Kitabı oku: «Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung», sayfa 3

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Anpassung

Geschlossenheit versus Offenheit

Bertalanffy war sich darüber im Klaren, dass die Annahme von Selbstorganisation und Geschlossenheit eines Systems auf der einen Seite und von Verwiesenheit auf Stoffwechselprozesse mit der Umwelt andererseits die Frage aufwirft, inwieweit Umwelt und Systemorganisation aufeinander abgestimmt sind. Eine einseitige Sicht, welche die Offenheit lebender Systeme betont, würde zur Abbildtheorie führen, also zu der Aussage, dass die innere Organisation eines Organismus die Außenwelt mehr oder minder abbilde oder repräsentiere. Eine Sicht, die einseitig die Selbstorganisation betont, würde die Unabhängigkeit eines Organismus von seiner Umwelt behaupten.

Biologisches Driften

Dieser Punkt ist deshalb so entscheidend für die Systemtheorie, weil er die Frage der Anpassung eines Organismus an seine Außenwelt betrifft bzw. die Frage, ob eine solche Anpassung für das Überleben überhaupt notwendig ist. Bertalanffy entscheidet sich für einen Mittelweg und nimmt damit wieder einmal einen Ausdruck, wie ihn auch die aktuelle Systemtheorie noch gebraucht, vorweg. Es ist der Begriff des »biologischen Driftens«, der die Koexistenz eigengesetzlicher Strukturen ausdrücken soll.

Für Bertalanffy ist klar, dass Tiere oder Menschen schon allein durch ihr Überleben einen Beweis dafür erbringen, dass ihre Organisation in irgendeiner Weise mit der Realität korrespondiert. »Korrespondenz« versteht er dabei nicht im schwachen Sinne, wonach die Eigengesetzlichkeit eines Organismus sich nicht in einen Gegensatz zur Gesetzlichkeit der Umwelt stellen darf. Bei einer »Korrespondenz« im schwachen Sinne würde ein Organismus in seinem Handeln durch die Umwelt nur behindert, im Extrem bis hin zum Untergang des Organismus. Abgesehen von diesen möglichen Behinderungen würde ein Organismus mehr oder weniger unbeeindruckt von den Strukturen der Außenwelt seinem Leben nachgehen – ein Gedanke, den die Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela in den 1980er-Jahren wieder aufnahmen.

Überlebensfähigkeit

Bertalanffy versteht die Korrespondenz von Organismus und Umwelt in einem starken Sinne, wonach eine völlige Übereinstimmung zwar nicht notwendig ist, ein bestimmter Grad an Isomorphie aber die Überlebensfähigkeit sichert. Die Art dieser Isomorphie stellt er mit einer Metapher dar, die das rote Licht einer Verkehrsampel als Symbol für Überlebensgefährdungen nimmt. Herannahende Autos oder Züge würden demnach einen Hinweis darauf erhalten, ob eine Gefahr besteht (rote Ampel) oder nicht (grüne Ampel), auch wenn die Gefahr, die in der Realität lauert, selbst nicht abgebildet wird. Wieso das Erkennen der Ampel als rot und die damit zusammenhängende Bedeutung eine Isomorphie voraussetzt, erklärt Bertalanffy nicht. Maturana und Varela streichen diese Annahme deshalb berechtigterweise später, indem sie darauf hinweisen, dass Überleben durchaus auch mit einem völligen Irrtum, was die Korrespondenz von Organismus und Umwelt angeht, möglich sei. Überleben können Organismen demnach auch dann, wenn die Symbole falsch gedeutet werden. Zum anderen spricht gegen die Ampelmetapher, dass die Möglichkeit eines Organismus, die Symbole zu erkennen, nicht durch die Symbole oder deren ursprüngliche Herkunft bestimmt wird. Vielmehr unterliegt diese Deutung selbst der Selbstorganisation des Systems, die Bedeutungen der Symbole werden erst im System geschaffen.

Dennoch war Bertalanffy mit seiner erkenntnistheoretischen Konzeption der Evolutionsbiologie seiner Zeit weit voraus. Selbst systemtheoretisch nahestehende Evolutionsbiologen, Vertreter der Symbiogenese – denen zufolge die Komplexität von Organismen auf Kooperation oder Verschmelzung mehrerer einfacher Organismen beruht –, haben bis Ende des 20. Jahrhunderts biologischen Erfolg mit Lernen gleichgesetzt. So weist etwa der Biologe Werner Schwemmler (1991) darauf hin, dass biologischer Misserfolg keinen Lernerfolg nach sich ziehe, dieser sei nur auf dem Gebiet der kulturellen Evolution zu erzielen. Evolutionäre Selbstorganisation bedeutet aber gerade kein Lernen im Erfolgsfall. Selbst der Misserfolg wäre nicht instruktiv, sondern nur ein Anstoßen der Selbstorganisation eines Organismus aufgrund eines graduell mehr oder minder beunruhigenden Vetos der Umwelt.

Ambiguität von Offenheit und Geschlossenheit

Während in einem geschlossenen System die Energie konstant bleibt, wird in offenen Systemen ständig Energie umgesetzt: aufgrund des fortwährenden Stoffwechsels. Wie ist nun die Ambiguität von Offenheit und Geschlossenheit lebender Systeme zu denken? Nicht alle Impulse aus der Umwelt verursachen strukturelle Veränderungen eines Organismus; vielmehr ist zu beobachten, dass er nur auf einen Bruchteil von Reizen reagiert, denen er ausgesetzt ist, auch wenn man in Betracht zieht, dass diese Auswirkungen nicht immer zeitlich unmittelbar erfolgen müssen.

Operative Eigengesetzlichkeit

Entscheidend ist, dass Veränderungen, die stattfinden, struktureller und nicht operativer Natur sind. Die operative Eigengesetzlichkeit eines autopoietischen Systems (»Autopoiesis« von griech. autos = selbst und poiein = machen) ist demnach durch die Umwelt kausal nicht zu beeinflussen. So erfährt ein autopoietisches System laufend strukturelle Änderungen, bewahrt aber zugleich die eigene Organisationsstruktur.

Der Körper ändert sich permanent

Viele der metabolischen Veränderungsprozesse spielen sich häufiger und schneller ab, als wir uns das vielleicht vorstellen. Innerhalb von zehn Tagen werden beispielsweise alle weißen Blutkörperchen erneuert, innerhalb eines Monats bereits 98 Prozent unseres Gehirnproteins. Trotz vielfältiger Umbauprozesse im Körper werden durch Umwelteinflüsse nur strukturelle Veränderungen ausgelöst, während die operationale Ebene inhaltlich nicht beeinflusst wird. Die Umwelt löst die strukturellen Veränderungen nur aus, ohne sie zu steuern. Organismen erhalten ihre Gesamtidentität oder ihr Organisationsmuster aufrecht, obwohl diese strukturellen Veränderungen ständig ablaufen. (Capra 1996) Wenn wir uns überlegen, dass von den vielen Trillionen Zellen in unserem Körper, die ihrerseits hundertfach hinsichtlich ihrer Funktionen für Muskeln, Blut, Nerven etc. unterschieden werden können, jede Woche Milliarden sterben und neue hinzukommen, erscheint es schon merkwürdig, dass unser Selbst dennoch über die Zeit beständig bleibt. (Johnson 2001) Biologisch gesprochen ist unser Verständnis einer durchgängigen Identität, sieht man vom Genom ab, also eine Illusion.

Schwache Korrespondenztheorie

Es gibt einige Gründe, die evolutionsbiologisch für eine schwache Korrespondenztheorie sprechen. Je weiter sich das Gehirn von Wirbeltieren entwickelt, desto unspezifischer sind die Areale in der Großhirnrinde; sie lassen sich nicht mehr eindeutigen Funktionen, wie etwa Sehen oder Hören, zuordnen. Dies ermöglicht Wirbeltieren ein flexibles Reagieren auf Umweltereignisse. Anders als Insekten oder Schnecken, die auf einen Reiz eher mit einem festgelegten Verhalten antworten, wird der Input bei höheren Tieren über viele Zwischenstationen hinweg bearbeitet und moduliert. Die jeweilige Reaktion kann dann sehr unterschiedlich ausfallen.

Überleben als entscheidendes Kriterium

Die ursprüngliche klassische Anpassungstheorie geht davon aus, dass sich die Reaktionen eines Organismus als Anpassung an seine Umwelt gebildet haben und demnach in ihrem Erfolg auch davon abhängen, wie gut diese Umwelt abgebildet und erkannt wird. Für die biologische Systemtheorie hingegen ist der Erfolg der jeweiligen Reaktion von der Anpassung an die Umwelt entkoppelt. Demnach ist das entscheidende Kriterium vor allem, ob ein Organismus überlebt oder nicht. Die inneren Gesetzmäßigkeiten eines lebenden Systems sind dabei nicht als unveränderlich zu sehen, sondern stehen in einem dynamischen Wechselwirkungs- und Entwicklungsprozess.

Selbst zur Entwicklung hochkomplexer Lebensformen scheint die Natur nur wenige Schlüsseldaten genetisch festzulegen; sie scheint es dem System selbst zu überlassen, die Antworten auf die Herausforderungen im Leben zu finden. (Vester 2002) Die inneren Gesetzmäßigkeiten geben dem Organismus seine Ausprägung und »Geschlossenheit«, während zugleich eine Öffnung zur Umwelt durch die Notwendigkeit des Stoffwechsels erhalten bleibt. Reine Isolation würde ein homöostatisches Gleichgewicht bedeuten, was für lebende Systeme nicht möglich ist. Dieses fiktive thermodynamische Gleichgewicht würde für lebende Systeme auch bedeuten, dass keine Information im System entstehen kann. (Eigen 1987) Stagnation und Gleichgewicht können nur temporär bestehen. Bestand auf Dauer hat nur der Prozess. Lebende Systeme ähneln eher einem Fluss als etwas Statischem. Das zeigt sich schon auf der Ebene der sich ständig regenerierenden Zellen: »Der Körper gibt den Erinnerungen nur ein Zuhause.« (Chopra 1990, 87)

Veränderung und Umfeld

Die Vertreter des traditionellen Darwinismus argumentieren gegenüber den modernen Selbstorganisationstheoremen der Evolutionsbiologie, dass die Repräsentationstheorie der Anpassung sich doch schon darin zeige, dass ein und derselbe Organismus sich je nach Umfeld, in dem er aufwächst, verändert. Halbiert man beispielsweise eine junge Löwenzahnpflanze längs und pflanzt eine Hälfte im Tiefland, die andere im Hochland an, bildet die Tieflandform längere Stängel und größere Blätter aus, während die Hochlandform kürzere Stängel, kleinere Blätter und tiefer reichende Pfahlwurzeln entwickelt. (Otto/Ondarza 2009) Dies ist aber kein wirklicher Einwand gegen die Selbstorganisationstheorie, da diese Veränderungen im Kontext von Umwelteinflüssen keineswegs ausschließt. Im Gegensatz zur traditionellen darwinschen Lehre wird die Veränderungsleistung aber nicht als Repräsentationsleistung gewertet, vielmehr entsteht die Veränderung durch eigengesetzliche Operationen des Organismus. Mit anderen Worten: Die Umgebung beeinflusst die Pflanze jeweils unterschiedlich; die Lösung, die der Löwenzahn hierfür findet, beruht jedoch auf seiner inneren Organisation.

Hierzu ein Beispiel mit einfacheren Organismen: Wenn wir an die Orientierung von Bakterien in der Umwelt denken, macht es kaum Sinn, von Erkenntnis, Wahrnehmung und Repräsentation der äußeren Umwelt zu sprechen. Vielmehr werden physische Änderungen registriert und bewertet, so etwa, wenn sich Bakterien auf Zucker oder Licht zu- bzw. von Säure oder Wärme fortbewegen. Die Impulse von außen sind nicht instruktiv, sondern nur restriktiv. Die traditionelle darwinsche Lehre versteht Anpassung als Repräsentation der Umwelt, die moderne Evolutionsbiologie versteht sie im Sinne der Selbstorganisation als Überlebensfähigkeit. Veränderungen zwingen uns zur Anpassung. Aber auch hier gilt: Je größer unsere Fähigkeit ist, uns so zu organisieren, dass dies mit den Anforderungen der Umwelt übereinstimmt, umso erfolgreicher können wir Veränderungen bewältigen und umso besser sind unsere Regenerationsaussichten nach Rückschlägen, psychologisch auch Resilienz genannt. (Joyce 2008)

Komplexe Lebensformen – nach darwinistischer Theorie unsinnig

Der moderne evolutionsbiologische Gedanke der Koevolution von makro- und mikroskopischen Lebensaspekten modifiziert das darwinistische Verständnis von rückkopplungsfreier Anpassung des Lebens an eine vorgegebene Umwelt. Im Darwinismus passt sich die Mikroevolution an eine Umwelt an, deren Evolution nicht im Fokus steht. Postdarwinistische Evolutionsbiologie sieht jedoch nicht in der erfolgreichen Anpassung des Lebens an eine bestehende Umwelt das formende Element, vielmehr bestimmt demnach die Gesamtheit der ökologisch vernetzten Lebensprozesse die genetische Verankerung von Lebensformen. Bestünde der Sinn der Evolution in der darwinistischen Anpassung, so wäre die Entwicklung komplexer Lebensformen unsinnig, die frühesten Lebewesen waren bereits weitaus besser an ihre Umwelt angepasst. (Jantsch 1992)

Konkurrenz, Kooperation und Koevolution

Kooperation – wichtiger als Konkurrenz

Darwin hat die Rolle der Konkurrenz überbetont, und dies ist später im Sozialdarwinismus, insbesondere bei den Nationalsozialisten, missbraucht worden. In der modernen Evolutionsbiologie wird dagegen die Bedeutung der Symbiose in der Natur betont. Mehr als die Hälfte der Biomasse lebt in symbiotischen Beziehungen. Und auch für die heutige Ökonomie mit ihren hochkomplexen Produkten ist Kooperation nicht nur logistisch eine Voraussetzung für den Erfolg. Die zukünftigen globalen Herausforderungen lassen sich nur synergetisch und kooperativ lösen, miteinander und nicht gegeneinander. Betrachtet man die evolutionsbiologischen Prinzipien näher, so zeigt sich, dass dem (sozial-)darwinistischen Begriff der Konkurrenz nicht die Bedeutung zusteht, die er vielfach bekommen hat. Kooperation und Kreativität haben demgegenüber eine viel stärkere Rolle in der Evolution gespielt.

Schon der russische Fürst Peter Kropotkin, ein Zeitgenosse Darwins, wies darauf hin, dass bereits im Tierreich die gegenseitige Unterstützung unter Artgenossen und ihre Verteidigung mehr zähle als das Prinzip von Kampf und Konkurrenz. So steht für Kropotkin fest, dass die im Sinne Darwins »Fittesten« nicht diejenigen sind, die ständig Krieg gegeneinander führen, sondern die, die sich unterstützen und wechselseitige Hilfe annehmen. Ameisen und Bienen etwa hätten auf den hobbesschen »Kampf aller gegen alle« verzichtet und stünden sich besser dabei.

Kritik an Darwins Selektionsprinzip

Kropotkin geht so weit, einen evolutionären Imperativ aufzustellen: »Streitet nicht! … Daher vereinigt Euch – übt gegenseitige Hilfe!« (Kropotkin 1908, 67f.) Streit und Konkurrenz seien für eine Art immer schädlich. Auch lehre die Natur uns, dass die Mittel zur Vermeidung von Kampf vorhanden sind. Zwar könne im Kampf ums Überleben während bestimmter Lebensperioden, bestimmter Jahreszeiten oder Generationen tatsächlich eine Selektion der Fittesten erfolgen, das aber sei kein allgemeines evolutionäres Prinzip. Wenn sich die Evolution zu einem Großteil auf das Überleben der Fittesten in Zeiten des Unglücks gründen würde, so wäre nicht Darwins nach oben gerichteter Gradualismus die Folge, sondern der evolutionäre Rückschritt. Dies liegt für Kropotkin daran, dass natürliche Auslese lediglich diejenigen Individuen schonen kann, die mit der größten Fähigkeit zur Entbehrung begabt sind, letztlich aber in ihren Möglichkeiten immer hinter denjenigen zurückbleiben, die bessere Umstände vorfinden. Diese Kritik an Darwins Selektionsprinzip hatte bereits Tschernyschewski angeführt: »Das Übel kann kein Gutes hervorbringen.« (Zit. nach: Kropotkin 1908, 66) Vielmehr sei zu beobachten, dass die natürliche Auslese fortwährend gerade solche Wege wählt, bei denen sich Konkurrenz möglichst vermeiden lässt.

Koevolution

Die Prinzipien von Kooperation und Selbstorganisation führen zu einem weiteren Prinzip der Systemtheorie, dem der Koevolution. Im Gedanken der Koevolution beeinflussen sich zwei benachbarte Systeme, und aus diesen Feedbackschleifen entstehen emergente Systeme, die Lernen und Evolution auf einer höheren Ebene ermöglichen. (Johnson 2001) Evolution lässt sich nicht auf die einseitige Anpassung eines Organismus an die Umwelt beschränken, weil die Umwelt selbst wieder durch lebende Systeme gestaltet wird, die wiederum zur Anpassung und Kreativität fähig sind. Die Frage, wer sich nun wem anpasst, lässt sich daher am ehesten dadurch beantworten, dass es eine gemeinsame, fortwährende Entwicklung gibt. (Lovelock 1991)

Der Gedanke der Koevolution rückt die Integration pluraler Lebensformen in den Mittelpunkt, Leben, das nicht darauf aus ist, sich gegenseitig zu zerstören, sondern vor allem daran interessiert ist, zu überleben, in Koevolution mit anderen Lebensformen. Selbst da, wo auf denselben Lebensraum und dieselben Ressourcen zurückgegriffen wird, kommt es selten zu einem Konkurrenzkampf, bei dem nur der Stärkere überlebt.

Vernetzung statt Kampf

Es gibt dagegen viel mehr Beispiele für Koexistenzen, die sich nebeneinander entwickeln, um sich gegenseitig nicht mehr zu stören. Die Leguane der Gattung Anolis beispielsweise leben in der Dominikanischen Republik eng zusammen und ernähren sich von denselben Insekten. Jede Art bewohnt jedoch eine andere Ebene der Bäume, manche bevorzugen den Schatten, manche die Sonne – und so vermeiden sie einen Konflikt. (Otto/Ondarza 2009) Leben hat die Erde nicht durch Kampf, sondern durch Vernetzung erobert, wie es die Biologin Lynn Margulis (Margulis/Sagan 1986) ausdrückt. Die These, dass individuelle Konkurrenz die dominante evolutionäre Überlebensstrategie sei, ist auch schon deshalb angreifbar, weil Individualismus in der Evolution erst spät auftritt. Primitives Leben ist dagegen in hohem Maße durch makroskopische Strukturen wie Kolonien, Gesellschaften und Ökosysteme geprägt.

Dawkins und das »egoistische Gen«

Das Konzept der »egoistischen« Gene, das der Biologe Richard Dawkins entworfen hat (1989), widerspricht nicht den Prinzipien von Kooperation und Koevolution, auch wenn das auf den ersten Blick so scheinen mag. Das Interesse der Gene, nicht nur auf den eigenen Fortpflanzungserfolg zu blicken, sondern auch auf den der Verwandten, kann man zwar im weiteren Sinne egoistisch nennen, im Rahmen der Erhaltung des Genpools liegt hier aber durchaus auch ein kooperatives Verhalten vor. Kooperation ist sogar als eine der Grundeigenschaften von Genen zu verstehen. Über den selektiven Druck und die damit verbundene Reproduktionsfähigkeit hinaus verdanken Gene ihre komplexe Entwicklungsfähigkeit vor allem drei biologischen Grundprinzipien, dem der Kooperation, der Kommunikation und der Kreativität.

Insbesondere der Kooperation wird dabei eine zentrale Rolle für die Entstehung lebender Systeme zugeschrieben: »Erste lebende Systeme waren entscheidend mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Keine der Komponenten innerhalb eines Ensembles – weder RNS noch Proteine – war autonom. Es herrschte ausnahmslos wechselseitige Abhängigkeit. Nichts konnte geschehen außer durch Kooperation.« (Bauer 2008, 35)

Der Freiburger Genforscher Joachim Bauer wendet sich gegen Dawkins’ Konzept »egoistischer Gene«, auch wenn es als biopsychologisches Korrelat vorzüglich zur herrschenden Wirtschaftsordnung passen würde. Vielmehr unterliege die DNS samt den enthaltenen Genen der Regie der Zelle. Biologische Kooperation kann nach Bauer demnach nicht als Mittel zum Zweck im Überlebenskampf gesehen werden. (Bauer 2008, 36)

Ein gutes Beispiel für biologische Kooperation ist auch das biologische Prinzip der Endosymbiose, das dem Darwinismus widerspricht. Etwa vor zwei Milliarden Jahren waren die sogenannten Archaeazellen nicht in der Lage, mit der Zunahme an Sauerstoff umzugehen. Doch anstatt in darwinistischer Selektion unterzugehen, nahmen sie Bakterien in sich auf, die Sauerstoff verbrauchten resp. erzeugten, und ließen durch diese Endosymbiose einen neuen Zelltyp entstehen, der zur Basis für alle späteren Tier- und Menschenkörper (als Sauerstoff verbrauchende Version) wie auch für alle Pflanzen (als Sauerstoff produzierende Version) werden sollte: die eukaryontische Zelle.

Evolution meint nicht die Entwicklung von Einzelkämpfern

Die amerikanische Biologin Lynn Margulis beschrieb die Theorie der endosymbiotischen Entstehung eukaryontischer Zellen bereits 1970. Dieser Theorie zufolge geben die Teilnehmer ihre Identität in der Fusion nicht völlig auf. Erstmalig lässt sich der Gedanke der Endosymbiose sogar schon 1905 in den Forschungen des russischen Biologen Mereschkowski nachweisen. Er konnte als antidarwinistisches Evolutionsprinzip später bestätigt werden. (Kutschera 2009) Die Endosymbiose zeigt sogar, wie Kooperation zwischen der Sauerstoff produzierenden Pflanzenwelt und einer Sauerstoff verbrauchenden Tierwelt funktioniert: »Die Evolution ist keine Entwicklung von Einzelkämpfern (weder einzelkämpferischer Individuen noch einzelkämpferischer Spezies), sie ist eine Entwicklung von biologischen Systemen.« (Bauer 2008, 54)

Die Analogie mit einfachen Organismen setzt das menschliche Leben keineswegs herab. Wir können die Geschichte auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Prokaryontische Bakterien haben sich im Laufe der Evolution in eukaryontische Zellen mit Zellkern gewandelt, die sich dann in selbstorganisatorischer Weise zu pflanzlichen und tierischen Vielzellern weiterentwickelt haben. Und diese wurden im Laufe der Evolution ihrerseits wieder zum Wirt für Bakterien; wir tragen mehr bakterielle DNS in uns als eigene. So könnten wir auch bescheiden feststellen: »In fact bacteria dominates the earth’s biomass. Standing on the sun, who would you say rules the earth?« (Meyer/Davis 2003, 245)

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