Kitabı oku: «Selbstoptimierung und Enhancement», sayfa 4

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1.3.2 Notwendigkeit einer normativen Rechtfertigung von Therapie und Enhancement

Die Begriffe „Gesundheit“ und „Krankheit“ sind nicht neutral, sondern wertend und bringen mit ihren Konnotationen lebensweltlich kaum hinterfragte implizite Werthaltungen zum Ausdruck: „GesundheitGesundheit“ gilt allgemein als hoher Wert und hohes Gut, wohingegen „Krankheit“ eine negative Wertung enthält und ein Übel oder eine Notsituation anzeigt. Zudem ist der Krankheitsbegriff ein „praktisch normativer Begriff“, weil er mit der Aufforderung zur Bekämpfung des unerwünschten Krankheitszustandes und zur Wiederherstellung von Gesundheit mittels therapeutischer Maßnahmen verbunden ist (vgl. Boppert, 417). Ein in Europa jedem Individuum zugesprochener moralischer und rechtlicher Anspruch auf Gesundheit ergibt sich aber keineswegs automatisch aus deskriptiven Tatsachenbeschreibungen, sondern erfordert eine rationale Begründung mittels ethischer Argumente und allgemein nachvollziehbarer rationaler Gründe. Letztlich ist die Therapie eindeutig Kranker daher genauso rechtfertigungspflichtig wie das Enhancement eindeutig Gesunder. Insofern wird in der Enhancement-Debatte zu Recht verlangt, die Beurteilung der ethischen Notwendigkeit oder Unzulässigkeit von medizinischen Eingriffen müsse unabhängig von der Unterscheidung von Gesundheit und Krankheit bzw. Enhancement und Therapie erfolgen (vgl. TalbotTalbot, Davinia u.a., 260). Unzureichend sind willkürliche Einzelfallentscheidung z.B. anhand des scheinbar voraussetzungsarmen ethischen Kriteriums des Nutzens einer gewünschten Maßnahme, solange sich die Abwägung auf die faktischen subjektiven Präferenzen der beteiligten Ärzte und Patienten beschränkt und die tieferliegenden normativen Hintergrundannahmen unreflektiert bleiben (vgl. SynofzikSynofzik, Matthias 2006, 39). Unabdingbar sind gesellschaftliche Verständigungsprozesse über die für alle Menschen wichtigen Eigenschaften und Fähigkeiten sowie die Aufgaben der Medizin. Denn es müssen gesellschaftliche Entscheidungen über die Verwendung der begrenzten Ressourcen an medizinischem Personal und öffentlichen Geldern für die Entwicklung und Bereitstellung neuer Technologien getroffen werden. Einerseits sind mit den immer stärker werdenden individuellen Wünschen nach Selbstoptimierung Ansprüche und Forderungen auf eine jedem Menschen zustehende medizinische Unterstützung verbunden, die eine Umgestaltung des Gesundheitswesens bedingen. Andererseits beeinflussen die öffentliche Legitimierung, die Schaffung entsprechender institutioneller Rahmenbedingungen und ein immer häufigerer Einsatz neuer medizinischer Praktiken das menschliche Selbstverständnis, die Vorstellungen von Lebensqualität und das Zusammenleben in der Gesellschaft. Eindeutig ungerecht wäre eine Regulierung des medizinischen Angebots über den freien WettbewerbGesundheitssystem, marktliberales (Präferenz-Effizienz-Modell) von Angebot und Nachfrage, weil dann Menschen mit seltenen, aber stark beeinträchtigenden Störungen keine Chance auf Hilfe hätten.

Zur Rechtfertigung einer solidarisch zu finanzierenden Therapie bietet sich etwa der handlungsreflexive Ansatz an, wie er von Alan Gewirth und Klaus Steigleder vorgelegt wurde. Den methodischen Ausgangspunkt dieser Moraltheorie bildet die Reflexion auf die notwendigen Bedingungen menschlicher Handlungsfähigkeit, ohne die sich ethische Fragen nach dem richtigen Handeln überhaupt nicht stellen würden (vgl. dazu Fenner 2007, 116ff.). Zu den grundlegendsten Voraussetzungen für freiwilliges und zielgerichtetes menschliches Handeln gehören Freiheit und „Elementargüter“ wie Leben, physische und psychische Integrität (vgl. Steigleder, 158f.). Als ethisch geboten lassen sich auf diese Weise zum einen medizinische Maßnahmen ausweisen, die das Überleben und die Intaktheit grundlegender physischer und psychischer Funktionen gewährleisten: Während lebensbedrohliche, Lebensfunktionen mindernde oder schmerzhafte Krankheiten klarerweise die physische Integrität beeinträchtigen, gefährden psychische Störungen wie Ängste oder Depressionen die psychische Integrität der Handlungssubjekte. Zum andern kann durch die gleichen Krankheiten sowohl die HandlungsfreiheitFreiheit aufgrund von Einschränkungen der körperlichen Bewegungsmöglichkeiten als auch die WillensfreiheitFreiheitWillens-, Autonomie (positive) oder Selbstbestimmung infolge verzerrter psychischer Funktionen des Wahrnehmens, Fühlens und Urteilens eingeschränkt werden (Kap. 2.3). Vor dem Hintergrund individuell sehr unterschiedlicher Lebensziele und -konzepte können sich zwar dieselben Krankheiten sehr unterschiedlich auf die Handlungsfähigkeit verschiedener Personen auswirken. So schränkt eine Mehlstauballergie einen Bäcker, nicht aber das Vorstandsmitglied einer Bank ein, und Probleme mit der Handsehnenscheide bedeuten für einen Berufsmusiker eine viel stärkere Beeinträchtigung als für einen Gesprächspsychotherapeuten (vgl. Bobbert, 430). Gemäß Norman DanielsDaniels, Norman Konzept des „normal functioning“ sollen Krankheiten aber unabhängig von solchen divergierenden Auswirkungen aufgrund unterschiedlicher Talente behandelt werden, damit allen Menschen ein normales Chancenspektrum zukommt: Gemeint ist die Gesamtheit aller Lebenspläne, die vernünftige Personen in einer bestimmten Gesellschaft zur jeweiligen Zeit wählen und von denen jedes Handlungssubjekt den zu seinen individuellen Fähigkeiten am besten passenden realisieren können soll (vgl. DanielsDaniels, Norman, 33f.). Letztlich ist die durch eine medizinische Grundversorgung zu schützende allgemeine „Handlungsfähigkeit“ also in der jeweiligen Gesellschaft zu konkretisieren, weil z.B. eine Dyslogie nur in einer litteralen Gesellschaft eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet (vgl. dazu BuchananBuchanan, Alan, 122f.). Die ethische Legitimität des Enhancements zu prüfen ist Aufgabe der kommenden Kapitel.

1.4 Wichtige Unterscheidungen und Positionen von Biokonservativen bis Transhumanisten
1.4.1 Elementare Differenzierungen von Verbesserungs-Handlungen

Kompensatorische – progrediente Verbesserungen

Für eine differenzierte Beurteilung der Selbstoptimierung sind neben der äußeren Abgrenzung gegenüber therapeutischen Maßnahmen noch einige Binnendifferenzierungen erforderlich. Das wichtigste begriffliche Gegensatzpaar ist dasjenige von „kompensatorischen“, d.h. „ausgleichenden“, und „progredienten“ oder „progressiven“ Verbesserungen (vgl. NagelNagel, Saskia u.a., 32/GesangGesang, Bernward, 70/FinkFink, Helmut, 15): Kompensatorisches EnhancementEnhancementkompensatorisches meint Verbesserungen menschlicher Eigenschaften oder Fähigkeiten, die unterdurchschnittlich ausgeprägt sind und auf ein „normales“ oder durchschnittliches Niveau in einer Gesellschaft angehoben werden. Strenggenommen ist die Begriffsfügung „kompensatorisches Enhancement“ jedoch widersprüchlich, nachdem oben das „Enhancement“ als biomedizinische Verbesserung des menschlichen Organismus über ein bestimmtes Maß an Normalität oder normalem Funktionieren eines Menschen hinaus definiert wurde (Kap. 1.1). In einem engen oder eigentlichen Sinn wäre nur das in der Debatte zumeist im Zentrum stehende „progressive“ oder progrediente Enhancement überhaupt ein „Enhancement“, weil es sich nur bei diesem um eine Steigerung über das Normalmaß hinaus handelt. Wird das Adjektiv „kompensatorisch“ statt mit dem Neologismus „Enhancement“ mit den allgemeineren Begriffen einer prozessual verstandenen „Verbesserung“ oder „Selbstoptimierung“ kombiniert, verschwindet zwar der begriffliche Widerspruch, aber die Grenze zur Therapie verwischt. Denn jede Therapie zur Behandlung von Krankheiten ist genau besehen nichts anderes als eine kompensatorische Verbesserung, weil durch die Heilung der Krankheit als einer Funktionsstörung ein speziestypisches Normalniveau erreicht werden soll. Das „kompensatorische Enhancement“ ließe sich jedoch als eine Zwischenstufe zwischen „Therapie“ und „progredientem Enhancement“ interpretieren, in der anders als bei der Therapie keine medizinische Indikation bzw. kein Krankheitswert vorliegt. Ein „kompensatorisches Enhancement“ oder eine „kompensatorische Selbstoptimierung“ wären somit Verbesserungen von Eigenschaften oder Fähigkeiten, die nach dem objektiven biostatischen Modell nicht krankhaft verändert sind, sich aber unterhalb des Durchschnitts bzw. der rein statistischen gesellschaftlichen „Normalität“ befinden (Kap. 1.3; 2.4). Ethisch relevant ist der Unterschied zwischen „kompensatorischem“ und „progredientem Enhancement“, weil „kompensatorische“ Verbesserungen nicht in gleicher Weise wie „progrediente“ mit Gerechtigkeitsproblemen und der Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens der Schere in der Gesellschaft verknüpft sind (vgl. unten).

Autonome – heteronome Verbesserungen

Eine weitere elementare Unterscheidung ist die zwischen einem „autonomen, dezentralen, individuellen“ und einem „heteronomen“ und in den meisten Fällen „zentralen, staatlichen“ Enhancement (vgl. GesangGesang, Bernward, 38f./BrockBrock, Dan 1998, 52ff.). In aktuellen Diskussionen über Selbstoptimierung und Enhancement wird ohne weitere Angaben stets von einem autonomen, freiwilligen EnhancementEnhancementautonomes, freiwilliges ausgegangen, bei dem ein freies, autonomes Wesen Urheber der Optimierungsmaßnahmen ist. Es ist also das Individuum selbst, das sich freiwillig für Veränderungen entscheidet, die es persönlich für Verbesserungen hält. Diese Form der Selbstoptimierung wird auch als „liberales Enhancement“ bezeichnet, weil im Liberalismus die individuelle Freiheit großgeschrieben wird (vgl. AgarAgar, Nicolas 2004, 5/GesangGesang, Bernward, 38). Beim heteronomen, staatlichen EnhancementEnhancementheteronomes, staatliches legen im Gegensatz dazu der Staat oder andere Menschen fest, was eine Verbesserung sein soll. Die Optimierungsziele werden den Einzelnen also von außen vorgegeben und eventuell sogar mit einem geeigneten Sanktionensystem durchgesetzt. Formen eines repressiven „heteronomen, staatlichen Enhancements“ finden sich real nur in totalitären Staaten, wo ein diktatorisches Regime auf der Grundlage demokratiefeindlicher politischer Programme fragwürdige „Verbesserungen“ durchzusetzen versucht wie in der Vergangenheit im nationalsozialistischen Deutschland mit seinem Eugenik-Programm oder in der Gegenwart im kommunistischen China mit einem noch im Aufbau befindlichen Social-Credit-System. Da ein solches diktatorisches heteronomes Enhancement mit den in liberalen Demokratien garantierten Freiheitsrechten unvereinbar ist, geht es in aktuellen Debatten fast ausschließlich um ein autonomes, freiwilliges Enhancement. Als gangbares Zwischenmodell zwischen einem radikalen marktliberalen und einem diktatorischen heteronomen Enhancement-Modell werden am Rande aber auch die demokratisch legitimierte Form eines Enhancementsozialdemokratischessozialdemokratischen Enhancements diskutiert, bei dem zentral gesteuerte Maßnahmen zur Förderung von menschlichen Grundgütern und -fähigkeiten oder zur Vermeidung großer Nachteile für Individuum oder Gesellschaft auf demokratische Weise beschlossen werden (vgl. BrockBrock, Dan 1998, 53/GloverGlover, Jonathan, 51). Letztlich kommt ein bürgerliberaler Staat mit einer sozialen Marktwirtschaft zumindest um eine gesellschaftliche Rahmenordnung mit Restriktionen für ein marktliberales Enhancement nicht herum, um eine weitere Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheit zu vermeiden (vgl. GesangGesang, Bernward, 52f./BuchananBuchanan, Alan u.a., 339f.). Die Bürger könnten dann aber unter den staatlich erlaubten oder sogar finanziell unterstützten Hilfsmitteln immer noch frei auswählen oder darauf verzichten.

Moderate – radikale Verbesserungen

Als wichtig erachtet wird oft auch der Gegensatz von „moderatenEnhancementmoderates“ und „radikalenEnhancementradikales“ Verbesserungen (vgl. AgarAgar, Nicolas 2014, 2f./GesangGesang, Bernward, 39f.): Bei moderaten Verbesserungen werden die beim Menschen bereits vorhandenen Eigenschaften und Fähigkeiten in moderaten, d.h. bescheidenen oder gemäßigten Schritten gesteigert, sodass sie innerhalb oder nahe an den bereits menschenmöglichen bleiben. Die etwa von Trans- oder Posthumanisten anvisierten radikalen Verbesserungen sind demgegenüber extreme Steigerungen auf Spitzenwerte, die bisher von Menschen noch nicht erreicht wurden. So könnte beispielsweise eine Steigerung der Intelligenz bis etwa 10 Punkte im IQ-Test als moderat, die um 100 Punkte hingegen als radikal bezeichnet werden. Die Verteidiger dieser begrifflichen Abgrenzung geben zwar zu, dass die Trennlinie zwischen moderatem und radikalem Enhancement nur vage und grob angegeben werden kann (vgl. Agar 2014, 3/GesangGesang, Bernward, 41). Sie sei aber aus ethischen Gründen außerordentlich wichtig, weil nur moderate Verbesserungen ethisch erlaubt werden könnten. Dafür werden zum einen moralische Gründe geltend gemacht, die auf negative Folgen eines radikalen Enhancements für andere Menschen oder die Gesellschaft aufmerksam machen: Da solche radikale Verbesserungen durch traditionelle Methoden wie Training und Bildung nicht mehr kompensiert werden können, wären Naturbelassene stark benachteiligt und es könnte schlimmstenfalls zu einer Spaltung der Gesellschaft kommen (vgl. Agar 2014, Kap. 8/GesangGesang, Bernward, 52f.). Zum anderen werden individualethische, das Glück der Einzelnen betreffende Gründe angeführt (vgl. AgarAgar, Nicolas, Kap. 2–5): Obwohl objektiv betrachtet jede Steigerung wünschenswerter Fähigkeiten eine Verbesserung darstelle, nehme die Bedeutung von neuen, sich von bisherigen Standards weit entfernenden Erfahrungen für die Menschen selbst von einem bestimmten Punkt an notwendig wieder ab (vgl. 3f.; 17). Allerdings erfolgen selbst die von Posthumanisten angestrebten radikalen Verbesserungen faktisch immer schrittweise im Laufe einer längeren technischen Entwicklungsphase, während der sich menschliche Vorstellungskraft, Tätigkeitsfelder und Normen kontinuierlich anpassen können. Individualethisch fatal wären nur eher unwahrscheinliche Identitätsverluste oder Entfremdungserfahrungen infolge radikaler plötzlicher Veränderungen (vgl. ebd., Kap. 4). Gegen die angeblich ethisch zentrale Unterscheidung zwischen radikalem und moderatem Enhancement spricht außerdem, dass moderates Enhancement prinzipiell kumulierbar ist und viele moderate Verbesserungen ein radikales Enhancement ergeben. Um die erwähnte moralische Gefahr zu bannen, müsste die Grenze eines moderaten EnhancementsEnhancementmoderates daher absolut angegeben und staatlich kontrolliert werden können (vgl. GesangGesang, Bernward, 65).

Intrinsische – extrinsische Verbesserungen

Zumeist eher implizit werden „intrinsische“ und „extrinsische“ Optimierungsziele und damit „intrinsische“ und „extrinsische Verbesserungen“ voneinander abgegrenzt (vgl. Agar, 18; 26/ GesangGesang, Bernward, 47): EnhancementintrinsischesIntrinsische Verbesserungen tragen ihren Wert in sich selbst, indem sie den optimierten Individuen zu in sich wertvollen Eigenschaften und Fähigkeiten oder zu dadurch ermöglichten selbstzweckhaften Tätigkeiten verhelfen.Tätigkeitenintrinsische/praxisorientierte Intrinsische Güter sind Zustände oder Tätigkeiten, die wie z.B. Freude, Lust, Spazieren oder Musizieren ungeachtet ihrer nützlichen Folgen um ihrer selbst willen gewünscht werden und zu einem guten Leben beitragen (Kap. 2.1). EnhancementextrinsischesExtrinsische Verbesserungen jedoch haben lediglich instrumentellen Wert und werden aufgrund „externer“ äußerer Vorteile für die Betroffenen selbst oder andere Personen geschätzt. Tätigkeitenextrinsische/ergebnisorientierteTypische externe Ziele sind äußere Belohnungen, soziale Anerkennung und beruflicher Erfolg. Diese begrifflich scharfe Entgegensetzung suggeriert jedoch fälschlicherweise eine Aussließlichkeit. Denn die meisten im Rahmen der Selbstoptimierung vorgenommenen Veränderungen stellen ebenso intrinsische wie auch extrinsische Verbesserungen dar, weil die erreichten besseren Eigenschaften oder Fähigkeiten sowohl von intrinsischem als auch extrinsischem Wert sind: So können z.B. pharmakologisch optimierte kognitive Fähigkeiten nicht nur die Karriere befördern, sondern auch viel Freude und Zufriedenheit beim effizienteren Erlernen neuer Sprachen, beim verfeinerten Kunstgenuss oder wissenschaftlichem Arbeiten mit sich bringen. Infolgedessen greift der häufige Vorwurf gegen das Selbstoptimierungsstreben insgesamt oder gegen ein radikales Enhancement zu kurz, es gehe dabei statt um intrinsische lediglich um extrinsische Güter. Da individuelle Optimierungsmaßnahmen prinzipiell auch wegen intrinsischer Güter vorgenommen werden können, sind Selbstoptimierung und Enhancement nicht notwendig auf externeEnhancementextrinsisches, Enhancementmoderatesinstrumentelle Gütern eingeschränkt. Lediglich bestimmte Formen oder Mittel der Selbstoptimierung wie beispielsweise die digitale Selbstvermessung drohen die intrinsische Motivation etwa am Laufen zu schmälern, sofern sie zu einer permanenten Fokussierung auf die angezeigten Zahlenwerte oder Lob bzw. Ermahnungen durch die Geräte verleiten (Kap. 3.2). Nicht überzeugend begründen oder belegen lässt sich auch die abstrakt-allgemeine These, nur der instrumentelle Wert nehme mit einem Enhancement immer weiter zu, wohingegen der intrinsische bei radikalen Veränderungen irgendwann notwendig abnehme (vgl. AgarAgar, Nicolas, 28/oben).

Absolute, nichtkompetitive – relative, kompetitive Verbesserungen

Unmittelbar verknüpft mit dem Gegensatzpaar „intrinsisch“ und „extrinsisch“ ist dasjenige von „absoluten, nichtkompetitiven“ und „relativen, kompetitiven“ Verbesserungen, wobei „kompetitiv“ so viel wie „wetteifernd, sich mitbewerbend“ meint: Enhancementabsolutes, nichtkompetitivesAbsolute, nichtkompetitive Verbesserungen sind intrinsische Verbesserungen, deren Wert oder Nutzen völlig unabhängig von einem Vergleich mit anderen Menschen für sich besteht. Demgegenüber bemisst sich der Wert oder Nutzen von Enhancementrelatives, kompetitivesrelativen, kompetitiven Verbesserungen in Relation zu Eigenschaften oder Fähigkeiten der Konkurrenten. Da es also um einen Vergleich mit der „Position“ oder Stellung der Mitmenschen geht, spricht man statt von kompetitiven auch von positionalen Gütern in Unterschied zu absoluten Gütern (vgl. RanischRanisch, Robert u.a., 46f./AchAch, Johann 2016, 124). Typische Beispiele für solche positionale Güter sind Körpergröße, Schönheit oder geistige Leistungsfähigkeit, deren Nutzen sich einem „Mehr“ gegenüber Menschen mit geringerer Körpergröße, Schönheit oder Leistungsfähigkeit zu verdanken scheint. Der gängige Vorwurf gegen Enhancement allgemein oder speziell ein solches relatives, kompetitives Enhancement lautet, dieses sei unfair und selbstwidersprüchlich (vgl. BrockBrock, Dan 1998, 60/SchleimSchleim, Stefan, 200f.): Aus moralischer Perspektive sei das Enhancement in Wettbewerbssituationen verwerflich, weil sich nicht alle die Optimierungsmaßnahmen leisten könnten und der Nutzen des einen zwangsläufig auf Kosten anderer gehe (vgl. dazu oben/Kap. 4.4). Wenn sich hingegen alle Menschen gewisse Verbesserungen wünschten und auch erzielen könnten, wäre das Enhancement widersprüchlich und selbstzerstörerisch. Denn in diesem Fall würde niemand von der vermeintlichen Verbesserung profitieren, weil es zu einem sinnlosen „Wettrüsten“ käme, bei dem niemand seine Position verbessern könnte. Würden beispielsweise alle Menschen ihre Körpergröße manipulieren oder ihr Hirn „dopen“, würde sich lediglich die Durchschnittsgröße bzw. die Leistungsgrenze nach oben verschieben und alle müssten die Kosten für den Aufwand sowie allfällige Risiken der Medikamente tragen. Bei dieser Kritik wird aber einseitig der außenorientierte Leistungsaspekt hervorgehoben und fälschlicherweise unterstellt, alle Formen von Enhancement würden nur extrinsische, kompetitive Vorteile mit sich bringen. Neben den oben erwähnten absoluten privaten Vorteilen wie Freude an der Schönheit oder Wertschätzung des differenzierteren Denkens könnten zudem noch absolute gesellschaftliche Vorteile erzielt werden, indem geistig leistungsfähigere Gesellschaftsmitglieder einen objektiv größeren Beitrag zum Allgemeinwohl z.B. durch wissenschaftliche Entdeckungen leisten.

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9783846351277
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