Kitabı oku: «Todesfalle Campus», sayfa 3

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Ungeduldig pustete sie in ihre Tasse mit Kräutertee. Er würde ihr guttun, aber er war noch viel zu heiß, um ihn zu trinken. Enttäuscht stellte sie die Tasse zurück auf das kleine fahrbare Beistelltischchen, das sie sich an das Sofa herangezogen hatte und ließ sich in die Kissen sinken. Sie war so müde, so schrecklich müde und doch stemmte sie sich mit aller Kraft gegen den Schlaf, der ihren Körper gefangen nehmen wollte. Der ihn schwer wie Blei hinunter in die rabenschwarze Welt ihrer Albträume zu ziehen versuchte.

In diesen Albträumen stand sie am Gitter und schaute zu, wie das Monster zuschlug. Wie es quälte und zerstörte und schließlich tötete. Sie konnte nicht weglaufen, weil ihre Beine ihr den Dienst versagten. Sie wollte die Augen schließen, doch selbst dann hörte sie ja noch die entsetzlichen Schreie, wie von einem Tier. Nichts Menschliches lag mehr darin. Und immer spielte diese Musik, diese fürchterliche Musik, die so laut war, als müsse sie das, was geschah, überstrahlen, als könne sie es ungeschehen machen, wenn sie nur laut genug spielte. Als wäre alles nur ein großes Fest zu Ehren des Bösen, als wären alle gekommen, um seiner Zerstörungswut zu huldigen … und sie war mittendrin, gefangen in ihren eigenen Wünschen und Gedanken, von ihrer eigenen Hoffnung auf Gerechtigkeit, gefangen in ihrer Verletztheit und ihrer großen, großen Angst.

Sie sackte noch tiefer in die Kissen. Nur kurz ihren Kopf anlehnen, nur kurz die Augen schließen, auch wenn sie auf keinen Fall einschlafen durfte. Ihre Muskeln schmerzten wie nach einem langen Fieber. Sie fühlte sich so matt, und doch wusste sie, dass es kein Fieber war. Nie wieder wollte sie die Augen schließen, nie wieder in Ruhe schlafen. Sie war zur Komplizin eines Monsters geworden, ohne die Kraft sich ihm zu entziehen. Warum nur hatte sie in diesen Strudel aus Lüge und Betrug, aus Hass und Vergeltung geraten müssen? Warum nur hatte er ihr das alles angetan?


Kaum hatten Franziska und Hannes Vanessa Auerbachs Wohnung betreten, lächelte ihnen die ehemalige Bewohnerin in einem enganliegenden Abendkleid von einem großformatigen Foto sehr selbstbewusst entgegen.

„Für Inszenierungen hatte sie also schon mal was übrig“, kommentierte Franziska das Hochglanzplakat gegenüber der Eingangstür und warf Hannes einen fragenden Blick zu. „Hübsches Mädchen, selbstbewusst und eine eigene Wohnung. Warum hat sie sich bloß auf so einen Fessel-Scheiß eingelassen?“

Hannes zuckte die Schultern, wandte sich ab, öffnete die Tür zur Küche und tastete mit den Händen nach dem Lichtschalter.

Nachdem Hauptkommissar Schneidlinger mit Nachdruck dafür gesorgt hatte, dass die Studentenkanzlei, bei der alle Studierenden der Passauer Uni registriert sind, so spät am Abend nochmals besetzt worden war, war es eine Kleinigkeit gewesen, die Adresse der Toten herauszufinden. Mithilfe des bei ihr gefundenen Schlüssels hatten sie nach zweimaligem Klingeln – für den Fall, dass sie nicht allein lebte – die Wohnung im Klosterwinkel geöffnet.

„Hier ist es fast klinisch sauber“, kommentierte Hannes die Kücheneinrichtung. Er zog einige Schubladen auf und inspizierte den Inhalt des Kühlschrankes. „Es gibt weder Wurst noch Bier. So wie es hier aussieht, hat sie sich von Joghurt ernährt.“

Franziska nickte und ging vor ihm her ins Wohnzimmer. Es war nicht besonders groß und unspektakulär möbliert: ein Sofa, eine Anrichte, ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen, Bücherregal, Fernseher. Vor dem Fenster hingen Raffrollos in leuchtenden Farben. Franziska zog sie hoch, was den Blick auf den nächtlichen Inn und das auf der anderen Seite liegende, hoch aufragende und sehr schön beleuchtete Kloster Maria Hilf freigab.

„Wahnsinn, was für ein Ausblick“, bemerkte sie und wandte sich vom Fenster ab, um das Regal zu durchsuchen. Da gab es einige Lehrbücher, Ordner, eine Box mit Stiften, Bücher und CDs. Gleich daneben hingen einige Gruppenaufnahmen an einer Pinnwand, wie sie zum Ende der Schulzeit oder ähnlichen Anlässen gern gemacht wurden.

„Kein Foto von einem Mann, aber die hier sind immerhin ein Anfang“, versuchte sich Franziska zu freuen.

„Vielleicht war die Beziehung noch zu neu. Ich meine, wie lange hast du kein Foto von deinem Bühnenkünstler auf dem Schreibtisch stehen gehabt?“

„Hab ich noch immer nicht. Wir teilen unser Büro einzig mit deiner Sabrina“, gab sie schnippischer als gewollt zurück und wandte sich, als sie es bemerkte, rasch dem Tisch zu, der offensichtlich gleichermaßen zum Essen und Lernen genutzt wurde. Neben einer gut gefüllten Obstschale stand dort ein Laptop, der, wie Hannes jetzt feststellen musste, mit einem Passwort geschützt war. Insgesamt fanden die Kommissare alles sehr ordentlich, bis sie ins Schlafzimmer kamen.

„Ups!“ Überrascht hielt Franziska inne. Vor ihren Augen breitete sich das totale Chaos aus. Auf dem großen Bett und dem hellen Holzboden lagen mehrere Blusen, T-Shirts, Hosen, zwei Kleidchen und etliche winzige Dessous verstreut. „Ich würde sagen, hier hat sich jemand nicht entscheiden können.“ Vorsichtig lugte sie in die offenstehenden Türen des Kleiderschranks und zog dann eine enttäuschte Schnute. Denn außer weiteren Klamotten, verschiedenen Schuhen und zwei Handtaschen, die Franziska herausnahm und öffnete, fand sich auch hier kein Hinweis auf einen Mann. „Schade! Ich hab schon gehofft, hier ihr geheimes Lager zu entdecken, wo sie alles bunkert, was Besuchern verborgen bleiben soll“, erklärte sie ihre Enttäuschung.

Hannes trat hinzu, hob einen der am Boden liegenden Büstenhalter auf, wog ihn in der Hand und meinte dann nachdenklich: „Eher Durchschnitt.“

„Ja“, antwortete Franziska, beachtete das billige Spitzengewebe aber nicht weiter. „Wie sieht es im Bad aus?“

„Nichts. Kein Rasierzeug, keine zweite Zahnbürste, kein Schlafanzug.“ Vorsichtig legte er den Büstenhalter aufs Bett zurück. „Vielleicht hat er ja ihre Sachen benutzt?“

„Machst du das?“ Sie blickte Hannes abwartend an, und als er nicht antwortete, fügte sie hinzu: „Das heißt, sie lebte allein, und ob sie eine Beziehung führte, wissen wir nicht.“ Suchend blickte sie sich um und landete schließlich wieder im Wohnzimmer vor den Gruppenbildern, auf denen Vanessa immer in der ersten Reihe stand. „Mensch Mädchen! Wenn wir das Schwein finden sollen, musst du uns schon was über dein Liebesleben preisgeben.“ Sie nahm die Fotos von der Pinnwand und blickte sich suchend nach einem Umschlag zum Verstauen um.

„Hey, hast du das schon gesehen, da hinten steht was drauf!“ Hannes nahm ihr eines der Fotos aus der Hand und drehte es so, dass er es lesen konnte. „Comenius-Gymnasium Deggendorf K12“.

Während Hannes las, nahm sich Franziska das Regal vor. „Schade, sie stand anscheinend nur auf Fantasy-Bücher. Dabei hatte ich gehofft, sie wäre eine SM-Anhängerin gewesen und würde uns vielleicht damit einen Hinweis geben.“ Franziska zuckte enttäuscht mit den Schultern. „Aber zumindest wissen wir jetzt eines ganz sicher: Wenn es einen Mann in ihrem Leben gegeben hat, dann hat sie ihn ziemlich gut versteckt.“

„Also eine typische Studentenwohnung, die nichts über die wahren Vorlieben ihrer Besitzerin aussagt“, kommentierte Hannes, doch das wollte seine Kollegin nicht gelten lassen.

„Das stimmt doch gar nicht.“ Sie blickte auf ihr Handy, um zu sehen wie spät es war und entdeckte eine SMS von Walter, die sie sich aber nicht zu lesen traute. „Wir haben die Fotos und können uns den Laptop vornehmen. Und …“, sie grinste, während sie ein mit dem Uni-Logo versehenes Blatt aus einem Buch zog, „… wir haben das hier!“

Hannes nahm es ihr aus der Hand und überflog den Inhalt. „Eine Ausschreibung für ein Seminar zum Thema „Betriebliches Rechnungswesen“. Wenn sie daran teilgenommen hat, wird vielleicht einer der Teilnehmer etwas mehr über sie wissen.“

Franziska zuckte mit den Schultern. „Das wird sich zeigen, aber es ist zumindest ein Anfang. Und morgen kann sich ja die Spurensicherung noch einmal alles ansehen.“


Obwohl sich Franziska Hannes gegenüber so zuversichtlich gab, hatte sie natürlich sehr wohl gehofft, in der Wohnung einen Hinweis auf eine offensichtliche Beziehung zwischen Vanessa Auerbach und einem Mann zu finden. Ein Foto, eine Anschrift, vielleicht den Freund persönlich, der sich unbeteiligt gab und den sie durch ein paar geschickte Fragen und seine am Tatort hinterlassenen Spuren sehr schnell überführen konnten. Stattdessen musste sie sich mit einem Klassenfoto und einem gesicherten Laptop zufrieden geben. Andererseits konnte sie so in aller Ruhe nach Hause fahren. Sie hatte nur noch rasch Hannes bei seinem Fahrrad an der Uni absetzen müssen. Von dort radelte dieser zu sich nach Hause in den Fuchsbauerweg, wo sein Schätzchen Sabrina, ebenfalls Polizistin, aber bei der Bereitschaftspolizei, auf ihn wartete.

Während Franziska ihm hinterherblickte, fiel ihr die SMS von Walter wieder ein. Er wolle nach seinem Termin am Theater in seine Wohnung fahren und dort übernachten, damit sie sich ganz auf ihren Fall konzentrieren konnte, las sie und war enttäuscht. Eine leere Wohnung und ein leeres Bett – beides fand sie in diesem Moment nicht besonders anziehend. Darum ließ sie ihr Auto vor der Studentenkanzlei stehen und beschloss spontan, noch einen Abstecher zum Inn zu machen, um sich dort in der kühlen Nachtluft den Kopf freipusten zu lassen.

Auf dem gesamten Uni-Gelände war es an diesem Abend beinahe gespenstisch ruhig. Ob es daran lag, dass selbst Studenten nach einer so ausgelassenen Feier wie am gestrigen Abend ein wenig mehr Schlaf benötigten, oder vielleicht doch eher an der Tatsache, dass sich die Nachricht vom Tod ihrer Kommilitonin bereits herumgesprochen hatte, konnte sie nur vermuten. Aus Erfahrung wusste Franziska, dass sich junge Menschen gern für unverwundbar hielten. Vielleicht hatten sich die Studenten ja auch, wenn schon nicht ins eigene Bett, so zumindest in ihre vier Wände oder in eine der Altstadtkneipen zurückgezogen, die als Treffpunkt dienten.

Der Leichnam von Vanessa Auerbach dagegen war längst in der Frauenlobstraße in München angekommen, und mit ein bisschen Glück wurde er dort auch schon obduziert. Je schneller sie das Ergebnis bekämen, desto früher konnten sie die dabei gewonnenen Erkenntnisse verwerten.

Vor dem Tatort hatte Kriminalhauptkommissar Schneidlinger eine Streife postiert, um ihn vor unbefugten Besuchern zu schützen. Die Spurensicherung sollte weitermachen, sobald es hell wurde. Ob sie unter all den Spuren und Fundstücken, die auf dem weitläufigen Gelände verstreut lagen, doch noch eine Tatwaffe finden könnten, oder etwas, was die Aufklärung der Tat beschleunigen würde, war nach einem derartigen Event, wie es zur Tatzeit abgehalten worden war, allerdings mehr als fraglich.

Müde ließ sich Franziska auf einer der vielen Parkbänke nieder und versuchte, an etwas anderes als den brutalen Mord an der Studentin Vanessa Auerbach zu denken, was ihr nicht gelingen wollte. Stattdessen stellte sie weitere Vermutungen an: Welche Art Männer musste sie gekannt haben, damit diese imstande waren, ihr so etwas anzutun?

Franziska blickte auf den nächtlichen Inn, als könne er ihr eine Antwort geben. Vor zwei Jahren hatte hier das Jahrtausend-Hochwasser alles unter sich und den mitgeführten Schlamm- und Sandmassen begraben. Danach waren unzählige ehrenamtliche Helfer ans Werk gegangen und hatten die Stadt in kürzester Zeit wieder aufgeräumt. Fremde, die einfach nur helfen wollten, weil es so unfassbar war, was Wassermassen anrichten konnten.

Hatte auch Vanessa Auerbach sich auf einen Fremden eingelassen oder hatte sie den Mann, der in der vergangenen Nacht mit so viel Brutalität ihr Leben ausgelöscht hatte, tatsächlich gekannt?

In ihrer Wohnung gab es absolut keine Hinweise auf eine Beziehung, weder eine bestehende noch eine vergangene. War sie einfach nicht der Typ gewesen, der die Trophäen vergangener Eroberungen hortete? Oder hatte sie ihr Liebesleben den Prinzipien unserer modernen Wegwerfgesellschaft angepasst: vorbei und weg damit?

Vanessa war ein hübsches Mädchen gewesen, die Haare lang, die Fußnägel lackiert, die Scham rasiert. Eine Frau, die Männern gefallen, von ihnen begehrt und nicht misshandelt werden wollte. Die Wäsche in ihrer Wohnung war weder bieder noch besonders aufreizend. Warum zeigte sie sich dann ausgerechnet an einem Ort wie dem Dublettenmagazin der Zentralbibliothek in einem derart gewagten Outfit?

Dafür konnte es nur eine Erklärung geben. Der Täter musste sie dazu animiert haben, musste die Sachen mitgebracht und sie ihr gegeben haben. Und ihrer Einschätzung nach musste sie sie auch freiwillig angezogen haben. Und dann? Was war dann passiert? Warum war dieses Rendezvous tödlich ausgegangen? Konnte sie wirklich so leichtsinnig gewesen sein, sich mit einem Mann das erste Mal auf diese spezielle Weise zu treffen und keinerlei Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen?

In einer Zeit, in der scheinbar alle auf einer verherrlichenden Sado-Maso-Welle ritten und kritiklos den Kick in der Hingabe ohne Absicherung suchten, war ja vielleicht sogar das möglich. Aber gehörte zu diesem Kick dann auch ein Platz zwischen staubigen alten Büchern und der Möglichkeit, entdeckt zu werden?

Franziska blickte nach links. Der Radweg entlang des Inns führte in dieser Richtung bis zur Ortsspitze, um sie herum und dann an der Donau entlang weiter. Sie wandte den Kopf und schaute nach rechts. In die entgegengesetzte Richtung konnte man bis nach St. Moritz durchradeln. Wobei der Inn mit seinem grünen Gebirgswasser noch etwas höher gelegen im Malojapass entspringt und dann mehr als fünfhundert Kilometer zurücklegt, bis er an der Ortsspitze in die Donau mündet.

Das alles hatte mit der Tat und mit ihrem Fall wenig zu tun, außer dass es zeigte, wie einfach der Täter den Tatort verlassen haben konnte. Wobei er genauso gut zu Fuß über die großangelegten Wiesenflächen, zwischen grillenden und feiernden Studenten oder mit dem Auto über die Innstraße entschwunden sein konnte. Letztlich sogar mit einem Boot.

Denn tatsächlich führten die Rasenflächen bis zum Fluss und wurden immer wieder für spontane Partys genutzt, so wie in der vergangenen Nacht, um das Studentenleben aufzulockern. Hinter ihr wuchsen große Büsche; sie sorgten bei Tag, wenn die Sonne unbarmherzig schien, für Schatten. In der Nacht konnte sich aber auch problemlos jemand dahinter verbergen. Jemand, der ein leichtes Opfer suchte und dieses dann ausgerechnet in den Keller der Zentralbibliothek entführte? Nein, nein, nein, dachte Franziska, nie und nimmer! Und dann begann sie doch ein wenig zu frösteln.

Im Grunde fürchtete sie sich nie oder zumindest nicht auf einer nächtlichen Parkbank auf dem Universitätsgelände. Und auch jetzt, trotz allem, konnte sie sich immer noch nicht vorstellen, dass Vanessa ihren Mörder nicht gekannt haben sollte. Vanessa – sie versuchte der Toten in ihren Gedanken das Gesicht wiederzugeben, ein Gesicht, das der Täter ihr mit Tritten oder Schlägen genommen hatte. Übertötung nennt man das, wusste die Kommissarin und auch, dass dahinter oft der Wunsch des Täters steckte, dem Opfer nicht nur das Leben, sondern auch die Identität zu rauben. Hatte Vanessa diesen Mann aus ihrem Leben verbannt und hatte er sie dann genauso zerstören wollen, wie sie ihre Beziehung zu ihm?

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als mehr über Vanessa Auerbach herauszufinden. Was ja eigentlich nicht so schwer sein durfte. In einer Zeit der allgemeinen Vernetzung und Verlinkung sollte sie doch Menschen finden, die die lebende Vanessa gekannt hatten und etwas über sie und ihre Bekanntschaften sagen konnten.

Alles sprach für eine Beziehungstat. Für eine gescheiterte oder zumindest für eine aus dem Ruder gelaufene Beziehung. Solche Fälle hatte sie schon des Öfteren erlebt. Eine totgeschlagene Ehefrau, die zur letzten Aussprache gegangen war, ohne begriffen zu haben, dass ihr Mann, wenn er sagte, er könne ohne sie nicht leben, das auch wortwörtlich meinte. Ihre letzte Aussprache war dann wirklich das letzte, was sie erlebte. Manchmal nahm sich der Mann dann ebenfalls das Leben, warf sich vor einen Zug oder knallte mit dem Auto gegen einen Baum. Sie konnte sich an zwei Fälle erinnern, wo es genauso abgelaufen war. Beim dritten hatte dem Mann der Mut gefehlt, es auch für sich selbst zu Ende zu bringen. Alle drei hatten Abschiedsbriefe geschrieben, worin sie mehr oder weniger flüssig beschrieben, was in ihnen vorgegangen war und warum sie so und nicht anders gehandelt hatten.

Diese Männer hatten ihre Frauen geschlagen, gewürgt und dann getötet. Wenn schon nicht auf Erden, dann zumindest im Himmel vereint, lautete die Botschaft. Eine Liebe, die nicht sterben durfte. Eine unendliche Liebe, die mit brutaler Gewalt gegen die Frauen erzwungen wurde. Unvorstellbar für einen rational denkenden Menschen, für die Täter aber allem Anschein nach der einzige Ausweg aus ihrem ganz persönlichen Dilemma. Eine der Frauen war damals ziemlich heftig vergewaltigt worden. Wobei sie alle drei in der gemeinsamen Wohnung oder dem gemeinsamen Haus gestorben waren und sich keine der Frauen extra aufreizend angezogen hatte.

Vielleicht würde sich ja auch im Fall Vanessa Auerbach ein solcher Abschiedsbrief finden, hoffte die Kommissarin, auch wenn nach dem aktuellen Ermittlungsstand nichts zu einer letzten Aussprache passte.

Franziska wandte sich um und blickte hinauf zu dem hell gestrichenen Bau der Zentralbibliothek, wo noch immer Licht brannte. Es war kurz vor elf. Der Bibliothekar leiste noch seinen ganz persönlichen Spätdienst, hatte Hannes gesagt. Franziska öffnete ihre Tasche und holte ihr grünes Notizbuch heraus. Darin lag der Zettel mit der Handynummer des Bibliothekars. Ich hoffe, du bist auch heute noch im Dienst und hast es nach allem, was passiert ist, nicht vorgezogen nach Hause zu fahren, dachte sie kurz. Dann tippte sie die Nummer ein und wartete darauf, dass ihr Anruf entgegengenommen wurde. Wenn sie an diesem Abend schon nichts über Vanessa in Erfahrung bringen konnte, dann konnte sie ja vielleicht die Frage klären, wie Opfer und Täter ins Dublettenmagazin gelangt waren.


Aufrecht saß er auf seinem schmalen Bett und beobachtete eine dunkelbraune Hausspinne, die über den Boden lief. Im Schutz der Dunkelheit war sie unter dem Schrank hervorgekommen und suchte jetzt nach einem geeigneten Platz, wo sie ihr Netz spinnen und darin ihre Beute fangen konnte. In seinem Zimmer gab es viele Spinnen. Er liebte sie, sie waren so konsequent, so gnadenlos. Sie sponnen ihr Netz und fraßen das, was sich darin fangen ließ. Wenn sie ihr Opfer erst einmal eingewickelt hatten, gab es kein Entrinnen mehr.

Um sie beobachten zu können, brauchte er kein Licht anzumachen, ihm reichte das wenige Licht der Straßenlaterne, das durch das Fenster hereindrang. Ruckartig lehnte er sich zurück und schlug ein paar Mal hart mit dem Hinterkopf gegen die Wand, bis sich alles um ihn herum drehte. Dann sprang er auf und schrie so laut er konnte.

Doch die Benommenheit in seinem Kopf ließ nicht nach. Wie ein Zug rauschte sie durch ihn hindurch. Ein Zug mit Hunderten von Güterwagen, die einer nach dem anderen durch seinen Kopf ratterten.

Dabei hatte er es doch getan.

Ratatat, ratatat, ratatat. Endlos fuhren die Waggons, weiter und immer weiter. Er legte seine Hände an die Ohren, doch das Rattern nahm noch zu. Ratatat, ratatat, ratatat! Er wollte, dass es aufhört, aber je mehr er sich das wünschte, desto schneller fuhr der Zug.

Die Spinnen töteten, um zu überleben und er machte jemand kalt, um seinen Schmerz weiter zu geben. Bis er es getan hatte, hatte er gar nicht gewusst, dass das die Lösung für sein Problem sein könnte und auch jetzt schien es irgendwie noch nicht stimmig zu sein. Eigentlich hätte er sich danach gut fühlen sollen, aber das Gegenteil war der Fall. Im Moment fühlte er sich wie früher, wenn er sich ganz schrecklich auf Weihnachten gefreut und dann doch wieder nur Dresche gekriegt hatte.

Für einen Moment hielt er inne. Irgendwie wollte ihm der Vergleich nicht so recht gefallen. Letztlich hatte er sich doch selbst beschenkt. Hatte sich genommen, was er haben wollte. Es war gut gewesen, oh ja. Aber eben nicht so gut, wie er gehofft hatte.

Vielleicht weil er sich das alles viel einfacher vorgestellt hatte. Nicht so chaotisch. Und mit so viel Blut und Sauerei hatte er auch nicht gerechnet. In seinen Fantasien war sein Opfer schneller gestorben. Er stellte sich gern solche Sachen vor. Es gefiel ihm, wenn seine imaginären Opfer laut aufschrien, weil sie erkannten, dass sie in seiner Gewalt waren und dass er mit ihnen machen konnte, was immer er wollte. Oder sie schrien, weil sie begriffen, dass sie keine Chance hatten, ihm zu entkommen, was auf das Gleiche hinauslief. Sie schrien und er wollte sie zum Schweigen bringen. Und je mehr sie schrien, desto lustvoller ließ er sie verstummen. Zu viel schreien durften sie nämlich auch nicht, weil er sich dann nicht auf das konzentrieren konnte, was ihn befriedigte und den Zug in seinem Kopf zumindest langsamer werden ließ.

Es hatte ihm gefallen, sie nicht gleich zu töten, sondern erst noch ein bisschen ranzunehmen. Er sah sie wieder vor sich und bekam prompt einen Steifen, weil das so ein Wahnsinnsgefühl gewesen war. Ohne zuvor etwas anderes zu tun, einfach rein und raus und wieder rein und immer tiefer rein, bis sie lauter und immer lauter schrie und sich zu wehren versuchte, bis er sie gewürgt hatte, damit sie aufhörte zu schreien, ohne Mitleid, denn letztlich war sie ja selber schuld gewesen, er hatte sich ja nur genommen, was sie ihm angeboten hatte und somit hatte sie es ja auch nicht anders verdient gehabt.

Er nahm die Hände von den Ohren und bemerkte, dass das Rattern nachgelassen hatte. Es hatte ihm unglaublich gut gefallen, wie sie schrie und sich wehren wollte, obwohl er sie da schon gefesselt hatte. Aber das war dann erst später gewesen.

Gleich als sie in sein Blickfeld geraten war, hatte er einen ordentlichen Ständer bekommen. Er hatte sie ein bisschen schreien lassen und dann … Aber dafür hatte er ja die Eisenstange dabei. Sie sackte einfach zusammen und er konnte sie in aller Ruhe verschnüren.

Mann, war das geil! Als sie gefesselt da lag und langsam wieder wach wurde und erkannte, was er mit ihr vorhatte und dass sie nicht abhauen konnte. Erst hatten sich ihre Augen geweitet und dann hatte sie geschrien. Er hätte ihr den Mund zuhalten können, aber das wäre dann nicht mehr so schön gewesen. Stattdessen hatte er sie einfach rangenommen. Erst vorn und dann hinten. Und wenn sie zu laut wurde, hatte er sie einfach wieder gewürgt, bis sie still war.

Und dann war sein Blick auf die Eisenstange gefallen. Er grinste bei dieser Erinnerung und öffnete endlich seine Hose. Das war ein Fest. Das musste er unbedingt wiederholen. Seine Bewegungen waren jetzt gleichmäßig und je mehr er an sie dachte, desto mehr nahmen sie an Intensität zu.

Wie sie um Gnade gewinselt hatte und er sie wieder und wieder … „Oooh!“, entfuhr ihm ein langer tiefer Seufzer. Das ist jetzt aber schnell gegangen, dachte er und wusste, dass er sich noch sehr oft an diesen Moment erinnern würde, den Moment, in dem sie gewusst hatte, dass sie ihm nicht mehr entkommen würde und ihre ganze Schreierei umsonst gewesen war. Dass die ihn noch zusätzlich angemacht hatte.

Als er die Stange aus ihr herausgeholt hatte, war sie voller Blut gewesen. Eine richtige Sauerei. Das wollte dann auch gar nicht mehr aufhören. Bis ihm die Idee mit dem Messer gekommen war. Eigentlich wollte er sie ja sowieso abstechen. Das hatte er auch extra geübt. Aber dann hatte er es sich ganz spontan anders überlegt, ihre Haare gepackt und zack – war es vorbei mit ihr! Aber die wäre ja sowieso nicht mehr zu gebrauchen gewesen, nachdem er die Eisenstange … Er lachte, und sein Blick fiel hinüber zu der Tüte auf dem Boden, in der das Teil steckte und schon wurde er wieder ganz scharf. Vielleicht sollte er darüber doch noch einmal ausgiebig nachdenken, jetzt wo der größte Druck weg war. Denn je länger er sich in seiner Erinnerung damit beschäftigte, desto langsamer wurde der Zug und kam manchmal sogar ganz zum Stillstand.


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