Kitabı oku: «Die Katholizität der Kirche», sayfa 7

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Erster Teil:

I. „Katholisch“ und „Katholizität“ in den
Konzilstexten

Ein nur flüchtiger Blick in die nachkonziliare Rezeptionsgeschichte des Zweiten Vatikanums verrät, dass „die“ Ekklesiologie des Konzils, wie sie vor allem in „Lumen Gentium“ dargelegt ist, alsbald unter dem Schlüsselbegriff „Communio“ subsumiert wurde, ist in diesem Begriff und seinem reichen Begriffsfeld doch grundgelegt, was die anderen zentralen termini technici „Volk Gottes“ und „Sakrament“ verbindet. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, abschließend zu klären, ob der sehr vielschichtige Begriff „Communio“ als eine „ekklesiologische Kategorie neben anderen [zu] verstehen […] [ist, oder ob] sich das Communio-Wortfeld ekklesiologisch weniger als Alternativbegriff denn als Oberbegriff eignet“246. Diese Arbeit nimmt lediglich die auch vom Lehramt betriebene Diskussion um „den konziliaren communio-Gedanken als ekklesiologische Leitkategorie“247 zum Anlass, eine alternative ekklesiologische Leitkategorie in die Diskussion einzubringen, welche die entscheidenden Komponenten der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums gleichermaßen wesentlich betrifft und diese zu integrieren vermag: die Katholizität der Kirche.

In einem ersten analytischen Schritt soll sich den verabschiedeten Texten des Konzils gewidmet werden. Diese sollen daraufhin untersucht werden, ob und wie oft, mit welcher Bedeutung und in welchen inhaltlichen Kontexten die Begriffe „katholisch“ bzw. „Katholizität“ verwendet werden. Besondere Beachtung soll der Frage geschenkt werden, welche Intention die Konzilsväter womöglich mit der Verwendung des Begriffs „katholisch“ verfolgt haben, besonders dann, wenn er im quantitativen und qualitativen Sinne verwendet wird. Bei dieser textkritischen Betrachtung sollen, falls erforderlich, auch die vorbereitenden Schemata mit in die Untersuchung einbezogen werden, denn aus einer synchronen Rückschau ergeben sich möglicherweise Aufschlüsse über die Entwicklung des ekklesiologischen Denkens der Konzilsväter sowie Hinweise für mögliche Zusammenhänge zwischen den späteren ekklesiologischen Leitgedanken des Konzils und dem Begriff der Katholizität. Es gilt, im Folgenden herauszustellen, dass mit dem Begriff „catholicus“ in den Konzilstexten nicht nur die römisch-katholische Kirche als Denomination ins Wort gebracht ist, sondern auch die katholische Kirche im Sinne der „una, sancta, catholica et apostolica“ des Glaubensbekenntnisses, die nach dem Selbstverständnis der (römisch-)katholischen Kirche zwar in ihr subsistiert, dies aber nicht auf absolute (exklusive) Weise. Und es gilt zu klären, wo der Begriff „Katholizität“ im ursprünglich qualitativen oder quantitativen Sinne gebraucht wird.

Mit gewissen, der Interpretation bedürftigen „Unschärfen“, die Bernd Jochen Hilberath für eine textkritische Analyse der Konzilstexte grundsätzlich attestiert, muss auch bei unserer Untersuchung gerechnet werden. Denn einerseits musste sich die mit der in LG betriebenen „Ersetzung des ‚esse’ durch das ‚subsistere’ […] vorgenommene Umorientierung [im ekklesiologischen Selbstverständnis] erst durchsetzen“248, was zu nicht immer eindeutigen Formulierungen in den Konzilstexten führte. Andererseits sind in konfessionskundlicher Hinsicht unter die Bezeichnung „katholisch“ nicht nur die (römisch-)katholischen Christen zu rechnen, sondern auch die Mitglieder der mit Rom unierten „katholischen Ostkirchen“, was vor allem bei der Verwendung des Begriffs „katholisch“ im Dekret OE zu möglichen Mehrdeutigkeiten führen kann, weil nicht immer von vornherein eindeutig ist, wer mit der Bezeichnung „katholisch“ eigentlich gemeint ist. Zu bedenken wird dabei sein, dass hier und dort, wo der Begriff „catholicus“ im Sinne der Konfessionsbezeichnung „weiter“ gefasst ist, einige Konzilsväter bei ihrer Zustimmung zum abschließenden Text mehr an ihre eigene römische Kirche gedacht haben als an eine „weitere“, im ursprünglichen Wortsinne katholische Kirche, die auch diejenigen Katholiken des Ostens miteinschließt, die mit Rom verbunden sind. Dies lässt sich jedoch allein vom promulgierten Text her nicht erschließen, so dass bei etwaigen Vermutungen Vorsicht vor allzu schneller Interpretation geboten ist.

Eine systematische Durchsicht auch der Texte aus der vor-vorbereitenden Phase des Konzils (Antepreparatoria) samt der Konsultationen der Bischöfe und Institutionen sowie deren Eingaben (Vota) während der Jahre 1959 und 1960, der Texte aus der vorbereitenden Phase (Preparatoria) und der Quaestiones in den Jahren 1960 bis 1962 sowie der einzelnen Schemata, Relationes, Consilia und Vota, Animadversiones und Modi während der einzelnen Sitzungsperioden wäre hilfreich und aus textgenetischer Sicht angezeigt gewesen, da eine solch diachrone Betrachtungsweise genaueren Aufschluss darüber geben könnte, wie der Begriff „katholisch“ in den einzelnen Konzilstexten zu deuten ist und wo er unter Umständen bewusst eingefügt wurde, um bestimmte ekklesiologische Leitideen des Konzils zum Ausdruck zu bringen. Da eine derart tiefschichtige Analyse jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll auf sie weitgehend verzichtet werden. Allein dort, wo im Rahmen unserer Analyse eine intensivere Tiefenbohrung angezeigt ist, soll diese punktuell erfolgen.

1. Kritische Durchsicht aller Konzilstexte auf die Begriffe „katholisch“ und „Katholizität“ hin

Nach der Unterbrechung des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 war man vielfach der Meinung gewesen, mit der Dogmatisierung des Jurisdiktionsprimats und der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes einen status quo in Fragen der kirchlichen Hierarchie und des kirchlichen Selbstverständnisses erreicht zu haben, der weitere Konzilien überflüssig scheinen ließ. Die Päpste seit Benedikt XV. hatten vergeblich versucht, das Erste Vatikanum im ursprünglichen Sinne zu Ende zu führen.249 Umso überraschender war, dass Johannes XXIII. die Erwartungen auf eine Erneuerung der Kirche erfüllte und am 25.1.1959 zum Abschluss der Welt-Gebetswoche die Einberufung eines allgemeinen Konzils für die Weltkirche ankündigte.

Die Einberufung des Konzils erfolgte mit der Apostolischen Konstitution „Humanae salutis“ am 25.12.1961; das am 2.2.1962 veröffentliche Motuproprio „Concilium“ setzte den 11.10.1962 als Termin für die feierliche Eröffnung und den Beginn der Arbeiten fest. In vier Sitzungsperioden beratschlagten die Konzilsväter über die vorbereiteten Schemata.

Während der ersten Sitzungperiode (11.10.-8.12.1962) wurden keine Konzilsdokumente verabschiedet. Vielmehr ging es darum, die zehn Konzilskommissionen mit Vertretern aus den Reihen der angereisten Bischöfe zu besetzen. Der Erzbischof von Mailand und spätere Papst Paul VI., Kardinal Giovanni Battista Montini, formulierte – Gedanken des belgischen Kardinals Leo Josef Suenens aufgreifend – in einem elfseitigen Brief an den Papst die doppelte Richtung des Konzils: Er plädierte nach außen für eine Ausweitung des ökumenischen Dialogs und nach innen für eine tiefere Befassung mit dem Wesen der Kirche und ihrer grundlegenden Reform.

Die zweite Sitzungsperiode (29.9.–4.12.1963), die nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. am 21.6.1963 von Papst Paul VI. am 29.9.1963 eröffnet wurde, führte zu den ersten Dokumenten und damit zu den ersten greifbaren Ergebnissen des Konzils.250

1.1Die Verwendung in SC

In der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (SC), die am 4.12.1963 verabschiedet wurde, taucht der Begriff „catholicus“ an fünf Stellen (vgl. SC 69,2; 115,1; 121,3; 123; 127,3)251 auf und zwar zumeist in konfessionellem Sinne.

Die „katholischen Heiltümer“ („sacra catholica“)252, zu denen sich ein gültig getaufter Konvertit bekehrt hat, meinen in SC 69,2 die (römisch-)katholische Kirche. In SC 115,1 („institutis et scholis catholicis“), in SC 121,3 („catholicae doctrinae“) sowie in SC 127,3 („cultui catholico“) wird „catholicus“ ebenfalls als Adjektiv zur Bezeichnung der Konfession im Sinne von „römisch-katholisch“ verwandt.

Auch SC 123 verwendet „catholicus“ als Denominationsbezeichnung, dies wohl in einem „weiteren“ Sinne, ist doch von allen Kunststilen die Rede, die „durch die vergangenen Jahrhunderte hindurch“ ihr Schaffen zur größeren Ehre Gottes eingesetzt und auf diese Weise im „Chor der Verherrlichung […] dem katholischen Glauben gesungen haben“ (SC 123). Es werden ausdrücklich alle verschiedenen Kunstepochen einbezogen, also auch jene, die vor den christlichen Spaltungen im 11. und 16. Jahrhundert zum Kunstschatz des ursprünglich einen „katholischen Glaubens“ beigetragen haben. Das „katholisch“ trägt der Tatsache Rechnung, dass sowohl die Kunst des ersten Jahrtausends gemeinsames Erbe des „katholischen Glaubens“ ist als auch diejenige, die sich nach den Spaltungen in den Ostkrichen entwickelt hat.

Das „catholicae fidei“ lässt auch eine Interpretation zu, bei der das „catholica“ in einem weiteren qualitativen Sinne gelesen werden kann; mit dieser Formulierung wäre dann der orthodoxe, d.h. wahrhaft christliche Glaube bezeichnet im Unterschied zum häretischen Glauben. Dass dies intendiert war, lässt sich nicht belegen.

1.2Die Verwendung in IM

Das ebenfalls am 4.12.1963 verabschiedete Dekret „Inter Mirifica“ (IM) verwendet insgesamt sechzehn Mal das Adjektiv „catholicus“ (vgl. IM 3,1; 14,1–3; 16; 17; 18; 21,1–2; 22), davon mehrheitlich als Konfessionsbezeichnung „römisch-katholisch“.

In IM 3,1 haftet dem Adjektiv „catholica“ – wenn auch dem Kontext entsprechend im konfessionellen Sinn verwendet – eine zugleich weitere, quantitative Dimension an, wird doch von außen auf die katholische Kirche geblickt, die zu Recht als „catholica Ecclesia“ bezeichnet wird, da sie von Christus gegründet und beauftragt ist, allen Menschen das Heil zu bringen, weshalb die Verkündigung der Frohen Botschaft notwendig zu ihrer vornehmsten Aufgabe gehört („cum ad salutem universis hominibus afferendam a Christo Domino constituta sit ideoque evangelizandi necessitate compellatur“). Das Dekret betont, dass die katholische Kirche nicht um ihrer selbst willen da ist, sondern einen Auftrag hat, nämlich teilzuhaben an der Sendung Christi, alle Menschen aller Zeiten, Orte und Rassen mit Gott bekannt zu machen und sie in die volle Gemeinschaft mit ihm zu führen.

IM 18 blickt von innen auf die katholische Kirche samt ihrer Ortskirchen. Diese seien dazu aufgerufen, einmal im Jahr – nach Maßgabe der Bedürfnisse des „katholischen Erdkreises“253 („iuxta orbis catholici necessitates“), gemeint ist hier die Universalkirche, – ihren Obolus zur Unterstützung der katholischen Medienarbeit (sog. „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“) zu tätigen.

IM 3,1 und IM 18 weisen mit der Verwendung des Adjektivs „catholicus“ die der Katholizität wesentliche weitere, extensive Dimension auf: Im ersten Fall zielt die Sendung der (katholischen) Kirche auf die Gesamtheit aller Menschen, um deren Heil willen Kirche überhaupt Kirche ist; im zweiten Fall wird die Sorgfaltspflicht der einzelnen Ortskirchen für das Gesamt der Universalkirche hervorgehoben.

1.3Die Verwendung in LG

Die am Ende der dritten Sitzungsperiode am 21.11.1964 verabschiedete Konstitution „Lumen Gentium“ (LG), das ekklesiologische Herzstück des Konzils, verwendet achtzehnmal das Adjektiv „catholicus“ (vgl. LG 8,2; 13,2.4; 14,1; 23,1; 25,1.3; 26,1; 28,4; 54; 67) und zweimal das Substantiv „catholicitas“ (vgl. LG 13,3 und 23,4).

LG 8 verwendet das Adjektiv „catholicus“ dreimal. Zunächst führt der Artikel das Adjektiv „catholicus“ als eine der vier notae an, die der Kirche Jesu Christi seit dem Symbolum Apostolicum zugeschrieben werden, um die „wahre“ Kirche gegenüber häretischen Gruppen zu qualifizieren. Wie oben dargelegt wurde, eignet der nota „catholica“ sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Moment. Dabei lag – anders als im Selbstverständnis der Kirche in der Gegenreformation – der Schwerpunkt ursprünglich auf dem qualitativen Moment. Das quantitative Moment der Katholizität diente in der Abwehr häretischer Gruppen dem qualitativen Moment als Erkenntnisgrund; man könnte auch sagen, in der quantitativen Katholizität äußerte sich die der Kirche wesentlich qualitative Katholizität. Diese doppelte Sinnrichtung der Katholizität bemüht das Konzil im vorliegenden achten Artikel der Kirchenkonstitution. Die der wahren Kirche zukommende qualitative und quantitative Katholizität fungiert sodann als integrierende Größe, nimmt LG 8 doch erstmals die notwendige Sichtbarkeit der wahren Kirche Jesu Christi in den Blick, die in ihrer Sakramentalität gründet.

Die Sakramentalität der Kirche ist Gegenstand der ersten sieben Artikel von LG. Hier wird das patristische Verständnis von Kirche als „Mysterium“ rezipiert und ihr Wesen als „Sakrament des Heils“ (vgl. LG 1) entfaltet. Artikel 8 kommt auf die Sichtbarkeit und geschichtliche Kontingenz der Kirche zu sprechen, eine Wirklichkeit, die, wenn Kirche als „Sakrament“ verstanden wird, notwendig mitzudenken ist. Kirche hat immer, will sie als Sakrament richtig verstanden sein, eine geschichtlichkontingente sowie darin eine (bleibend) göttliche, transzendente Wirklichkeit. Diese Betonung scheint dem Konzil wichtig gewesen zu sein, denn es ging ihm nicht um eine reine „Wiederbelebung der patristischen Sicht der Kirche“, deren „Begriff des Sakramentes […] noch nicht die instrumentelle Wirkursächlichkeit [umschloss], wie sie den mittelalterlichen Sakramentenbegriff auszeichnet.“254 Mit der Qualifizierung der Kirche als „Zeichen und Werkzeug“ („signum et instrumentum“) (LG 1), als geistlich-spirituelle Lebenswirklichkeit und empirisch fassbare Größe in der Welt, betont das Konzil vielmehr eine Sicht von Kirche, die „auf Erden konkret in der katholischen Kirche zu finden ist“255. Aufgehoben ist damit nicht das zuvor entfaltete Verständnis von Kirche als „Sakrament“, das ein univokes Sprechen über Kirche und eine Konzentrierung auf ihre rein juridisch-organisatorische Gestalt ausschließt. Beide Wirklichkeiten von Kirche, ihre notwendige Sichtbarkeit und ihr bleibendes Mysterium, sollen in der Wesensbeschreibung als „Sakrament“ ausgesagt sein, ohne dass es zu einer „vollkommene[n] Deckungs- und Umfangsgleichheit“256 zwischen katholischer Kirche („Ecclesia catholica“) und der Kirche Jesu Christi („unica Ecclesia“) (LG 8,2) kommt.

Dass LG 8 infolge dessen als Nahtstelle zwischen „alter“ und „neuer“ Ekklesiologie angesehen werden kann, die die beiden Sichtweisen von Kirche als „societas perfecta“ einerseits und als „Sakrament“ andererseits zu verbinden und darin deren „komplexe Wirklichkeit“ (LG 8,1) auszusagen versucht, unterstreicht die zweite Belegstelle von „catholicus“ innerhalb des viel diskutierten Satzes: „Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“ („haec Ecclesia, in hoc mundo ut societas constituta et ordinata, subsistit in Ecclesia catholica, a successore Petri et Episcopis in eius communione gubernata“ (LG 8,2)257. Wird „catholicus“ hier zwar im konfessionellen Sinn als von anderen Konfessionen unterscheidender Begriff verwendet, und wird die (römisch-)katholische Kirche als die unter der Führung des Bischofs von Rom konkretisierte bzw. verwirklichte („subsistit in“) Kirche Jesu Christi ausgesagt, so fällt doch in dieser an sich engen Formulierung insoweit eine „Weitung“ auf, als dass auf das frühere exklusivistische „römisch“ im Sinne einer „Ecclesia Romana“ ausdrücklich verzichtet wird. Grillmeier kommentiert diesen Sachverhalt dergestalt, dass die Konstitution bewusst die Katholizität der Universalkirche in den Blick nehmen wollte, um das frühere exklusivistische Verständnis von Kirche von vornherein abzuwehren und die Universalität der Kirche im Sinne ihrer Katholizität zu betonen.258 Dieses geweitete Kirchenverständnis drückt sich außerdem in der bewussten Verwendung des „weiteren“ Begriffes „subsistit in“ statt eines absoluten, engeren „est“ aus259. Und es kommt in der vom Konzil in LG 8,2 angesprochenen neu umrissenen Verhältnisbestimmung von katholischer Kirche zu den anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum Tragen: Die Konstitution geht von „unterschiedlichen Elementen“ aus – dem Glaubensbekenntnis, den Sakramenten sowie dem kirchlichen Amt –, die nicht nur innerhalb der (römisch-)katholischen Kirche, sondern auch in anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu finden sind und die allesamt „zur katholischen Einheit hindrängen“ („unitatem catholicam“) (LG 8,2). Hier hat die Konstitution wieder die Una Sancta Catholica des Glaubensbekenntnisses als eine in der (römisch-)katholischen Kirche zwar verwirklichte, aber in ihr nicht abschließend und in erschöpfender Weise (absolut) verwirklichte und somit deckungsgleiche Größe im Sinn260. Darin heben die Konzilsväter die qualitative Dimension von Katholizität heraus, die nicht nur der (römisch-)katholischen Kirche, sondern allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen zukommt, sich aber – zumindest aus (römisch-)katholischer Sicht – notwendig in ihrer quantitativen Dimension erweist und darin zum unterscheidenden Kriterium ihrer Sichtbarkeit wird. Damit ist gesagt, dass „die eine wahre Kirche Christi existiert […]. Sie ist erkennbar und in ihrer Weise auch sichtbar […]. Aber [diese Form von sichtbarer] ‚Kirchlichkeit’ fällt nicht einfachhin mit der katholischen Kirche zusammen, weil auch kirchliche Elemente der Heiligung und der Wahrheit außerhalb zu finden sind.“261 „Katholisch“ ist nicht mehr nur, was „römisch“ ist, sondern was – im Sinne der qualitativen Katholizität – wahre Kirche Jesu Christi auszeichnet und repräsentiert im Unterschied etwa zu häretischen Gruppen, die von der wahren Kirche zu unterscheiden sind: sowohl hinsichtlich der Bewahrung des ganzen rechten katholischen und apostolischen Glaubens des Ursprungs (qualitative Katholizität) als auch hinsichtlich ihres weltweiten Engagements um der Vielen willen (quantitative Katholizität). Dass dies Fragen bezüglich der Heilsbedeutung der nichtkatholischen Kirchen und Kirchengemeinschaften sowie der Heilsnotwendigkeit der (römisch-)katholischen Kirche aufwirft, liegt auf der Hand, soll zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiter verfolgt werden.

Artikel 13, der die Katholizität des Volkes Gottes und analog der Kirche in ihrer spannungsreichen Dialektik von Einheit und Vielheit in den Blick nimmt, spricht in 13,2 von der „catholica Ecclesia“. Das Adjektiv „catholica“ zeigt hier weniger die Konfession „katholisch“ an, sondern charakterisiert die Kirche als Universalkirche: Kirche ist „katholisch“, d.h. universal und dies in einem doppelten Sinne: weltweit verbreitet und in der Vielheit und Vielgestaltigkeit in Orts- und Teilkirchen konkretisiert (quantitative Katholizität), zugleich aber notwendig geeint in der in der Fülle des einen Geistes gegebenen Communio der Orts- und Teilkirchen (qualitative Katholizität). Katholizität drückt die der Kirche eigene „Berufung zur Einheit und Einzigkeit“ aus bei gleichzeitiger Sendung, „in dieser Einheit alle Menschen und alle Zeiten zu erfassen“.262 Die der Kirche eigene Katholizität beruht schließlich auf dem Heilswillen Gottes, „der das Menschengeschlecht als eines gegründet hat und seinen Sohn sandte, um die zerstreuten Kinder Gottes zu sammeln“263. Die volle Katholizität ist der Kirche erst dann gegeben, wenn „alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen […] mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft“ (LG 13,2) stehen. Daher weiß sich Kirche – aufgrund ihrer in der Schöpfung, im Heilsratschluss Gottes sowie in der Sendung Christi gründenden intensiven Katholizität (schöpfungstheologische, offenbarungstheologische und christologische Begründung der Katholizität) – immer schon in die Welt gesandt (extensive Katholizität), um „die ganze Menschheit mit allen ihren Gütern unter dem Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes“264. Diese geistgewirkte Einheit äußert sich „als Einheit in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft und im Brotbrechen sowie im Gebet.“265

LG 13,3 bringt sodann die Katholizität der Kirche expressis verbis mit dem Substantiv „catholicitas“ ins Wort, deren Eigenart es ist, dass „die einzelnen Teile die ihnen eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu[bringen], so dass das Ganze und die einzelnen Teile aus allen vermehrt werden, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken.“266 Hier klingt die der Katholizität wesentliche Dialektik von Einheit („unitas“) und Vielheit („diversitas“) an, deren Zielrichtung ein größtmögliches Maß an Vielfalt unter Wahrung der notwendigen Einheit ist. Auf diese in der Katholizität des Volkes Gottes gründende Einheit in Vielfalt kommt LG 13,4 zu sprechen, wenn die Konstitution – im Nachgang von LG 8 und im Vorgriff auf LG 14ff – darauf hinweist, dass der „catholicam Populi Dei unitatem“ nicht nur die (römisch-)katholischen Christen zugehören, sondern „auch andere an Christus Glaubende sowie alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind.“267

Während die vorstehend besprochenen Artikel den Blick allein auf die Catholica richten und nach deren Selbstverständnis fragen, weiten die folgenden Artikel der Kirchenkonstitution den Blick und fragen danach, wie die nichtkatholischen Christen sowie die nichtchristlichen Religionen auf die (römisch-)katholische Kirche und deren Katholizität hingeordnet sind.

In LG 14,1 wenden sich die Bischöfe direkt an die „katholischen Gläubigen“ („fideles catholicos“), wenn sie von der „Katholischen Kirche“ („Ecclesiam Catholicam“) als heilsnotwendig sprechen. Beide Male fungiert das Adjektiv „catholicos“ bzw. „Catholicam“ als Konfessionsbezeichnung, wenngleich im zweiten Falle auffällt, dass das „Catholicam“ groß geschrieben wird – anders als in LG 8,2, wo das Adjektiv „catholica“ klein geschrieben wurde. Ist hier die verfasste (römisch-)katholische Kirche gemeint – groß geschrieben –, weil sich LG 14 hauptsächlich an die Katholiken wendet, diese also besonders betont sein soll? Oder will das Konzil, wenn es von der (römisch-)katholischen Kirche groß geschrieben spricht, unter Rückbezug auf LG 8 betonen, dass in ihr die Catholica des Glaubensbekenntnisses „am meisten“ verwirklicht ist, ohne dass beide Größen identisch wären? Oder nimmt das Konzil mit der groß geschriebenen Bezeichnung „Ecclesiam Catholicam“ die Catholica des Glaubensbekenntnisses bewusst „als die ‚congragatio fidelium’, die Gemeinschaft der Glaubenden, in den Blick, die durch Glaube und Taufe gekennzeichnet ist“268? Letztere Annahme würde aber bedeuten, dass die Konzilsväter bei ihrer Betonung der Heilsnotwendigkeit der Kirche einen Kirchenbegriff bemühen, der sowohl von den orthodoxen Christen als auch von den westlichen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen anerkannt wird269, was eine aktuell fehlende Übereinstimmung darin nach sich ziehen würde, dass mit der Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe automatisch die Notwendigkeit der verfassten Kirche mit ausgesagt wäre. Wenn dem jedoch so wäre, würde das Konzil hier nicht nur der (römisch-)katholischen Kirche, sondern allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als konkrete, weltlich verfasste kirchliche Institutionen Heilsnotwendigkeit zusprechen. Das groß geschriebene Catholica ließe sich auch leicht als Schreib- oder Übertragungsfehler interpretieren, was jedoch auszuschließen ist, da auch in den Schemata zur Kirchenkonstitution jeweils groß geschrieben von „Ecclesiam Catholicam“ die Rede ist.270

Bereits die inhaltliche Zusammenschau von LG 13 und LG 14 macht deutlich, dass das Konzilspapier an dieser Stelle uneindeutig formuliert: Sprach LG 13 noch von der Möglichkeit einer Berufung zum Heil für „alle Menschen überhaupt“, spielt LG 14 auf die alte Formel: „Außerhalb der Kirche kein Heil“ an und betont mit aller Vehemenz die Heilsnotwendigkeit „der Kirche“. Wenn der letzte Satz von LG 14,1 zwar die Heilsnotwendigkeit der Kirche auf jene Menschen beschränkt, „die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten“, so bleibt doch die Frage, wie sich diese Aussage mit dem „alle Menschen“ in LG 13,4 einerseits und dem groß geschriebenen „Catholica“ andererseits logisch vereinen lässt. LG 15 und LG 16 weiten den Blick auf die Heilsmöglichkeiten jener, die ohne „volle“ („plene“, vgl. LG 14,2) Kirchenzugehörigkeit sind. Dies könnte den Weg weisen, die benannten Widersprüchlichkeiten aufzulösen, denn der Begriff „voll“ („plene“) und die darin ausgedrückte gestufte Kirchenzugehörigkeit machen deutlich, dass die Kirchenkonstitution zwischen der „vollen“ Zugehörigkeit der Katholiken zur Kirche und der „unvollkommenen“ oder „unvollständigen“ Zugehörigkeit der nichtkatholischen Christen zu ihr unterscheidet. In dieser Hinsicht aber verwundert das groß geschriebene „Catholica“ in LG 14,1 umso mehr.

Wir werden das Problem an dieser Stelle nicht lösen können. Diese Tatsache aber und der insgesamt nicht ganz schlüssige textliche Befund kann jedoch als Indiz dafür dienen, dass – wie an anderen Stellen der Kirchenkonstitution und anderer Konzilstexte auch – Aussagen über die Kirche oftmals zusammenhangslos aneinander gereiht, häufig widersprüchlich271 und daher nicht immer eindeutig zu interpretieren sind. Diese festzustellenden Divergenzen müssen nicht negativ gewertet werden, wie dies mitunter geschieht, sondern spiegeln das Bemühen der Konzilsväter wider, ihre unterschiedlichen ekklesiologischen Ansichten in eine Synthese zu bringen.272 Für uns bleibt festzuhalten: Die Heilsnotwendigkeit der pilgernden Kirche, der man kraft des Glaubens und der Taufe angehört, gründet, so die in LG 14,1 geäußerte (römisch-)katholische Sichtweise, in der Heilsuniversalität Christi, der in seiner Kirche sakramental gegenwärtig ist und die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe selbst ausdrücklich betont hat. Damit bemüht die Konstitution ausdrücklich die qualitative Dimension der Katholizität. LG 14,2 führt sodann die Kriterien aus, die eine volle Kirchengliedschaft bedingen, und LG 14,3 wendet sich den Katechumenen und ihrem Verhältnis zur Kirche zu.

Im Kapitel über die bischöflich verfasste Kirche und die Beziehung des Bischofs zur Universalkirche, zur Diözese sowie zu den anderen Ortskirchen spricht LG 23,1 von der „unica Ecclesia catholica“ im Sinne als der Universalkirche; „catholica“ ist wie in LG 8 wieder klein geschrieben. LG 23,4 qualifiziert die im Bischof von Rom als „immerwährende[s] sichtbare[s] Prinzip und Fundament der Einheit der Vielheit“ (LG 23,1) garantierte Einheit der vielfältigen Ortskirchen samt ihrer je eigenen Traditionen als Widerschein der der Kirche wesentlichen Katholizität: „Diese in eins zusammenstrebende Vielfältigkeit der Ortskirchen zeigt die Katholizität der ungeteilten Kirche in besonders hellem Licht“ („Quae Ecclesiarum localium in unum conspirans varietas indivisae Ecclesiae catholicitatem luculentius demonstrat“, LG 23,4).

Artikel 25, welcher die Komplexität des kirchlichen Lehramtes und die differenzierte Unfehlbarkeit der Lehre sowohl des Papstes als auch des einzelnen Bischofs in den Blick nimmt, bezeichnet in LG 25,1 den Papst und die mit ihm in Communio stehenden Bischöfe als „Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit“ („divinae et catholicae veritatis testes“). Das „catholicae“ kann hier durchaus im konfessionellen Sinne gelesen werden, berührt aber inhaltlich die im Papst- und Bischofsamt begründete Treue zum Ursprung, die innere Kontinuität zur Fülle des Anfangs (Apostolizität) also, so dass das „catholicae“ hier die qualitative Dimension anzeigt und im Sinne von Rechtgläubigkeit verstanden werden kann. Die weitere Belegstelle in LG 25,3, wo von der Lehre des katholischen Glaubens („doctrinam fidei catholicae“) die Rede ist, dürfte im konfessionellen Sinne zu verstehen sein.

LG 26 lenkt den Blick auf die Ortskirchen und entfaltet auf der Grundlage einer eucharistisch bestimmten Ekklesiologie das Verhältnis der Ortskirchen zur Universalkirche. Durch die Teilhabe der Glaubenden an der einen Eucharistie, welche stets in Communio mit ihrem Ortsbischof als Repräsentanten der Ortskirchen und zugleich Repräsentanten und Bindeglied zur Universalkirche gefeiert wird, stehen die Gläubigen nicht nur mit Christus, sondern durch ihn im Heiligen Geist mit allen anderen Eucharistie feiernden Gläubigen der Weltkirche in Communio, so dass in den jeweiligen Ortskirchen, „auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Zerstreuung leben, […] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche versammelt wird“ („una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia“) (LG 26,1). Theologisch wird hier der Schlüssel geliefert, wie das in LG 23,1 angeklungene „in quibus et ex quibus“, also das spannungsreiche Verhältnis zwischen Universalkirche und Ortskirchenn, zu verstehen ist. „Catholica“ wird hier in seiner qualitativen Bedeutung verwendet und verweist auf das dritte der vier notae ecclesiae.

Artikel 28 behandelt im Kontext des dreistufigen Weiheamtes der Kirche das der Priester und erläutert neben deren Aufgaben deren besondere Beziehung zu Christus und zu den Bischöfen. LG 28,4 mahnt die Priester zu einem Habitus und einer Fürsorge, die „für Gläubige und Ungläubige, Katholiken und Nichtkatholiken das Antlitz eines wahrhaft priesterlichen und hirtenmäßigen Dienstes zeigen“ („fidelibus et infidelibus, catholicis et non catholicis, faciem ministerii vere sacerdotalis et pastoralis exhibere“); ferner sind sie aufgerufen, „als gute Hirten auch jene [zu] suchen […], die sich, obwohl sie in der katholischen Kirche getauft sind, von der Praxis der Sakramente oder gar vom Glauben entfernt haben“ („ut boni pastores illos quoque quaerere […], qui baptizati quidem in Ecclesia catholica a praxi sacramentorum, vel imo a fide defecerunt“). „Catholici“ bzw. „noncatholici“ bezeichnen hier analog zu „fideles“ und „infideles“ die Katholiken bzw. Nichtkatholiken; „Ecclesia catholica“ meint die katholische Kirche im konfessionellen Sinne.

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