«).

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