Kitabı oku: «Prostatakrebs-Kompass», sayfa 9
3.8.2 Der Natrium-Protonen-Antiporter ist wichtig für Krebszellen
Der Natrium-Protonen-Antiporter ist für den zellulären Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt von entscheidender Bedeutung und der wichtigste Weg der intrazellulären Entsäuerung. Der Natrium-Protonen-Antiporter transportiert Wasserstoff-Ionen (H+) im Austausch gegen Natrium-Ionen aus der Zelle und reguliert so den pH-Wert (H+-Ionen) innerhalb der Zelle. Er wird durch den elektrochemischen Gradienten von Natrium angetrieben, der durch die Natrium-Kalium-Pumpe aufrechterhalten wird. Dadurch ist der intrazelluläre pH-Wert indirekt vom Natrium-Kalium-Verhältnis der Nahrung abhängig.
Der intrazelluläre pH-Wert ist Voraussetzung für wichtige zelluläre Vorgänge wie Mitose, Proteinbiosynthese und Glykolyse und aktiviert die Calcium-Calmodulin-Signalwege. Eine Veränderung des pH-Wertes kann somit zu bedeutenden Effekten im Zellmetabolismus führen.
In Krebszellen ist die Aktivität der Natrium-Protonen-Antiporter gesteigert (Miraglia et al., 2005). So gleichen diese ihre intrazelluläre Milchsäure-Azidose aus, erreichen eine Chemotherapieresistenz und erhöhen den intrazellulären pH-Wert, der für ihr Wachstum essentiell ist.
Aktivität der Natrium-Protonen- und der Natrium-Kalium-Pumpe bei Krebskranken
Borg et al. (1996) konnten zeigen, dass auch bei den Erythrozyten von Krebskranken die Funktionen der Natrium-Kalium-Pumpe und des Natrium-Protonen-Antiporters gestört sind. Dies ist ein Phänomen, das Dunkelfeld-Diagnostikern schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Während die Natrium-Kalium-Pumpe deutlich schlechter arbeitete, war die Aktivität des Natrium-Protonen-Antiporters bei Krebskranken im Vergleich zu gesunden Personen im Schnitt um 83 % erhöht. Bei einer Remission normalisierten sich die Aktivitäten beider Pumpen. Dass bei einem vorliegenden Krebsleiden die Natrium-Transporter der Erythrozyten beeinflusst werden, obwohl diese in keinem offensichtlichen Zusammenhang zum Krebsgewebe stehen, liegt an Faktoren im Blutplasma (Kovacic et al., 1998).
Die nachfolgende Abbildung (Abb. 9) beschreibt den Einfluss veränderter Zellpumpenaktivitäten auf die intrazellulären Mineralstoffspiegel und die daraus entstehenden Folgen, u. a. auf Krebsentstehung und Krebswachstum, die im Folgenden noch thematisiert werden.
Abb. 9: Einfluss der verschiedenen Pumpen auf die intrazellulären Mineralstoffspiegel und Folgen
3.8.3 Natrium-Einlagerung ins Bindegewebe fördert Krebsmetastasen
Neueren Erkenntnissen zufolge spielt Natrium noch in einem weiteren Zusammenhang eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung. Eine Arbeitsgruppe entdeckte, dass sich überschüssiges Natrium in das Bindegewebe einlagern kann.
Dies geschieht durch Bindung an polyanionische Matrixmoleküle (Glykosaminoglykane) im Zwischenzellgewebe (Schafflhuber et al., 2007). Durch diese Natriumansammlung im Bindegewebe entsteht osmotischer Stress, der im Unterhautgewebe zur Sekretion von VEGF-C (Vascular Endothelial Growth Factor C) führt (Titze und Machnik, 2010). In einer Studie resultierte die erhöhte Zufuhr von Natrium in Form von Kochsalz in einem Anstieg von VEGF-C bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung. Derselbe Trend war in gesunden Personen zu beobachten (Slagman et al., 2012). Auch in einer weiteren Studie konnte dieser Effekt beobachtet werden. Dabei war die Sekretion von VEGF-C bei einer salzreichen Ernährung höher als bei einer salzarmen Ernährung (Liu et al., 2011).
VEGF-C ist ein Wachstumsfaktor, der u. a. die vermehrte Bildung von Lymphgefäßen fördert (Titze und Machnik, 2010). Die Bildung von Lymphgefäßen im Tumorgewebe ist ein kritischer Faktor bei dessen Entartung und führt zur Streuung des Tumors. Skobe et al. (2001) stellten in einer Studie fest, dass VEGF-C für die vermehrte Bildung von Lymphgefäßen in Tumorgeweben verantwortlich ist, was zu einer verstärkten Ausbildung von Metastasen führt. Auch in einer Studie an humanen Pankreasadenokarzinomen konnte ermittelt werden, dass VEGF-C in denjenigen Proben erhöht war, in denen sich Lymphknoten-Metastasen gebildet hatten (Guo et al., 2013). Eine verstärkte Bildung von Lymphgefäßen könnte als Marker für eine spätere Bildung von Metastasen dienen (Tobler und Detmar, 2006).
Chemokine können dazu beitragen, dass Tumorzellen und Lymphgefäße zueinander finden. Faktoren wie VEGF-C können die Bildung von Lymphgefäßen in Lymphknoten anregen, noch bevor Tumorzellen dort angekommen sind (Achen und Stacker, 2008).
Wie bereits beschrieben, ist das Milieu im Gewebe entscheidend dafür, ob Krebszellen proliferieren oder nicht. Durch eine zu hohe Salzzufuhr und die folglich erhöhte Sekretion von VEGF-C wird also offenbar ein Milieu geschaffen, das es Krebszellen erleichtert Metastasen zu bilden.
Wenn Ärzte die Nährstoffversorgung von Patienten untersuchen, verlassen sie sich üblicherweise auf die Serumwerte. Dass das lymphatische System auch eine sehr wichtige Rolle spielt, wird dabei leider außer Acht gelassen. Die aufgeführten Studien zeigen zudem, dass eine genaue Bestimmung des Elektrolythaushalts scheinbar noch schwieriger ist als bisher angenommen, da das Zwischenzellgewebe nur sehr schwer daraufhin untersucht werden kann.
Klinisch und optisch zeigt sich eine Natriumchlorid-Einlagerung an der vermehrten Bildung von Lymphödemen (Wassereinlagerung im Bindegewebe). Starke Salzreduktion und kaliumreiche Ernährung sind eine ursächliche Therapie. Ödeme (z. B. Lid- und Gesichtsödeme) treten auch verstärkt unter Stress und damit verbundener Aldosteron-Ausschüttung auf und weisen auch auf einen erschöpften Energie- sowie gestörten Elektrolythaushalt hin.
3.8.4 Reduktion des Membranpotentials fördert die Krebsentstehung
Das Membranpotential ist eine wichtige nicht-genetische, biophysikalische Eigenschaft des Tumormilieus (microenvironment), welche die Balance zwischen normalem Wachstum und Krebsentstehung reguliert. Bereits vor langer Zeit wurde ein Zusammenhang zwischen den bioelektrischen Eigenschaften eines Gewebes und der Entwicklung von Krebs vermutet (Burr et al., 1938; Burr, 1940). Clarence D. Cone Jr. unternahm in den 1960er Jahren eine Reihe bahnbrechender Experimente und entdeckte als Erster, dass sich das Membranpotential im Verlauf des Zellzyklus verändert. Er postulierte daraufhin, dass die Abweichungen in proliferierenden Zellen mit dem Fortschreiten des Zellzyklus von der G1- in die S-Phase und von der G2- in die M-Phase verbunden waren. In reifen Neuronen des zentralen Nervensystems wird durch eine verlängerte Depolarisierung der Zellmembran die Synthese von DNA ausgelöst und die Zellen treten erneut in die Mitose ein (Cone, 1971; Cone und Tongier, 1971). Außerdem wird auf diese Weise eine Überproliferation von Fibroblasten verursacht (Sundelacruz et al., 2008). Cone formulierte auf Basis dieser Beobachtungen seine Theorie über die Kontrolle von Mitose und Onkogenese (Cone, 1971).
Bekanntlich sind die meisten Krebsarten epithelialen Ursprungs, sie gehen also von Zellen aus, die ein konstantes Ruhepotential haben und keine Aktionspotentiale bilden wie Nerven- oder Muskelzellen. Durch das Ruhepotential nicht-erregbarer Zellen werden zelluläre Eigenschaften wie Proliferation, Migration und Form reguliert (Blackiston et al., 2009; Sundelacruz et al., 2009). Zudem wird durch endogene bioelektrische Signale gewährleistet, dass Vorgänge wie Regeneration (Levin, 2007 und 2009), Entwicklung (Adams, 2008; Levin, 2012a) und Wundheilung (Nuccitelli, 2003; McCaig et al., 2005 und 2009) koordiniert ablaufen. All dies sind Hinweise darauf, dass es sich bei Krebs um eine Entwicklungsstörung handelt, bei der Ionenflüsse und die sich daraus ergebenden Spannungsgradienten eine wichtige Rolle spielen. Diese beiden Parameter machen es möglich, das neoplastische Verhalten von Zellen vorherzusagen und zu kontrollieren (Huang et al., 2009; Levin, 2012b; Rubin, 1985).
Die proliferativen Fähigkeiten einer Zelle stehen mit der jeweiligen Membranspannung im Zusammenhang: Ruhende Zellen sind normalerweise hyperpolarisiert, stark proliferierende Zellen wie Embryonalzellen, Stammzellen und Krebszellen sind depolarisiert (Binggeli und Weinstein, 1986; Levin, 2007). Das Membranpotential ist dabei kein Korrelat, sondern ein ursächlicher Faktor in der Kontrolle von Wachstum oder Zelldifferenzierung.
Viele Studienergebnisse weisen mittlerweile darauf hin, dass Ionenkanäle und -pumpen in den Prozess der Krebsentwicklung involviert sind. Ein Beispiel dafür ist der Kaliumkanal EAG (ether à go-go), der häufig in Tumorzellen zu finden ist (Becchetti, 2011; Brackenbury et al., 2008; Kunzelmann, 2005; Pardo et al., 1999; Pei et al., 2003; Saito et al., 1998; Stühmer et al., 2006). Die Hemmung von Ionenkanälen stellt somit einen interessanten Ansatz für die Krebstherapie dar (Arcangeli et al., 2009 und 2012). Immer mehr Studien weisen darauf hin, dass für Ionenkanäle codierende Gene Onkogene sind (House et al., 2010; Onkal und Djamgoz, 2009; Pei et al., 2003; Roepke et al., 2010) und dass die Expression bestimmter Ionenkanäle in Tumoren verändert ist (Fiske et al., 2006; Schönherr, 2005).
Im Anfangsstadium der Tumorentwicklung reguliert das Membranpotential den Zellzyklus und bestimmt das Ausmaß der Zellproliferation (Blackiston et al., 2009). In der Xenopus-Kaulquappe wurde gezeigt, dass die Depolarisierung einer Zellpopulation zu einem Phänotyp führt, der einem metastasierten Melanom ähnlich ist. Dabei spielte es keine Rolle, welche Art von Ionenkanälen zur Depolarisierung der Zellen benutzt wurden – der Effekt war derselbe, wenn verschiedene Kanäle (Chlorid-, Kalium-, Natrium-, Protonenkanäle) in geeigneter Weise miteinander kombiniert wurden (Blackiston et al., 2011; Morokuma et al., 2008).
Auch neuere Daten zeigen, dass die Depolarisierung von Zellen Phänotypen auslöst, die Krebszellen ähneln (Blackiston et al., 2011; Morokuma et al., 2008). Lobikin et al. (2012) zeigten, dass im Krallenfroschmodell das Spannungspotential der Zellmembran der entscheidende Faktor in der Krebsentstehung und im Metastasierungsverhalten war. Durch die Depolarisierung von sogenannten „Instructor“-Zellen wurde in Melanozyten ein metastasenbildender Phänotyp induziert und die geordnete Bildung von Blutgefäßen gestört. Nur sehr wenige dieser „Instructor”-Zellen müssen für diesen Effekt depolarisiert werden (Lobikin et al., 2012).
Durch den Einsatz einer karzinogenen Substanz (4-Nitroquinolin-1-oxid) wurden lokalisierte Tumoren erzeugt. Gleichzeitig hatte die Substanz aber auch einen Effekt auf die bioelektrischen Eigenschaften des ganzen Körpers. Dieser Effekt äußerte sich in dem ungewöhnlich hohen Natriumgehalt von Onkogen-induzierten Tumoren, der zur nicht-invasiven Diagnostik herangezogen werden kann. Durch die Expression hyperpolarisierender Ionenkanäle konnte die Tumorentstehung signifikant reduziert werden (Lobikin et al., 2012).
Es konnte auch gezeigt werden, wie klassische Onkogene über eine Veränderung des Zellmembranpotentials die Tumorentwicklung anstoßen. Depolarisierte Zellmembranen waren für das induzierte Tumorwachstum typisch und weisen darauf hin, dass das Spannungspotential der Zellmembran eine funktionelle Rolle in der Wirkung von Onkogenen auf die maligne Transformation von Zellen hat (Chernet und Levin, 2013).
Die Behandlung mit Butyrat führt bei Krallenfrosch-Kaulquappen, denen ein Onkogen injiziert wurde, zu einer reduzierten Inzidenz tumorähnlicher Strukturen. In einer Studie wurde gezeigt, dass durch eine Hyperpolarisierung höhere intrazelluläre Butyrat-Konzentrationen erreicht werden. D. h., dass der Einstrom von Butyrat in die Zelle an das Membranpotential gekoppelt ist (Chernet und Levin, 2013). Eine weitere Studie zeigt, dass der vom Membranpotential abhängige Transport von Butyrat über den sogenannten SLC5A8-Transporter erfolgt (Gopal et al., 2004).
Butyrat ist ein potenter Entzündungsmodulator und schützt vor Dickdarmkrebs, weil es unter anderem die Histondeacetylase (HDAC) hemmt. Es kann damit auch wirkungsvoll synergistisch mit Chemotherapien wirken. In Dickdarmkrebszellen wurde eine verminderte Expression des SLC5A8-Transporters festgestellt, was mit einer reduzierten Aufnahme von Butyrat in die Zellen verbunden ist (Coady et al., 2004; Gupta et al., 2006; Miyauchi et al., 2004). Bei einer Fastenketose entsteht vermehrt Hydroxybutyrat, das möglicherweise ähnliche Wirkungen wie Butyrat hat.
Studien weisen zudem auf positive Effekte von Butyrat auf Prostatakrebszellen hin. In einer Studie von Mu und Kollegen (2013) führte die Behandlung von Prostatakrebszellen mit Butyrat zu einer Wachstumshemmung der Zellen. Gleichzeitig wurde die Apoptoserate der Zellen gesteigert. Einer weiteren Studie zufolge sind die Effekte von Butyrat auf die Expression und die Transkriptionsaktivität des Androgenrezeptors (AR) unterschiedlich, je nachdem ob es sich bei den behandelten Zellen um Prostatakrebszellen oder um normale Prostatazellen handelte. Auch Coregulatoren des AR wurden unterschiedlich reguliert: In Prostatakrebszellen hatte Butyrat einen Einfluss auf deren Expression, die transkriptionale Aktivität und die Acetylierung von Histonen, während dieser Effekt in normalen Zellen nur sehr klein war (Paskova et al., 2013). Damit wirkt Butyrat spezifisch gegen Krebszellen.
3.8.5 Übersäuerung als Kausal- und Cofaktor des Krebsgeschehens
Naturheilkundliche Ärzte behaupten seit Jahrzehnten, dass eine Azidose die Entstehung von Krebs fördert. Inzwischen ist die klinische Bedeutung der latenten Azidose wissenschaftlich gut belegt (z. B. Pizzorno et al., 2010). Wenig bekannt ist jedoch über die Interaktion von Übersäuerung und Krebs.
Eine Depolarisierung des Membranpotentials kann insbesondere durch eine Übersäuerung des Bindegewebes verursacht werden, da hierbei zunehmend intrazelluläre Kalium-Ionen gegen Protonen getauscht werden und es zu einer intrazellulären Natriumansammlung kommt. Ein saures Milieu schwächt normale Zellen, fördert aber aggressive Krebszellen. Aufgrund des Warburg-Effektes (aerobe Glykolyse) und der mangelnden Durchblutung entwickeln Zellen solider Tumoren eine extrazelluläre Azidose und eine Gewebshypoxie. Hierbei korreliert das Ausmaß der Milchsäureproduktion positiv mit der Malignität und der Radio-/Chemotherapieresistenz des Tumors sowie mit einer schlechten Prognose (Sattler et al., 2007; Walenta und Mueller-Klieser, 2004). Eine Ausleitung der Milchsäure, die den Tumor vor Immunabwehr, Radio- und Chemotherapie schützt und die Invasion fördert, ist ein zentraler Bestandteil der Krebstherapie.
Messungen bestätigen, dass eine Azidose für die interstitielle Gewebsflüssigkeit solider Tumoren charakteristisch ist. Die meisten Tumoren weisen pH-Werte in einem Bereich von 6,5 - 7,0 auf, es wurden aber auch schon niedrigere Werte von bis zu pH 5,8 gemessen (Tannock und Rotin, 1989).
Ein exzellentes Review von Glitsch (2011), einer deutschen Wissenschaftlerin an der Oxford University, untersucht die These, nach der extrazelluläre Protonen (extrazelluläre Übersäuerung) zur Krebsprogression beitragen. Demnach fördern erhöhte Säurekonzentrationen das Überleben unter den für normale Zellen zunehmend feindlichen Bedingungen der Krebsentwicklung. Die durch die Protonen ausgelöste Expression bestimmter Gene bewirkt eine Aktivierung und/oder Potenzierung von membranständigen Rezeptoren und Kanälen für Protonen. Auf diese Weise kann die Zelle das saure Milieu messen. Zudem wird eine Modulation intrazellulärer Calciumsignalwege ausgelöst (Glitsch, 2011). Die Erhöhung von intrazellulärem Calcium begünstigt die Zellproliferation. Eine Studie an Zellkulturen aus Prostatektomien zeigt, dass in calciumarmen Nährmedien keine Krebszellen, sondern normale Zellen heranwachsen (Dalrymple et al., 2005). Diese Beobachtung erklärt auch, warum viele Krebserkrankungen gerne im Knochen metastasieren: Der Krebs braucht Calcium.
In Studien an prostatischen Tumorzellen konnte gezeigt werden, dass eine metabolische Azidose auch unter normaler Sauerstoffversorgung und normalen Blutzuckerwerten die chemoresistenten Eigenschaften der Zellen erhöht (Sauvant et al., 2008; Thews et al., 2006). Sauvant und Kollegen (2008) stellten in ihrer Studie fest, dass durch die extrazelluläre Azidose eine Aktivierung der MAP-Kinase p38 ausgelöst wurde. Dies führte zu einer erhöhten Aktivität des Phosphoglykoproteins P-gp, einem Transporter, der zytotoxische Stoffe aus der Zelle transportiert.
Eine extrazelluläre Gewebsübersäuerung führt bei Prostatakrebszellen zu einer verstärkten Bildung von Sauerstoffradikalen in den Mitochondrien. Aber auch verschiedene Krebssignalwege werden nach oben reguliert, insbesondere durch Phosphorylierung und damit einhergehender Aktivierung der MAP-Kinasen p38 und ERK1/2. Durch die Azidose wird die Natrium-Kalium-Pumpe gehemmt. Dies kann durch eine veränderte Homöostase der Elektrolyte oder durch einen EGFR-Signalweg zur Aktivierung von MAP-Kinasen beitragen. Der Transkriptionsfaktor CREB bleibt auch nach Beendigung der Azidose dauerhaft aktiviert (Riemann et al., 2011).
Das saure Milieu begünstigt die Metastasierung
Der Phänotyp der Tumorzellen beruht nicht nur auf der genetischen Bestimmung, sondern auch auf dem umgebenden Milieu (microenvironment). In einem Tumormodell wurde das Maß der Übersäuerung als der entscheidende Schritt vom lokalisierten Tumor zur aggressiven Invasion ermittelt (Patel et al., 2001).
Im Laufe der Karzinogenese entwickeln Tumorzellen eine Resistenz gegenüber der säureinduzierten Toxizität. Auf diese Weise können sie in einem sauren Milieu überleben und proliferieren (Gatenby et al., 2006). Dafür besitzen sie verschiedene Transporter, die es ihnen ermöglichen, ihren intrazellulären pH-Wert in einem physiologischen Bereich zu halten: Monocarboxylat-Transporter für die Entfernung von Laktat sowie hochaktive Natrium-Protonen-Antiporter, Bikarbonat-Transporter und ATPasen vom V-Typ für die Entfernung von Protonen. Da sich Krebszellen dem sauren und sauerstoffarmen Milieu angepasst haben, können sie dort besser überleben als normale Zellen, die sterben, wenn sie diesen Bedingungen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind. So wird die Entwicklung und Metastasierung von Krebs durch ein azidotisches und sauerstoffarmes Milieu gefördert (Glitsch, 2011).
Normales Gewebe, das um einen Tumor herum lokalisiert ist, wird durch das ständige Einwirken eines sauren Milieus zerstört. Dies erfolgt einerseits dadurch, dass der Protonengradient über der Zellmembran zusammenbricht, was zum Zelltod durch Nekrose oder Apoptose führt. Andererseits werden im sauren Milieu verstärkt proteinabbauende Enzyme freigesetzt, die die extrazelluläre Matrix der Zellen zerstören. Die extrazelluläre Azidose fördert zudem die Angiogenese und schützt die Krebszellen vor dem Immunsystem (Gatenby et al., 2006).
In einer Studie wurde gezeigt, dass Melanomzellen in einem sauren Milieu eine veränderte Genexpression aufweisen und hochinvasive Tumorzellen bilden (Moellering et al., 2008). In einem Mausmodell von metastasierendem Brustkrebs konnte dagegen durch eine Alkalisierung (Erhöhung des pH-Wertes) des Tumors die Metastasenbildung reduziert werden (Robey et al., 2009).
In einem sauren Milieu setzt der Körper vermehrt entzündungsfördernde Substanzen wie NF-kappaB, TNF-alpha und COX-2 frei, was zu einem beschleunigten Knochenabbau beiträgt (Frick et al., 2005; Krieger et al., 2007) und ein insgesamt proentzündliches, tumorfreundliches Milieu schafft. Änderungen im pH-Wert können zur Aktivierung von MAP-Kinasen führen (z. B. PKA, PKB, PKC, c-Src oder EGFR) und dadurch Krebssignalwege nach oben regulieren (McCubrey et al., 2007).
Das moderne Prinzip der Tumornische erinnert an die Bedeutung des Grundsystems und der extrazellulären Matrix, wie von Pischinger und Heine (2004) beschrieben. Die extrazelluläre Matrix reguliert die Feldbedingungen, Entzündungsprozesse und das zelluläre Abwehrsystem, das für die Erkennung und Zerstörung von Tumorzellen verantwortlich ist. Die extrazelluläre Matrix dient mittels ihres PG/GAG-Hydrogels auch als Sammelbecken überschüssiger Säure, die während der physiologischen postprandialen Basenflut abtransportiert wird. Die extrazelluläre Matrix reguliert also genau die Faktoren, die für die Tumorentstehung wesentlich sind. Die Erstarrung von Grundsubstanz und Grundregulation ist laut Heine und Pischinger Voraussetzung für die Entstehung von Krebs und chronischen Krankheiten. Übersteigen freie Radikale, Säuren, Fette und Zucker die Pufferkapazität der Grundsubstanz, dient diese nicht mehr als physiologisches „Zwischenlager“, sondern als „Mülldeponie“. Gegenmaßnahmen sind insbesondere regulationstherapeutische Verfahren wie z. B. die Säure-Basen-Regulation, Leberentlastung und Bewegungstraining. Auch die Ganzkörper-Hyperthermie hat nicht nur direkte Antitumoreffekte, sondern dient auch der „Milieubereinigung“.
Indirekte Einflüsse der ernährungsbedingten Azidose
Ein Review von Robey (2012) thematisiert die indirekten Einflüsse der ernährungsinduzierten, niedriggradigen, metabolischen Azidose auf die Krebsentstehung, wozu erhöhtes Cortisol, IGF-1, Leptin sowie erniedrigtes Adiponektin und eine erhöhte Osteoklastenaktivierung (Knochenabbau) zählen (Robey, 2012). Doch die Effekte dürften noch weiter gehen, denn eine Azidose des Gewebes begünstigt die Krebsentstehung auch, indem sie Krebssignalwege nach oben reguliert und das Membranpotential der Zellen reduziert. Die Übersäuerung des Interstitiums fördert einen intrazellulären Kaliummangel und eine Überladung mit Natrium und Calcium. Diese Faktoren führen zu einer Reduktion des Membranpotentials, welches die Differenzierung und Proliferation von Zellen steuert (vgl. Kapitel 3.8.4, Seite 55).