Kitabı oku: «Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren», sayfa 3

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Als die Kornmutter noch im Kornfeld wachte

Als kleiner Bub habe ich noch miterlebt, wenn zur Erntezeit im August noch de Kornmuhme oder die Kornmutter im Ährenfeld wachte. Es war ein altes Weib mit grauen Haaren, roten Augen und schwarzer Nase, die die Kinder schreckte, wenn sie sich im Kornfeld Blumen pflückten. Das waren vor allem Kornblumen und Mohnblumen, aber auch Kamillen. Beim Pflücken zertraten die Kinder das Getreide. Die Roggenmuhme sollte die kostbaren Garben schützen und als Mittagfrau darüber wachen, wenn die Schnitter ihre Mittagsruhe hielten. So wurde ihr zu Ehren die letzte Garbe als Erntemutter zu einer Figur zusammengebunden, mit Kittel und Schürze verkleidet, möglichst recht dick, weil das Fruchtbarkeit bedeutete.

Zum Winden des Erntekranzes nahmen die Mädchen alles, was Spätsommer und Frühherbst zu bieten hatten: Ähren und Feldblumen, Kräuter und Früchteketten und dazu bunte Papierstreifen, Gold- und Glanzpapier. Die Haferbraut, das Mädchen das die letzte Garbe gebunden hatte, trug den Erntekranz feierlich vor dem Erntezug zum Bauernhof. Bei der Übergabe trug die Haferbraut ein Erntegedicht vor.

Abends war dann der Erntetanz. Schnitterinnen und Schnitter tanzten auf dem Kirmesplatz. Auf dem Tisch stand ein ährengeschmückter Erntekorb, in dem die größten Früchte aus dem Bauerngarten und vom Feld lagen. Zur Suppe und zum Fleisch gab es oft das erste Brot aus dem neuen Getreide, das mit besonderer Ehrfurcht gegessen wurde. Am nächsten Morgen in der Schule wurden Erntelieder gesungen und Erntegedichte vorgetragen.

Vom „Korekaschde“ und dem „Kaffeeblech“

Schöne Erinnerungen habe ich heute noch an die Roggenernte, die früher an Jakobi, dem „Jokkobstag“ (15. Jul) begann. Mit kühnem Schwung mähte der Altbauer den ersten „Gönn“ an. Mit der frischgedengelten Sense, dem „Korereff“, schritt der Schnitter durch das Ährenfeld und andere Mäher folgten. Die goldenen Halme mit den reifen Ähren fielen zu Boden. Die Schnitterinnen in gebückter Haltung – wie immer in ihren hellen Kopftüchern als Schutz gegen die stechende Sonne – nahmen mit den Sicheln die Halme auf, derweil knoteten andere schon die Kornseile. Drei Halmbündel oder „Halmdecken“ ergaben eine Garbe. Diese wurde so fest verschnürt, dass keiner mehr seinen Finger unter das Seil zwängen konnte.

Und dann wurden die Garben zu einem „Korekaschde“ (Kornkasten) zusammengestellt, zehn an der Zahl. In die Mitte wurde der „bock“ gesetzt, die stärkste Garbe, die die acht anderen drum herum zu stützen hatte. Mit kräftigen Handschlägen spreizten sie die Ähren der zehnten Garbe und stülpten sie als „Hut“ darüber, um das „Koreheisje“ (Kornhäuschen) gegen Regen zu schützen.

Die „Korekaschde“ waren für uns Kinder ein beliebtes „Spielhäuschen“. Nach der Arbeit brachte die Bäuerin das „Kaffeeblech“ mit Malzkaffee, der von „Ziggorie“ geschwärzt war. Darauf hatten die Mägde schon ungeduldig gewartet. Die kurze Kaffeepause war das Schönste bei der Kornernte. Wie war das einst mit dem „Zichorienkaffee“, dem Standartgetränk der deutschen Küche? Die Älteren unter uns erinnern sich gerne an „Ziggorie“, wie die Kaffee-Essenz im Volksmund genannt wurde. Unter dem Markennamen „Pfeifer-Diller“ kam er in den Handel, war zusammen mit Kneipp-Malzkaffee stets gefragt. „Ziggorie“ als Kaffeezusatz gab dem Malzkaffee die schwarze Farbe und den Kaffeegeschmack. In einem Kriegskochbuch aus dem Jahre 1722 wird ein Hofgärtner Timme in Thüringen als Erfinder des Zichorienkaffees erwähnt. Friedrich der Große förderte die Verwertung der Zichorienpflanze für Kaffee, daher auch die Bezeichnung „Preußischer Kaffee“. Beim Rösten der zerkleinerten Zichorienwurzeln entwickelt sich ein Öl, das an Kaffee erinnert. Nach dem Erkalten kann man die gerösteten Wurzeln wie Kaffeebohnen verwenden.

Im zweiten Weltkrieg hat meine Urgroßmutter den Zichorienkaffee selbst hergestellt. Dazu sammelte sie die Wurzeln der Kaffeepflanze im Herbst. Sie wurden von ihr zerkleinert, getrocknet und dann geröstet; sie bewahrte sie das ganze Jahr über in Kaffeedosen auf. Damals kannte auf dem Dorf jeder die Pflanze, die als blau blühende Wegwarte an Straßen- und Wegrändern wächst und von Juli bis September blüht. Aber auch in der Volksmedizin hat meine Urgroßmutter die Wegwarte noch verwendet, die sie auch „Wegelagerer“, „Blaue Distel“ und eben „Kaffeewurz“ nannte. Den Tee als Abkochung der Wurzel nahm sie bei Gallenleiden. Aus den frischen Wegwarteblüten stellte sie ein gesundes Kräutergelee her. Dazu ein altes Rezept meiner Urgroßmutter:

Die blauen Blüten werden zerschnitten, zerstoßen und mit drei Teilen Zucker vermischt. Sobald sich der Zucker aufgelöst hat, wird alles durch ein Tuch filtriert und in Honiggläser abgefüllt. Man kann’s kaum glauben, doch es trifft zu: Der rotblättrige, knusprig frisch schmeckende Radicchio stammt von der blaublütigen Wegwarte ab.

Bevor nun das Korn eingefahren werden konnte, musste man eine ganze Woche lang sonnige Tage haben. Sowie der Roggen in „Kaschde“ stand, gingen die Binderinnen bei Tagesanbruch zum Nachharken. Das wurde stets im Tau vor Sonnenaufgang gemacht. Beim Einfahren des Roggens wurde gewartet, bis der Morgentau sich aufgelöst hatte. Dagegen wurde das letzte Fuder erst am späten Abend ins Scheunentor gefahren.

Meine Eltern waren recht arm, sodass sich meine Mutter als „Magd verdingte“, um ein kleines Zubrot für ihre Familie zu verdienen. Sie arbeitete am Nachmittag beim reichsten Bauern des Dorfes; das war „Nauhausersch Peter“. Kaum zu glauben, was sich dann dort ereignete: 1944 kam eine junge Polin als Kriegsdeportierte auf „Nauhausersch“ Bauernhof. Sie musste dort hart arbeiten, aber es gefiel ihr dort. „Perersch“ Bauer hatte ein Auge auf sie geworfen, und zwei Jahre nach Kriegsende wurden beide ein Paar. Es war eine sehr glückliche Ehe, aus der fünf Kinder entsprossen.

Die erste und die letzte Garbe

Kultische Erntefeste sind so alt wie der Ackerbau. In der Bibel ist es Kain, der Ackermann, der „Gott Opfer brachte von den Früchten des Feldes“. Als der Mensch vor drei – oder viertausend Jahren bei uns sesshaft wurde, war dies nur möglich durch Bearbeitung und Bepflanzung der Scholle.

Auch die heidnischen Erntefeste unserer Vorfahren, Kelten und Germanen, schlossen kultische Opfer an Früchten des Feldes für ihre Götter ein: Baldur, der Gott des Lichts, der Frühlingsgott, der Gott der Fruchtbarkeit, stand bei den Germanen in besonderem Ansehen.

Erntefeste wurden in der Zeit, als noch 80 Prozent unserer Bevölkerung auf dem Lande lebte, als jeder Erwachsene und jedes Kind bei der Ernte mit eingespannt wurden, und vor allem eine gute Ernte als gnädiges Geschenk des Himmels betrachtet hat und nicht von einer wissenschaftlich und technisch abgesicherten Landwirtschaft fast als selbstverständlich betrachtet wurde, in allem Überschwang gefeiert: zu Beginn der Ernte, während der Ernte und vor allem nach der Ernte.

Der Auszug aufs Feld geschah am ersten Erntetag meist nach einer Frühmesse, bei der die Erntegeräte gesegnet wurden. Vorm ersten Schlag schlugen die Knechte ein Kreuz über ihrer Sense, oder alle haben sich am Feldrand hingekniet, und die älteste Magd hat für alle das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis gebetet. Auf jeden Fall entließ der Bauer seine Leute mit einem Segensspruch. In manchen Gegenden marschierten die Schnitter und Schnitterinnen von einem Geiger oder Trommler begleitet aufs Feld.

Die erste Garbe steckte am Pferdegeschirr, die später zuerst gedroschen wurde. Zur Einfahrt wurden Wagen, Leute und Pferde, Peitschen und Hüte mit Bändern und Blumen geschmückt; es wurde gesungen, und oft war diese erste Ernte für die Armen des Dorfes oder der Stadt bestimmt.

Die ersten drei Früchte, Ähren, Beeren, Kartoffeln, Obst, hat man über die Schultern geworfen, hat sie in Kreuzform auf den Boden gelegt, oder hat ein Häuflein in bestimmten Baumstümpfen zurückgelassen: Ernte-Aberglaube! Gaben für die Kornmutter oder einen Waldgeist.

Die letzte Garbe spielte eine ebenso bedeutende Rolle wie die erste: unsere Vorväter glaubten, im Korn wohne ein Dämon, ein unberechenbarer Geist, der bald segens-, bald unheilvoll ins Leben der Menschen wirke. Die Schnitter störten ihn natürlich in seiner Ruhe auf, deshalb musste er von einem im Stück gemähten Feldes ins andere fliehen, bis ihm nur noch die letzte Garbe übrigblieb. In und mit ihr war der Korngeist dann endlich gefangen. In anderen Gegenden folgte man der Sitte, die letzten Ähren nicht zu schneiden, sondern stehenzulassen und so zusammenzubinden, dass sie wie ein Wesen mit Leib, Hals und Kopf aussahen.

Die Kornmutter oder Kornmuhme war eigentlich Frau Holle, Wotans Frau, die als altes Weib mit grauen Haaren, roten Augen und schwarzer Nase die Kinder schreckte, die im Kornfeld Blumen pflückten und dabei das Getreide zertraten. Oder sie stellte als Roggenmuhme die Erdmutter dar, die ihre kostbaren Garben schützt oder als Mittagsfrau darüber wacht, dass alle Schnitter ihre Mittagsruhe halten. So wurde ihr zu Ehren die letzte Garbe als Erntemutter zu einer Figur zusammengebunden, mit Kittel und Schürze bekleidet, möglichst recht dick, weil das Fruchtbarkeit bedeutete: Wunsch und Beschwörung zugleich.

Sankt Peter wurde in manchen Gegenden die letzte Garbe geweiht. Man ließ die Halme um eine Birke herum stehen, schmückte den Platz so, wie Petrus den Schnittern und Schnitterinnen später den Himmel schmücken soll, und umtanzte Korn und Baum wie den Maibaum.

Zum Winden des Erntekranzes nahmen die Mädchen alles, was Spätsommer und Frühherbst zu bieten hatte: Ähren und Feldblumen, Kräuter und Früchteketten und dazu bunte Papierstreifen, Gold- und Glanzpapier. Die Haferbraut, das Mädchen, das die letzte Garbe gebunden hatte, trug den Erntekranz feierlich vor dem Erntezug zum Gutshaus. Bei der Übergabe trug die Haferbraut ein Gedicht vor, Gruß, Dank und Segen für die Herrschaft und alle Arbeiter und Arbeiterinnen. Beim Erntetanz gab es bestimmte Regeln. Auf den Gütern begann der allgemeine Tanz nach dem Ehrentanz der Herrschaft, beim Dorffest tanzten Vorarbeiter und erste Schnitterinnen den ersten Ehrentanz, beim Hoferntefest tanzten Bauer und Bäuerin reihum und nacheinander mit den Schnittern und Schnitterinnen. Die große Mahlzeit beim Erntefest begann in den meisten Gegenden mit einem Gebet und einem Segensspruch für alle, die bei der Ernte geholfen hatten. Es gab auf jeden Fall besseres Essen als sonst. Oft wurde schon eine Kostprobe von dem aufgetischt, was gerade geerntet worden war. So stand ein ährengeschmückter Erntekorb auf dem Tisch, in dem die schönsten und größten Früchte aus dem Bauerngarten und vom Feld lagen. Zur Suppe und zum Fleisch gab es oft das erste Brot aus dem neuen Getreide, das mit besonderer Ehrfurcht gegessen wurde.

Gut gedengelt und gesenst

Im Hochsommer ganz früh am Morgen war mein Großvater schon am Sensendengeln. Sein Dengelplatz war unter dem großen Walnussbaum. Beim Schlagen der Sensenblätter – fast im Takt – wurden wir Kinder aus dem Schlag geweckt. Zuerst prüfte Großvater, ob das Sensenblatt noch scharf genug war. „Die Klinge muss so flach wie eine Rasierklinge sein“, sagte mein Großvater. Zuerst drehte er das Sensenblatt mit dem passenden Inbusschlüssel herunter und begann mit dem ersten Arbeitsschritt, dem Vordengeln. Er legte das Sensenblatt mit der Wölbung nach oben auf die Ambossauflage und begann am breiten Ende des Sensenblattes. Zum Dengeln nahm er einen schweren Schlosserhammer, der am stumpfen Ende leicht gewölbt war. Er hielt das Blatt immer gut fest. Beim Vordengeln ragte das Blatt etwa einen Millimeter über die Auflage des Ambosses hinaus. Großvater platzierte einen Schlag dicht neben dem anderen, bis er fast an der Spitze angelangt war. Seine Hammerschläge kamen nur aus dem Handgelenk heraus. Sie schallten weithin ins Dorf hinein.

Dann wurde der zweite und dritte Arbeitsgang mit jeweils leicht verschobenem Sensenblatt durchgeführt und die drei Gänge wiederholt. Mit dem Inbusschlüssel schraubte er das scharfe Blatt wieder fest. Wichtig beim Dengeln war das Wetzen zwischendurch. Dabei fuhr er von beiden Seiten mit der schmalen Seite des nassen Wetzsteins an der Klinge entlang. Nach getaner Arbeit brachte meine Großmutter eine „Butterschmeer“ und schwarzen Zichoriekaffee heraus.

Als es den „Wannerschdaach“ noch gab

Im Ostertal im Saarland spielte früher einmal der „Wannerschdaach“ (Wandertag) eine große Rolle im ländlichen Brauchtum. Der „Wannerschdaach“ war der 27. Dezember, also der Tag nach Weihnachten, im Kirchenjahr der Tag des Apostel und Evangelisten Johannes. An diesem Tag wechselten früher die Knechte und Mägde ihre Stellung auf den Bauernhöfen und verabschiedeten sich mit einem Tanzabend. Es war der „Johannisball“ am Tag nach Weihnachten. In manchen Gegenden bestand früher die weit verbreitete Ehesitte des „Weiberdingete“. Der Ehemann dingte seine Frau am Johannistag für das kommende Jahr, führte sie formvollendet ins Wirtshaus und lud sie zu einem Festessen ein. Sie musste dabei den Wein zahlen, wobei sie damit dem Handel zustimmte und sich symbolisch für weitere zwölf Monate verpflichtete: Sie wurde „gedingt“.

Erklären wir zunächst einmal die Bedeutung der Wörter „Ding“ und „dingen“. Ein „Ding“ (germanisch „thing“) war bei den Germanen ein Ort der Volksversammlung und eine Gerichtsstätte. „Dingen“ bedeutete ursprünglich „zu Dienstleistungen gegen Entgelt verpflichten“ also „in Dienst nehmen“. Vielfach gibt es heute noch alte Flurnamen mit der Bezeichnung „Ding“. Ich selbst habe 1974 auf der Gemarkung Hoof im Ostertal auf der Flur 176 „Auf dem Ding“ gebaut. Hier muss also einst eine Gerichtsstätte gewesen sein.

In den Dörfern des Ostertales war früher einmal der „Wannerschdaach“ für die Bauern, ihre Knechte und Mägde, der wichtigste Tag im Jahr. Wenn ein Bauer eine neue Magd oder einen neuen Knecht dingte, so begann das Dienstverhältnis am Tag nach Weihnachten. Es dauerte in der Regel bis zum 27. Dezember des folgenden Jahres. Wenn beiderseits keine Kündigung erfolgte, so verlängerte sich das Arbeitsverhältnis noch einmal um ein Jahr. Die Ostertaler Bauern gingen wohl beizeiten auf die Suche, um einen neuen Knecht oder eine neue Magd einzustellen. Mit Pferdefuhrwerk, Kutsche, Ochsengespann oder in strengen Wintern mit dem Pferdeschlitten holte der Bauer die neu gedingte Arbeitskraft an deren Wohnort ab. Verkehrsverbindungen in gewohntem Sinne gab es ja schließlich noch keine. Die eingestellten Knechte und Mägde packten ihre wenigen Habseligkeiten ganz einfach in eine Holzkiste.

Die Tage vor dem „Wannerschdaach“ warteten die Dorfbewohner gespannt auf die verschiedenen Neuankömmlinge, die ins Dorf kommen sollten. Mägde und Knechte, die bei ihren Bauern bleiben konnten, kamen allerdings auch nicht ungeschoren davon. Sie mussten der heimischen Dorfjugend Schnaps, Bier und Wein spendieren, wobei gerade der Wein am Johannistag im Hinblick auf das kommende Jahr als segensreich galt. Die neu angekommenen Mägde und Knechte brachten frisches Blut in die Dörfer, fand doch so mancher in den folgenden Jahren hier seinen Ehepartner.

Den „Wannerschdaach“ feiert man auch heute noch im Ostertal, wenn auch in ganz anderer Form. Vereine und Gruppen unternehmen ausgedehnte Wanderungen über die Gemarkungen und die Dörfer. Immerhin haben viele zwischen Weihnachten und Neujahr frei und somit Zeit, die nähere Umgebung auf Schusters Rappen zu erkunden, um dann zum Abschluss des Marsches gemütlich in einer Gastwirtschaft einzukehren.

Schalmeien am Kuckuckstag

Wunderschöne Erinnerungen an meine frühe Kindheit sind mit dem Ruf des Kuckucks verbunden. Bei uns im Dorf war der 15. April der „Kuckuckstag“. Er wurde auf dem Land als Familienwandertag genutzt. Mit meinen Großeltern machte ich einen Waldspaziergang, um den scheuen Waldvogel das erstemal zu hören. Allerlei Aberglaube rankte sich um den ersten Ruf des Kuckucks. Hatten wir kein Geld in der Geldbörse, so blieb man das ganze Jahr über pleite. Wir Kinder aber durften einen Glückspfennig in der Hosentasche tragen. Großvater glaubte daran, so viele Jahre noch zu leben, wie man den Kuckuck rufen hörte. Dabei schnitzte Großvater Schalmeien, Flöten aus Hasel- oder Weidenrinde, die jetzt wieder voll im Saft stand und sich leicht mit dem Taschenmesser abschälen ließ. Mit den Schalmeien ahmten die Kinder den Ruf des Kuckucks nach: „Kuck-kuck, Kuck-kuck …!“ Das erste „Kuckucksbrot“ wurde an diesem Tag im Wald gegessen, die herbsäuerlichen Blätter des Waldsauerklees. Daheim bereitete Großmutter einen erfrischenden Salat aus Sauerklee.

Nachdem wir genug geflötet hatten, pflückten wir die ersten Veilchen im Wald. Als Frühlingssymbol stellte Großmutter einen duftenden Veilchenstrauß in die „gudd Stubb“ („Gute Stube“). Aus den Veilchenblüten stellte sie eine köstliche Frühlingsbowle her.

Zur gleichen Zeit wie der Kuckuck kamen auch die Schwalben aus ihrem Winterquartier im fernen Afrika wieder zurück. Darauf warteten wir immer sehnsüchtig, galten doch die Schwalben auf den Dörfern als Symbol für Gesundheit und ein glückliches Familienleben. Im Stallgebäude unseres benachbarten Bauernhauses nisteten alljährlich um die zwanzig Hausschwalben, unter dem Dachfirst etwa zehn Mehlschwalben. Bei uns unterm Dachfirst nisteten sechs Schwalbenpärchen. Im Frühjahr 1947 blieben die Schwalben bei uns aus. Der Grund war, das die Vögel in dem sehr trockenen Frühling in unserer Nähe keinen feuchten Lehm zum Ausbessern ihrer Nester fanden. Und im gleichen Jahr starb dann meine Urgroßmutter im Alter von 98 Jahren.

Im sommerlichen Schwirrflug der Schwalben über das Dorf konnte mein Großvater das Wetter ablesen. Flogen die Schwalben hoch in der Luft, dann sollte es schönes Wetter geben; „fischten“ die Schwalben über dem Weiher, dann sprach er von Regenwetter. Und da war schon was Wahres dran.

Das Brauchtum des Maisingens

Ich erinnere mich an meine frühe Kindheit, als ich mit meiner Mutter alljährlich am 1. Mai den weiten Weg von Steinbach nach Werschweiler ging, um dort den uralten Brauch des Maisingens mitzuerleben, der noch heute im Dorf gepflegt wird. Mit diesem alten Brauch wird der Frühling eingeläutet und herzlich begrüßt. Schon vier bis fünf Wochen vor dem großen Tag beginnen die ältesten Schulmädchen mit den Vorbereitungen. Mittels „Mund-zu Mundpropaganda“ werden die jüngeren Mädchen zum Einstudieren von Liedern eingeladen. Zwei- bis dreimal pro Woche werden fleißig Frühlingslieder und Maienlieder eingeübt. Von „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an …“ über „Komm lieber Mai und mache …“ und „Alle Vögel sind schon da …“ bis „Der Mai ist gekommen …“ müssen alle Lieder von der ersten bis zur letzten Strophe eingeübt werden.

Zwei Tage vor dem eigentlichen Maisingen am 1. Mai ziehen die ältesten Mädchen mit einer Säge, einem Handkarren und viel guter Laune begleitet, in den nahen Wald. Dort wird ein schöner Birkenbaum – nicht zu groß und nicht zu klein – ausgesucht und gefällt. Auch werden viele Birkenzweige und andere schon belaubte Zweige mit nach Hause gebracht. Diese müssen eingeweicht und am nächsten Tag „abgezogen“ werden. Ein Tag vor dem Singen sammeln die Mädchen des Dorfes eifrig bunte Frühlingsblumen. Mit diesen Blumen und den Zweigen winden die älteren Mädchen kleine Blumenkränze. Jedes Mädchen erhält sein eigenes „maßgeschneidertes“ Kränzchen. Am gleichen Tag wird beim zweitältesten Mädchen der Birkenbaum mit bunten Bändern und Blumen aus Krepppapier geschmückt. Die letzte Nacht vor dem 1. Mai, die Walpurgisnacht („Hexennacht“), verbringen die „Organisatoren“ bei den Kränzchen und dem Maibaum. Große Aufregung und Spannung herrscht am folgenden Morgen. Schon um acht Uhr treffen sich alle Sängerinnen und erhalten als Kopfschmuck die Blumenkränzchen.

An der Spitze des Zuges ist der buntgeschmückte Maibaum. Dahinter gehen viele singende, mit Blumen geschmückte Mädchen, die von Haus zu Haus ziehen, um mit Frühlingsliedern die Leute zu erfreuen. In Eimern, Schüsseln und Körben werden Eier, Margarine, Speck und Geld gesammelt. Gegen Mittag ist der anstrengende Umzug beendet. Alle haben eine große Portion Rührei, Spiegelei oder Speckeier verdient, die beim ältesten Mädchen gegessen werden. Mit dem Gedanken, im nächsten Jahr bestimmt wieder dabei zu sein, endet nach dem schmackhaften Mahl das alljährliche „Maisingen“ der Werschweiler Mädchen.

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23 aralık 2023
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