Kitabı oku: «Von der Freiheit, ich zu sein», sayfa 2

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Schweigen im Kloster

Monate im Voraus habe ich uns mit einem befreundeten Pärchen aus Hamburg für den heutigen Abend zum Essen verabredet. Im ersten Moment fühlt es sich surreal an, Menschen in einer komplett anderen Umgebung zu treffen, als man sie normalerweise verortet. Vor allem, wenn diese vorher schon einige Zeit unterwegs waren. Denn Reisen hinterläßt Spuren. Es verändert. Diese beiden hier sind dünn geworden, haben die typischen drei, vier Wohlstandskilo verloren und tragen für Europäer ungewöhnliche Kleidung. Sie sehen glücklich aus, tiefenentspannt und ein bisschen wild. Vor drei Monaten waren sie in ihr Sabbatical nach Asien gestartet und werden mit dem Einzug ins Kloster das Ende ihrer Reise einläuten. Gemeinsam mit Anja und Christian feiern wir unser Wiedersehen und genießen noch einmal den Luxus zu essen, worauf wir Lust haben, zu reden, wann wir wollen und in einem weichen Bett zu schlafen. Das Thema des Abends ist Auroville. Was ich darüber höre, gefällt mir gar nicht. Christian hat dort drei Wochen an einem Permaculture Workshop teilgenommen, die anderen beiden haben Auroville nur für einen Tag besucht. In einem sind sich aber alle drei einig: wenn Auroville überhaupt etwas ist, dann eine gescheiterte Utopie. Diese Nachricht resoniert nicht gut in mir und mehr aus der Not, bitte ich darum, das Thema zu wechseln oder sich darüber zu unterhalten, wenn ich nicht dabei bin. Auch wenn alle meiner Bitte nachkommen, hat sich in mir schon das Gefühl festgesetzt, dass es ein Fehler war, mich für zwei Monate in Auroville einzubuchen. Mit dem schweren Gefühl, dass meine Reise kein gutes Ende nehmen wird, einfach weil ich eine schlechte Planerin bin, gehe ich frühzeitig schlafen.

Unser Einzug in den Tempel ist erst für den Nachmittag geplant, doch Greta und ich machen uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg. Wir wollen helfen, die Räume vorzubereiten und uns so ganz nebenbei erste Karmapunkte verdienen.

Grundlegend in der buddhistischen Philosophie ist die Überzeugung, dass jeder unweigerlich die Konsequenzen seines Handelns tragen wird. Dass wir ernten, was wir säen. Eine gute, wie eine schlechte Tat zieht unweigerlich in diesem oder in einem anderen Leben eine Reaktion nach sich. Dieses Ursache-Wirkungs-Prinzip ist ja auch uns Europäern nicht fremd. Das mittelalterliche Sprichwort: “Wie du in den Wald rufst, so schallt es heraus.” sagt nichts anderes. Auch wenn es nicht so genannt wird, geht es dabei um das Gesetz des Karmas.

Selbstloses Dienen eignet sich hervorragend dazu, negatives Karma abzubauen und gleichzeitig positives neues anzuhäufen. Vorausgesetzt ich diene dem Wohle aller Lebewesen und nicht nur mir selbst. Auch Putzen gehört dazu und zwar ohne dabei auf mögliche abfallende Früchte zu schielen. Putzen mit so viel Enthusiasmus, wie der Dalai Lama sagt, “als hinge das gesamte Gleichgewicht des Universums davon ab.”

Voller Tatendrang gehe ich mit Greta durch die mir sehr vertrauten engen Straßen des alten Khon Kaens und schon nach einer Viertelstunde stehen wir vor den Klostermauern, die den Lärm der Stadt davon abhalten, in die Stille der grünen Oase vorzudringen.

Vor vielen Jahren auf meinem ersten Retreat nahm Ajahn Somchei die Teilnehmer unsere Gruppe mit den Worten in die Gemeinde auf: „Ihr seid nun Teil unserer Familie und dieser Tempel ist euer zu Hause.“ Und irgendwie fühlt es sich genauso an. Als ich das Gelände mit seinen großen Bäumen und den dicht an dicht stehenden Häuschen betrete, habe ich das Gefühl, angekommen zu sein.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Grundstein zum Wat Pho Ban Nontan gelegt. Seitdem ist es zu einer Siedlung mit unzähligen kleinen und großen Gebäuden herangewachsen, in denen die Mönche wohnen und meditieren. Zwei Stockwerke über einer der großen Buddha Hallen sind für unser Retreat reserviert. Der knapp fünfzig Jahre alte Bau sieht von außen aus, wie eine im Wald versteckte Höhle. Baumskulpturen, Bilder und Reliefs zieren seine Außenwände. Sie erzählen vom Alltag der einfachen thailändischen Menschen und verknüpfen ihn mit der buddhistischen Philosophie. Manch eine Darstellung ist humorvoll, eine andere gnadenlos deutlich. Da ist zum Beispiel eine Bildreihe, die einen Mann in drei alltäglichen Situationen zeigt. Im ersten Bild isst er mit beiden Händen aus vielen Töpfen, im zweiten hält er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch, im dritten läuft er geschwind aus dem Bild, beide Hände zum Po gestreckt, aus dem in kleinen Wölkchen offensichtlich übelriechende Gase entweichen. In seiner Einfachheit verdeutlicht es die Folgen, mit der jeder rechnen muss, der seinem über die Sinne stimulierten Verlangen zügellos nachgibt. Ich denke, wir kennen das alle, oder? Die im Buddhismus gelehrte Achtsamkeit soll dabei helfen, wacher für die Folgen unseres Handelns zu werden und dadurch zukünftiges Leid zu verringern, vielleicht sogar zu verhindern.

Neben dem Eingang zur Buddhahalle führt eine Treppe hinauf in einen Saal mit hochglänzendem Marmorboden, in dem sich das kathedralförmige Deckengewölbe spiegelt. Hoch in den Kuppeln verschieben Ventilatoren träge die tropische Luft. Sie sind so schwerfällig, dass die Landung einer der vielzähligen Tauben, die hier wohnen, ihre Rotorblätter zum Stillstand bringen. Hier werden die Männer unserer Gruppe schlafen und ein Moskitonetz sorgt in den nächsten zehn Tage für ihre Privatsphäre. Am anderen Ende des Raums befindet sich eine weitere Treppe, die ebenfalls in einer Halle endet. Auch hier erzählen die Wände von der buddhistischen Lehre. Ganz zentral in dem Gemälde findet sich das Lebensrad, in dessen Nabe sich Hahn, Schlange und Schwein jagen. Jedes dieser Tiere steht für ein Geistesgift. Gier, Hass und Verblendung sind es, die das Rad am Laufen halten und den Menschen an den Kreislauf der Wiedergeburt binden. So glaubt es der Buddhist und bietet Wege der Praxis und Erfahrung zur Befreiung des Geistes an. Zum Wohle aller Wesen, versteht sich.

Ein kleiner fensterloser Gang führt aus der Halle zu den Schlafräumen der Frauen. Boden wie Wände sind in hellem Blau gefliest und damit nichts den Geist ablenkt, bietet jede Zelle neben einem Ventilator und einer Kommode nur eine dünne Schlafmatte und ein rechteckiges Kopfkissen. Diese bunt gemusterten Kissen sorgen bei jedem Retreat für Verwirrung. Unserer westlich geprägten Sehgewohnheit nach sind sie eher Meditations- als Kopfkissen und landen in den ersten Tagen eben zu diesem Zwecke immer wieder in der Buddhahalle. Schnell klärt Christian dann auf, dass diese Kissen etwas Heiliges haben und es einer Verletzung der thailändischen Kultur gleich kommt, wenn wir unsere schwitzigen Hintern darauf niederlassen.

Es wird Zeit, mit einer ersten karmischen Tat zu beginnen. Acht Toiletten-/Duschkabinen, sechs Waschbecken verteilt in zwei Räumen warten auf eine Grundreinigung. Toilettenspülung gibt es, wie in den meisten thailändischen Aborten nicht. Dafür aber einen großen Bottich, aus dem das Spülwasser geschöpft wird. Das benutzte Toilettenpapier kommt nicht in die Toilette, sondern in einen Abfalleimer auf dem Flur, da die Abwasserrohre zur Verstopfung neigen. Thailänder wie auch Inder benutzen selten Papier. Sie haben dafür die Bumguns und ihre linke Hand. Eine Bumgun ist eine Podusche mit einem harten Wasserstrahl. Und das geht so: mit der linken Hand reinigt man sich nach dem Toilettengang unter Zuhilfenahme der Bumgun, die von der rechten gehalten wird. Toilettenpapier wird, wenn überhaupt zum Abtrocknen benutzt. Dieses Reinigungsritual ist übrigens der Grund, warum die linke Hand in Asien als unrein gilt.

Die Nasszellen zu putzen ist Sisyphos-Arbeit. Sie sind renovierungsbedürftig und immer wieder fällt Putz aus den Ecken, genau dorthin, wo ich gerade gewischt habe. Je mehr ich wische, umso schmutziger scheint es. Hier muss die Gewissheit reichen, dass es sauber ist, auch wenn es nicht sauber aussieht. Auch die erhabenen Sandlinien, die in manchen Kabinen fest an der Wand kleben, lasse ich unberührt. Termiten haben die kunstvollen Tunnel zum sicheren Abtransport ihres Altholzes gebaut. Sie sind sehr stabil und bestehen aus Erde, manchmal auch aus Termitenkot und -speichel sowie aus zerkauter Zellulose.

Gegen Mittag trudeln schon die ersten Retreatteilnehmer ein und beziehen ihre Zellen. Bis auf Weniges, das wir zur Körperpflege brauchen, wird unser Gepäck weggesperrt. Für die nächsten zehn Tage reduzieren wir uns auf das Nötigste. Bei mir ist das ein Handtuch, eine Isomatte, Waschpulver, Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Kokosöl und weiße Unterwäsche. Die ist Pflicht! Jede andere Farbe würde durch die dünne Meditationskleidung schimmern und könnte die Mönche irritieren. Bye, bye Handy, Bücher, Musik, Kosmetik und Schreibzeug.

Am späten Nachmittag kommt die Gruppe der zukünftig Meditierenden zu einem Willkommensessen zusammen. Die Aufregung ist greifbar. Ein letztes Mal reden alle wild und vor allem laut durcheinander. Es hat fast den Anschein, als müssten die Worte, die jeder von uns normalerweise in zehn Tagen spricht, in den nächsten zwei Stunden noch schnell Gehör finden. Vor dem Schlafengehen weist Christian die Gruppe in die für uns wichtigsten der über 200 Regeln des Klosterlebens ein. Unser Besuch soll in der Sangha, der Gemeinde, für so wenig Unruhe wie möglich sorgen. Es ist zum Beispiel darauf zu achten, dass wir Frauen uns nie allein in einem Raum mit nur einem Mönch aufhalten. Auch ist es uns nicht erlaubt, einen Mönch zu berühren oder ihm direkt etwas zu überreichen. Frau, in diesem Fall wirklich Frau und nicht Mann, legt es auf den Boden und tritt einen Schritt zurück, damit der Mönch es aufheben kann. Natürlich ist Sonnenbaden verboten und zu keinem Zeitpunkt unangemessen gekleidet zu sein. Auch Make-up und sonstiger Schmuck sind unerwünscht.

Dann bekommen wir unseren täglichen Stundenplan und gehen ins Schweigen.

Eine Meditation

Die einfachste buddhistische Meditation, die ich kenne:

Finde einen aufrechten und entspannten Sitz auf dem Boden, einem Kissen oder Stuhl. Schließe deine Augen und lege die Hände in deinem Schoß oder auf deinen Oberschenkeln ab.

Nimm Kontakt zu deinem Atem auf. Beobachte ihn absichtslos und ohne einzugreifen. Komme so ganz in den gegenwärtigen Moment.

Dann führe deine Aufmerksamkeit zu deinem Herzzentrum, Anahata, in der Mitte deiner Brust. Atme durch dein Herzzentrum ein und aus. Begleite deinen Atemstrom im Geiste mit einem „Bu“ im Ein- und einem „Dho im Ausatem.

Bu-dho“ bedeutet „Wach-Auf

Buddha“ bedeutet dementsprechend „der Erwachte.

Körperübungen verboten

Sonor ertönt um 4.00 Uhr der große Klostergong. Er soll die Menschen rund um das Kloster daran erinnern, die Bettelschalen der Mönche zu füllen, die sich jetzt auf ihre Tour durch die verschlafene Stadt machen. Mein Jetlag absorbiert bereitwillig den wabernd tiefen Klang und mischt ihn gefällig in meine morgendlichen Träume. Weil es nicht nur mir so geht und Christian das weiß, läuft er um 4.15 Uhr noch einmal von einem schrillen Glöckchen begleitet durch die Gänge. Wer um 4.30 Uhr pünktlich auf seiner Yogamatte sitzen will, muss jetzt aufstehen.

In vielen Vipassana Meditationskursen sind körperliche Übungen verboten. Sie lenken zu sehr vom Wesentlichen ab, heißt es. Doch Ajahn Somchei ist ein weltoffener Abt und Anja konnte ihn mit einem durchdachten Konzept überzeugen, dass ein angemessener Yogaunterricht sehr hilfreich fürs Meditieren ist. Sie hat die Themen der Stunden auf die bei uns Retreat-Teilnehmer zu erwartenden inneren Prozesse abgestimmt. Körperübungen, die für meinen Geschmack und für die frühe Stunde eine Herausforderung darstellen, sollen Reaktionen in unserem Geist triggern, wie sie auch während des bevorstehenden Meditationsmarathons zu Tage treten werden.

Dazu gehört zum Beispiel Frust, der sich ja recht schnell bei uns westlichen Menschen zeigt, wenn es mal nicht so läuft, wie wir es uns vorstellen. Besonders zu Beginn einer Meditationspraxis ist es schwierig, die Konzentration über einen längeren Zeitraum zu halten. Den Geist zu trainieren, kommt der Erziehung eines Hundebabys gleich. In seinem Lernwillen bremst es sich durch seine noch viel größere Neugier auf das Leben um es herum immer wieder selbst aus. Ich lasse das Hündchen sitzen, was es bereitwillig tut. Im nächsten Moment springt es aber schon wieder auf, um einem Schmetterling oder sonst einer Ablenkung nachzujagen. Immer wieder muss ich es heranrufen und Sitz machen lassen. Einmal, zehnmal, hundertmal. Wenn unsere Anstrengungen scheinbar zu nichts führen und wir immer wieder bei Null beginnen müssen, ist das frustrierend. Und wenn der erlernte Schaltkreis der Motivation, unser Belohnungssystem, nicht bedient wird, neigen wir dazu aufzugeben.

Ein weiteres Phänomen ist die Projektion. Ohne jede Form der Ablenkung neigt ein ungeschulter Geist dazu, die schillerndsten Fantasien auf andere Personen zu projizieren. So kann es vorkommen, dass jemand einen vollkommen fremden Menschen aus der Gruppe zur Liebe seines Lebens stilisiert, ohne je ein Wort mit ihm oder ihr gewechselt zu haben. Projektionen funktionieren im gleichen Maße mit den Gefühlen der Zu- wie der Abneigung. War es eben noch die überbordende Liebe, die uns durchströmte, ist es am nächsten Tag vielleicht das traurige Gefühl, ein Außenseiter zu sein und die ganze Gruppe gegen sich zu haben.

Neben Frustration und Projektion stellt auch unser eigenes Bewertungssystem ein großes Hindernis dar. Unser Geist bewertet ununterbrochen jede, jeden und ganz besonders sich selbst. Leider liegt es in seiner Natur, dass die meisten dieser Bewertungen negativ ausfallen und dass wir dabei vor allem mit uns selbst sehr hart ins Gericht gehen.

Über die Yogaübungen bewußt mit diesen Geisteszuständen in Kontakt zu kommen, soll ihnen die Schärfe nehmen und helfen die Tür des Erkennens zu öffnen. Wir lernen, dass wir keinen Einfluß darauf haben, welche Gedanken in unserem Geist erscheinen, wohl aber, welche Qualitäten wir ihnen zuweisen. Es liegt ganz in unserer Hand, ob wir einer Geistesbewegung eine neutrale, positive oder negative Färbung geben. Und auch, ob wir einen Gedanken einladen zu bleiben oder ob wir ihn durchwinken. Der Zen-Meister Suzuki Roshi drückt es so aus: Lass Deine Vorder- und Hintertür offen. Lass die Gedanken kommen und gehen. Aber serviere ihnen keinen Tee. Und wenn wir mal nicht aufgepasst haben und wir erwischen einen Gedanken dabei, wie er sich selbst Tee eingeschenkt, gilt es, sich nicht mit ihm zu identifizieren. Eckhart Tolle, ein von mir sehr geschätzter spiritueller Lehrer, drückt es so aus: Glaube deinen Gedanken nicht. Sie sind real, aber nicht wahr. Zumindest nicht immer. Wenn wir das akzeptieren, haben wir in jedem Moment die Möglichkeit, unsere Realität aktiv mitzugestalten. Denn jeder Gedanke hat das Potenzial, sich in eine Tat zu wandeln und sich damit zu manifestieren.

Diese erfahrungsreichen 90 Minuten Yoga am frühen Morgen münden direkt in die erste Meditation des Tages, in der wir die Möglichkeit haben, das eben Erfahrene zu integrieren. Um 7.00 Uhr steht mit dem Frühstück die erste von zwei täglichen Mahlzeiten auf dem Plan. Gleich neben der Buddhahalle liegt der offene Essensraum zu ebener Erde. Aus einer Küche, die ich noch nie von innen gesehen habe, kommen jede Menge Köstlichkeiten. Ein in die Jahre gekommener Ladyboy bekocht hier schon seit über 10 Jahren die Farrangs. Meist gibt es drei vegetarische Gerichte mit Reis und zum Nachtisch Obst. Kleine Bananen, Drachenfrüchte, Rambutan, Mangostane.

Schweigend sitzen wir teilweise zu sechst an runden Tischen und versuchen, wegzuschauen. Zufälliger Blickkontakt ist unangenehm, denn selbst ein Lächeln wäre ja eine Form der Kommunikation. Nicht zu lächeln ist aber auch komisch und fühlt sich unfreundlich an. Aus dem Augenwinkel beobachte ich meine Tochter. In mir steigen Zweifel auf, ob das Ganze nicht zu viel für eine meditationsunerfahrene, junge Frau ist und eine Geschichte kommt mir in den Sinn, die ich vor ein paar Monaten hörte. Eine Teilnehmerin aus der Yogalehrer Ausbildung in Hamburg, die ein ähnliches Schweigeretreat in Deutschland besuchte, rutschte nach ein paar Tagen in eine Psychose und landete für drei Wochen in der geschlossenen Psychiatrie. Obwohl ich mir sicher bin, dass Greta weiß, dass sie jederzeit die Notbremse ziehen kann und ich mich auch darauf verlassen kann, dass sie das tut, will mich dieser Gedanke nicht loslassen. In einem wachen Moment entlarve ich ihn als Produkt meines schon jetzt gelangweilten Gehirns und ein Zitat von Hermann Hesse fällt mir ein: Nichts auf der Welt ist dem Menschen mehr zuwider, als den Weg zu gehen, der ihn zu sich selber führt! Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf boykottiere ich den Fluchtversuch meines Geistes vor der Konfrontation mit sich selbst und fokussiere mich auf meine eigene Übung.

Unsere Buddha Natur aktivieren

Nach dem Frühstück steht uns ein wenig Zeit zur freien Verfügung, bevor es um 9.00 Uhr weitergeht. Die Pausen zwischen den Programmpunkten sind nicht wirklich als solche zu verstehen. Ziel ist es, vierundzwanzig Stunden in Achtsamkeit zu verbringen. Selbst wenn ich mich nach dem Frühstück noch einmal hinlege, liege ich achtsam. Beobachte den Atem, den Körper, die Gedanken, die Gefühle. Wenn ich in der Pause fege oder putze, tue ich es achtsam. Wenn ich einfach nur rumsitze, spazieren gehe, ich bin immer in Achtsamkeit. Achtsam sein heißt, ohne Bewertung immer hier in diesem Moment zu verweilen, bei dem, was gerade ist.

In den darauffolgenden zwei Stunden werden wir in die erste von sieben Stufen der Gehmeditation eingewiesen. Wir lernen, unsere Konzentration zu halten und gehen immer denselben kurzen Weg hin und her. Drehen uns achtsam, benennen dabei den der Bewegung vorausgehenden Impuls sowie die Bewegung selbst. Jeder Schritt folgt einem gedachten „links geht vor“, „rechts geht vor“. Dies machen wir im Wechsel mit der Sitz- und Stehmeditation bis um 11h die erlösende Glocke klingt. Dann steht das letzte Essen des Tages auf dem Buffet. Bis um 13.00 ruhen wir, meditieren bis 16.00 Uhr, ruhen bis 18.00 Uhr.

Ajahn Somchai nimmt jeden Abend in der großen Buddhahalle Platz, um zu uns zu sprechen. Nicht nur zu uns als Gruppe, auch zu der Sangah. Er hält jeden Tag einen Dhamma oder Dharma Talk. In der Mitte der alten Buddhahalle steht ein großer Altar mit goldenen Buddhastatuen und Kerzen. Davor ein Podest mit rotem Teppich bespannt, auf dem die Mönche ihrem Status entsprechend sitzen. Ganz vorn natürlich Somchei. Die Novizen sitzen nicht auf sondern vor dem Podest und wir Laien sitzen in mehreren Reihen hinter ihnen ebenfalls am Boden. Das Podest ist das Zentrum der Halle und wird umrundet von einer Art Parcours für die Gehmeditation. Mit Somcheis Eintreffen beginnt das Abendprogramm. Eine Stunde lang chanten wir von Buddhas Leben und Lehren auf Pali. Es wird vermutet, dass die Texte erstmals im ersten Jahrhundert vor Christus aufgezeichnet und bis dahin immer mündlich in Form von Gesängen weitergegeben wurden. Jeder von uns bekommt ein Chanting Book, in dem der Pali Kanon mit seiner englischen Übersetzung steht. Pali ist wie das im Yoga häufiger verwendete Sanskrit eine mittelindische Sakralsprache, in der die heiligen Texte Asiens verfasst wurden und die heutzutage nur noch die Gelehrten verstehen. Das Chanten soll die Weisheit unserer Buddhanatur aktivieren und wenn ich den Einstieg in in die heilenden Klänge finde, kann ich erahnen, dass so etwas in mir steckt. Doch an manchen Tagen verbringe ich mehr Zeit mit dem Suchen der Textstelle, als mit Singen.

Nachdem der letzte Ton in den Tiefen der Hallen verebbt ist, beginnt Somchei seinen Talk. Wenn er das auf Thai tut, ist Wachbleiben eine Herausforderung besonderer Art. Wechselt er wieder ins Englische, verstehe ich manchmal genauso wenig wie vorher. Ajahn Somchei hat die englische Sprache in Indien gelernt und es ist schwierig für mich, ihm zu folgen. Glücklicherweise verpackt er seine Lehren in Geschichten, die er mehrmals wiederholt und so hat zumindest die Essenz der Weisheit eine gute Chance durchzudringen.

Was damit gemeint ist, unsere Buddhanatur zu entdecken, macht er an einer wahren Geschichte deutlich, die sich vor mehr als vierhundert Jahren zutrug. Thailands damaliger König ließ aus dem ganzen Land mehr als 1.200 Buddhastatuen in die damals neue Hauptstadt Bangkok bringen. Darunter auch eine drei Meter hohe Tonstatue. Schon allein aufgrund ihres Alters wurde sie verehrt. Als Renovierungsarbeiten in den 1950er Jahren den Tonmantel beschädigten, kam ein Buddha aus reinem Gold zum Vorschein. Über 5,5 Tonnen schwer. Der Ton sollte den Gold-Buddha vor Raub und Plünderung schützen und die Menschheit vergaß im Laufe des auf 700 Jahre geschätzten Alters der Statue ihren wahren Kern. So wie wir die in uns verborgene Buddhanatur vergessen haben, die unberührt von den Prägungen des Lebens in uns ruht. Zahlreiche Glaubenssätze und Überzeugungen, dass Dinge so sind, wie wir sie wahrnehmen, verschleiern unseren wahren Kern und es gilt, den Tonmantel Stück für Stück abzutragen, um das höchste in uns ruhende Potenzial wieder freizulegen. Im Tibetischen Totenbuch steht: O nobly born, o you of glorious origins, remember your radiant true nature, the essence of mind. Trust it. Return to it. It is home. O, Edelgeborener. O, du ruhmreicher Herkunft. Erinnere dich an deine strahlende, wahre Natur, die Essenz des Geistes. Vertraue ihr. Kehre dorthin zurück. Es ist zu Hause.

Ajahn Somchei spricht über Dukkha. Übersetzt wird Dukkha häufig mit Worten wie Leid, Kummer oder Elend. Aber ganz so einfach ist das nicht. In dem Begriff steckt neben vielen anderen Vorstellungen auch die Idee des Unbefriedigtseins oder ein unbefriedigender Zustand. Blickt man zum Ursprung der Wortwurzel beschreibt Dukkha ein Rad, dass sich nicht störungsfrei um seine Nabe dreht. Vereinfacht könnte man sagen, Dukkha drückt aus, dass wir im Leben mit Hindernissen zu rechnen haben. Dass die Dinge nicht so laufen werden, wie wir sie uns vorstellen. Der Theravada Buddhismus sieht in der Akzeptanz von Dukkha die Quintessenz seiner Lehren. Dukkha ist das erste von drei Daseinsmerkmalen, dem alle physischen und psychischen Phänomene des Daseinskreislaufs unterworfen sind und gleichzeitig ist es die erste der vier edlen Wahrheiten. Sie als Realität anzunehmen, soll uns helfen, das Leben zu durchschauen. Laut Buddha hindert uns falsches Verstehen der Wirklichkeit daran, den Zustand von Glück (Sukha) zu erfahren. Gier ist es, Unwissenheit, Hass und Verblendung, die uns abhalten, unser Ziel zu erreichen und Freiheit von Schmerz und Leiden zu erlangen. Die Lösung aus dem Kreislauf des Leidens findet sich im Aufgeben von Begehren, im Kultivieren von Gleichmut und in der vierten Edlen Wahrheit: dem Edlen Achtfachen Pfad. Dem Weg der Mitte. Es ist ein Pfad zwischen den Extremen von Genusssucht und Selbstzüchtigung, von Luxus und Askese. Ich kann auch einem Saiteninstrument nur schöne Töne entlocken, wenn jede Saite richtig gespannt ist. Unter zu viel Spannung droht sie zu reißen, unter zu wenig Spannung bringt sie Misstöne hervor. Es gilt, das rechte Maß in allen Aspekten des Lebens zu finden.

An der buddhistischen Philosophie gefällt mir besonders, dass sie von ihren Anhängern nicht erwartet, Spekulationen über Zusammenhänge des Lebens blind zu folgen. Sie ist vielmehr eine Philosophie der Tat. Selbsterfahrung ist ihr Weg. Und so führt uns Somchei in seinen Talks zum zweiten Daseinsmerksmal: Anicca - nichts besteht ewig. Unbeständigkeit gehört zum Kern aller Dinge, die im Universum existieren. Tatsächlich ist Veränderung das Verläßlichste, was es gibt und das läßt sich hervorragend in der Meditationspraxis beobachten. Unsere Konzentration, unsere Stabilität, psychisch wie physisch, Schmerz, unser Atem, wir selbst - alles ist Anicca. Kein Ding und kein Wesen verharrt in einem unveränderten Zustand. Nehme ich die Vergänglichkeit als unausweichlichen Bestandteil des Lebens an, kann ich mich an der Schönheit einer Blume erfreuen, obwohl sie bald welken wird. Es ist unser Festhalten an einen Ist-Zustand, das Leid erzeugt. Der Strom des ins Tal fließenden Wassers verursacht kein Leid, für den, der gelernt hat mit ihm zu schwimmen.

Eine Übung

Die erste Stufe der Gehmeditation.

Stehe mit geschlossenen Augen am Anfang des von dir selbst gewählten Weges für deine Gehmeditation und spüre deinen Atem. Richte dich von innen her natürlich auf. Wenn du bereit bist, ö ffne deine Augen und lasse deinen Blick ungefähr zwei Meter vor dir am Boden ruhen. Um Spannungen im Nacken zu vermeiden, schaue nicht direkt hinunter zu deinen Füßen. Kreuze deine Hände entweder auf deinem Brust- oder Bauchraum oder auf dem Rücken. Diese Armhaltungen verhindern ein Nach-vorn-Sinken deines Oberk ö rpers, aber auch das Hin- und Herschwingen deiner Arme, was deine Konzentration st ö ren k ö nnte.

Spüre deinen Stand und benenne innerlich, was du tust: „Stehen, stehen, stehen.

Fasse den Entschluss zu gehen und benenne dieses Vorhaben in Gedanken: „Absicht zu gehen. Absicht zu gehen. Absicht zu gehen.“

Richte deine innere Achtsamkeit auf deine Füß e.

Denke: „Gehen. Gehen. Gehen.“

Benenne die Bewegung deiner Füße:

Links geht vor. Rechts geht vor. Links geht vor. Rechts geht vor.“ usw.

Dein Hauptanliegen ist dabei die Achtsamkeit in dem, was du tust.

Am Ende deines Weges, holst du mit einem „Rechts geht ran.“ oder „Links geht ran.“ beide Füße auf eine Ebene.

Benenne: „Stehen, stehen, stehen.

Bereite dich vor, den Weg zurückzugehen: „Absicht zu drehen. Absicht zu drehen. Absicht zu drehen.

In drei Schritten drehst du deinen K ö rper auf der Stelle und notierst dabei:

Drehen. Drehen. Drehen.“

Du schaust in die Richtung, aus der du gekommen bist. Notiere dein Stehen:

Stehen, stehen, stehen.

Dann beginnst du wieder von vorn.

Absicht zu gehen. Absicht zu gehen. Absicht zu gehen.

Links geht vor. Rechts geht vor. Links geht vor. Rechts geht vor…..

Die Gehmeditation lässt alle Geistesbewegungen zur Ruhe kommen.

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