Kitabı oku: «Klausurenkurs im Arbeitsrecht II», sayfa 9
2 › Klausur 2 Alles klar mit 1a! › Fragen zur Wiederholung
Fragen zur Wiederholung
202
1) | Wann findet ein Sozialplan und wann findet eine Betriebsvereinbarung auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung? |
2) | Wo ist die Regelungsbefugnis der Betriebspartner normiert? Wie weit reicht sie? |
3) | Woraus ergibt sich, dass auch Betriebsvereinbarungen dem Gleichheitssatz genügen müssen? |
4) | Welche Prüfungsschritte sind anzusprechen, wenn es um einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz geht? |
5) | Welchen Zwecken dient ein Sozialplan? |
6) | Erläutern Sie Sinn und Zweck der Abfindungsregelung in § 1a KSchG! |
7) | Welche Maßnahmen des Arbeitgebers werden von § 612a BGB erfasst? |
8) | Welche Rechtsfolge hat die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung? |
9) | Ist die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung Betriebsratsarbeit? |
10) | Welche Voraussetzungen bestehen für die Erstattungsfähigkeit von Schulungskosten nach § 40 I BetrVG? |
11) | Warum ist die Kostenerstattungspflicht für gewerkschaftliche Schulungen problematisch und welche Konsequenzen zieht die Rechtsprechung hieraus? |
2 › Klausur 3 Ärger im Callcenter
Klausur 3 Ärger im Callcenter[1]
Inhaltsverzeichnis
Gliederung und Schwerpunktsetzung
Lösung
Fragen zur Wiederholung
203
Die B-AG betreibt an mehreren Standorten in Deutschland Callcenter, die sich auf die Betreuung von Versandhäusern spezialisiert haben. Das Geschäftsmodell der B-AG funktioniert folgendermaßen: Im größten Callcenter in Hamburg werden ausschließlich Bestellungen angenommen und einfache Beratungsleistungen durchgeführt. Kunden mit weitergehendem Beratungsbedarf oder Beschwerden werden dagegen von Hamburg an die kleineren Callcenter in Nürnberg und München weiterverbunden, deren Mitarbeiter umfassendere Produktkenntnisse und Befugnisse haben.
Anfang 2008 machen Gerüchte über die drohende Zahlungsunfähigkeit des Versandhauses Q die Runde. Der Vorstand der B-AG beschließt daher, das Geschäft mit Q auf eine Tochtergesellschaft, die T-GmbH in Lübeck, auszulagern. Aus diesem Grund wird im Februar 2008 der Vertrag zwischen B-AG und Q nicht verlängert und ein neuer Vertrag zwischen Q und T-GmbH abgeschlossen. Für den Kundenservice der Q war im Hamburger Callcenter bislang eine separate Abteilung mit eigenem Großraumbüro eingerichtet, die speziell für Q geschult war. Den Mitarbeitern dieser Abteilung wird angeboten, ab 1. März 2008 zu gleichen Bedingungen für die T-GmbH zu arbeiten. Hiervon machen 40 der 50 Kundenberater sowie alle neun Teamleiter Gebrauch. Da die T-GmbH Beratung „aus einer Hand“ bieten will, lässt sie die übernommenen Arbeitnehmer eine dreiwöchige Schulung durchlaufen, damit sie künftig selbst umfassende Beratungen vornehmen und Beschwerden entgegennehmen können. Weiterhin werden sie in die Funktion der Computersysteme und der Telefonanlage eingewiesen. Da der Justiziar der T-GmbH außerdem der Meinung ist, es sei eventuell zu einem Betriebsübergang gekommen, wird noch im 7. April 2008 eine Betriebsversammlung einberufen, auf der alle Arbeitnehmer umfassend mündlich unterrichtet werden.
Unter den übernommenen Teamleitern ist auch der 1981 geborene A, der seit Januar 2004 bei der B-AG beschäftigt ist. Zunächst freut sich A auch und schickt an seinem letzten Arbeitstag, dem 29. Februar 2008, eine E-Mail an sämtlich Mitarbeiter der B-AG, in der er den Wechsel in seine Heimatstadt Lübeck freudig mitteilt. Doch schon bald laufen die Geschäfte bei der einzigen Kundin Q und damit auch bei der T-GmbH zusehends schlechter. A verzichtet daher im Januar 2009 auf einen Teil seines Gehalts; im Gegenzug wird arbeitsvertraglich vereinbart, dass „Kündigungen im Jahr 2009 der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG bedürfen.“ Im Oktober 2009 meldet Q schließlich Insolvenz an. Geschäftsführer G sieht sich daher gezwungen, den Betrieb der T-GmbH in Lübeck endgültig stillzulegen. Am 5. Oktober 2009 teilt G dem Betriebsrat der T-GmbH die Gründe zur Kündigung des A mit. Als dieser am 14. Oktober 2009 immer noch keine Stellung genommen hat, kündigt G dem A zum 30. November 2009; das Schreiben geht A am 15. Oktober 2009 zu. Nachdem er anwaltliche Beratung aufgesucht hat, erklärt A am 19. Oktober 2009 schriftlich gegenüber der B-AG, er widerspreche dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die T-GmbH. Der Personalleiter der B-AG entgegnet, eine bloße Auftragsnachfolge sei kein Betriebsübergang. Außerdem könne A nicht einfach so widersprechen: Er sei schließlich gerne nach Lübeck gegangen, was seine E-Mail vom Februar 2008 belege; außerdem habe man auf Nachfrage im Oktober 2009 erfahren, dass A 1,5 Jahre lang widerspruchslos für die T-GmbH gearbeitet und mit ihr sogar eine Änderungsvereinbarung getroffen habe. Der Anwalt des A erhebt daraufhin form- und fristgerecht Klage gegen die Kündigung der T-GmbH. Zum einen sei A infolge Widerspruchs Arbeitnehmer der B-AG, die sich nicht einfach auf Umstände berufen dürfe, von denen sie erst auf Nachfrage im Oktober 2009 erfahren habe. Zum anderen hätte einer Kündigung aber jedenfalls der Betriebsrat der T-GmbH zustimmen müssen. Schließlich sei eine falsche Kündigungsfrist angewandt worden; es sei schließlich allgemein bekannt, dass § 622 II 2 BGB europarechtswidrig sei.
Frage 1: Ist die Klage des A begründet?
Bearbeitervermerk:
Gehen Sie im Rahmen der Bearbeitung auch auf die EU-Grundrechtecharta i.V.m. Art. 6 I 1 Hs. 2 EU sowie der RL 2000/78/EG ein, deren Umsetzungsfrist für Deutschland nach Art. 18 II der RL am 2. Dezember 2006 abgelaufen ist.
F ist als Teamleiterin im Münchener Callcenter der B-AG beschäftigt. Den Arbeitnehmern in München hat die B-AG in den Jahren 2003, 2004 und 2005 jeweils Weihnachtsgeld gewährt und dabei am Schwarzen Brett immer folgende Erläuterung ausgehängt:
„Auch dieses Jahr haben Sie wieder Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Der Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes entfällt jedoch, wenn Sie am 1. Juli des jeweiligen Jahres nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit unserem Hause stehen. Unsere Zahlung erfolgt freiwillig.“
In den Jahren 2006, 2007 und 2008 gewährt die B-AG mit im Übrigen gleichbleibendem Aushang nur noch Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts. Als laut Aushang vom 1. November 2009 auch das Weihnachtsgeld für 2009 nur ein halbes Bruttomonatsgehalt betragen soll, ist F von der Kürzung zwar nicht begeistert. Dennoch beschwert sie sich nicht, da sie – was sie zunächst für sich behalten möchte – im dritten Monat schwanger ist und ihren Arbeitsplatz lieber nicht gefährden will. Entsprechend schockiert reagiert F, als ihr am Montag, dem 2. November 2009, eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Januar 2010 zugeht.
Bereits am 5. November 2009 geht der Personalabteilung der B-AG folgendes Schreiben der F zu: „Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich im dritten Monat schwanger bin und übersende Ihnen anbei eine Bescheinigung meiner Ärztin, Frau X. Ich betrachte Ihre Kündigung vom 2. November 2009 damit als hinfällig, zumal mir eine Zustimmung der zuständigen Behörde nicht bekannt ist.“ Da Personalleiter P allerdings bis zum 29. November 2009 im Urlaub ist, liest er den Brief erst am 30. November 2009. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2009 erklärt er gegenüber F, dass er den ganzen Vorfall sehr bedauerlich finde, an der betriebsbedingten Kündigung angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage aber dennoch festhalten wolle. Da F die B-AG von ihrer Schwangerschaft nicht unterrichtet habe, sei man gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass eine behördliche Zustimmung erforderlich sein könne. F reicht daraufhin am Freitag, dem 11. Dezember 2009, Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht ein; die Klageschrift wird der B-AG am 15. Dezember 2009 zugestellt. Außerdem begehrt sie – vorerst für das Jahr 2009 – Weihnachtsgeld in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts. Ihr Anwalt führt aus, dass es gegen AGB-Recht verstoße, wenn ihr Anspruch einfach einseitig gekürzt werde, ohne dass sie hierin in irgendeiner Weise erkennbar eingewilligt hat.
Frage 2: Ist die Kündigungsschutzklage der F begründet?
Frage 3: | Hat F für 2009 Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts? |
Anmerkungen
[1]
Die Klausur wurde im Wintertrimester 2009 als Aufsichtsarbeit im Schwerpunktbereich Arbeitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg gestellt.
2 › Klausur 3 Ärger im Callcenter › Gliederung und Schwerpunktsetzung
Gliederung und Schwerpunktsetzung
204
Frage 1: Kündigungsschutzklage des A
A.Begründetheit der Klage des A
I.Arbeitsverhältnis zwischen A und der T-GmbH
1.Betrieb oder Betriebsteil
2.Zuordnung des Arbeitsverhältnisses des A
3.Identitätswahrender Übergang
Standardproblem: Callcenter als Dienstleister; Betriebszweckänderung
4.Durch Rechtsgeschäft
Standardproblem: Bündel von Rechtsgeschäften
5.Kein wirksamer Widerspruch
a)Form- und fristgerechter Widerspruch
b)Verwirkung des Widerspruchsrechts
aa)Umstands- und Zeitmoment
Mittleres Problem: Verschiedene Anknüpfungspunkte
bb)Wirkung auch gegenüber der B-AG
Schwieriges Problem: Verwirkung auch gegenüber B-AG
II.Kündigungserklärung
III.Auslegung der Kündigungserklärung: Eintritt der Kündigungswirkung
1.Dauer der Frist
a)Erforderlichkeit eines Verstoßes gegen Primärrecht
Mittleres Problem: Dogmatische Verortung des Diskriminierungsverbots
b)Verstoß gegen europäisches Primärrecht
aa)Verbot der Altersdiskriminierung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts
bb)Eröffnung des Anwendungsbereichs des Verbots der Altersdiskriminierung
Schweres Problem: Anwendung Art. 51 I GrCh
cc)Diskriminierung aufgrund des Alters
dd)Rechtfertigung
Standardproblem: Prüfung der Verhältnismäßigkeit
ee)Rechtsfolge
2.Lauf der Frist
3.Möglichkeit der Auslegung bzw. Umdeutung
IV.Keine Wirksamkeitsfiktion
V.Fehlende Anhörung oder fehlende Zustimmung des Betriebsrats
Schweres Problem: Rechtsgeschäftliches Zustimmungserfordernis unwirksam
VI.Soziale Rechtfertigung
1.Kündigungsgrund
2.Sozialauswahl
B.Ergebnis
Frage 2: Kündigungsschutzklage der F
A.Begründetheit der Klage der F
I.Kündigungserklärung
II.Wirksamkeitsfiktion
1.Lauf der Frist nach § 4 S. 1 KSchG
2.Hemmung nach § 4 S. 4 KSchG
Schweres Problem: Teleologische Reduktion
B.Ergebnis
Frage 3: Anspruch auf Weihnachtsgeld
A.Anspruch der F auf Weihnachtsgeld
I.Voraussetzungen der betrieblichen Übung
Standardproblem: Wirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts (AGB)
II.Wegfall durch gegenläufige betriebliche Übung
Schweres Problem: Neubewertung wegen § 308 Nr. 5 BGB
B.Ergebnis
2 › Klausur 3 Ärger im Callcenter › Lösung
Lösung
Frage 1: Kündigungsschutzklage des A
A. Begründetheit der Klage des A
205
Die Kündigungsschutzklage des A ist begründet, wenn die Kündigung der T-GmbH vom 14.10.2009 rechtsunwirksam ist und daher das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30.11.2009 aufgelöst hat (sog. punktuelle Feststellungsklage).
206
Wiederholung und Vertiefung:
Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüft das BAG auch den in der Kündigung genannten Beendigungstermin: „Gegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG [ist] die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine konkrete, mit dieser Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin.“[1]
I. Arbeitsverhältnis zwischen A und der T-GmbH
207
Die Kündigung vom 14.10.2009 kann das Arbeitsverhältnis zwischen A und der T-GmbH nur dann aufgelöst haben, wenn ein solches zum Zugangszeitpunkt überhaupt (noch) bestanden hat. In Betracht kommt zum einen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen A und der B-AG nach § 613a I 1 BGB zum 1.3.2008 auf die T-GmbH übergegangen ist. Zum anderen scheint auch möglich, dass A und die T-GmbH spätestens bei Abschluss der Änderungsvereinbarung im Januar 2009 durch eigenen Arbeitsvertrag ein Arbeitsverhältnis begründet haben; auch an eine solche Vereinbarung ist A allerdings nicht mehr gebunden, wenn sein Arbeitsverhältnis zuvor nach § 613a I 1 BGB übergegangen und sodann infolge rückwirkenden Widerspruchs wieder zurückgefallen ist.
208
Wiederholung und Vertiefung:
Nach Auffassung des BAG ist im Rahmen einer Kündigungsschutzklage auch zu prüfen, ob zwischen den Parteien überhaupt (noch) ein Arbeitsverhältnis bestand, vgl. § 4 S. 1 KSchG a.E. sowie ausführlich Klausur 1, Rn. 52.
1. Betrieb oder Betriebsteil
209
Zunächst muss die für Q tätige Abteilung des Hamburger Callcenters einen Betrieb oder Betriebsteil i.S.d. § 613a I 1 BGB darstellen. Ein Betrieb ist nach der Rechtsprechung des EuGH (und gem. Art. 1 I lit. b RL 2001/23/EG) eine wirtschaftliche Einheit i.S. e. organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. Ein Betriebsteil ist eine organisatorisch abgrenzbare Einheit des Betriebs, mit welcher der Arbeitgeber innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks bestimmte arbeitstechnische Teilzwecke selbstständig verfolgen kann.[2] In der für Q tätigen Abteilung wurde ein für den Gesamtbetrieb der B-AG autonomer arbeitstechnischer Zweck – die Durchführung des Kundenservices für Q – verfolgt. Angesichts der Tatsache, dass die Abteilung speziell für die Belange der Q geschult und in einem eigenen Großraumbüro untergebracht war, stellt sie auch eine innerhalb des Gesamtbetriebs abgegrenzte eigenständige Organisationseinheit, mithin einen Betriebsteil i.S.d. § 613a I 1 BGB dar.
2. Zuordnung des Arbeitsverhältnisses des A
210
Das Arbeitsverhältnis des A kann aber nur dann auf die T-GmbH übergehen, wenn es diesem Betriebsteil auch zuzuordnen ist. Zwar regelt § 613a BGB die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse nicht, geht aber implizit von einer solchen aus; nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist auf das objektive Kriterium des Tätigkeitsschwerpunkts abzustellen.[3] A war Teamleiter in der für Q tätigen Abteilung und somit schwerpunktmäßig in dieser Abteilung tätig, so dass er dem in Rede stehenden Betriebsteil auch angehörte.
3. Identitätswahrender Übergang
211
Weiterhin muss die für Q eingerichtete Abteilung identitätswahrend übergegangen sein. Die T-GmbH führte zwar den Kundenservice für Q fort. Da eine wirtschaftliche Einheit jedoch nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden darf, genügt diese Funktionsnachfolge per se noch nicht zur Annahme der Identitätswahrung; hinzu kommen müssen vielmehr weitere Indizien wie die Übernahme von Betriebsmitteln oder des Personals.[4]
212
Bei einem Callcenter handelt es sich um einen Dienstleistungsbetrieb, so dass es bezüglich der Identitätswahrung vor allem auf die Belegschaft und erst in zweiter Linie auf die Übernahme der materiellen Betriebsmittel ankommt.[5]
213
Hinweis zur Klausurtechnik:
Da die Art des Betriebes darüber entscheidet, wie die weiteren Kriterien zur Identitätswahrung zu gewichten sind, sollte dieser Punkt der Prüfung vorangestellt werden.
214
Die T-GmbH hat 40 der 50 Kundenberater sowie alle neun Teamleiter (key employees), mithin einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals, ohne zeitliche Unterbrechung übernommen. Nicht übernommen wurden hingegen materielle Betriebsmittel wie Räumlichkeiten, Telefonanlage oder Computer. Ohne diese kann ein Callcenter zwar nicht betrieben werden. Andererseits dienen sie ausschließlich der Unterstützung der Beratungs- und Servicetätigkeit der Mitarbeiter und stehen bei wertender Betrachtung nicht im Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs.[6] Die Tätigkeit eines Callcenters prägen vielmehr die Kundenkommunikation und die Kenntnisse der Kundenbetreuer, so dass die fehlende Übernahme sächlicher Betriebsmittel unschädlich ist.[7]
215
Fraglich ist jedoch, wie der Umstand zu werten ist, dass die T-GmbH die übernommenen Mitarbeiter drei Wochen lang geschult hat, um Beratung „aus einer Hand“ zu bieten. Darin könnte eine Änderung von Konzept und Struktur, mithin des Betriebszwecks liegen, die einer identitätswahrenden Fortführung entgegenstünde.[8] Allerdings handelt es sich bei der „Neukonzeption“ der T-GmbH lediglich um eine Erweiterung des Service-Angebots unter Beibehaltung der bislang angebotenen Leistungen. Das mag eine Umorganisation darstellen, doch ähneln sich die Aufgaben der Mitarbeiter vor und nach der Übernahme derart, dass eine wesentliche, der Identitätswahrung entgegenstehende Änderung nicht angenommen werden kann.[9] Ein identitätswahrender Übergang liegt somit vor.
4. Durch Rechtsgeschäft
216
Zwischen B-AG und T-GmbH wurde allerdings keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung getroffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH soll ein Betriebsübergang jedoch auch dann vorliegen, wenn im Rahmen einer Funktionsnachfolge eine identitätswahrende Übernahme des Personals gegeben ist, obwohl typischerweise keine Verhandlungen mit dem bisherigen Auftragnehmer erfolgen. In richtlinienkonformer Auslegung von § 613a BGB muss es daher genügen, dass der Neuauftragnehmer eine im Wesentlichen unveränderte Arbeitsaufgabe auf vertraglicher Grundlage übernimmt und die Arbeitnehmer zu diesem Zwecke einvernehmlich weiterbeschäftigt, also die Möglichkeit der Betriebsfortführung durch ein Bündel von Rechtsgeschäften erwirbt.[10] Die Voraussetzungen von § 613a I 1 BGB sind somit gegeben.
5. Kein wirksamer Widerspruch
a) Form- und fristgerechter Widerspruch
217
Allerdings darf A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht nach § 613a VI BGB widersprochen haben. Dieses Recht hat A mit Schreiben vom 19.10.2009, also formgerecht, gem. § 613a VI 2 Var. 1 BGB gegenüber der B-AG ausgeübt. Fraglich ist jedoch, ob dies innerhalb der Monatsfrist nach Unterrichtung gem. § 613a V BGB erfolgte. Zwar unterrichtete die T-GmbH als Betriebserwerberin die betroffenen Arbeitnehmer während einer Betriebsversammlung am 7.4.2008, so dass die Monatsfrist gem. §§ 187 I, 188 II Var. 1 BGB am 7.5.2008 enden würde. Die Unterrichtung erfolgte allerdings mündlich und nicht – wie § 613a V BGB vorschreibt – in Textform. Eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung kann jedoch die Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht beginnen lassen,[11] so dass der Widerspruch des A nicht verfristet war.