Kitabı oku: «Star Trek - The Next Generation: Kollateralschaden», sayfa 6
KAPITEL 6
Der Mann, der vor Picards Tür stand, sah genauso aus, wie dieser ihn sich vorgestellt hatte: mittelgroß, durch die Jahre ein wenig stämmig geworden, und von seinen Haaren war nur ein grau melierter, millimeterkurz geschnittener Halbkreis geblieben, der von einem Ohr über den Hinterkopf zum anderen verlief. Seine Haut hatte die fahle Farbe eines Mannes, der den Großteil seines Lebens drinnen verbracht hatte, fernab von natürlichem Licht. Die Falten seines Anzugs waren messerscharf, nicht minder perfekt wirkte der Windsorknoten seiner Seidenkrawatte, und seine Oxford-Schuhe glänzten spiegelblank poliert. Er trug eine Brieftasche bei sich.
Picard bot dem Mann die Hand. »Commander Jonathan Ezor, nehme ich an.«
»Im Ruhestand, aber ja.« Er schüttelte Picards Hand. »Ich habe jetzt meine eigene Kanzlei.«
»Das sagte Will.« Picard trat einen Schritt zurück und ließ Ezor ein. »Kommen Sie herein. Das Esszimmer wurde für uns vorbereitet.«
»Ich hoffe, Sie haben sich meinetwegen keine unnötigen Mühen gemacht«, sagte Ezor höflich.
»Keineswegs. Es gibt bloß Tee.«
»Ah. Das wäre perfekt. Nach Ihnen, Captain.«
Sie begaben sich ins Esszimmer des Hauses, wo Marie ihr Teeservice aufgetischt hatte. Eine silberne Kanne mit heißem Wasser stand auf einem passenden Teewärmer. Zwei sehr alte Porzellantassen gesellten sich zu einem Kästchen mit einer Auswahl an losen Teesorten, und neben dem Teewärmer waren ein Schälchen Zucker, eine Untertasse mit Zitronenspalten und eine kleine Kanne Milch aufgereiht.
Eine Tasse war bereits mit Wasser gefüllt. Ein Tee-Ei hing darin, und der Tee zog vor sich hin. »Ich war so frei, mir bereits einen Earl Grey zuzubereiten. Was möchten Sie haben?«
»Yorkshire Gold, wenn Sie haben.«
»Natürlich. Der zweite von rechts.«
Sie ließen sich auf den Stühlen an einer Ecke des Tisches nieder. Picard nahm das Sieb aus seiner Tasse und fügte einen winzigen Spritzer frischer Zitrone hinzu. Schweigend nippte er an seinem Getränk, während Ezor sein eigenes zubereitete. Anhand der Sicherheit seiner Handgriffe kam Picard zu dem Schluss, dass auch Ezor, genau wie er selbst, ein Kenner der Etikette und Geheimnisse der korrekten Zubereitung von englischem Tee war.
Als der Tee des Anwalts zog, hielt Picard den Zeitpunkt für angemessen, zum Geschäftlichen zu kommen. »Ich habe gehört, dass Sie ein Offizier der Juristischen Abteilung der Sternenflotte waren.«
»Ja, etwas über zwanzig Jahre lang. Ich bin ’81 in Rente gegangen, nach dem …« Er hielt inne, als fürchte er, einen Fauxpas zu begehen.
»Sie können die Borg ruhig erwähnen. Sie sind nicht länger die offene Wunde, die sie mal waren.« Picard setzte seinen Tee ab. »Wo sollen wir anfangen?«
»Mussten Sie sich schon einmal einer Anhörung nach Artikel zweiunddreißig unterziehen?«
»Nein, aber ich stand Militärschnellgerichten gegenüber. Es waren beides Routineangelegenheiten. Das erste Mal ging es um den Verlust der Stargazer unter meinem Kommando im Jahr 2355, das zweite Mal war 2371, nach dem Verlust der Enterprise-D.«
»Dann sind Sie also mit den Grundlagen von Militärgerichtsverfahren vertraut. Das ist gut. Eine Anhörung nach Artikel zweiunddreißig ist eher eine Befragung …«
»Ich weiß, was das ist«, unterbrach ihn Picard. Dann verspürte er Scham. »Bitte entschuldigen Sie.«
»Schon gut, Captain. Es ist eine anstrengende Zeit für Sie.«
»Das ist keine Entschuldigung für schlechtes Benehmen. Jedenfalls bin ich mit Anhörungen nach Artikel zweiunddreißig vertraut. Es handelt sich um die Vorstufe zu einem Militärgerichtsverfahren.«
»Korrekt. Damit entsprechen Sie den Voruntersuchungen, die in zivilen Gerichtsverhandlungen stattfinden und die dem Zweck dienen herauszufinden, ob genug Beweise vorliegen, um eine formelle Anklage zu erheben.« Ezor nahm die Brieftasche auf seinen Schoß, öffnete sie und zog ein großes Padd hervor. Er stellte die Brieftasche zurück auf den Boden, dann zeigte er Picard das Padd. »Die Juristische Abteilung der Sternenflotte hat vor zwei Monaten eine Ermittlungsbeamtin auf Ihren Fall angesetzt. Wie Sie sehen können, war sie in der Zeit alles andere als untätig.«
»In der Tat.«
»Wie Sie sicher wissen, unterscheiden sich die Beweisregeln bei Militärgerichtsverhandlungen von denen in unserem zivilen Rechtssystem. Genauso unterscheiden sich die Standards, was die Zulässigkeit von Zeugenaussagen angeht. Ein Recht hat aber unverändert Gültigkeit: Niemand darf Sie zwingen, sich selbst zu belasten.«
Die Implikationen von Ezors Aussage gefielen Picard gar nicht. »Sollte ich nicht die Erlaubnis erhalten, meine Sicht der Dinge zu präsentieren? Mein Handeln zu erklären?«
»Das ist Ihnen natürlich erlaubt, aber ich würde Ihnen nicht dazu raten. Als Ihr Rechtsbeistand lautet mein professioneller Rat, dass Sie zu keiner Zeit und unter keinen Umständen Stellung beziehen.«
Picard brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. »Ich verstehe.« Er griff in seine Jacke und zog sein eigenes Padd hervor. Nachdem er es mit einem siebenstelligen Code entriegelt hatte, reichte er es Ezor. »Für Ihre Unterlagen. Meine Logbücher, sowohl als Captain als auch privat. Sie umfassen die komplette Mission der Enterprise nach Tezwa gegen Ende 2379, ebenso wie die Zeitspanne, die zur Abdankung von Präsident Min Zife führte, inklusive der Abdankung selbst.«
Ezor blickte auf das Padd, als sei es ein frisch ausgeschiedener Haufen Exkremente. »Was soll ich damit?«
»Ich hoffe, dass sie entlastend wirken könnten.«
»Das bezweifle ich, Captain. Wenn überhaupt, werden die Aussagen in diesen Logbüchern, zusammen mit allem, was durch die Offenlegung von Sektion 31 bereits an Daten freigegeben wurde, nur dazu führen, dass sich die Schlinge um Ihren Hals zuzieht.« Er schob das Padd über den Tisch zurück zu Picard. »Das nützt uns nichts. Und ich empfehle Ihnen dringend, nichts davon erneut zu lesen.«
»Aber es sind Beweise.«
»Die die Ermittlungsbeamtin zweifellos bereits angefordert hat. Vertrauen Sie mir, Captain: Es gibt nichts, was Sie zu diesem Zeitpunkt an Beweisen liefern können, was der Juristischen Abteilung der Sternenflotte nicht schon vorliegt.« Ezor wandte sich wieder seinem eigenen Padd zu. »So, und jetzt gehen Sie alles mit mir durch, an das Sie sich diese Ereignisse betreffend noch erinnern. Wir beginnen mit …«
Picard hob eine Hand. »Einen Moment. Bevor wir uns in Details verlieren …« Er wartete, bis er Ezors volle Aufmerksamkeit hatte. »Wollen Sie mich nicht fragen, ob ich schuldig bin?«
Ezor schüttelte den Kopf. »Ich frage nie. Das mache ich deshalb nicht, weil die Frage krimineller Schuld in Angelegenheiten wie diesen weitaus komplizierter ist, als Sie es sich vorstellen können. Um ehrlich zu sein, Captain, ist es absolut möglich, dass Sie selbst nicht wissen, ob Sie schuldig oder unschuldig sind. Vielleicht halten Sie sich für schuldig, doch es ergeben sich Faktoren, die Sie entlasten. Oder Sie halten sich für nicht schuldig, müssen aber feststellen, dass Sie Verbrechen begangen haben, derer Sie sich gar nicht bewusst waren. Doch ganz abgesehen davon: Es spielt keine Rolle. Denn am Ende ist nur wichtig, was der Staat beweisen kann, wenn dieser ganze Schlamassel vorbei ist – und welche Fakten wir glaubhaft in Zweifel ziehen können. Der Rest … ist nur Theater.«
KAPITEL 7
Wir treiben im All, laufen auf niedriger Energie. Kalt und dunkel. Geister in einer Leere, die nicht einmal die Vier Winde berühren können. Unsere Stimmen hallen durch den Frachtraum der Seovong, während wir zusammensitzen und debattieren. Ich lasse meine Leute sprechen. Sie alle verdienen, gehört zu werden. Das betrifft jeden von uns.
Der Frachtraum stinkt vor Körpergerüchen, schmutziger Kleidung und faulem Atem. Die Luft ist heiß von all unserem Gerede, stickig von all dem Kohlendioxid, das wir ausstoßen. Unser eigener Gestank ist stark genug geworden, um den bitteren Geruch verbrannter Kabel zu überdecken, die chemischen Dämpfe verschütteter Schmiermittel und leckender Hydraulikflüssigkeit, den dumpfen Mief unseres kaputten Abfallaufbereitungssystems.
Zenber tigert hin und her wie ein Raubtier im Käfig. Er schlägt seine behandschuhte Faust auf den Deckel der Kiste, in der die Husnock-Kanone steckt. »Waffen wie diese verändern alles. Kein Ziel ist so massiv, dass wir es nicht knacken können. Kein Feind stark genug, um gegen uns zu bestehen. Das Ding wird uns alle reich machen!«
Zustimmendes Grollen und Murmeln. Seine Zornrede trifft bei den anderen einen Nerv. Ich fühle ihren Hunger. Ihre Verbitterung. Sie wollen, dass andere so verletzt werden, wie wir verletzt wurden. Das will ich auch – aber ich will noch mehr. Zenber übergibt seinen Platz an Grendig, der sich gegen die Brust schlägt, wie die alten Helden, von denen wir als Jünglinge gesungen haben. »Denkt an all die Aufträge, die wir ablehnen mussten, weil wir nicht die nötige Feuerkraft hatten! An all das, was wir uns hätten nehmen können! All das, was wir hätten sein können!« Er deutet auf den versiegelten Frachtcontainer. »Diese Waffe macht uns stark! Macht uns zu einer Macht, die man anerkennen muss!«
Weiteres beifälliges Heulen. Ein paar der Jüngeren schlagen aufs Deck oder stampfen mit den Füßen. Die älteren, wie Doktor Veekhour oder ich selbst, und der einzigartig kaltblütige Drogeer hören einfach nur zu und machen sich wortlos ihre Gedanken. Können sie wirklich nicht sehen, was da direkt vor ihnen liegt?
Nun spricht Kiruna. Sie bearbeitet die Leute, streift direkt vor der ersten Reihe entlang und nimmt Augenkontakt auf, während sie ihre Argumente vorträgt. »Keine Nadelstichmissionen mehr! Mit einer Feuerkraft wie dieser können wir eine ganze Welt als Geisel nehmen! Wir können als Lösegeld alles fordern, was wir brauchen – und dann die Kanone als unsere Rückversicherung einsetzen!«
Dafür erntet sie lautes Gebrüll. Die Leidenschaften beginnen hochzukochen.
Ich habe genug gehört. Ich stehe auf. Bedeute Kiruna, beiseitezutreten und sich zu setzen.
»Zu klein. All eure Pläne. All eure Träume. Zu. Klein.« Ich stelle mich hinter die Kiste. Meine Hände ruhen auf ihrem Deckel, als sei sie ein Altar der Winde. »Das hier ist ein Geschenk. Nicht nur für uns. Für unser ganzes Volk. Die Vier Winde haben uns das Schicksal unserer Spezies anvertraut. Keine unbedeutenden Ziele mehr. Keine unbedeutenden Aufträge. Wir müssen größer träumen. Nach Höherem streben. Mutiger sein. Unseren Guramba finden.«
Majaf, unser Ingenieur, springt auf die Füße. Sein Stolz ist verletzt. »Du sagst, dass wir keinen Guramba haben? Wie lange haben wir für dich gekämpft? Wie viele sind gestorben? Wie sehr haben wir geblutet?«
Sein Protest ruft einen Chor der Beschwerden hervor.
Beim ersten Anzeichen eines Atemholens in diesem Aufruhr tritt der Pilot des Schiffs aus der Menge, um das Wort zu ergreifen. »Sechs Jahre haben wir uns an unser Leben geklammert! Uns mit den Fingernägeln daran festgehalten! Mit unseren Fängen! Kinogar redet von Träumen. Von Plänen. Der einzige Plan, der mir wichtig ist, ist der, der uns alle heute Nacht satt macht.«
Ich mag Haylak, aber in diesem Moment möchte ich ihn würgen, bis er still ist. Nicht weil er im Irrtum ist, sondern weil ich von meinen Leuten etwas verlangen will, das sie in diesem Zustand nicht zu tun bereit sind: Opfer zu bringen.
Drogeer, der am Ende des Frachtraums an der Wand lehnt, schaut auf. »Haylak liegt nicht falsch. Wir haben ein Recht darauf, hier und jetzt zu überleben.« Dann nickt er in meine Richtung. »Aber Kinogar hat auch recht. Wir hatten großes Glück. Große Macht wurde uns geschenkt. Wir könnten sie nun bloß für uns selbst nutzen. Aber das würde uns nicht besser machen als die Föderation. Wir könnten sie dazu nutzen, um ohne Grund und Verstand zu zerstören, aber das würde uns nicht besser machen als die Borg.« Er tritt vor, durch eine Wand aus Körpern, manche von ihnen stehend, manche sitzend, um sich in die Mitte zu stellen. »Oder wir könnten uns für alle unserer Art einsetzen.«
Du wunderschöner, vernünftiger Venolar. Niemand kann so argumentieren wie ein Schneeblut.
»Genau das sage ich auch!« Ich hebe meine Stimme, um die Aufmerksamkeit aller im Raum zu erringen. »Diese Waffe ist uns nicht zufällig in die Hände gefallen. Wir haben sie erbeutet, weil unsere Erlösung endlich gekommen ist. Die Vier Winde haben uns die Mission auferlegt, allen noch lebenden Nausikaanern dabei zu helfen, ihr Geburtsrecht einzufordern. Ihre Würde zurückzugewinnen! Und ihren Guramba zu finden!«
Ich hebe meine Stimme, als solle sie das ganze Schiff erfüllen und die Sterne erschüttern. »Die Vier Winde haben die Sturmwolken davongeweht, die uns seit dem Tod unserer Welt heimgesucht haben. Jetzt singen sie die alten Lieder und rufen uns zu sich. Damit wir uns an unsere wahre Natur erinnern!«
Ich schaue jedem meiner Leute in die Augen, während ich um sie herumschreite.
»Wir wurden nicht dazu geboren, Plünderer zu sein! Nausikaaner sind ein Volk voller Stolz. Macht. Mut. Jetzt endet die Zeit der Dunkelheit für uns endlich! Wir wurden gerufen, um aufzustehen, ins Licht zu treten, um als die neuen Helden unseres Volkes gesehen und erkannt zu werden!«
Die Wahrheit dieses Augenblicks lastet schwer auf mir. Ich rufe meine Leute nicht bloß dazu auf, einer ambitionierteren Form der Kriminalität zuzustimmen. Ich blase die Trompeten zum Krieg.
»In unserer dunkelsten Stunde haben uns all unsere galaktischen Nachbarn wie Ungeziefer behandelt. Sie taten so, als sei unser Leid weniger bedeutend als das ihre, und das nur deshalb, weil wir unter unserer eigenen Flagge lebten. Sie ignorierten unsere Verwundeten und unsere Hungrigen. Sie haben unseren Toten den Rücken zugekehrt. Sie ließen uns durch unsere eigene Asche graben und zusehen, wie unser Himmel brannte. Sie zählten darauf, dass wir sterben. Jetzt ist die Zeit gekommen, diesen Fegoru zu zeigen, dass wir noch immer Jäger sind! Wir sind nicht so leicht zu töten. Und wir werden niemals vergessen werden. Nicht von ihnen. Nicht von ihren Kindern. Nicht von der Galaxis. Wir sind Nausikaaner! Und wir werden uns zurückholen, was uns gehört!«
Der Jubel meiner Leute brandet über mich hinweg wie eine Sturzwelle.
Ich weiß, jetzt habe ich sie. Ihre Herzen brennen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht.
Alles, was wir im Universum noch haben, steht jetzt auf dem Spiel. Alles, was wir sind. Alles, was unserem Volk noch lieb und teuer ist. Alles, was wir noch sein könnten.
Wir haben die Borg nie kommen sehen. Hatten nie die Chance, unsere Welt zu verteidigen. Unser Volk.
Heute werden diejenigen von uns, die verblieben sind, zusammenstehen. Und wir werden zeigen, was in uns steckt.
Ob wir leben oder sterben, gewinnen oder verlieren … wir werden dafür sorgen, dass sich die Geschichte an uns erinnert.
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Es gab eine Menge Aspekte an der Arbeit für den Sternenflottengeheimdienst, die Commander Sam Lavelle bereichernd und produktiv fand, aber der täglichen Geheimdienstbesprechung im Palais de la Concorde beizuwohnen, gehörte nicht dazu.
Niemand musste ihm erklären, warum diese täglichen Treffen wichtig waren. Die Koordination der Aktivitäten der verschiedenen innerhalb und außerhalb der Föderation agierenden Nachrichtendienste war extrem wichtig, damit jeder von ihnen – und sie alle gemeinsam – effizient arbeiten konnte und die Sicherheit der Vereinigten Föderation der Planeten, ihrer extraterritorialen Gebiete und ihrer Verbündeten gewährleistet war.
Aber der bürokratische Verwaltungskram, der mit dieser Koordination einherging, verursachte Lavelle fast täglich einen Hirnschlag. Die schiere Masse an Bürokratie war irrsinnig. Und es war schlichtweg entmutigend zu wissen, dass jede Entscheidung, die er an jedem Tag für den Rest seiner Karriere im Feld traf – manche von ihnen in der Hitze eines Gefechts um Leben und Tod –, von einem Komitee hinterfragt werden würde. Sein einziger Trost war, dass er an den meisten Tagen nicht persönlich vor Ort sein musste, um diesen Stress zu ertragen.
Heute hatte er das Glück nicht.
Unbehelligt passierte Lavelle auf seinem Weg ins Gebäude alle Sicherheitskontrollen. Seit seiner Beförderung zum Operationsmanagement innerhalb des Sternenflottengeheimdienstes, der als die wichtigste Behörde für das Sammeln von Informationen in Nachbarreichen galt, war er zu einem bekannten Gesicht im Palais geworden. Als er den Konferenzraum im dritten Stock betrat, der für die täglichen Treffen der Geheimdienstgemeinschaft reserviert war (deren Mitglieder sich selbst oft schlicht »die Gemeinschaft« nannten), fand er dort bereits mehrere seiner Kollegen von den zivilen Nachrichten- und Spionageabwehrdiensten der VFP vor.
Auf der anderen Seite des Tisches ließ sich gerade Patton Gibson nieder, einer der Direktoren des Föderationssicherheitsdienstes. Während Gibson gedrungen, rundlich, käsig und kahl aussah, war Lavelle groß, schlank, braun gebrannt und mit vollem Haar gesegnet, das erst kürzlich begonnen hatte, erste graue Strähnen an den Schläfen und über den Ohren aufzuweisen.
Ein paar Plätze links von Lavelle, aber auf derselben Seite des langen Tischs, saß J. Chapman Shull, eine Frau in den Vierzigern, deren Haar die Farbe von kaltem Stahl hatte und deren eiserner Wille seinesgleichen suchte. Als stolze Tochter des amerikanischen Südens hatte sie sich innerhalb der Ränge der eher unbekannten, aber wichtigen Föderationsfernaufklärung hochgearbeitet. Obwohl sie keine Agenten ins Feld schickte, wie es der SG jenseits der Föderationsgrenzen tat und der FSD gelegentlich innerhalb dieser, war die FF dafür verantwortlich, praktisch jeden zugänglichen Teil der Galaxis zu überwachen – und darüber hinaus. Ihre Technologien und die Spezialisten, die sie bedienten, waren die nimmermüden Augen und Ohren der Vereinigten Föderation der Planeten.
Lavelle setzte sich und rief Okonas letzten Bericht auf seinem Padd auf. Dieser enthielt auch eine Zusammenfassung der Nachbesprechung von Lieutenant Naomi Wildman – alias Exeget, Okonas taktischem Unterstützungs-, Analyse- und Nachrichtenoffizier.
Gerade hatte es sich Lavelle bequem gemacht, als er schon wieder dazu gezwungen wurde aufzustehen, weil Bera chim Gleer, der Sicherheitsberater von Präsidentin Kellessar zh’Tarash, den Raum betrat. Der stämmige Tellarit hatte sich während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Vertreter Tellars im Föderationsrat den Ruf erworben, übellaunig zu sein, und er hatte keinen Hehl aus seiner politischen Opposition gegen die ehemalige Präsidentin Nanietta Bacco gemacht. Obwohl er Präsidentin zh’Tarash in den Wochen nach ihrer Wahl und Amtseinführung öffentlich kritisch begegnet war, hatte dies die andorianische zhen weder davon abgehalten, Gleer in dieses wichtige Kabinettsamt zu berufen, noch hatte es Gleer daran gehindert, das Amt anzunehmen. Trotz ihrer offensichtlichen ideologischen Differenzen war Gleer zu einem der vertrauenswürdigsten Berater von zh’Tarash geworden – eine Partnerschaft, die sich in Form verbesserter politischer Beziehungen zwischen ihren beiden Welten, die zuvor Jahrhunderte als erbitterte Rivalen verbracht hatten, ausgezahlt hatte.
Gleer ließ sich an der Spitze des Tisches nieder. »In Ordnung, setzen Sie sich.« Jeder nahm seinen Platz ein. Gleer war schroff, aber auch effizient.
Lavelle lehnte sich zurück, in der Hoffnung, sich hinter seinen Kollegen verstecken und seinen Auftritt im Rampenlicht hinauszögern zu können. Bitte lass ihn nicht mit mir beginnen! Bitte lass ihn nicht mit …
»Commander Lavelle«, wandte sich Gleer mit dröhnender Stimme an ihn. »Erklären Sie mir, wie einer Ihrer Leute eine Omega-Partikel-Kanone der Husnock verlieren konnte.«
Verdammt!
Lavelle setzte sich auf und räusperte sich. »Der abstreitbare Aktivposten Agonist verwendete eine Husnock-OPK – die von den Breen aus im letzten Jahr gestohlenen Originalplänen repliziert worden war – als Köder, um eine auf Celes II operierende Schwarzmarktzelle des Orion-Syndikats zu entlarven und auszuschalten. Darüber hinaus lauteten die Befehle von Agonist, die Husnock-Waffe zu verfolgen, nachdem sie die Hände der Orioner verlassen hatte, um potenzielle nichtstaatliche Terrorgruppen aufzuspüren und zu neutralisieren, die im Verdacht stehen, im Beta-Quadranten zu operieren.«
Sogar aus mehreren Metern Entfernung spürte Lavelle Gleers vernichtenden Blick, als strahle dieser eine stechende Hitze aus, die seine Haut zum Prickeln brachte. »Wenn Sie bereits geplant hatten, die Waffe zu verfolgen«, erwiderte der Tellarit schnaubend, »wie hat es Ihr Agent dann geschafft, sie zu verlieren?«
»Die Transaktion mit den Orionern wurde durch eine Bande schwer bewaffneter Nausikaaner gestört. Sie töteten die Mitglieder der Orion-Zelle – darunter auch den Kontakt von Agonist, der nach dem Scannen der Kiste einen Peilsender daran anbringen wollte –, bevor der Sender platziert werden konnte.«
»Wo befindet sich die OPK jetzt, Commander?«
»Daran arbeiten wir noch, Sir.«
Gleers hageres Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Mit anderen Worten: Sie wissen es nicht. Eine katastrophal mächtige Waffe befindet sich innerhalb des lokalen Raums in den Händen nichtstaatlicher Akteure mit unklaren Motiven, weil Sie und Ihr Team eine absolute Routine-Operation verpfuscht haben. Sagen Sie mir, Commander: Wie soll ich das der Präsidentin erklären, ohne ihr zu sagen, dass Sie und Ihr Team in die Targ-Scheiße getreten sind?«
Alle Augen lagen nun auf Lavelle, und er fühlte, wie sein Gesicht vor Scham rot wurde. »Ich denke, das ist vielleicht ein wenig unfair, Sir. Ich meine, wenn wir das hier auf einer Skala bewerten wollten und ganz oben die perfekte Operation stünde und ganz unten totale Targ-Scheiße, dann würde ich sagen, liegen wir …«
»Sparen Sie sich das. Sie haben uns hier eine riesige Schüssel Plurk eingebrockt, also werden Sie sie auch auslöffeln. Denn ich werde es ganz bestimmt nicht machen. Also verraten Sie mir nur eins: Was unternimmt Ihr Team in diesem Moment, um die Waffe zurückzubekommen?«
»Unsere Analystin, Lieutenant Wildman, arbeitet mit Agonist zusammen, um allen Aktivitäten von nausikaanischen Piraten und Unruhestiftern innerhalb von vierzig Lichtjahren rund um Celes II nachzugehen, und wir überwachen alle Subraumfrequenzen auf irgendwelche Kommunikation, die darauf hinweisen könnte, dass die Nausikaaner entweder versuchen, die Waffe zu verkaufen, oder sie als Rekrutierungsmittel nutzen.«
»Gut. Was diesen Aktivposten von Ihnen angeht – Agonist. Bitten sagen Sie mir nicht, dass es der ist, von dem ich denke, dass er es ist.«
»Ich fürchte schon, Sir. Aber ich versichere Ihnen, dass er der perfekte Agent für diese Mission ist.«
»Hält sich Ihr Mann wenigstens ans Protokoll?«
»Absolut, Sir.«
»Und er hat dafür gesorgt, dass die Nausikaaner keine funktionstüchtige Waffe erbeutet haben?«
»So wurde es mir berichtet«, log Lavelle, der wusste, dass ihn die Wahrheit seine Karriere kosten würde.
Gleer wirkte zumindest ein wenig besänftigt. »Ist die Tarnung Ihres Agenten intakt?«
»Ja, Sir. Ich habe Agonist sehr deutlich gemacht, dass Diskretion aktuell von höchster Wichtigkeit ist. Auf meinen Befehl hin tut er alles, was er kann, um unter dem Radar zu bleiben.«
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Die Faust des Baldukianers traf meinen Kiefer heftig genug, um meine Zähne durchzurütteln, meine Lippe aufplatzen zu lassen und meinen Mund mit Blut zu füllen. Der Hieb warf mich gegen einen Tisch, der unter dem Aufprall zerbrach. In einem Durcheinander aus gesplittertem Holz, zerbrochenem Glas und verschütteten Drinks landete ich krachend auf dem Boden. Angeschlagen und schwerfällig versuchte ich mich wieder aufzurappeln. Das war der Moment, als die mit Stahlkappen besetzten Stiefel des Chalnoth meine Rippen trafen, Knochen brachen und mir die Luft aus den Lungen pressten.
Ich begann langsam zu glauben, dass mich diese Typen nicht mochten.
Ich rollte mit dem Tritt und konnte von Glück sagen, dass die Bar-Gäste, die mit eingezogenem Kopf das Weite suchten, geschickt genug waren, über mich hinwegzuspringen, als ich unter ihren Füßen hindurchkullerte wie eine misshandelte Schwarte Fleisch.
Jeder Teil meines Körpers tat beim Aufstehen weh. Mein linkes Auge war zugeschwollen. Mein Oberkörper war eine Landkarte tiefer, dumpfer Schmerzen, gesprenkelt von den scharfen Stichen der Brüche, die sich durch die Haut zu bohren drohten. Ein Knirschen in meiner rechten Hüfte verriet mir, dass sie wieder aus der Hüftpfanne gesprungen war. Und meine Hände fühlten sich an, als würden sie jeweils hundert Kilo wiegen – egal wie sehr ich versuchte, sie zum Schutz meines Kopfes zu heben, ich konnte meine Arme nicht dazu bringen, meinen Befehlen zu gehorchen.
Der Baldukianer, der Chalnoth und ihr anticanischer Helfer hatten ganze Arbeit geleistet, mich weichzuklopfen. Im Grunde ähnelten sich ihre Spezies nicht im Geringsten. Die Baldukianer waren wilde Wolfswesen, deren lange Gesichter aussahen, als trügen sie ihren Schädelknochen außen; die Chalnoth ähnelten zweibeinigen Löwen mit großen Mähnen und Stoßzähnen, die aus ihren Mäulern herausragten; und die Anticaner wirkten zwar hündisch, aber sie würden nie das Lob verdienen, »brave Hunde« zu sein. Trotzdem war ich aufgrund der bezogenen Prügel mittlerweile dermaßen über jede Doppelsicht hinaus, dass ich sie nicht mehr unterscheiden konnte.
Das bedeutete, dass es Zeit für ihren feigen nausikaanischen Anführer wurde, seine Freischüsse auf mein unverteidigtes Kinn abzufeuern.
Ich wartete darauf, dass er näher kam. Er enttäuschte mich nicht. Der große Bastard drückte mir seine beiden Reißzahnpaare direkt ins Gesicht und verpasste mir eine schwere Dosis seines fauligen Fischatems. »Dürrer Männsch! Fängt Kampf an, den er nicht beenden kann. Nicht schlau.«
»Verzeih mir, aber du irrst dich.« Ich zuckte mit den Schultern und lächelte. »Ich bin kein Mensch.«
Das war genau der Anstoß, den der Nausikaaner brauchte. Mit einer fleischigen Pranke packte er die Vorderseite meines Hemdes. Die andere zog er nach hinten, um die Mutter aller Schläge zu landen.
Dann griff ich an.
Ich duckte und verdrehte mich, schnappte mir sein Handgelenk und befreite mich aus seinem Griff. Dann bog ich seinen Daumen gerade weit genug nach hinten, um ihn in die Knie zu zwingen.
Seine Kumpel stürmten zum Angriff heran. Mit einer Hand hielt ich den Druck auf den Finger des Nausikaaners aufrecht. Mit der anderen zog ich meinen Blaster und betäubte die Schläger mit drei schnellen Schüssen. Sie fielen zu Boden. Ihre Kleidung wies nur schwache Verbrennungen auf, aber sie waren stark genug betäubt, dass sie, wie ich wusste, nicht in absehbarer Zeit aufstehen würden.
Unvermittelt entglitt mir der Nausikaaner und warf sich auf mich, die Hand nach meiner Kehle ausgestreckt.
Meine freie Hand wehrte die seine ab, und ich machte einen Schritt rückwärts, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er stolperte nach vorn und begann zu fallen. Mein Knie schnellte hoch und traf die Unterseite seines Kiefers. Das Geräusch brechender Zähne war ein Genuss. Und dann, um noch einen draufzusetzen …
… fragte ich mich, ob irgendjemand dieser Geschichte Glauben schenken würde. Sie war so viel befriedigender als das, was wirklich passierte, nachdem ich einen guten Zug fauligen Fischatems genommen hatte.
In Wahrheit nämlich grub seine Faust sich in meinen Magen, und ich klappte zusammen wie eine gekochte Garnele.
Ich taumelte und fiel nach vorn. Prallte gegen den Nausikaaner. Versuchte mich an ihm festzuhalten, aber er trat zurück und ließ mich mit dem Gesicht voran mitten auf den von Pisse besudelten Boden der Bar knallen.
Seine drei Freunde glucksten und johlten vor Lachen auf meine Kosten.
Dann war das Klicken-und-Heulen einer Energiewaffe zu hören, die hinter dem Tresen aufgeladen wurde. Mit meinem einen guten Auge sah ich, wie das Quartett, das mir kurz zuvor den Arsch versohlt hatte, erstarrte. Die vier wandten sich dem Barkeeper zu. Das argelianische Mädchen war groß, aber dünn wie eine Bohnenstange. Sie hielt eine geladene Plasmaschrotflinte tellaritischer Bauart, die auf den Kopf des Nausikaaners gerichtet war. »Verschwindet aus meiner Bar!«
Der Nausikaaner grinste. Es war keine freundliche Geste bei seiner Spezies. Zähne und Reißzähne zu fletschen, war bei Nausikaanern eine Aufforderung zum Kampf.
Ich zuckte zusammen, als die Barkeeperin feuerte und die Hälfte des rechten Beins des Nausikaaners mit einem Schuss kochte. Er brüllte auf, seine Schläger schrien vor Angst, und der Schuss der Schrotflinte hallte im Inneren der Bar wider. Rauch verschleierte die Kanten des Raums, und die Luft wurde dick von dem Gestank verkohlten Fleisches.
Die Barkeeperin lud ihre Schrotflinte wieder auf. »Raus! Sofort!«
Eine verkohlte Gliedmaße war alles, was der Nausikaaner und seine Freunde an Überredung brauchten. Die Schrotflinte argwöhnisch im Blick, begaben sie sich rückwärts zum Haupteingang der Bar. Der Anticaner war als Erster draußen, gefolgt von dem Baldukianer und dem Chalnoth. Der Nausikaaner hielt gerade lange genug inne, um ein letztes spöttisches Grinsen aufzusetzen, bevor auch er sich von der Bar zurückzog.
Einige Sekunden nach ihrem Abgang deaktivierte die Barkeeperin die Schrotflinte. Sie klemmte sie wieder in ihr Versteck unter dem Tresen, und dann goss sie zwei kleine Gläser andorianischen Gin ein.
»Hoch vom Boden!«, befahl sie, als ob ich nicht mehr Schmerz als Mann gewesen wäre. »Ich muss aufwischen.«
Ich stöhnte und bemühte mich, nicht in Tränen auszubrechen, als ich mich auf einen Barhocker zog. Als ich an der Bar saß und an meinem Gin nippte, schaute mich die Barkeeperin misstrauisch an. »Soll ich Ihnen was sagen?«
»Weiß nicht. Will ich es hören?«
»Der Letzte, der noch steht, bekommt die Rechnung.«
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