Kitabı oku: «Die Katholizität der Kirche», sayfa 6

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4.6Katholizität in freikirchlicher Perspektive

Die meisten freikirchlichen Gemeinden bekennen sich zwar zur Katholizität der Kirche, messen ihr aber eine eher nebensächliche Bedeutung bei. Dies liegt unter anderem daran, dass sie ihr kirchliches Selbstverständnis ganz vom Gedanken der Ortsgemeinde her ableiten.210 Wenn jede Gemeinde, die sich im Namen Jesu versammelt und sich zu seinem Leben und seiner Botschaft bekennt, kraft seines Geistes bereits ganz und voll Kirche ist, rückt die Frage nach übergemeindlichen Strukturen und die Bedeutung einer alle Grenzen des Partikularen übersteigen wollenden Katholizität zwangsläufig in den Hintergrund. Die Ortsgemeinde wird nicht als Teil eines ekklesialen Ganzen verstanden, sondern als das Ganze im Fragment. Zwar bleibt eine Ortsgemeinde auch in freikirchlicher Sicht notwendig auf ein sie übersteigendes Ganzes verwiesen; dies aber nicht im Sinne des sakramental vermittelten „Auf-die-Universalkirche-hin“ bzw. „Von-der-Universalkirche-her“ wie in der (römisch-)katholischen Kirche. Jede Gemeinde ist vielmehr unmittelbar katholisch, weil Christi Geist in ihr wirkt und weil sie auf das Je-Größere Gottes hingeordnet bleibt.211

Die verschiedenen Freikirchen schreiben – gleich dem ihnen zugrunde liegenden reformierten Denken, dem sie entspringen – primär der unsichtbaren Kirche Katholizität zu. Sie allein sei die wahre Kirche Jesu Christi. Weil sie „die göttlichvollkommene Gemeinschaft aller Erwählten und Wiedergeborenen aus allen Zeiten und an allen Orten“212 sei, komme nur ihr primär Katholizität zu. Von der Überzeugung getragen, dass „die verborgene Kirche als die einige und allgemeine (katholische) Kirche […] nicht nur durch ‚eine geistige und ethische Gemeinschaft mit Christo‘ […] ausgezeichnet“213 ist, sondern sich auch konkret verwirklicht, wird die jeweilige Gemeinde vor Ort, in einem nachgeordneten sekundären Sinne und streng von der verborgenen Liebesgemeinschaft aller Gläubigen in Christus her gedacht, als Verwirklichungsweise der ecclesia invisibilis verstanden. Urbild für die Ausgestaltung jeder Gemeinde ist und bleibt die unsichtbare Gemeinschaft aller Gläubigen in Christus, deren vollkommene Seinsweise zwar nie verwirklicht werden wird, wohl aber anzustreben ist.214 Aus dem streng reziproken Verhältnis von sichtbarer und unsichtbarer Kirche erwächst eine grundsätzliche katholische Offenheit jeder Ortsgemeinde für alle anderen Gläubigen: Wahre Kirche Jesu Christi ist sie nur dann, wenn sie offen ist für alle, die zur Liebesgemeinschaft mit Christus gehören.215 Zudem ist sie nur dann katholisch, wenn in ihr die Botschaft Jesu „verkündigt, geglaubt und in der Gemeinschaft der Heiligen gelebt wird“216.

Ein zugrunde liegendes rein spirituelles Gemeindeverständnis bringt es mit sich, dass die Katholizität neben der grundsätzlichen Offenheit an keine formalen Strukturen wie etwa des ordinierten Amtes rückgebunden wird. Das aber bedeutet nicht, dass die Zugehörigkeit zu einer sichtbaren Gemeinde von nachgeordneter Bedeutung wäre und man auch individuell Heil finden könne. Im Gegenteil: Die Zugehörigkeit zu einer konkreten Gemeinde wird als notwendige Bedingung für die subjektive Katholizität des Einzelnen verstanden: Wohnt der Geist Christi zwar in jedem Gläubigen, so „kann kein Christ für sich alleine, getrennt von anderen Christen, eine katholische Person sein. Die Gemeinschaft des ganzen Volkes Gottes kann man nur dann abbilden, wenn man in der Gemeinschaft lebt. Der Einzelne muss, um katholisch zu sein, in seiner inneren Konstitution durch eine ekklesiale Gemeinschaft bedingt sein. […] Das Stehen im Geist Christi impliziert für die Katholizität der Person somit das Stehen in einer ekklesialen Gemeinschaft“217.

Unter den verschiedenen evangelischen Freikirchen betonen besonders die kongregationalistisch organisierten Denominationen wie etwa die Baptisten das ortsgemeindliche Moment. Im Bekenntnis des Bundes Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden von 1977 heißt es: „Die Gemeinschaft der Gemeinde erfährt der Christ vornehmlich in der örtlichen Versammlung der Glaubenden. In ihr wird die eine Taufe auf das Bekenntnis des Glaubens hin vollzogen und das eine Brot, von dem einen Herrn gestiftet, gebrochen und geteilt. Deshalb versteht sich die Ortsgemeinde als die Manifestation des einen Leibes Jesu Christi, durchdrungen von dem einen Geist und erfüllt mit der einen Hoffnung“218. Das ekklesiologische Denken der Baptisten wie anderer freier evangelischer Gemeinden dürfte in seinen Grundzügen unter anderem von der Theologie Huldrych Zwinglis (1484–1531) bestimmt sein. Zwingli vertritt einen anthropologischen Dualismus, der aus seinem Spiritualismus sowie seiner Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch, Geist und Fleisch resultiert und „sich im Antagonismus zwischen Fleisch und Geist, sinnenhaftem Wahrnehmen und Glauben ausgestaltet“219. Anders als bei Luther dominiert bei Zwingli der Glaube als „Ausdruck der gegenwärtigen Teilhabe an der Allmacht Gottes“220, aus dem heraus das Wort und die Sakramente als Hilfen für den Glauben erwachsen. Dementsprechend lehnt er eine heilsvermittelnde Dimension sinnenhafter Zeichen, so auch der Kirche, ab: Da der Mensch durch den Geist in unmittelbarer Gemeinschaft mit Gott steht, bedarf es keiner institutionellen sowie sakramentalen Vermittlung des Heils.221 Unter der „ecclesia invisibilis“ versteht er eine rein geistige Größe, nämlich die Gemeinschaft der im einen Glauben durch Gottes Geist geeinten „Auserwählten“; als die „ecclesia visibilis“ bezeichnet er jede Ortsgemeinde, d.h. jede konkrete Versammlung der weltweit den Glauben an Christus bekennenden Gläubigen.

Da jede Ortsgemeinde unvermittelt, d.h. direkt von Christus her im Heiligen Geist Ekklesialität besitzt, bedarf es zum vollen Kirchesein der baptistischen Gemeinden weder übergemeindlicher Strukturen im Sinne der Universalkirche noch sakramentaler Garanten der Kirchlichkeit in Form von ordinierten Bischöfen.222 Ob unbeschadet dieser grundsätzlichen Feststellung den charakteristischen baptistischen Gemeindebünden kirchliche Realität zukommt, wird derzeit innerbaptistisch konrovers diskutiert.223 Damit steht auch die Frage im Raum, ob Katholizität nur der wahren (unsichtbaren) Kirche und ihren ortsgemeindlichen Verwirklichungsformen zukommt oder ob letzteren gerade die Katholizität abzusprechen ist, da sie diese streng an die Ortsgemeinde binden.224 Miroslav Volf spricht diesbezüglich von einem „freikirchliche[n] Katholizitätsdilemma“, das er darin begründet sieht, „dass die Freikirchen den Lokalpartikularismen und Spezialinteressen zum Opfer fallen und sich deswegen immer wieder als unkatholisch erweisen“225. Denn ein kirchliches Selbstverständnis, das neben der ecclesia invisibilis einzig den jeweiligen Ortsgemeinden Kirchlichkeit zubilligt, widerspricht damit der Katholizität, deren Wesen es gerade ist, alle Partikularismen und ortskirchlichen Grenzen zu übersteigen. Folglich sieht Volf die Katholizität und damit das wahre Kirchesein jeder Ortsgemeinde notwendig an die Gesamtheit des Volkes Gottes rückgebunden: „Die Minimalforderung der Katholizität hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Kirchen ist die Offenheit jeder Kirche für alle anderen Kirchen. Wenn sich eine Kirche gegenüber den anderen Kirchen Gottes aus Vergangenheit oder Gegenwart verschließt, wenn sie sich zu ihnen nicht hinwenden will, dann leugnet sie die eigene Katholizität. […] Jede katholische Kirche hat die Aufgabe, ihre Beziehungen mit anderen Kirchen der Gegenwart und Vergangenheit zu pflegen und zu vertiefen. Die Kirche, die sich weigern würde, dies zu tun, wäre keine katholische Kirche und damit auch überhaupt keine Kirche“226.

Dieses das Partikulare notwendig übersteigende Moment der Katholizität ist in der Evangelisch-methodistischen Kirche stärker präsent. Die Methodisten wissen sich kraft ihrer Katholizität, die ihnen von Christus her zukommt, „befähigt und berufen, die höchste aller menschlichen Gemeinschaften darzustellen. […] Jede Einzelkirche muss daher auch an dieser Universalität Christi teilhaben, wenn sie nicht ein Ärgernis werden will; sie muss daher allen dienen und für alle offen sein. Kein Teil der Kirche darf diese Allgemeinheit so ausprägen wollen, dass er sie sich allein zuschreibt, da er sie gerade dadurch verleugnete. Das ist eben das Wesen des Sektentums, dass es unter Verleugnung der wahren Katholizität sich selber als die wahre Kirche betrachtet“227. Folglich haben sowohl die Bedeutung als auch die Herausforderungen der Katholizität für die Methodisten einen höheren Stellenwert als für die Baptisten.

In gleicher Weise betont die Herrnhuter Brüdergemeine neben der Katholizität der unsichtbaren Kirche diejenige ihres weltweiten Netzwerkes228 und noch mehr das „Bewusstsein der radikal grenzüberschreitenden geschwisterlichen Verbundenheit aller, die zu Christus gehören“229. Die Katholizität sucht nicht die Vereinzelung, sondern das Verbindende. Das Bekenntnis zur ekklesialen Katholizität „eröffnet der Brüdergemeine einen Horizont, der sie über die Grenzen ihrer Existenz als Partikularkirche hinausführt“230, wodurch „ein Stück der Weite des Leibes Christi deutlich wird. Innerhalb der Brüdergemeine ist dieses ‚katholische Moment‘ vor allem durch die weltweite Struktur von Kontakten und Partnerschaften zwischen den einzelnen Unitätsprovinzen gegeben. Nach außen hin ereignet sich die Erfahrung von katholischer Weite in ökumenischen Verbindungen und Begegnungen“231. Die Gabe der Katholizität wird als Aufgabe verstanden, „die Begegnung mit anderen Traditionen zu suchen und angemessene Formen der gegenseitigen Anerkennung und des gemeinsamen Betens, Bekennens und Handelns zu finden“232.

4.7Katholizität in altkatholischer Sicht

Das Katholizitätsverständnis der altkatholischen Kirchengemeinschaft hat sich seit dem Schisma mit Rom in unterschiedlichen Abstufungen entwickelt.233 Dabei gingen die Auffassungen darüber, was und wer „katholisch“ sei, anfangs weit auseinander: Während der Schweizer Bischof Eduard Herzog 1920 etwa der Meinung war, dass keine Kirche für sich Katholizität in vollem Sinne beanspruchen könne234, sah Ignaz von Döllinger fast fünfzig Jahre zuvor zwar Teile, aber nicht die ganze Katholizität in einer Ortskirche verwirklicht235. Joseph Hubert Reinkens indes sprach 1877 – in Abwehr des auf dem 1. Vatikanum festgeschriebenen Jurisdiktionsprimats des Papstes als sichtbarem Prinzip der kirchlichen Einheit – jeder altkirchlichen Ortskirche volle Katholizität und damit volles Kirchesein zu, dergestalt, dass er die Katholizität als Erweis der Fülle des Glaubens verstand, in der die einzelnen Ortskirchen in sich stünden und durch welche sie miteinander geeint seien. Diese Kirchengemeinschaft indes sah er nicht durch die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom als notwendiges Einheitsprinzip vermittelt. Reinkens hebt damit vor allem die qualitative Dimension der Katholizität hervor und vertritt schon früh eine Ortskirchenekklesiologie, die für die Anglikanische Gemeinschaft bestimmend werden sollte.236

In den folgenden Jahren erwies sich in den ökumenischen Bemühungen die Katholizität der einzelnen Konfessionskirchen – mit Ausnahme der (römisch-)katholischen Kirche – als Bedingung der Möglichkeit gegenseitiger Anerkennung (Kirchengemeinschaft) und Abendmahlsgemeinschaft.

Kurt Stalder kann als eigentlicher Wegbereiter der heutigen altkatholischen Ortskirchenekklesiologie angesehen werden, die später von Peter Amiet237 und Herwig Aldenhoven238 weiter entwickelt wurden. Dieser setzte ausgehend von Ernst Gaugler239 seine ekklesiologischen Überlegungen im Neuen Testament sowie in der altkirchlichen Tradition an. Seine Thesen können wie folgt zusammengefasst werden:

„Da sich konkreter Vollzug von Gemeinschaft nur in einem bestimmt umgrenzten Raum ereignen kann, tritt Kirche grundsätzlich als ‚Kirche an einem Ort’ […] in Erscheinung. In jeder derartigen Lokalkirche ist die ganze Wirklichkeit von Kirche gegenwärtig. […] Gerade darum, weil von der Lokalkirche das alles zu sagen ist […][,] kann die Lokalkirche keine in sich selbst abschließende Monade sein. Sie […] muss darum erwarten, dass sich ihre eigene soteriologisch-trinitarische Realität darin bestätige, dass sie in den anderen Lokalkirchen dieselbe Wirklichkeit gegenwärtig findet, sich selbst in den anderen Lokalkirchen wieder erkennt. Sie muss sich darum mit jeder anderen Lokalkirche verbunden sehen und diese Einheit […] zum Ausdruck bringen. […] So erfahren die Lokalkirchen, dass ihr Gemeinschaftscharakter auch eine geographisch-universelle […] Realität ist […][, die] aber nicht durch die Vielzahl von Lokalkirchen und ihre Summierung konstituiert [ist][…], sondern dadurch dass der soteriologisch-trinitarische Grund jeder Lokalkirche seiner Natur nach universell ist. […] Die universelle Einheit der Kirche [sc. ihre Katholizität] ist nicht Produkt, sondern Grund aller Lokalkirchen“240.

Urs Küry drückte schon Jahre zuvor aus, was Stalders Ekklesiologie intendiert:

„Die Katholizität ist […] in erster Linie eine innere, qualitative, und erst in zweiter Linie eine äußere, quantitative. Anders ausgedrückt: Katholisch ist die Kirche nicht schon dadurch, dass sie auf der ganzen Erde verbreitet ist, sondern dadurch, dass sie überall, wo sie verbreitet ist, die Eine und ganze Kirche in ihrer Fülle ist.“241

Diesen Ansatz übernahm das im Jahre 2000 verabschiedete Statut der in der Utrechter Union vereinigten Bischöfe.242

5. Ziel der Untersuchung und methodisches Vorgehen

Der Aufriss des Bedeutungshorizontes des Begriffs „katholisch“ bzw. „Katholizität“, deren folgenschwere Begriffsgeschichte und die je unterschiedlich konnotierten Sichtweisen in den verschiedenen Denominationen lassen erahnen, dass die Wesensbestimmung der Katholizität sowohl für die binnenkirchliche als auch für die zwischen- und außerkirchliche Diskussion von nicht unbeachtlicher Bedeutung ist. Alle christlichen Konfessionen verstehen sich in direkter oder indirekter Weise als Repräsentantin bzw. Verwirklichungsform der einen Kirche Jesu Christi, deren Auftrag es ist, alle Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten der unverfälschten Heilsbotschaft Jesu Christi teilhaftig werden zu lassen und in die volle Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu führen. Hierzu, so der mehr oder weniger erhobene Anspruch, haben alle Konfessionen direkt oder indirekt Anteil an der Katholizität, die nicht nur drängt, sondern auch befähigt, der der Kirche zukommenden Sendung gerecht zu werden. Wie die Katholizität der Kirche derweil qualitativ begründet ist, d.h. worin und worauf ihr Katholischsein essentiell gründet und was dies für Auswirkungen auf den zugrunde zu legenden Kirchenbegriff hat; wie die Katholizität der Kirche ferner quantitativ zu ergründen ist, d.h. woran man denn überhaupt objektiv erkennen kann, dass eine Kirche „katholisch“ ist; und wie sich die qualitative Dimension der Katholizität, also ihr Seinsgrund (intensive Katholizität), letztlich zu ihrer quantitativen Dimension, ihrem Erkenntnisgrund (extensive Katholizität), verhält, bleibt in den verschiedenen Konfessionen indes unterschiedlich beantwortet.

Die vorliegende Untersuchung will diesen Fragenkomplex unter einem begrenzten Focus – nämlich aus Sicht des spezifisch (römisch-)katholischen Kirchenverständnisses seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil – aufgreifen und weiterführen. Sie versucht zu klären, wie das Wesen der Katholizität auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und in Folge dessen in der deutschsprachigen katholischen nachkonziliaren systematischen Theologie bestimmt wird, d.h. wie deren Seinsgrund (qualitative, intensive Dimension der Katholizität) und Erkenntnisgrund (quantitative, extensive Dimension der Katholizität) inhaltlich gefüllt und beider Verhältnisse zueinander gesehen und gewichtet werden. Anlass dafür gibt die Beobachtung, dass die in der gegenwärtigen theologischen Diskussion gebräuchliche Differenzierung von qualitativer und quantitativer Dimension der Katholizität – wenn auch nicht den Begriffen nach, so doch inhaltlich – schon seit frühester Zeit intendiert war. Bereits Ignatius von Antiochien zeigte mit der Bezeichnung „ἡ καθολικὴ ἐκκλησία“ sowohl die qualitative Fülle und Vollkommenheit der Kirche als auch ihre quantitative Weite und universale Verbreitung an. Mit dieser Differenzierung aber – und hierin lassen sich Unterschiede im konfessionellen Verständnis der Katholizität erkennen – schrieb er der Kirche keine ausschließliche Seinsbeschreibung zu, die der Kirche eine nur unsichtbare Wirklichkeit, eine vage und unbestimmte Allgemeinheit zuspricht. Vielmehr dachte Ignatius die Katholizität immer schon zugleich als eine notwendig sichtbare, konkretisierte Universalität der Kirche, als eine „Katholizität in konkreter Gestalt“243. Seine Äußerung: „Wo der Bischof erscheint, da soll auch die Gemeinde sein, wie da, wo Christus Jesus sich befindet, auch die katholische Kirche ist“244 lässt erahnen, dass Ignatius mit dem Attribut „katholisch“ aussagen wollte: Die in Christus innergeschichtlich erschienene Fülle des Heils (vgl. Joh 1,16; Eph 1,10; Kol 1,19. 2,9) ist in seiner Kirche zugegen (Seinsgrund der Katholizität); und sie ist dies nicht auf eine unkonkrete, allgemeine Weise, sondern in einer notwendig konkreten und sichtbaren Gestalt (Erkenntnisgrund der Katholizität).

Die vorliegende Untersuchung geht analytisch-systematisch vor. In einem ersten, mehr analytischen Teil schält sie die Bedeutungsvielfalt des Begriffs „katholisch“ bzw. „Katholizität“ heraus, wie sie die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzil erkennen lassen, und bringt diese mit den übergeordneten ekklesiologischen Leitbegriffen des Konzils in Zusammenhang.

Im ersten Kapitel werden alle Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „katholisch“ bzw. „Katholizität“ gesichtet. Untersucht wird, an welchen Stellen, mit welcher Bedeutung, in welchen Kontexten und – sofern zu eruieren – mit welcher Intention die Konzilsväter in den Konstitutionen, Dekreten und Erklärungen von der „katholischen Kirche“ bzw. von ihrer „Katholizität“ sprechen. Die die Konzilstexte vorbereitenden Schemata und Eingaben sind nicht Bestandteil dieser Analyse. Von dieser textkritischen Durchsicht wird ein breiter Verständnishorizont zu erwarten sein, vor dem die weiteren Studien betrieben werden sollen. Bei diesem analytischen Schritt werden erste heuristische Spannungsfelder245 ersichtlich werden, die sich aus der Verhältnisbestimmung von qualitativer und quantitativer Katholizität ergeben. Solche im Verlauf der Untersuchung immer wieder zur Sprache kommende Spannungsfelder lassen nicht nur die der Katholizität eigene innere Dynamik erahnen, sondern weisen bereits auf kontrovers diskutierte Probleme der Ekklesiologie und Ekklesiopraxis hin, die im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder aufgegriffen werden. Auf der Grundlage der analytischen Durchsicht aller Konzilstexte unter dem Aspekt der Katholizität wird am Ende des ersten Kapitels die These in den Raum gestellt, ob die Katholizität nicht als hermeneutischer Schlüssel zur rechten Interpretation der ekklesiologischen Grundlinien des Konzils verstanden werden kann.

Um diese These zu stützen, wird in einem nächsten Schritt das, was die Konzilsväter meinen, wenn sie von der „katholischen“ Kirche bzw. ihrer Katholizität sprechen, in Zusammenhang mit den drei zentralen ekklesiologischen Leitbegriffen des Zweiten Vatikanischen Konzils gebracht: „Volk Gottes“, „Leib Christi“ und „Communio“. In diese systematische Zusammenschau fließen erstmals ausgewählte deutschsprachige Beiträge nachkonziliarer katholischer systematischer Theologie ein. Ziel dieser im zweiten, dritten und vierten Kapitel vorgenommenen Synthese ist es, die zuvor erhobene These zu belegen, dass die Katholizität als eine integrierende Größe aller wesentlichen ekklesiologischen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils angesehen werden kann. Dabei wird die zentrale Bedeutung erkenntlich, die die dritte nota ecclesiae für die Kirche nicht nur nach innen, sondern auch nach außen einnimmt. Jedes Kapitel widmet sich in einem je abschließenden Exkurs einem in den letzten Jahren in der theologischen Wissenschaft kontrovers diskutierten ekklesiologischen Problem, das die Frage nach der Katholizität der Kirche berührt und in möglichen Lösungsansätzen Auswirkungen auf eine Bestimmung der Katholizität hat.

Nach diesem ersten Teil, der erste Linien einer systematischen Bestimmung der Katholizität erkennen lässt, soll in einem zweiten systematischen Teil vertiefter nach dem Wesen der Katholizität und möglichen Schlussfolgerungen für das Selbstverständnis der (römisch-)katho-lischen Kirche sowohl nach innen wie nach außen gefragt werden.

Ausgehend vom sakramentalen Kirchenverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils wird im fünften Kapitel der Versuch einer christologischen (sakramentalen) Wesensbestimmung der Katholizität unternommen, die ihre Konkretisierung im inner-, zwischen-, und außerkirchlichen Spannungsverhältnis von Einheit und Vielfalt erfährt. Die Literaturauswahl beschränkt sich auf deutschsprachige katholische Autoren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die in ihren Schriften einen betont christologischen Ansatz zur Bestimmung der Kirche erkennen lassen. Einzige Ausnahme bilden ausgewählte Schriften Henri de Lubacs, der als Vertreter der Nouvelle Théologie besonderen Einfluss auf die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils und das Verständnis der Katholizität genommen hat. Die entfaltete christologische (sakramentale) Grundlegung der Katholizität wird – der Wesensbestimmung der Kirche durch das Zweite Vatikanum analog – in einen weiteren trinitarischen Bezugsrahmen eingestellt, was einer einseitigen Christozentrik genauso wehren soll wie einer gleichermaßen verengten pneumatozentrischen Sichtweise.

In den letzten drei Kapiteln wird nach möglichen Konsequenzen für die (römisch-)katholische Kirche gefragt, die aus einem christologischen (sakramentalen) Wesensverständnis ihrer Katholizität erwachsen. Hierbei kommen die der Katholizität mitgegebenen und im Verlauf der Untersuchung immer wieder zutage getretenen heuristischen Spannungsfelder exemplarisch zur Sprache. Das sechste Kapitel untersucht die Frage, wie die (römisch-)katholische Kirche ihre Verfassung nach innen mit Leben füllen kann und muss, will sie der ihr wesentlich von Christus im Heiligen Geist her zukommenden Katholizität entsprechen. Anhand ausgewählter, zum Teil kontrovers diskutierter struktureller Fragen wird aufgezeigt, wo die (römisch-)katholische Kirche das spannungsgeladene Zueinander von allgemeinem und besonderem Priestertum bzw. von Orts- und Universalkirche noch katholischer gestalten kann, um nicht nur katholisch zu heißen, sondern es auch erkennbar und erfahrbar zu sein.

Das siebte Kapitel lenkt den Fokus auf den weiten Bereich der Ökumene. Eine Kirche, die sich von ihrem Wesen her als „umfassende[…][s] Heilssakrament“ (LG 48) versteht, kann nicht in einer Innenschau stecken bleiben, sondern muss ihren Blick notwendig weiten und sich von ihrem Außen her verstehen. Aus einem christologischen (sakramentalen) Wesensverständnis ihrer Katholizität ergibt sich zwangsläufig eine katholische Offenheit der (römisch-)katholischen Kirche auf die nichtkatholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hin. Einzelne Aspekte der Katholizität sollen in ausgewählten ökumenischen Konsenspapieren aufgespürt und aus (römisch-)katholischer Warte auf ihre Relevanz für den weiteren ökumenischen Dialog hin befragt werden. Dabei wird auch die Frage zu erörtern sein, welches Modell einer möglichen Kircheneinheit aus (römisch-)katholischer Sicht in den ökumenischen Dialog eingebracht werden kann, drängt die Katholizität doch, die von Gott gewollte Communio aller Menschen mit ihm und unter sich zu verwirklichen.

Das achte Kapitel konkretisiert die notwendige katholische Offenheit der (römisch-)katholischen Kirche auf die nichtchristlichen Religionen und auf „die Welt“ hin. In dem Maße, wie sich die (römisch-)katholische Kirche als Sakrament für „die Welt“ versteht, muss sie notwendig über den ekklesialen Tellerrand hinausschauen und sich zu allen Menschen gesandt wissen. Kirche weiß sich kraft ihrer Sakramentalität an ihre enge „Verbundenheit […] mit der ganzen Menschheitsfamilie“ (Überschrift von GS 1) gebunden. Es steht ihr nicht frei, ob sie sich auf die Welt beziehen möchte oder nicht, es ist ihre ureigene „katholische“ Sendung. Diese zentrifugale Ausrichtung der Kirche ist Ausdruck und zugleich Kriterium ihrer Katholizität. Anhand der Schlagwörter „Dialog“ und „Mission“ soll verdeutlicht werden, wie Kirche diese Sendung mit Leben füllen und je neu als ihr Lebenselexier begreifen kann bzw. muss: als eine Sendung, die nicht in ihrer freien Wahl steht, sondern in ihrer Sakramentalität begründet liegt.

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