Kitabı oku: «Von der Freiheit, ich zu sein», sayfa 3

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Vipassana, die Einsichtsmeditation

Wir werden in zwei Meditationstechniken geschult. Die erste Technik ist Samatha, die Meditation der Geistesruhe, der Konzentration. Mit ihr üben wir, unseren Geist still werden zu lassen. Einige Traditionen vergleichen ihn mit einem See. Ist dieser aufgewühlt, vernebeln Schwebeteilchen sein Wasser und er wird trüb. Es ist dann unmöglich hindurchzuschauen. Kommt das Wasser aber zur Ruhe, setzen sich die Sedimente am Boden ab und er wird klar. Dann ist der Blick frei auf alles, was in ihm verborgen liegt.

Durch Samatha stabilisieren wir unseren Geist und entwickeln mentale Stärke. Die Gehmeditation zum Beispiel gehört zu dieser Technik. Buddha hat festgestellt, dass sie allein nicht ausreicht, um die angestrebte geistige Befreiung zu erlangen und so ist Vipassana, die Einsichtsmeditation, hinzugekommen. Vipassana bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. So sollen wir durch Samatha innerer Ruhe und Glück erlangen und durch Vipassana zusätzlich auch Weisheit. In der Vipassana Technik machen wir alles, was in unserem Geist, in unserem Körper und auch außerhalb davon erscheint zum Objekt unserer Beobachtung. Achtsam nehmen wir das Entstehen, das Verweilen und das Vorübergehen von allem wahr, was ist. Wir benennen es, aber entgegen unserer Gewohnheit identifizieren wir uns nicht damit. Wir bleiben beobachtender Zeuge.

Schmerz eignet sich prima als Konzentrationsobjekt. Durch das stundenlange Sitzen, Stehen und selbst während des Gehens meldet sich früher oder später jeder Körper. Dann habe ich die Wahl: verbinde ich mich mit dem Schmerz und lasse zu, dass ich einen Glaubenssatz wie “Ich halte das nicht mehr aus” kreiere oder bleibe ich unbeteiligter Beobachter. Im ersten Fall gebe ich einen Teil meiner Kraft ab und werde es vermutlich wirklich nicht mehr lange aushalten. Beobachte ich den Schmerz aber nur, ohne mich mit ihm zu verbinden und schaffe ich es vielleicht sogar, mich in ihn hinein zu entspannen, kann ich Zeuge werden, wie er einem dynamischen Prozess der Veränderung unterworfen ist. Mal ist er mehr und mal weniger stark spürbar, oft verschwindet er sogar ganz.

Wenn unser Geist still wird, können gerade zu Beginn unserer Meditationspraxis alte Gefühle und Glaubenssätze aufsteigen. Sie wollen Bestätigung, um sich erneut zu manifestieren und wenn wir nicht achtsam sind, kann es passieren, dass wir uns hier auf dem Meditationskissen noch einmal mit den dunkelsten Stunden unseres Lebens konfrontieren. Manchmal rutschen wir vielleicht sogar in einen Strudel des Selbstzweifels. Jeder in unserer Gruppe durchlebt so seinen eigenen Prozess. Die dabei frei werdenden Kräfte wie Wut, Trauer und Abneigung sind oft deutlich im Raum spürbar. In meinem ersten Retreat bezog ich viele dieser Energien auf mich selbst und fühlte mich in meinem tiefsten Sein von der Gruppe abgelehnt. Ein alter Glaubenssatz eroberte sich seinen angestammten Platz zurück und ich war überzeugt davon, anders zu sein, nicht zu passen und nicht erwünscht zu sein. Das war keine schöne Erfahrung. Sie hat mir aber in vielen Dingen die Augen geöffnet und mir neben den anderen beiden Daseinsmerkmalen allen Seins auch das dritte näher gebracht: Anatta, das Nicht-Selbst, das Nichtvorhandensein eines permanenten und unveränderlichen Wesenskern. Das, was wir als Selbst bezeichnen, ist laut Buddha eine Ansammlung sich ständig wandelnder körperlicher und seelischer Bestandteile. Wenn wir einen dieser Bestandteile als zu uns gehörig ansehen und uns mit ihm identifizieren, kann das zu einer leidvollen Erfahrung führen. Mit zunehmender Übung und viele Jahre später gelingt es mir jetzt immer besser, meine inneren Prozesse richtig einzusortieren und ihnen unbeteiligt beizuwohnen. Mein Körper bekommt dabei etwas diffuses und ich fühle mich wie losgelöst von meiner festen Materie in einem unendlichen Raum innerer Stille und Leichtigkeit. Die Vipassanatechnik öffnet mir dann Türen zu neuen inneren Zimmern, aus denen Klänge, Farben, Gefühle, Bilder und manchmal ganze Filme wie aus einer anderen Welt in mein Bewusstsein dringen. An manchen Tagen steigt in mir ein tiefes Gefühl der Liebe auf, das in Strömen von salzigen Tränen aus mir herausfließt. Aber ich bin dabei nicht traurig, sondern überbordend glücklich. In anderen Momenten beobachte ich den Gedanken, dass ich ewig so sitzen könnte und schon macht sich mit ihm in mir eine Unruhe breit. Diese für mich oft noch unbeherrschbare Kraft lässt mich dann die Augen öffnen und auf die Uhr schauen. Schon ist aller Zauber vorbei. Anicca eben. All dies sind meine persönlichen Erlebnisse und Gedanken zur Vipassana Technik, so, wie ich sie heute gerade verstehe. Auch sie sind in einem ständigen Wandel und je nachdem, wie weit meine eigene Entwicklung voranschreitet, sehe ich die Dinge vielleicht morgen schon etwas anders, als ich sie heute beschreibe.

Ein Tipp

Beginne deine Meditationspraxis nicht gleich mit einem Marathon. 5 Minuten täglich sind zu Beginn ausreichend. Steigere dich langsam!

Und probiere es mit einem Lächeln. Wissenschaftliche Untersuchungen haben herausgefunden, dass es bereits ausreicht, dass Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen, damit unser K ö rper gl ücklich machende Botenstoffe ausschüttet. Probier es aus!

Der Dalai Lama sagt: „Wer alles mit einem Lächeln beginnt, dem wird das meiste gelingen.

Eine Lehre in Anicca

Mit den Mönchen leben viele Tiere im Kloster. Einige sind zugelaufen, andere wurden geschenkt. Unter den großen, groben Straßenhunden gibt es auch einen, der im Januar noch nicht hier war. Es ist ein sehr kleiner Hund, der aussieht wie ein Kinderspielzeug. Jeden Abend stürmt er während des Chantens in die große Buddhahalle und bespaßt die Gruppe mit seinem ungestümen Spieltrieb. Greta liebt diesen Hund und spielt mit ihm, wann immer sie kann. An einem Tag zum Ende des Retreats sehe ich sie auf dem Boden einer offenen Halle mit ihm spielen. Eine Weile beobachte ich diese pure Lebensfreude, bis Greta aufsteht, um ihre Trinkflasche in einem anderen Teil des Klostergeländes zu füllen. Der Kleine läuft hinter ihr her und verbellt beiläufig einen der großen Hunde. Ohne dem Gedanken weitere Beachtung zu schenken, weiß ich, dass hinter seinem Kläffen Angst steckt. Doch der kleine Hund wägt sich in Gretas Windschatten sicher und begibt sich in den Große-Hunde-Bereich. Kaum biegt er um die Ecke in das Revier der anderen, macht einer der Großen auch schon Jagd auf ihn. Blitzschnell holt er ihn ein, schnappt ihn am Kragen und schlägt ihn mit Leichtigkeit mehrmals auf den Boden. Es ist mehr ein Schütteln, das in eine Richtung immer wieder gegen die Stabilität des Bodens prallt. Als endlich jemand eingreift, liegt ein regloses Fellknäuel am Boden. Paralysiert stehen wir um den Kleinen herum. Wir können nichts fragen, nichts sagen, nicht helfen. Wir müssen schweigen. Einige weinen still. Seine Augen sind geöffnet und noch voller Glanz. Aber er bewegt sich nicht. Ist er tot? Brutal zeigt uns das Leben, was Anicca, die Impermanenz, noch ist. Das Gesetz von Leben und Tod. Ein kleiner, alter Mönch, von oben bis unten mit Kraftsymbolen tätowiert, hebt ihn sacht auf und trägt ihn zu seinem Häuschen. In seinem Gesicht ist keine emotionale Regung zu erkennen. Schockiert und verstört zerstreut sich unsere Gruppe. Ich beobachte, wie Greta sich schnell vom Tatort entfernt und mache mir Sorgen, wie sie diese brutale Szene verkraftet. Ich folge ihr bis zu den Duschkabinen, wo sie sich eingeschlossen hat. Dann breche ich mein Schweigen und rufe leise: „Greta?“ Aber sie antwortet mir nicht.

Die Tage vergehen

Die Tage vergehen in ihrem eng getakteten Ablauf einer wie der andere. Jeder einzelne Tag verläuft genauso, wie der vorherigen und wie der, der noch kommen wird. Schnell verliert sich mein Gefühl für die Zeit und ich weiß schon bald nicht mehr, ob heute Montag, Dienstag oder irgendein anderer Tag ist. Neben meditativem Fegen bietet das Waschen der eigenen Wäsche eine kleine Abwechslung aus der Monotonie und gibt den zehn Tagen eine nachvollziehbare Struktur. Dass Unterhosen regelmäßig gewaschen werden müssen, versteht sich von selbst. Hier in den Tropen droht den Ungewaschenen eine zusätzliche, bei uns gänzlich unbekannte Gefahr. Kakerlaken fühlen sich von ihnen magisch angezogen. Sie kommen nachts aus ihrem Versteck und knabbern kleine Löcher in den Zwickel. Das ist an sich schon keine angenehme Vorstellung. Wenn man aber die Größe der Kakerlaken hier im Kloster in Betracht zieht, bekommt sie einen gruseligen Anstrich. Ich habe zumindest noch nirgendwo größere gesehen. Huscht eine Kakerlake im dämmrigen Abendlicht vorbei, wirft ihr Körper einen mausgroßen Schatten. Selbst wenn ich wollte, könnte ich sie mit einer Hand nicht umfassen. Vielleicht ist ja doch etwas dran an dem Mythos, dass es sich mit Kakerlaken ähnlich wie mit Aquariumfischen verhält. Beide Spezies sollen so groß werden, wie ihr Umfeld es ihnen erlaubt. Je tiefer das Wasser, desto größer die Fische. Die Säle im Kloster sind riesig. Die Kakerlaken zum Beispiel, die in den Armlehnen der thailändischen Fernbusse mitfahren und sich nur zeigen, wenn man sein Essen dort abstellt, sind zum Beispiel fingernagelgroß. Aber vielleicht gibt es auch nur eine unendliche Artenvielfalt bei Kakerlaken.

Wie dem auch sei, ich wasche Unterhosen und meine Klosterkluft alle drei Tage. Und um sie ganz weiß zu bekommen, lasse ich sie lange einweichen. Dann warte ich auf einen Moment, wo ich niemanden im Bad wähne und hänge die strahlenden Riesendinger zum Trocknen auf. Ich schäme mich immer noch ein bisschen für diese Teile. Meine stille Hoffnung, dass die Oma-Unterhosen mir nicht zuzuordnen sind, ist wahrscheinlich müßig, denn ich bin mal wieder die Älteste in diesem Retreat. Als meine Wäsche ein drittes Mal, von der tropischen Hitze sanft bewegt auf der Leine trocknet, ist sie auch Zeichen, dass das Ende des Retreats nicht mehr fern sein kann.

Ein Glück! In der letzten Zeit habe ich geradezu zwanghaft angefangen, die Tage zu zählen, die ich schon hier bin und die, die ich noch bleiben muss. Eine Rechenaufgabe, die zu lösen mir unmöglich schien. Mein Körper schmerzt vom vielen Sitzen und meine Konzentration bricht häufiger ab. Am letzten Tag gehe ich sogar duschen, während alle anderen unten in der Buddhahalle auf ihrem Kissen meditieren. Ich bin schon viel zu sehr damit beschäftigt, wie meine Reise mit Greta weitergehen wird und umso mehr bin ich überrascht, als es heißt, dass wir alle für die Schlusszeremonie zusammen kommen sollen.

Abschiedsritual

Der letzte Retreattag fällt auf den sogenannten Buddha Day. An diesen besonderen Sonntagen zu bestimmten Mondphasen findet sich die ganze Gemeinde schon frühmorgens im Kloster ein. Den ganzen Tag über gibt es Dhamma Talks, Klatsch und Tratsch und jede Menge Essen. Natürlich werden auch die Bettelschalen der Mönche gefüllt, die heute dafür nicht auf die Straße müssen.

Nach dem offiziellen Programmteil für die Sangha beginnt unsere Verabschiedung. Wir versammeln uns um ein mehrstöckiges Blumenbukett, das mit einem langen Baumwollfaden geschmückt ist. In handgelenklange Stücke geschnitten wird er sich später in die begehrten Sai Sins wandeln, die wir im Westen als Glücksbändchen kennen. Aus einem Knäuel windet sich der weiße Baumwollfaden von der Buddhastatue durch die Hände eines jeden Mönchs, umrundet mehrmals das Gesteck in unserer Mitte und berührt auf seinem Weg zurück zum Buddha die vielen Hände unserer Gruppe. Er steht symbolisch für einen Faden aus einer heiligen Mönchsrobe und verbindet uns nicht nur untereinander, sondern auch mit unserer Buddhanatur. Den Faden so haltend wird er von den Mönchen mit einem Chant gesegnet, damit er seine volle Kraft entfalten kann. Danach wird er eingeholt und geteilt.

Das Abschiedsritual beginnt mit einem Chant. Unser Zeremonienmeister, ein alter Mann aus der Gemeinde, kitzelt an einigen Stellen so schräge Obertöne aus seiner Kehle, dass die Gemeinde laut johlt und lacht. Die ganze Buddhahalle scheint überhaupt angefüllt zu sein mit glücklichen Gesichtern. Dann darf der Sänger seine stark strapazierten Stimmbänder schonen und unsere Gruppe vor dem Podest, auf dem die Mönche sitzen, Platz nehmen. Nacheinander rutschen Gemeindemitglieder jeden Alters auf Knien zu uns heran und bedanken sich bei jedem einzelnen von uns mit einem Sai Sin für den Mut und für die Arbeit, die wir mit unserer Meditation für die Welt geleistet haben. Den jungen Mädchen werden dabei Versprechungen von einer blühenden Zukunft mit tollem Ehemann und vielen Babies gemacht. Und immer wieder höre ich die Frage: “Where are you from?” sowie die begeisterten Reaktionen der Thais auf die unterschiedlichen Antworten unserer aus fünfzehn Nationen stammenden Gruppe. Sie sind entzückt, dass wir, diese merkwürdigen Langnasen, aus der ganzen Welt in ihr kleines Khon Kaen zum Meditieren kommen. Wieder rührt mich die Wärme und das Mitgefühl dieser Menschen so sehr, dass mir Tränen über das Gesicht laufen. Am Ende zähle ich mehr als vierzig Bändchen an meinem Arm. Jedes davon werde ich solange tragen, bis es von allein abfällt. Auch danach gehört es nicht in den Müll, sondern auf einen erhöhten Platz, um von dort weiter und auf ewig an die in mir liegende Buddhanatur zu erinnern.

In dem Moment, wo wir das Schweigen brechen, verändert sich die Geräuschkulisse augenblicklich in den Dezibelbereich eines tosenden Applauses. Ich kann kaum mein eigenes Wort und schon gar nicht das eines anderen verstehen. Es ist schwer zu glauben, dass dies die Normalität ist. Unser erster Gang in Freiheit und der letzte gemeinsame mit der Gruppe führt hinunter zum See von Khon Kaen. Fern vom Kloster ist Körperkontakt wieder erlaubt und ich umarme jeden in unserer Gruppe innig. Auch wenn wir uns gar nicht kennen, sind wir durch die außergewöhnliche Erfahrung, die wir geteilt haben, verbunden. Danach trennen sich unsere Wege. Vielleicht für immer.

Für die Teammitglieder des Mindfulness Projects, zu denen auch Greta und ich für die nächsten anderthalb Wochen gehören, geht es in ein nahegelegenes Café. Es hat Tradition, sich hier nach einem Retreat mit Lava Cake, heißer Schokolade mit Sahne und riesigen Eisportionen zu verwöhnen.

Richtung Norden zum Mindfulness Project

Wider meines erlernten Wissens, dass viel innere Arbeit notwendig ist, um sich aus der Tiefe von alten Mustern, Gewohnheiten und Vorstellungen zu befreien, fühlt sich der erste Schritt vor die Klostermauern nach größtmöglicher Freiheit an. Wir sind alle in Hochstimmung und geradezu euphorisch. Es scheint als würde der Körper sein ganzes Depot an Glückshormonen auf einmal ausschütten. Auch Greta ist komplett aufgekratzt. Mit geröteten Wangen redet sie ununterbrochen über ihre Erlebnisse. Sie hat das Gefühl, etwas ganz tief verstanden zu haben. Dass Licht auf eine Wahrheit gefallen ist, die ihr bisher verborgen blieb. Sie macht einen zutiefst glücklichen Eindruck. Fast als wäre sie von einer körperfremden Substanz berauscht.

In diesem Zustand checken wir in unser kleines angestammtes Hotel ein. Das Zimmer empfängt uns mit zwei richtigen Betten. Einmal darauf werfen, soviel Zeit muss sein. Die Aussicht, die kommende Nacht darin zu verbringen, ist einfach göttlich. Ansonsten ist dieser Raum aus westlicher Sicht alles andere als luxuriös. Für uns aber ist er luxuriöser als alles andere, was wir in der letzten Zeit erfahren haben. Es gibt ein En-Suite-Badezimmer mit Warmwasser und eine Toilette mit Spülung. Nachdem wir das alles ausgiebig genossen haben, wandern wir, von unserer Freiheit beschwingt, die mittlerweile dunkle Straße von unserem Hotel hinunter zu einer nur wenige Minuten entfernten Garküche. Es ist mehr ein Küchenwagen, der auf dem Gehsteig steht und von vier bestuhlten Tischen umgeben ist. An einem davon sitzen unsere Freunde und wir begrüßen uns, als hätten wir uns ewig nicht gesehen. Bei der Spezialität des Hauses, einer Fischsuppe namens Tom Yam Pla reden wir laut und durcheinander und lachen uns über Dinge kaputt, die wir normalerweise noch nicht mal lustig finden würden. Eine weitere Begleiterscheinung eines Schweigeretreats. Wir sind so sensibilisiert, dass es nur wenig braucht, um prustend loszulachen. Völlig erschöpft und glücklich machen wir uns nach zwei Stunden wieder auf den Weg in unsere himmlischen Betten.

Am nächsten Morgen geht es dreißig Kilometer Richtung Norden zum Mindfulness Project. In ein paar Tagen wird hier das Retreat mit Swami Atma beginnen. Das Grundstück des Mindfulness Projects liegt in der Nähe eines kleinen Dorfes mitten auf dem Land zwischen endlos scheinenden Feldern, Knicks und einzeln verstreuten Bäumen. In Thailand wird häufig in Monokultur angebaut, was dem Boden alle Nährstoffe entzieht und die rote Erde auslaugt. Das Mindfulness Project hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, mit Hilfe von Permakultur toten Boden fruchtbar zu machen und öde Steppen aufzuforsten. Permakultur ist ein nachhaltiges Gestaltungskonzept für Landwirtschaft und Gartenbau, das sich an natürlich gewachsenen Ökosystemen und fein aufeinander abgestimmten Kreisläufen der Natur inspiriert. In den letzten Jahrzehnten hat sich daraus eine Philosophie entwickelt, die sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens anwenden lässt. Zusammen mit dem Buddhismus bildet sie die Basis des Mindfulness Projects.

Die beiden Freunde aus Hamburg, die später noch in Richtung Heimat fliegen werden, haben Ähnliches für ihre Zukunft vor und sind mitgekommen, um sich das Projektland anzuschauen. Zwischen den Zeiten, in denen hier Volontäre wohnen und arbeiten, liegen immer ein paar Wochen des Müßiggangs, in denen das Team sich erholen kann. Diese Zeit nutzt auch die Natur, um durchzuatmen und sich ihr Terrain zurückzuerobern. In den letzten sechs Wochen ist neben ein wenig Gartenarbeit so gut wie nichts getan worden und Christian gab schon im vornherein zu bedenken, dass es nicht viel zu sehen gäbe, dass noch viel Arbeit zu tun wäre bevor das Gelände für die nächste Gruppe bezugsbereit ist. Wir sind die ersten, die nach so einer Pause das Grundstück betreten. Als wir aus dem Pick-up steigen, sehe ich Erstaunen und auch einen Anflug von Mitleid in den Augen der Freunde. Auch in mir steigt ein mulmiges Gefühl auf bei dem Gedanken, hier schon bald acht Tage zu wohnen. Aber ich weigere mich, meine Gefühlsregung nach außen zu lassen und gebe mich betont lässig. Es ist, man könnte sagen, rudimentär. Außer einer kleinen schwarzen Katze, die sich wahnsinnig freut, uns zu sehen, gibt es hier hauptsächlich Wildnis. Brachland mit ein paar Holzkonstruktionen und einem See. Mir fehlt im Moment die Vorstellungskraft, wie ein Hier-Leben aussehen könnte. Wir begehen das ganze Grundstück und kämpfen uns durch das kniehohe Gras. Ich bin froh, als wir wieder ins Auto steigen und zum nächsten Grundstück fahren.

Weil es auf dem offiziellen Projektland keine Privatsphäre gibt, lebt das Mindfulness Team auf einem anderen Grundstück, keine zwei Kilometer entfernt. Es ist der künftige Altersruhesitz eines Universitätsprofessors aus Khon Kaen, der eng mit dem Kloster von Ajahn Somchei verbunden ist. Bis der Professor hier irgendwann einmal einzieht, stellt er seinen Besitz dem Mindfulness Project kostenfrei zur Verfügung.

Gleich zu Beginn einer langen Auffahrt, die an einem wunderschön eingewachsenen See endet, steht ein langgezogenes Gebäude, das das weiße Haus genannt wird. Hier leben vier Langzeit-Volontäre, allesamt junge Frauen mit ihren drei Hunden. Daneben unter Bäumen versteckt in einem Ein-Zimmer-Häuschen wohnt Pedro. Er ist schon seit zwei Jahren im Mindfulness Project und der best friend aller Frauen. Praktischerweise ist er schwul, weshalb das auch so gut klappt. Das orangefarbene Haupthaus liegt direkt am Seeufer. Hier wohnen Anja und Christian mit Kerry und Adrian. Sie bilden das Basisteam. Kerry ist für den Nutzgarten im Projekt zuständig und Adrian als Klimatechniker für alles, was kaputt gehen kann. Und das ist so ziemlich alles. Dem tropischen Klima ist kein Material gewachsen. Leder schimmelt, Gummi löst sich auf, Holz wird von Termiten pulverisiert, Plastik in Kürze brüchig.

Durch eine Glasschiebetür betreten wir das Innere des Hauses, das ganz aus Lehm gebaut ist. Sie führt uns in ein Durchgangszimmer, das irgendwann mal ein Wohnzimmer sein wird. Doch noch ist es Lagerraum. Hier werden Greta und ich die nächsten Nächte schlafen. Nachdem wir die Hamburger Freunde verabschiedet haben, richten wir uns ein. Wir rollen eine Matte aus, schützen unseren Bereich mit einem Moskitonetz vor Krabbelgetier und einer kleinen, sehr aufdringlichen Katze, was nur mäßig gelingt. Einige der den Raum beherrschenden Kisten und Kästen, nutzen wir als Trennwand zu den anderen haarigen Mitbewohnern. Nachts werden wir den Raum auch mit vier Hunden teilen. Es ist auf seine ganz eigene Art gemütlich. Einen Wermutstropfen birgt die Wohnungssituation jedoch, denn es gibt kein frei zugängliches Badezimmer. Zur Dusche und zur Toilette geht der Weg durch Anjas und Christians Schlafzimmer. Nachts durch ihr Zimmer zu tapern, ist für mich problematisch. Das Gefühl, ihre Privatsphäre zu stören, schränkt mich in meiner Freiheit ein, zu pinkeln, wann immer ich will und muss. Aber was soll´s, man kann nicht alles haben. Vielleicht ist die Strategie des wenig Trinkens ein probates Mittel? Ich probiere das in der ersten Nacht aus und tatsächlich führt es dazu, dass ich weit über die Nacht hinaus, insgesamt zwölf Stunden, nicht zur Toilette muss. Doch ich habe die Wirkung von Hitze in Kombination mit körperlicher Bewegung unterschätzt. Schon am Morgen habe ich ein merkwürdiges Blasengefühl. Ich hatte solange keine Blasenentzündung, dass ich sie jetzt, hier mitten auf dem Land, auch nicht wahrhaben möchte. In der Hoffnung, dass es sich um einen vorübergehenden Anflug handelt, beginne ich gleich morgens ganz viel zu trinken.

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