Kitabı oku: «DER REGENMANN», sayfa 2
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Der Regenmann beobachtete, wie die Frau aus dem Zimmer ging. Dabei ließ sie das Licht brennen. Entweder ging sie nur in die Küche oder auf die Toilette und kam gleich wieder zurück, sodass es sich nicht lohnte, das Licht auszumachen. Oder aber sie wollte die blöde Katze nicht im Dunkeln sitzen lassen.
Er hob den Blick und behielt die Fenster im oberen Stockwerk im Auge. Da er das Haus bereits in der vorherigen Nacht für eine Weile beobachtet hatte, wusste er genau, welche Räume hinter den jeweiligen Fenstern lagen. Nun wartete er angespannt und leckte sich dabei immer wieder mit der Zunge nervös über die Lippen, die schon etwas wund waren.
Hab noch ein klein wenig Geduld!, ermahnte ihn die Regentropfenstimme. Gleich ist es so weit.
Der Regenmann nickte gehorsam und entspannte sich wieder etwas. Denn wenn der Regen sagte, dass es gleich an der Zeit sei, dann war es auch so. Schließlich wusste sein Mentor alles und hatte immer recht.
Im nächsten Moment registrierte er mit Erleichterung und Genugtuung, dass hinter einem der Fenster im Obergeschoss ein Licht anging. Der Regenmann wusste, dass es sich dabei um das Badezimmer handelte.
Endlich war der Moment des Handelns gekommen, und er konnte zuschlagen!
Jetzt!, gab ihm nun auch der Regen das ersehnte Startsignal.
Erregung und Vorfreude erfüllten den Regenmann gleichermaßen, als er sein Versteck zwischen den nassen Büschen aufgab und über den Rasen zur Terrasse lief. Erst unmittelbar vor der Terrassentür stoppte er seinen Lauf abrupt.
Die Katze war bei seinem Auftauchen aufgesprungen. Sie machte mit gesträubtem Fell einen Buckel und fauchte ihn durch die Scheibe, über die der Regen lief, angriffslustig an, während ihr Schwanz hin und her peitschte.
Der Regenmann verzog missmutig das Gesicht. Er hasste es, wenn diese hinterhältigen Mistviecher so etwas machten. Er erinnerte sich daran, was der Regen ihm gesagt hatte. Erst sollte er die Frau töten und sich dann um die Katze kümmern. Aber wie sollte er das hinkriegen, wenn das Vieh sich ihm in den Weg stellte. Konnte er es wagen, den Anweisungen des Regens zuwiderzuhandeln, indem er die Katze vor der Frau tötete? Er leckte sich unschlüssig über die Lippen.
Warte noch etwas, bevor du ins Haus gehst, riet ihm der Regen.
Erleichtert, dass er in diesem Moment keine eigenständige Entscheidung treffen musste, befolgte der Regenmann den Rat und beobachtete argwöhnisch die Katze.
Das Tier schien irritiert zu sein. Sein aggressives Verhalten hatte den schwarz gekleideten Mann auf der Terrasse nicht vertrieben. Außerdem war er groß und wirkte dadurch bedrohlich, was die Katze allmählich einzuschüchtern schien. Sie stellte ihre Drohgebärden ein und wich langsam zurück. Ihre Ohren lagen dabei flach am Kopf an, und ihr Schwanz war unter den Körper geschlagen. Als der Abstand ihrer Meinung nach groß genug war, sodass sie es gefahrlos wagen konnte, ihm den Rücken zuzuwenden, drehte sie sich um und rannte so schnell aus dem Wohnzimmer, dass der Regenmann ihr kaum mit den Augen folgen konnte.
Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Regen musste gewusst oder zumindest vorausgesehen haben, dass die Katze sich mehr vor ihm fürchtete als er vor ihr, und hatte ihm, wie immer, den richtigen Ratschlag erteilt. Was wieder einmal bewies, wie gut es war, den Regen auf seiner Seite zu haben und stets auf ihn zu hören.
Aus diesem Grund war er auch so froh, dass es regnete, denn ansonsten hätte er auf die Unterstützung des Regens verzichten müssen. Einerseits bot ihm der Vorhang aus Regentropfen Deckung vor neugierigen Blicken. Andererseits gab der Regen ihm in seiner unendlichen Weisheit und Intelligenz die notwendigen Anweisungen und teilte ihm jederzeit hilfreiche Ratschläge und Verhaltensregeln mit. Ohne die Hilfe des Regens hätte der Regenmann ein solches Unterfangen niemals erfolgreich durchführen können. Denn auf sich allein gestellt war er weder mutig noch klug. Erst im Schutz des nächtlichen Regens und mit seiner Unterstützung wuchs er über sich hinaus und konnte Dinge tun, zu denen er ansonsten nie in der Lage gewesen wäre.
Jetzt ist es an der Zeit, dir Zutritt zum Haus zu verschaffen!
Ohne den Weckruf des Regens hätte der Regenmann den richtigen Zeitpunkt verpasst, denn er war in Gedanken versunken gewesen. Dabei durfte er sich so etwas hier und jetzt gar nicht erlauben. Er ärgerte sich daher über sich selbst und beschloss, sich ab jetzt noch besser zu konzentrieren. Er durfte seinen Lehrmeister auf keinen Fall enttäuschen, sonst hätte er den Ehrentitel eines Regenmannes nicht verdient.
Rasch zog er den Reißverschluss des Regenparkas herunter und holte einen großen Schraubenzieher aus der Innentasche. Nachdem die Frau gestern zu Bett gegangen war, hatte er sich auf Anraten des Regens die Fenster und die Terrassentür aus der Nähe angesehen. Er wusste daher, dass es keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen wie zum Beispiel eine Alarmanlage oder spezielle Tür- und Fensterverriegelungen gab. Es war daher auch für ihn, der alles andere als ein professioneller Einbrecher war, ein Leichtes, die Terrassentür mithilfe des Schraubenziehers aufzuhebeln, ohne dabei allzu viel Lärm zu verursachen.
Sobald er im Haus war, schob er die Tür hinter sich zu, obwohl sie jetzt natürlich nicht mehr schloss, und lauschte auf die Geräusche aus dem Haus. Er hörte allerdings nichts, nur das beständige Rauschen des Regens außerhalb des Hauses.
Geh nach oben! Kümmere dich um die Frau!
Obwohl die Regentropfen ihn hier drinnen nicht mehr erreichten, konnte er die Stimme des Regens noch immer hören, denn er prasselte weiterhin gegen die Scheiben hinter ihm und auf das Dach des Hauses und veränderte dabei ständig seinen Rhythmus. Die Regentropfenstimme klang zwar gedämpft und etwas undeutlich, dennoch verstand der Regenmann noch immer jedes einzelne Wort.
Er verstaute den Schraubenzieher und schloss den Reißverschluss des Parkas. Dann zog er ein Jagdmesser mit fünfzehn Zentimeter langer Edelstahlklinge und Hirschhorn-Griffschalen aus der Scheide, die er in den Bund seiner Regenhose geschoben hatte. Anschließend machte er sich mit vor Aufregung und Vorfreude heftig klopfendem Herzen umgehend auf den Weg nach oben.
Von der Katze war nichts zu sehen. Vermutlich hatte sich der kleine haarige Feigling irgendwo verkrochen. Der Regenmann war einerseits froh darüber, denn auf diese Weise konnte er seine Aufgabe exakt so erfüllen, wie der Regen es ihm gesagt hatte. Allerdings würde er nach der Tötung der Frau nach dem blöden Tier suchen müssen, um es ebenfalls wie geplant zu erledigen.
Auf halber Höhe der Treppe hörte er erstmals das Rauschen der Dusche im Badezimmer, das bislang vom Regen übertönt worden war. Langsam näherte er sich der Tür, das Messer zum Zustoßen bereit in der Faust. Dabei bemühte er sich nicht einmal, besonders leise zu sein oder sich anzuschleichen, denn solange die Frau unter der Dusche stand, konnte sie ihn ohnehin nicht hören. Er hob die freie linke Hand, um sie auf die Klinke zu legen und die Tür zu öffnen, als ihn die Stimme des Regens abrupt innehalten ließ.
Warte!
Der Regenmann verharrte sofort regungslos, als wäre er schockgefroren worden. Er wagte keinen Muskel zu rühren, solange der Regen es ihm nicht erlaubte. Und er hinterfragte die Anweisung seines Mentors auch nicht. Der Regen war viel schlauer und erfahrener als er und hatte mit Sicherheit gute Gründe dafür, ihn zurückzuhalten.
Wenige Augenblicke später verstummte das Rauschen der Dusche.
Der Regenmann erbebte vor Aufregung und mühsam unterdrückter Vorfreude, denn jetzt konnte es jeden Augenblick so weit sein. Er stand wie eine gespannte Feder so dicht vor der Badezimmertür, dass er sie beinahe berührte, während seine zitternde Hand über der Türklinke schwebte, um die Tür sofort aufreißen zu können, sobald der Regen endlich das Kommando dazu gab.
Gleich!, raunte die gedämpfte Tropfenstimme des Regens, der die Ungeduld seines Schützlings natürlich spürte. Gleich ist es so weit!
4
Sobald Anja das Wasser abgestellt und die Tür der Dusche geöffnet hatte, griff sie nach dem Handtuch und trocknete sich etwas ab, sodass sie nicht länger tropfnass war. Erst dann verließ sie die Duschkabine und trat auf den Badvorleger, um sich im Spiegel betrachten zu können, der kaum beschlagen war.
Ihr dunkelblondes Haar war nach einem kürzlichen Friseurtermin momentan wieder kurz geschnitten, nachdem sie es eine Weile hatte wachsen lassen. Es war zerzaust und stand nach allen Seiten ab. Aber das war nicht nur jetzt, unmittelbar nach dem Duschen, sondern in der Regel auch im trockenen Zustand der Fall, sodass sie meistens aussah, als wäre sie in einen heftigen Sturm geraten. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht mit hohen, markanten Wangenknochen, dazu grüne, ausdrucksstarke Augen, eine schmale, gerade Nase und einen ihrer Meinung nach etwas zu breiten Mund mit zu dünnen Lippen. Die 35-jährige Kriminalbeamtin war ein Meter zweiundsiebzig groß. Außerdem war sie schlank und machte insgesamt einen sportlichen Eindruck, was vermutlich vor allem daran lag, dass sie möglichst regelmäßig ihre Runden durch den Westpark drehte. Anja musterte sich zunächst mit kritischem Blick, doch dann nickte sie. Alles in allem war sie bis auf ein paar kleinere Mängel mit ihrem Aussehen und ihrer Figur zufrieden.
Anja hängte das feuchte Duschhandtuch über den Handtuchhalter, als sie das Schaben hörte. Sie wirbelte blitzschnell herum und sah mit nachdenklich gerunzelter Stirn und aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen zur Tür, woher der Laut gekommen war.
Was war das?
Es hatte sich angehört, als wäre etwas an der Außenseite des Türblatts entlanggestrichen. Im Grund ein absolut harmloser Laut. Doch hier und jetzt, wo außer Yin und ihr niemand im Haus sein durfte, dennoch hochgradig verdächtig. Vor allem nach den dramatischen Ereignissen in der jüngsten Vergangenheit und in Anbetracht der Tatsache, dass sie schon mehrmals das Zielobjekt diverser Serienkiller und Mörder gewesen war.
Aus diesem Grund tat Anja das Geräusch auch nicht sofort als unbedenklich und ungefährlich ab, wie sie es normalerweise getan hätte, sondern beschloss, auf Nummer sicher zu gehen und vorsichtig zu sein.
Da sie noch immer nackt war, kam sie sich in diesem Moment umso verletzlicher vor. Deshalb zog sie sich eilig ihren Bademantel über und band den Gürtel zu. Dann sah sie sich nach einem Gegenstand um, der halbwegs als Ersatz für eine richtige Waffe taugte und mit dem sie sich gegen einen Angriff verteidigen könnte. Doch es gab nichts, das für eine derartige Aufgabe auch nur halbwegs geeignet war, da sie im Bad nichts aufbewahrte, das sich als provisorische Waffe verwenden ließ. Also musste sie sich auf ihre Kenntnisse der waffenlosen Selbstverteidigung verlassen. Zur Not konnte sie sich nämlich auch waffenlos zur Wehr setzen.
Vermutlich ist es ohnehin nur falscher Alarm.
Der Gedanke beruhigte sie etwas. Und bevor sie es sich anders überlegen konnte und sie der Mut verließ, ging sie auf Zehenspitzen zur Tür und riss diese ruckartig auf. Denn falls dort draußen tatsächlich jemand lauerte, würde sie die Person mit dieser Aktion überrumpeln.
Doch dann war sie es, die vor Überraschung aufschrie.
5
Urplötzlich wurde die Tür vor ihm geöffnet. Doch der Regenmann hatte damit gerechnet, denn der Regen hatte ihn den Bruchteil eines Augenblicks vorher gewarnt. Deshalb reagierte der Regenmann unverzüglich, ohne dabei auch nur eine einzige Sekunde zu zögern.
Die Frau schrie erschrocken. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn sah, denn mit einem nächtlichen Eindringling, der vom Kopf bis zu den Füßen in nasser schwarzer Regenkleidung steckte, hatte sie zweifellos nicht gerechnet.
»Überraschung«, sagte er, während seine linke Hand sich bereits um ihren Hals legte und verhinderte, dass sie ein zweites Mal schrie. Dann begann er zu singen.
»Weine nicht, wenn der Regenmann kommt, dam-dam, dam-dam.«
Nach dieser einen Liedzeile verstummte er wieder. Anschließend verstärkte er den Druck seiner Finger um ihren Hals und hob ihren Körper gleichzeitig ein Stück weit an, sodass ihre nackten Füße den Bodenkontakt verloren und in der Luft baumelten.
Ihre Augen wurden größer, so als wollten sie aus ihren Höhlen rollen, als sie keine Luft mehr bekam. Sie strampelte mit den Füßen, hob die Hände und versuchte vergeblich, den stahlharten Griff um ihren Hals zu lockern.
Der Regenmann lächelte verzückt. Es war alles vollkommen anders als bei seinem ersten Mord und daher neu und aufregend. Seitdem hatte er sich die Szene immer und immer wieder in Erinnerung gerufen und sich daran erfreut. Doch diesmal war es sogar noch besser, denn beim ersten Mal hatte er noch improvisieren müssen. Außerdem war es natürlich um ein Vielfaches besser und erregender, es leibhaftig erleben zu dürfen, als sich nur daran zu erinnern.
Er ging drei Schritte nach vorn, bis er mitten im Badezimmer stand, und trug die heftig strampelnde Frau dabei mühelos vor sich her.
Zeit für Stufe zwei!
Sobald der Regenmann das ersehnte Kommando bekommen hatte, stieß er mit dem Jagdmesser zu. Er glaubte, dass die Frau die Stichwaffe in seiner rechten Hand noch gar nicht bemerkt hatte. Vermutlich ging sie noch immer davon aus, dass die größte Gefahr für sie von der Hand um ihre Kehle ausging, die ihr die lebensnotwendige Luft zum Atmen nahm. Doch die wahre Gefahr lauerte woanders.
Die Klinge bohrte sich mühelos durch den Stoff des Bademantels. Dann durchtrennte sie Haut, Fett und Muskelgewebe, bis sie bis zum Heft im Bauch der Frau steckte.
Diese stieß trotz des stählernen Griffs um ihren Hals ein dumpfes Stöhnen aus, als sie der unerwartete Angriff wie ein Magenschwinger traf. Doch noch hatte sie scheinbar nicht realisiert, was soeben geschehen war. Das Adrenalin, das sie erfüllte, verhinderte bislang wohl, dass sie den Schmerz spürte.
Der Regenmann zog die lange Klinge langsam aus ihrem Körper. Er senkte den Blick und beobachtete zufrieden, wie sich der roséfarbene Bademantel um die Einstichstelle herum dunkelrot verfärbte und der Fleck sich dann rasch ausbreitete.
Doch eilig hob er den Blick wieder, um der Frau erneut ins Gesicht zu sehen. Er wollte auf keinen Fall den magischen Moment verpassen, wenn sie endlich realisierte, dass sie tödlich verwundet war und unweigerlich sterben würde. Denn nur für diesen einen kostbaren Augenblick tat er dies alles.
Endlich spürte die Frau den Schmerz, den die heftige Stichwunde in ihrem Bauch verursachte. Sie verzog gequält das Gesicht, während ihr gleichzeitig Tränen in die Augen schossen und über ihre geröteten Wagen liefen. Gleichzeitig stellte sie ihr Strampeln ein und ließ die Arme sinken, als wären sie plötzlich bleischwer.
Der Regenmann wartete gespannt und hielt den Atem an, sodass für eine Weile keiner der beiden Anwesenden atmete.
Doch noch war es nicht so weit. Die Frau schien noch immer nicht realisiert zu haben, dass sie so gut wie tot war. Trotz der tiefen, stark blutenden Wunde hob sie erneut die Hände. Allerdings schien sie die Sinnlosigkeit ihres vorherigen Tuns eingesehen zu haben. Denn anstatt weiterhin zu versuchen, seine Hand von ihrem Hals zu zerren, schlug sie nun nach ihm. Hinter ihren Hieben steckte jedoch nicht genug Kraft, um ihm etwas anzuhaben. Und mit jedem Tropfen Blut, der aus ihrem Körper floss, wurden ihre Schläge ziel- und kraftloser.
Dennoch knurrte der Regenmann unwirsch, denn jetzt war er gezwungen, ein zweites Mal zuzustechen.
Dieses Mal stieß er die Klinge in ihre Brust. Er achtete dabei allerdings darauf, dass er nicht versehentlich ihr Herz durchbohrte. Schließlich wollte er nicht, dass sie starb, bevor der Augenblick des Erkennens ihrer aussichtslosen Lage gekommen war. In dem Fall wäre die ganze Sache umsonst gewesen und ihr Tod eine Enttäuschung.
Trotz des eisernen Griffs um ihre Kehle ächzte die Frau, als der zweite Messerstich sie nicht nur mit der Wucht eines heftigen Faustschlags traf und ihr auch noch das letzte Quäntchen Atemluft aus der Lunge presste, sondern darüber hinaus die Klinge tief in ihre Brust trieb. Ihr Körper versteifte sich daraufhin, und ihre Arme sanken kraftlos herab.
Und dann war der magische Moment des Begreifens, um den es ihm in erster Linie ging, endlich gekommen.
Ihre Pupillen verengten sich.
Der Regenmann beobachtete fasziniert, wie jäh die Erkenntnis über ihr unausweichliches Schicksal in die Augen der Frau trat und jede Hoffnung auf einen guten Ausgang dieser Geschichte radikal auslöschte. Er konnte förmlich, wie er es erwartet und zugleich ersehnt hatte, tiefe Resignation und panisches Entsetzen vor dem Tod in ihrem Gesicht und in ihren Augen lesen. In diesem Moment begriff sie, dass ihr Leben an diesem Abend und an diesem Ort unweigerlich sein Ende finden würde. Ein Ende, mit dem sie vermutlich nie und nimmer gerechnet hätte, gewaltsam, schmerzhaft und extrem blutig, und das sie sich mit Sicherheit nicht erträumt hatte, allerhöchstens in ihren furchtbarsten Albträumen. Als sie heute Morgen aufgestanden war, hatte sie diesen Tag nur als einen weiteren unter vielen betrachtet, die noch kommen würden. Hätte sie auch nur geahnt, dass sie am Ende dieses Tages ihrem Mörder begegnen würde, dann hätte sie diesen Tag sicherlich anders wahrgenommen und genutzt, schließlich war es ihr allerletzter auf Erden. Doch sie hatte es natürlich nicht wissen können. Und das, obwohl er sie persönlich vorgewarnt hatte.
Denn er hatte sie angerufen. Exakt dreimal hatte er das getan. Und jedes Mal hatte er ihr die abgewandelte Zeile seines Lieblingsliedes vorgesungen.
Weine nicht, wenn der Regenmann kommt, dam-dam, dam-dam …
Mehr hatte er gar nicht getan. Und anschließend hatte er sofort wieder aufgelegt.
Wahrscheinlich hatte sie gedacht, er wäre nur irgendein Perverser, der sich daran aufgeilte, willkürlich Frauen anzurufen und in Unruhe zu versetzen. Der sich dann aber doch nicht traute, ihnen persönlich gegenüberzutreten. Aber da hatte sie sich getäuscht.
Ein tödlicher Irrtum!
Und in diesem für sie furchtbaren, für ihn hingegen wunderbaren Moment wurde ihr dieser Irrtum in aller Endgültigkeit bewusst. Und als sie nun erkannte, dass der Regenmann gekommen war, so wie er es dreimal angekündigt hatte, vergoss sie bittere Tränen.
Der Regenmann kostete diesen allzu kurzen magischen Moment aus, solange er währte. Er saugte sämtliche Sinneseindrücke wie ein trockener Schwamm in sich auf und speicherte sie, um sie später immer wieder abrufen und sich daran erfreuen zu können.
Dann trübte sich der Blick der Frau, und sie erschlaffte in seinem Griff.
Enttäuscht schüttelte der Regenmann den Kopf.
Der magische Augenblick, auf den es ihm angekommen war, war vorüber, und seine Erregung verflog rasch wieder. Von jetzt an war die Frau nicht nur uninteressant für ihn, sie widerte ihn geradezu an. Es war daher an der Zeit, dem allen ein rasches Ende zu bereiten.
In einer fließenden Bewegung zog er ihr das Messer aus der Brustwunde.
Die Frau erzitterte daraufhin am ganzen Körper, als hätte man ihr einen Stromstoß versetzt.
Der Regenmann wollte nicht mehr sehen, was im Augenblick ihres Todes in ihrem Gesicht und in ihren Augen vor sich ging. Es war ohne Belang für ihn. Er hatte bekommen, was er wollte. Er würde die Erinnerung daran bewahren und immer wieder davon zehren. Aber was er jetzt tun musste, war nur eine lästige Pflicht, die dazugehörte, die er aber nur äußerst ungern erledigte. Trotzdem musste es getan werden.
Aus diesem Grund schnitt er ihr knapp oberhalb seiner Hand die Kehle durch und warf sie gleichzeitig rasch von sich, sodass sie in die offene Duschkabine flog. Ihr Kopf schlug gegen die Kachelwand und hinterließ einen blutigen Abdruck. Der Regenmann bezweifelte allerdings, dass sie es noch spürte, denn sie war kaum noch am Leben. Der Gürtel des Bademantels war aufgegangen. Der Mantel hatte sich geöffnet und den Blick auf ihren nackten Körper und die heftig blutenden Wunden freigegeben. Vor allem aus dem klaffenden Schnitt in ihrem Hals und der Brustwunde spritzte das Blut, während ihr Herz seine letzten verzweifelten Schläge tat. Der Stoff des Bademantels saugte einen Großteil des vielen Blutes auf und verfärbte sich rot. Der Rest lief zum Abfluss der Dusche und versickerte dort.
Schließlich zuckte der Körper der Frau ein letztes Mal, dann lag er vollkommen still, weil jegliches Leben daraus entflohen war.
Der Regenmann wandte seufzend den Blick ab. Nachdem er sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, dass die Frau tot war, konnte er das blutige Ergebnis seiner Tat nicht länger ansehen. Er ging zum Waschbecken und ließ Wasser über die Messerklinge und seine Handschuhe laufen, um das Blut abzuwaschen. Dann trocknete er die Klinge sorgfältig ab, bevor er fluchtartig das Badezimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.
Im Flur blieb er stehen. Er drehte den Kopf in alle Richtungen, sah sich aufmerksam um und lauschte.
Wo hat sich bloß diese verdammte Katze verkrochen?
Nun, er würde es schon herausfinden. Schließlich war das Haus nicht besonders groß. Wenn er methodisch vorging, Zimmer für Zimmer gründlich durchsuchte und anschließend die Türen schloss, musste er früher oder später zwangsläufig auf die Katze stoßen. Schließlich sorgte der Regen, der immer noch heftig vom Himmel fiel, dafür, dass sie nicht nach draußen flüchten würde.
Fang endlich an zu suchen!, befahl die Regentropfenstimme.
Der Regenmann nickte gehorsam und setzte sich augenblicklich in Bewegung.