Kitabı oku: «Klausurenkurs im Sozialrecht», sayfa 7

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1. Rechtsweg

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Die Sozialgerichte sind zuständig, wenn die Gültigkeit des Beitragsbescheides Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder Arbeitsförderung (§ 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG) zwischen B und V ist.

Zu den Angelegenheiten der Rentenversicherung und Arbeitsförderung zählen nicht nur Streitigkeiten um Sozialleistungen, sondern auch die Versicherungs- und Beitragspflicht bei den genannten Trägern, weil aus den Beiträgen die sozialversicherungsrechtlichen Leistungen bezahlt werden. Außerdem sind bei Beitragsstreitigkeiten ebenso wie bei Leistungsstreitigkeiten ein Sozialversicherungsträger und ein Versicherter als Beitragspflichtiger beteiligt. Deshalb sind alle Streitigkeiten zwischen einem Sozialversicherungsträger und dem Versicherungspflichtigen sowie dessen Arbeitgeber sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten.[1] Der Rechtsstreit betrifft damit eine Angelegenheit der Sozialgerichtsbarkeit.

2. Statthaftigkeit des Widerspruchs

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Der Bescheid kann Gegenstand eines Widerspruchs sein, wenn im gerichtlichen Verfahren die Anfechtungsklage statthaft ist (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dann wäre vor deren Erhebung innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes ein Vorverfahren bei dem diesen erlassenden Sozialversicherungsträger anhängig zu machen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Anfechtungsklage ist im gerichtlichen Verfahren statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Verwaltungsakt ist jede Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (§ 31 Satz 1 SGB X). Ein Beitragsbescheid legt den zu entrichtenden Beitrag zu den Trägern der Sozialversicherung fest. Soweit die Versicherungspflicht auf abhängiger Beschäftigung beruht, hat der Arbeitgeber des Versicherten den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der von ihm abhängig beschäftigten Arbeitnehmer zu den Sozialversicherungsträgern der Rentenversicherung und – falls auch in jenem Sozialleistungszweig Versicherungspflicht besteht[2] – der Krankenversicherung abzuführen. Des Weiteren schuldet der Arbeitgeber gemäß §§ 346 Abs. 1, 348 SGB III, 28e SGB IV Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an die Bundesagentur für Arbeit (BA). Sämtliche diesen Sozialversicherungsträgern geschuldeten Beiträge werden von der Einzugsstelle eingezogen. Einzugsstellen sind die gesetzlichen Krankenkassen (§ 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Diese erheben für die Rentenversicherung und die BA als Delegatarin[3] deren Sozialversicherungsbeiträge und leiten die Beiträge an jene weiter (§§ 28h, 28k SGB IV).

Der Bescheid des Rentenversicherungsträgers setzt den Umfang der von B zu Gunsten von V sowie anderen Bezirksleitern für 2020 abzuführenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Er regelt deshalb mit unmittelbarer Wirkung gegenüber B, wie viel sie an die Einzugsstelle zahlen muss. Der Bescheid ist sonach ein Verwaltungsakt, gegen den die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthafte Klageart ist. Folglich ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen.

3. Widerspruchsbefugnis

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B ist widerspruchsbefugt (§ 54 Abs. 2 SGG analog), falls sie durch den Bescheid in eigenen Rechten beeinträchtigt wird.[4] Dies könnte zweifelhaft erscheinen, weil der Streit letztlich um das Bestehen einer Versicherungs- und Beitragspflicht des V sowie der anderen Bezirksleiter geht. Daher könnte erwogen werden, statt in B nur in V den durch den Beitragsbescheid Beschwerten zu sehen.

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a) Besteht eine Versicherungs- oder Beitragspflicht, kommt ein Sozialversicherungsverhältnis nur zwischen dem Sozialleistungsträger und dem Versicherten zustande. Dessen Arbeitgeber ist an diesem Rechtsverhältnis beteiligt, weil er gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag des versicherungspflichtigen Arbeitnehmers zu „zahlen“ hat.[5] Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen die Beiträge zur Renten-[6] und Arbeitslosenversicherung[7] regelmäßig zu gleichen Teilen. Der Arbeitgeber ist zur „Zahlung“ des auf ihn entfallenden Teiles des Gesamtsozialversicherungsbeitrages verpflichtet. Gemäß §§ 28e SGB IV, 346 Abs. 1, 348 SGB III, 168 Abs. 1 Nr. 1, 174 Abs. 1 SGB VI schuldet er darüber hinaus die Abführung des Arbeitnehmeranteils. Der Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung kann nach dem „Lohnabzugsverfahren“ (vgl. § 28g SGB IV)[8] nur durch Einbehaltung vom Arbeitsentgelt des versicherungspflichtigen Arbeitnehmers und Zahlung des Arbeitgebers an die Einzugsstelle erbracht werden.

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b) Um den Unterschied in der Pflichtenstellung des Arbeitgebers terminologisch zu verdeutlichen, könnte der Arbeitgeber in Höhe der Hälfte des Gesamtsozialversicherungsbeitrages als „Beitragsschuldner“ und in dessen voller Höhe als „Beitragsentrichtungsschuldner“ bezeichnet werden. Der Beitragsbescheid richtet sich deswegen umfassend an den Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers und nicht an den Versicherten selbst. Da von der Versicherungs- und Beitragspflicht die sozialrechtliche Stellung des Versicherten abhängt, ist dieser in einem über die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides anhängigen Rechtsstreit als Beteiligter notwendig beizuladen[9] (§ 75 Abs. 2 SGG).

B kann folglich gegen den Bescheid der Einzugsstelle Widerspruch einlegen. Hilft diese dem Widerspruch nicht ab, kann B binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 1, Abs. 2 SGG) Klage vor dem örtlich zuständigen SG erheben. In dem Widerspruchsverfahren sind V und die anderen in dem angeführten Bescheid betroffenen Bezirksleiter hinzuzuziehen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 SGB X).

II. Erfolgsaussicht des Widerspruchs

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Der von B erhobene Widerspruch hat Erfolg, wenn der angegriffene Bescheid rechtswidrig ist, wenn also V und die anderen Bezirksleiter der B nicht in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung versicherungspflichtig sind. In Betracht kommen eine Versicherungspflicht gemäß §§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III als „Beschäftigter“ sowie gem. § 2 Nr. 9 SGB VI (für die Rentenversicherung) als „arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger“.

1. Abhängige und selbstständige Erwerbstätigkeit

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Nach §§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte versicherungspflichtig. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Versicherungspflicht besteht demnach für abhängig Beschäftigte. Das Sozialrecht verfügt nicht über einen eigenen Begriff des abhängig Beschäftigten; es hat vielmehr den in der gesamten Rechtsordnung verbreiteten, namentlich für das Arbeits-, Steuer- und Prozessrecht elementaren Begriff des Arbeitnehmers übernommen.

Die Abgrenzung muss demnach gemäß den im Recht allgemeingültigen Regeln vorgenommen werden.[10] Danach werden die für Selbstständigkeit maßgebenden Ansatzpunkte aus § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB abgeleitet.[11] V wäre demnach als nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger anzusehen, wenn die vertragliche Vereinbarung, dass V für B als selbstständiger Handelsvertreter (§ 84 HGB) tätig werden wollte, für seine Einordnung als Selbstständiger hinreichte (2.) oder im Vollzug der getroffenen Vereinbarung die für die Selbstständigkeit des V sprechenden gegenüber den für die Abhängigkeit seiner Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte überwiegen (3.), in anderen Rechtsgebieten die Tätigkeit des Bezirksleiters einer Bausparkasse als selbstständige Beschäftigung eingeordnet wird (4.) und schließlich auch eine Versicherungspflicht als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger nicht in Betracht kommt (5.).

2. § 84 HGB

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V soll für B Geschäfte vermitteln und abschließen. Zu Gunsten der Selbstständigkeit des V könnte sprechen, dass B und V in ihrem Vertrag vereinbart haben, V möge für B als selbstständiger Handelsvertreter (§ 84 HGB) tätig werden. Deshalb wäre V selbstständig und damit weder versicherungs- noch beitragspflichtig, falls die Aufnahme einer diesbezüglichen Erklärung der Parteien in die Vertragsurkunde für die über Beitrags- und Versicherungspflicht entscheidende Einzugsstelle verbindlich wäre, so dass eine anderweitige Einordnung der Tätigkeit als die von den Parteien in der Vertragsurkunde erklärte von vornherein nicht in Betracht käme.[12]

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a) Gegen diese Annahme spricht, dass die Voraussetzungen der Versicherungs- und Beitragspflicht auf Gesetz und nicht auf vertraglicher Vereinbarung beruhen. Ob eine Person versicherungspflichtig ist oder nicht, ist also keine Sache der Vereinbarung. Außerdem kann aus der bloßen Bezeichnung einer Tätigkeit als selbstständig nicht zwingend auf die tatsächliche rechtliche Selbstständigkeit des Positionsinhabers geschlossen werden. Die als selbstständig bezeichnete Tätigkeit kann nämlich als nicht selbstständige vollzogen werden. Dann käme es für die Bestimmung des Status nicht auf die Behandlung des Gewollten, sondern dessen Vollzug an. Andernfalls könnten die Parteien durch bloße Bezeichnung ihres Rechtsverhältnisses über die Voraussetzungen und Inhalte ihres sozialversicherungsrechtlichen Schutzes bestimmen.[13]

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b) Daraus folgt jedoch umgekehrt nicht, dass die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen für die Bestimmung des Rechtscharakters einer Beschäftigung ohne Bedeutung wären. Ob eine Dienstleistung gegen Geld als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Dienstleistung zu erbringen ist, haben grundsätzlich die Parteien frei zu entscheiden.[14] Die §§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 1 SGB III knüpfen die Versicherungspflicht an den Status des Arbeitnehmers. Der sozialrechtliche Status hängt also von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ab, das seinerseits durch privatrechtlichen Vertrag begründet wird. Diese Freiheit wird in Art. 12 Abs. 1 GG für Deutsche als Grundrecht anerkannt und geschützt. Der privatrechtlich geschaffene Status wird vom Sozialrecht grundsätzlich hingenommen. Dieses knüpft daran eigene unterschiedliche Rechtsfolgen; je nachdem, ob eine Dienstleistung in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis oder Dienstvertrag erbracht wird.

In jeder Bezeichnung eines von Privaten durch Akte der Privatautonomie geschaffenen Rechtsverhältnisses gelangt der für privatautonome Gestaltungen maßgebliche Parteiwille zum Ausdruck. Über den erklärten Parteiwillen kann sich ein Träger grundsätzlich auch nicht unter Berufung auf seine Pflicht zum sozialen Schutz hinwegsetzen. Wenn das Bezeichnete mit dem Gewollten übereinstimmt – die Bezeichnung also korrekt gebraucht ist – und das Gewollte auch im vertraglichen Austausch vollzogen wird, kommt der Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses als einer abhängigen Beschäftigung in einer Vertragsurkunde für das Vereinbarte rechtliche Bedeutung für die Bestimmung des rechtlichen Charakters zu.[15]

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Auch das Verbot des Missbrauchs privatautonomer Gestaltungsmacht kann diese Indikatorwirkung nicht entkräften. Der diese Problematik regelnde § 32 SGB I ordnet lediglich die Nichtigkeit von privatrechtlichen Vereinbarungen an, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von zwingenden Vorschriften des Sozialrechts abweichen. Daraus folgt im Umkehrschluss die Wirksamkeit privatrechtlicher Vereinbarungen, welche von sozialrechtlichen Normen vorausgesetzt sind.[16] Da die Vorschriften über Versicherungs- und Beitragspflicht notwendig auf privatrechtlichen Vereinbarungen beruhen, sind alle Verträge wirksam und für die Einordnung beachtlich, die den vom Sozialrecht offen gelassenen privatrechtlichen Gestaltungsspielraum ausfüllen.

c) Folglich ist die in § 1 des Vertrages zwischen V und B getroffene Vereinbarung, dass der Bezirksleiter für B als ein selbstständiger Handelsvertreter auftreten soll, ein wichtiges Anzeichen für die Selbstständigkeit des V. V ist danach selbstständig, wenn die Bezeichnung mit dem Gewollten und das Gewollte mit dem Vollzogenen übereinstimmt. Dies hängt davon ab, wie die übrigen Klauseln des Vertrages einzuordnen sind.

3. Abwägung

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Bei Bestimmung des näheren Gehalts von Selbstständigkeit gelten im Sozialversicherungsrecht dieselben Maßstäbe wie in anderen Rechtsgebieten. Generell gilt ein Selbstständiger als weisungsfrei sowie als persönlich wie wirtschaftlich unabhängig. Dagegen gilt als Arbeitnehmer, wer weisungsunterworfen in einem fremden Betrieb eingegliedert und vom Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig ist.[17] Dabei kommt es nicht entscheidend auf die vertraglichen Abmachungen, sondern auf die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen an, § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB.[18] Diese Unterscheidung beruht auf Idealtypen. Ihre Anwendung führt jedoch nicht stets zu klaren Abgrenzungen.

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a) So sehen etwa §§ 665, 675 BGB vor, dass ein Selbstständiger einem anderen Selbstständigen Weisungen erteilt.[19] Umgekehrt zeigt § 5 Abs. 3 BetrVG, dass ein von Weisungen freier Generalbevollmächtigter, Personalchef oder eine sonstige Führungskraft (Forschungsleiter, Chefdevisenhändler) oder der Chefarzt[20] eines Krankenhauses jeweils Arbeitnehmer sein können, obwohl sie hinsichtlich der Ausführungen ihrer Tätigkeiten von Weisungen freigestellt sind. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist für die Bestimmung der Selbstständigkeit wesentlich, ob die Tätigkeit frei von äußerlichen Bindungen ausgeübt werden kann. Es sind aber auch Arbeitnehmertätigkeiten denkbar (etwa die eines Journalisten oder Grundlagenforschers), bei denen der Beschäftigte keinen nennenswerten Bindungen in der Tätigkeitsausübung unterliegt. Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit ist nicht notwendig auf Arbeitnehmer beschränkt. Sie findet sich ebenso bei kleinen Selbstständigen, deren Unternehmen in eine große Vertriebsorganisation eingegliedert ist (z.B. Tankstellenpächter, Vertragshändler, Franchisenehmer). Des Weiteren hängen rechtlich selbstständige konzernangehörige Unternehmen wirtschaftlich von der Konzernmutter ab.[21]

Generell werden im Zuge der Veränderungen des Wirtschaftslebens von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft zwei einander gegenläufige Tendenzen immer deutlicher erkennbar: Einerseits werden infolge der Zunahme hochqualifizierter Angestelltentätigkeiten immer mehr abhängig Beschäftigte in der Gestaltung der Arbeit immer selbstständiger, andererseits führt die zunehmende Konzentration der Wirtschaft dazu, dass immer mehr Selbstständige wirtschaftlich immer abhängiger werden. Beide Tendenzen bewirken, dass die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen weit schwieriger geworden ist,[22] als sie noch in der Zeit der klassischen Industriegesellschaft war – die noch eine ausgeprägte „Klassengesellschaft“ gewesen ist.

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b) Es ist in der Rechtsprechung daher anerkannt, dass bei Abgrenzung zwischen abhängig und selbstständig Beschäftigten vereinzelt eine eindeutige Zuordnung nicht mehr möglich ist.[23] In diesen Fällen sind die für die Selbstständigkeit einer Beschäftigung sowie die für die Abhängigkeit einer Beschäftigung sprechenden Elemente zu benennen und einer Gesamtabwägung zu unterziehen, vgl. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB.

Um diese Aufgabe zu bewältigen, erscheint es auf der Grundlage der zu diesem Fragenkreis ergangenen Judikatur und der wissenschaftlichen Bemühungen sachgerecht, drei Dimensionen begrifflich zu unterscheiden und zu fragen: Besteht Selbstständigkeit oder Abhängigkeit im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit selbst, die äußeren Umstände der Tätigkeitsausübung und die wirtschaftliche Stellung des Beschäftigten?

Im Hinblick auf den Tätigkeitsinhalt ist eine Beschäftigung selbstständig, wenn der sie Ausübende weithin frei bestimmen kann, wann, wo, wie und für wen er tätig werden wird. Eine Tätigkeit ist dagegen abhängig, wenn ein anderer (der Arbeitgeber) dem Beschäftigten vorschreibt, wann, wo, wie und für wen er tätig werden soll.[24]

Im Hinblick auf die äußere Gestaltung der Tätigkeit ist ein Beschäftigter als selbstständig anzusehen, wenn er die Verpflichtungen der Tätigkeitsausübung nicht in eigener Person zu erbringen, sondern lediglich sicherzustellen hat, dass die Tätigkeit ausgeübt wird. Er ist hingegen abhängig beschäftigt, wenn er die Tätigkeit höchstpersönlich schuldet und hinsichtlich deren äußerer Umstände den Weisungen des ihn Beschäftigenden persönlich ausgesetzt ist.[25]

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Stellung des Beschäftigten ist eine Tätigkeit selbstständig, wenn der Beschäftigte erfolgsbezogen entlohnt wird, hingegen abhängig, wenn die Ausübung der Tätigkeit Grund der Honorierung ist.[26]

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c) Hinsichtlich des Inhalts seiner Tätigkeit spricht für die Selbstständigkeit des V, dass er Vermittlungs-, Abschluss-, Betreuungs- und Beratungspflichten zu erfüllen hat.

Sie erfordern ein hohes Maß an Eigeninitiative. Nimmt V diese Tätigkeiten wahr, bestimmt er eigenständig, wann er wo und wie für wen tätig wird. Ferner ist V zum Aufbau einer eigenen Betriebsorganisation und zur Beschäftigung eigener Mitarbeiter verpflichtet. Auch insoweit nimmt er eine Tätigkeit wahr, die eine weite eigene Entscheidungszuständigkeit umfasst. Für seine Abhängigkeit spricht, dass B sich Weisungsbefugnisse hinsichtlich der Außendarstellung vorbehalten hat und V die Ausübung einer Tätigkeit für eine andere Bausparkasse untersagt ist.

Dieses Weisungsrecht in der Darbietung der Dienste von Bausparkassen besteht, weil diese von einem überregionalen Unternehmen angeboten und ihr Vertrieb zentral organisiert wird. Ähnlichen Pflichten unterliegen jedoch Tankstellenpächter, Vertragshändler oder Franchisenehmer,[27] die ebenfalls Produkte einer großen Vertriebsorganisation als Selbstständige vertreiben. Ein solches Weisungsrecht ist jedoch nur auf die Außendarstellung beschränkt; der Inhalt der dem Beschäftigten übertragenen Tätigkeit wird davon nicht berührt. Da auch nach §§ 662, 665, 675 BGB dem Geschäftsbesorger Weisungen erteilt werden können, steht das der B eingeräumte Weisungsrecht hinsichtlich der Außendarstellung von Vs Tätigkeit der Annahme von Selbstständigkeit nicht entgegen. Dass V einem Wettbewerbsverbot unterliegt (§ 1), steht seiner Selbstständigkeit gleichfalls nicht entgegen, weil auch § 90a HGB nachvertragliche Abreden über ein Wettbewerbsverbot für selbstständige Handelsvertreter zulässt.[28]

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Im Hinblick auf die äußere Gestaltung der Tätigkeit spricht für Abhängigkeit, dass V das Geschäftslokal während der üblichen Ladenöffnungszeiten zu öffnen hat. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB könnte darin eine Bindung an Arbeitszeiten liegen. Da jedoch V außerdem Personal für das Geschäftslokal vollzeitig zu beschäftigen hat, bindet die Pflicht zur Einhaltung von Ladenöffnungszeiten V nicht persönlich; vielmehr hat primär das von ihm beschäftigte Personal während der Ladenöffnungszeiten in dem Geschäftslokal zu arbeiten. Da V also in der äußeren Gestaltung seiner Tätigkeit nicht persönlich gebunden ist, ist er auch insoweit wie ein Selbstständiger gestellt.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Stellung spricht für Abhängigkeit, dass B dem V ein Mindesteinkommen garantiert. Ein weiteres Indiz für die Abhängigkeit ist, dass ein Teil der Kosten für die Beschäftigung der Mitarbeiter sowie die Anmietung des Geschäftslokals von B getragen werden. Allerdings sind der Umfang von Provisionsgarantie und Kostenzuschuss verglichen mit Vs Aufwendungen relativ gering. Der Kostenzuschuss vermag V schwerlich befähigen, auch nur annähernd die Verpflichtungen aus § 2 des Vertrages zu erfüllen. Die wirtschaftliche Stellung des V hängt deshalb entscheidend davon ab, inwieweit er eigene Erträge erwirtschaftet. Sein Einkommen ist also primär erfolgsbezogen bestimmt. Wie das Einkommen eines selbstständigen Maklers (§ 652 BGB) hängt es davon ab, in welchem Ausmaß er das Zustandekommen von Verträgen zwischen B und Kunden der Bausparkasse vermittelt. Auch bei Regelung der wirtschaftlichen Stellung überwiegen somit die für die Selbstständigkeit des V sprechenden Merkmale.

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