Kitabı oku: «Winzige Gefährten», sayfa 2

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Unsere Bündnisse mit Mikroorganismen haben den Verlauf der Evolution der Tiere wiederholt verändert und die Welt um uns herum zu einer anderen gemacht. Am einfachsten kann man einschätzen, wie wichtig diese Partnerschaften sind, wenn man darüber nachdenkt, was geschehen würde, wenn sie zerbrechen würden. Stellen wir uns einmal vor, alle Mikroorganismen auf der Erde würden plötzlich verschwinden. Der Vorteil wäre, Infektionskrankheiten würden der Vergangenheit angehören und auch viele Schadinsekten kämen nicht mehr über die Runden. Das war es dann aber schon mit den guten Nachrichten. Weidetiere wie Kühe, Schafe, Antilopen und Hirsche würden verhungern, denn sie sind schlichtweg darauf angewiesen, dass die Mikroben in ihrem Darm die zähen Fasern der gefressenen Pflanzen verdauen. Die großen Herden der afrikanischen Savanne würden verschwinden. Ähnlich abhängig von der Verdauungstätigkeit der Mikroben sind auch Termiten: Auch sie würden also verschwinden, genauso wie die größeren Tiere, denen sie als Nahrung dienen oder denen ihre Bauten einen Unterschlupf bieten. Blattläuse, Zikaden und andere Insekten, die sich von Pflanzensaft ernähren, wären ohne Bakterien, die ihnen die in der Nahrung fehlenden Nährstoffe liefern, zum Untergang verdammt. In der Tiefsee beziehen viele Würmer, Schalen- und andere Tiere ihre gesamte Energie von Bakterien. Ohne Mikroben wurden auch sie sterben, und das gesamte Nahrungsnetz in den tiefen Abgründen dieser Welt würde zusammenbrechen. Den flacheren Ozeanen würde es kaum besser ergehen. Die Korallen, die auf mikroskopisch kleine Algen und eine überraschend vielfältige Ansammlung von Bakterien angewiesen sind, würden geschwächt und angreifbar. Ihre mächtigen Riffe würden ausbleichen und erodieren, und darunter würde das gesamte Leben leiden, das von ihnen versorgt wird.

Den Menschen würde es seltsamerweise gut gehen. Im Gegensatz zu anderen Tieren, für die Keimfreiheit den schnellen Tod bedeuten würde, kämen wir noch auf Wochen, Monate oder sogar Jahre hinaus zurecht. Unter Umständen würde unsere Gesundheit leiden, aber wir hätten dringendere Sorgen. Sehr schnell würde sich Abfall ansammeln, denn Mikroorganismen sind die Könige der Zersetzung. Mit den Weidetieren würden auch unsere Nutztiere zugrunde gehen. Das Gleiche gilt für unsere Nutzpflanzen: Mikroorganismen versorgen die Pflanzen mit Stickstoff, und ohne sie würde die Erde eine katastrophale Entgrünung erleben. (Dieses Buch konzentriert sich jedoch ausschließlich auf Tiere, was mir die Botanikbegeisterten unter den Lesern verzeihen mögen.) »Wir sagen in Verbindung mit dem katastrophalen Versagen der Lebensmittelversorgung den vollständigen gesellschaftlichen Zusammenbruch innerhalb nur eines Jahres voraus«, schrieben die Mikrobiologen Jack Gilbert und Josh Neufeld, nachdem sie dieses Gedankenexperiment angestellt hatten.12 »Die meisten biologischen Arten auf der Erde würden aussterben, und die Populationsgröße der Arten, die überdauern, würde sich stark vermindern.«

Mikroorganismen sind wichtig. Doch wir haben sie nicht zur Kenntnis genommen. Wir haben sie gefürchtet und gehasst. Jetzt ist es an der Zeit, ihren Wert richtig einzuschätzen, denn es nicht zu tun, kommt einem gewaltigen Verzicht auf Kenntnisse über unsere eigene Biologie gleich. In diesem Buch möchte ich zeigen, wie das Tierreich wirklich aussieht und wie viel staunenswerter es wird, wenn man es als die Welt der Partnerschaften sieht, die es in Wirklichkeit ist. Eine solche Version der Naturgeschichte vertieft die bekanntere Form, die von den größten Naturforschern der Vergangenheit begründet wurde.

Im März 1854 machte sich ein einunddreißigjähriger Brite namens Alfred Russel Wallace auf eine abenteuerliche, acht Jahre währende Reise über die Inseln Malaysias und Indonesiens.13 Er sah Orang-Utans mit rotem Fell, Kängurus, die durch die Bäume hüpfen, prächtige Paradiesvögel, riesige Schwalbenschwanz-Schmetterlinge, Hirscheber, deren Stoßzähne aus der Schnauze nach oben wachsen, und einen Frosch, der mit seinen fallschirmähnlichen Füßen von Baum zu Baum durch die Luft gleitet. Die Wunder, die er sah, fing Wallace mit Netzen, griff nach ihnen oder erschoss sie, und schließlich hatte er eine erstaun liche Sammlung von über 125.000 Funden zusammengetragen: Tiergehäuse, Pflanzen und Tausende von Insekten, die er mit Nadeln an Brettern befestigt hatte; Vögel und Säugetiere, gehäutet, ausgestopft oder in Konservierungsflüssigkeit eingelegt. Aber im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen beschriftete Wallace auch alle Gegenstände peinlich genau und notierte, wo er sie jeweils gefunden hatte.

Das war entscheidend. Aus solchen Einzelheiten konnte Wallace eine Gesetzmäßigkeit ableiten. Bei Tieren, die an einem bestimmten Ort lebten, fiel ihm selbst dann eine große Vielgestaltigkeit auf, wenn sie zu derselben Spezies gehörten. Er sah, dass manche Inseln die einzige Heimat bestimmter Arten waren. Als er von Bali in östlicher Richtung nach Lombok segelte – eine Entfernung von nur rund 35 Kilometern –, machten die Tiere Asiens plötzlich der ganz anderen Tierwelt von Australasien Platz, als wären die beiden Inseln durch eine unsichtbare Schranke (die man später als Wallace-Linie bezeichnete) getrennt. Aus gutem Grund wird Wallace heute als Vater der Biogeografie gepriesen, jener Wissenschaft, die erforscht, wo Arten vorhanden sind und wo nicht. Aber wie David Quammen in Der Gesang des Dodo schreibt: »Wird sie von Wissenschaftlern betrieben, die Verstand haben, so beschränkt sich die Biogeografie nicht darauf, zu fragen Welche Arten? und Wo? Sie fragt auch Warum? und, was manchmal noch entscheidender ist, Warum nicht?«14

Genauso beginnt die Erforschung der Mikrobiome: Man katalogisiert, welche Arten man auf verschiedenen Tieren oder an verschiedenen Körperteilen desselben Tieres findet. Welche Arten leben wo? Warum? Und warum nicht? Wir müssen etwas über ihre Biogeografie wissen, erst dann können wir tiefer gehende Erkenntnisse über ihre Beiträge zum Leben gewinnen. Wallace’ Beobachtungen und Funde führten ihn zu der definierenden Erkenntnis der Biologie: Arten verändern sich. »Jede Spezies ist sowohl räumlich als auch zeitlich in Verbindung mit einer bereits vorhandenen, eng verwandten Spezies ins Dasein getreten«, schrieb er immer wieder und manchmal in Kursivschrift.15 Tiere treten in Wettbewerb: Die am besten geeigneten Individuen überleben, pflanzen sich fort und geben so ihre vorteilhaften Merkmale an ihre Nachkommen weiter. Das heißt, sie erleben eine Evolution durch natürliche Selektion. Das war eine der wichtigsten Erleuchtungen, die es in der Wissenschaft jemals gab, und sie begann mit einer rastlosen Neugier auf die Welt, mit dem Wunsch, sie zu erforschen, und mit der Bereitschaft, festzuhalten, wer wo zu Hause ist.

Wallace war nur einer von vielen Naturforschern und Entdeckern, die sich auf der ganzen Welt herumtrieben und ihre Reichtümer katalogisierten. Charles Darwin erduldete eine fünfjährige Weltumsegelung an Bord der HMS Beagle; dabei entdeckte er in Argentinien die fossilen Knochen riesiger Faul- und Gürteltiere, und auf den Galapagosinseln stieß er auf Riesenschildkröten, Meeresechsen und verschiedene Finkenarten. Seine Erlebnisse und Sammlungen legten den geistigen Grundstock für die gleiche Idee, die unabhängig davon auch in Wallace’ Geist aufgekeimt war: die Evolutionstheorie, die sich untrennbar mit dem Namen Darwin verbinden sollte. Thomas Henry Huxley, der die natürliche Selektion leidenschaftlich verteidigte und deshalb als »Darwins Bulldogge« bekannt wurde, reiste nach Australien und Neuguinea, um dort die wirbellosen Meerestiere zu studieren. Der Botaniker Joseph Hooker gelangte auf verschlungenen Wegen bis in die Antarktis und sammelte unterwegs Pflanzen. In jüngerer Zeit schrieb E. O. Wilson, der zuvor die Ameisen Melanesiens erforscht hatte, ein Lehrbuch über Biogeografie.

Häufig stellt man sich vor, dass diese sagenumwobenen Wissenschaftler sich ausschließlich auf die sichtbare Welt der Tiere und Pflanzen konzentrierten, die verborgene Welt der Mikroorganismen dagegen völlig außer Acht ließen. Das stimmt nicht ganz. Darwin sammelte bekanntermaßen auch Mikroben – er sprach von »Infusorien« –, die auf das Deck der Beagle geweht wurden, und korrespondierte mit führenden Mikrobiologen seiner Zeit.16 Aber viel konnte er mit den Hilfsmitteln, die ihm zur Verfügung standen, nicht ausrichten.

Heutige Wissenschaftler dagegen können Proben von Mikroorganismen sammeln und sie in ihre Bestandteile zerlegen, ihre DNA gewinnen und sie durch Sequenzierung ihrer Gene identifizieren. Damit tun sie genau das Gleiche wie Darwin und Wallace: Sie sammeln Proben von unterschiedlichen Orten, identifizieren sie und stellen die grundlegende Frage: Wer lebt wo? Sie können ebenfalls Biogeografie betreiben – nur in einem anderen Größenmaßstab. Die sanfte Zartheit eines Wattebäuschchens tritt an die Stelle des Schmetterlingsnetzes. Gene abzulesen ist so, als würde man ein Bestimmungsbuch durchblättern. Und ein Nachmittag im Zoo, an dem man von Käfig zu Käfig geht, kann etwas Ähnliches sein wie die Reise der Beagle, die von Insel zu Insel segelte.

Von Inseln waren Darwin, Wallace und ihresgleichen besonders fasziniert, und das aus gutem Grund. Inseln sucht man auf, wenn man das Leben in seinen besonders exotischen, farbenfrohen Formen und all seinen Superlativen finden will. Ihre Alleinlage, ihre festen Grenzen und ihre beschränkte Größe sorgen dafür, dass die Evolution in die Vollen gehen kann. Die Gesetze der Biologie sind hier leichter und in konzentrierterer Form zu erkennen als auf dem weiten, zusammenhängenden Festland. Aber eine Insel muss keine Landmasse sein, die von Wasser umgeben ist. Für Mikroorganismen ist eigentlich jeder Wirtsorganismus eine Insel – eine Welt, umgeben von Leere. Meine Hand, die ich im Zoo von San Diego ausstrecke, um Baba zu streicheln, ist wie ein Floß, das Arten von einer Insel in Menschengestalt zu einer Insel in Gestalt eines Schuppentiers transportiert. Ein Erwachsener, der von der Cholera niedergestreckt wird, gleicht der Insel Guam, die von Schlangen aus dem Ausland besiedelt wird. Niemand ist eine Insel? Das stimmt nicht: Aus Sicht der Bakterien ist jeder von uns eine Insel.17

Jeder von uns hat sein eigenes, charakteristisches Mikrobiom. Gestaltet wurde es von den Genen, die wir geerbt haben, von den Orten, an denen wir gelebt haben, von den Medikamenten, die wir genommen haben, von den Lebensmitteln, die wir verzehrt haben, von den Jahren, die wir schon gelebt haben, von den Händen, die wir geschüttelt haben. Mikrobiologisch sind wir alle ähnlich, aber auch unterschiedlich. Als Mikrobiologen sich zum ersten Mal daranmachten, das Mikrobiom der Menschen in seiner Gesamtheit zu katalogisieren, hatten sie die Hoffnung, ein »Kern-Mikrobiom« zu entdecken, eine Gruppe von Arten, die allen Menschen gemeinsam ist. Ob dieser Kern existiert, ist heute umstritten.18 Manche Arten sind zwar sehr weit verbreitet, aber keine findet man überall. Wenn es einen Kern gibt, dann nicht auf der Ebene der Organismen, sondern bei den Funktionen. Bestimmte Aufgaben wie die Verdauung einzelner Nährstoffe oder die Ausführung eines besonderen Kunstgriffs im Stoffwechsel werden immer von irgendeinem Mikroorganismus erfüllt – aber nicht immer von dem gleichen. Die Tendenz erkennen wir auch in größerem Maßstab. In Neuseeland stöbern die Kiwis auf der Suche nach Würmern in altem Laub und tun damit das Gleiche wie ein Dachs in England. Tiger und Nebelparder streifen durch die Wälder Sumatras, aber im katzenfreien Madagaskar ist dieselbe ökologische Nische von der Fossa besetzt, einer großen, räuberischen Manguste; und auf der Insel Komodo beansprucht eine riesige Echsenart die Spitze der Nahrungskette für sich. Verschiedene Inseln, verschiedene Arten, die gleichen Aufgaben. Bei den fraglichen Inseln könnte es sich auch um riesige Landmassen oder um einzelne Menschen handeln.

Eigentlich ähnelt jeder Einzelne eher einem Archipel – einer Kette von Inseln. Jeder unserer Körperteile hat seine eigene Mikrobenfauna, genau wie es auf den verschiedenen Galapagosinseln jeweils eigene Schildkröten und Finken gibt. Das Mikrobiom auf der menschlichen Haut ist das Revier von Propionibacterium, Corynebacterium und Staphylococcus; Bacteroides ist der Herrscher im Darm, Lactobacillus dominiert in der Vagina, und Streptococcus regiert im Mund. Auch innerhalb jedes Organs gibt es Schwankungen. Am Anfang des Dünndarms sind ganz andere Mikroorganismen zu Hause als im Enddarm. Bei den Bewohnern des Zahnbelags gibt es Unterschiede zwischen dem Bereich oberhalb und unterhalb der Zahnfleischgrenze. Auf der Haut unterscheiden sich die Mikroorganismen in den fettigen Tümpeln auf Gesicht und Brust von denen im warmen, feuchten Dschungel von Leistengegend und Achselhöhlen, aber auch von denen, die die trockenen Wüsten der Unterarme und Handflächen besiedeln. Wo wir gerade bei den Handflächen sind: Unsere rechte Hand hat nur ein Sechstel ihrer Mikroorganismenarten mit der linken Hand gemeinsam.19 Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Körperteilen stellen jene, die zwischen verschiedenen Menschen bestehen, in den Schatten. Einfach ausgedrückt, sind die Bakterien auf Ihrem Unterarm denen auf meinem Unterarm ähnlicher als denen in Ihrem Mund.

Das Mikrobiom wandelt sich nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit. Wenn ein Baby geboren wird, verlässt es die keimfreie Welt der Gebärmutter und wird sofort von den Mikroorganismen aus der mütterlichen Vagina besiedelt. Fast drei Viertel aller Mikrobenstämme eines Neugeborenen kann man unmittelbar auf die Mutter zurückverfolgen. Dann folgt eine Zeit der Vermehrung. Während das Baby von Eltern und Umwelt weitere neue Arten aufnimmt, wird das Mikrobiom in seinem Darm allmählich immer vielgestaltiger.20 Mit den beherrschenden Arten geht es dabei zahlenmäßig auf und ab: Wenn sich die Ernährung des Babys verändert, machen Milch verdauende Spezialisten wie Bifidobacterium den Kohlenhydratfressern wie Bacteroides Platz. Und mit den Mikroorganismen verändern sich auch ihre Besonderheiten. Sie stellen andere Vitamine her und bahnen der Fähigkeit, die Nahrung von Erwachsenen zu verdauen, den Weg.

Es ist ein turbulenter Zeitraum, aber er läuft in vorhersagbaren Stadien ab. Stellen wir uns vor, wir würden einen Wald betrachten, der kürzlich durch einen Brand verwüstet wurde, oder eine Insel, die erst kürzlich aus dem Meer emporgestiegen ist. Beide werden schnell von einfachen Pflanzen wie Flechten und Moosen besiedelt. Später folgen Gräser und kleine Sträucher, noch später kommen die Bäume hinzu. Ökologen bezeichnen diesen Prozess als Sukzession, und er spielt sich auch bei Mikroorganismen ab. Ein bis drei Jahre dauert es, bis das Mikrobiom eines Babys den Zustand wie bei einem Erwachsenen erreicht hat. Anschließend tritt dauerhafte Stabilität ein. Das Mikrobiom kann sich zwar von Tag zu Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang oder sogar von Mahlzeit zu Mahlzeit verändern, aber solche Schwankungen sind klein im Vergleich zu dem Wandel, der zu Beginn abläuft. Die Dynamik des Mikrobioms von Erwachsenen läuft vor einem konstanten Hintergrund ab.21

Die Sukzession sieht bei verschiedenen Tieren unterschiedlich aus, denn wir erweisen uns als wählerische Wirte. Wir werden nicht einfach von beliebigen Mikroben besiedelt, die zufällig auf uns landen. Auch wir haben Möglichkeiten, unsere Mikroorganismenpartner auszuwählen. Über diese Tricks werden wir noch Genaueres erfahren, vorerst aber wollen wir nur festhalten, dass das Mikrobiom des Menschen anders ist als das Mikrobiom der Schimpansen, und dieses sieht wiederum anders aus als das der Gorillas, genau wie die Wälder Borneos (Orang-Utans, Zwergelefanten, Gibbons) sich von denen in Madagaskar (Lemuren, Fossas, Chamäleons) oder Neuguinea (Paradiesvögel, Baumkängurus, Kasuare) unterscheiden. Das wissen wir, weil Wissenschaftler quer durch das ganze Tierreich Proben genommen und sequenziert haben. Beschrieben wurden die Mikrobiome von Pandas, Kängurus, Komodowaranen, Delfinen, Loris, Regenwürmern, Blutegeln, Hummeln, Zikaden, Röhrenwürmern, Blattläusen, Eisbären, Dugongs, Pythons, Alligatoren, Tsetsefliegen, Pinguinen, Kakapos, Austern, Wasserschweinen, Vampirfledermäusen, Meerechsen, Kuckucken, Truthähnen, Truthahngeiern, Pavianen, Gespenstschrecken und vielen anderen. Ebenso sequenzierten Wissenschaftler die Mikrobiome von Menschenbabys, Frühgeborenen, Kindern, Erwachsenen, älteren Menschen, schwangeren Frauen, Zwillingen, Stadtbewohnern aus den Vereinigten Staaten und China, Dorfbewohnern aus ländlichen Gebieten von Burkina Faso oder Malawi, Jägern und Sammlern aus Kamerun und Tansania, Völkern aus dem Amazonasgebiet, die noch nie Kontakt zur Außenwelt hatten, schlanken und dicken Menschen sowie von solchen mit guter Gesundheit und Kranken.

Solche Studien erleben eine Blütezeit. Die Erforschung des Mikrobioms ist zwar eigentlich schon Jahrhunderte alt, in den letzten Jahrzehnten hat sie aber gehörig Fahrt aufgenommen. Das lag einerseits an technischen Verbesserungen, andererseits dämmerte aber auch die Erkenntnis herauf, dass Mikroorganismen für uns insbesondere im medizinischen Umfeld von ungeheurer Bedeutung sind. Sie haben einen derart großen Einfluss auf unseren Körper, dass sie darüber bestimmen, wie wir auf Impfstoffe reagieren, wie viel Nährstoffe Kinder aus ihrer Nahrung aufnehmen können und wie gut Krebspatienten auf Medikamente ansprechen. Viele Gesundheitsstörungen, darunter Fettleibigkeit, Asthma, Darmkrebs, Diabetes und Autismus, sind von Veränderungen im Mikrobiom begleitet; demnach liegt die Vermutung nahe, dass die entsprechenden Mikroorganismen zumindest ein Anzeichen für die Krankheit und im schlimmsten Fall auch ihre Ursache sind. Wenn Letzteres zutrifft, können wir unsere Gesundheit vielleicht nennenswert verbessern, wenn wir unsere Mikroorganismengemeinschaften manipulieren: Wir können Arten hinzufügen oder wegnehmen, ganze Mikrobengemeinschaften von einem Menschen zum anderen transplantieren und synthetische Organismen herstellen. Wir können sogar die Mikrobiome anderer Tiere verändern und so Partnerschaften auseinanderreißen, mit deren Hilfe parasitische Würmer uns entsetzliche tropische Krankheiten aufhalsen; gleichzeitig können wir auch neue Symbiosen schmieden, die es den Mücken erlauben, das Virus zu bekämpfen, das die Ursache des Denguefiebers ist.

Das Wissenschaftsgebiet wandelt sich schnell und ist nach wie vor mit Unsicherheiten, Undurchschaubarkeit und Meinungsverschiedenheiten behaftet. Viele Mikroorganismen in unserem Körper können wir nicht einmal identifizieren, und erst recht können wir nicht herausfinden, welche Auswirkungen sie auf unser Leben und unsere Gesundheit haben. Aber gerade das ist spannend! Auf einem Wellenkamm zu reiten und die vor einem liegende Strecke zu betrachten, ist doch besser, als schon wieder am Strand gelandet zu sein. Auf dieser Welle reiten heute Hunderte von Wissenschaftlern. Die Forschungsmittel fließen. Die Zahl der einschlägigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist steil angestiegen. Mikroorganismen haben immer unseren Planeten beherrscht, aber zum ersten Mal in der Geschichte sind sie heute in. »Früher war das völlige Hinterhofwissenschaft; heute stehen wir damit an der vordersten Front«, sagt die Biologin Margaret McFall-Ngai. »Es macht Spaß zuzusehen, wie den Menschen klar wird, dass Mikroorganismen der Mittelpunkt des Universums sind, und wie das Fachgebiet jetzt aufblüht. Heute wissen wir, dass sie die große Vielfalt der Biosphäre ausmachen, dass sie in enger Verbindung mit Tieren leben und dass die Biologie der Tiere durch ihre Wechselwirkung mit Mikroorganismen geprägt wurde. Für mich ist das die bedeutsamste Revolution in der Biologie seit Darwin.«

Kritiker behaupten, das Mikrobiom habe seine Beliebtheit nicht verdient und die Studien in dem Fachgebiet würden in ihrer Mehrzahl kaum mehr leisten als eine fantasievolle Form des Briefmarkensammelns. Was haben wir davon, wenn wir wissen, welche Mikroorganismen im Gesicht eines Schuppentiers oder im Darm eines Menschen leben? Wir wissen dann zwar etwas über das Was und Wo, aber nicht über das Warum oder Wie. Warum leben manche Mikroorganismen auf bestimmten Tieren, andere aber nicht, oder auf wenigen Menschen, aber nicht auf jedem, oder auf bestimmten Körperteilen, aber nicht auf allen? Warum sehen wir gerade diese und keine anderen Gesetzmäßigkeiten? Wie sind diese Gesetzmäßigkeiten entstanden? Wie finden Mikroorganismen überhaupt erst den Weg zu ihren Wirten? Wie besiegeln sie ihre Partnerschaft? Wie verändern Mikroorganismen und Wirte sich gegenseitig, sobald sie zusammen sind? Wie kommen sie zurecht, wenn ihr Bündnis zerbricht?

Solche weitreichenden Fragen versucht man in dem Fachgebiet zu beantworten. In diesem Buch werde ich zeigen, wie weit wir damit schon gekommen sind, wie vielversprechend es ist, Mikrobiome zu verstehen und zu verändern, und inwieweit wir dieses Vorhaben schon verwirklicht haben. Vorerst wollen wir festhalten, dass man diese Fragen nur beantworten kann, wenn man viele kleine Einzeldaten sammelt, genau wie Darwin und Wallace es auf ihren bahnbrechenden Reisen taten. Das Briefmarkensammeln ist wichtig. »Auch Darwins Journal war nicht mehr als ein farbiger Reisebericht, eine Parade exotischer Geschöpfe und Orte, und trug keine Evolu tionstheorie vor«, schrieb David Quammen.22 »Die Theorie sollte erst später kommen.« Davor stand aber noch eine Menge harte Arbeit. Klassifizieren. Katalogisieren. Sammeln. »Auf einem neuen, unerforschten Kontinent muss man auch erst einmal herausfinden, wo sich die Dinge befinden, bevor man feststellen kann, warum sie dort und nicht woanders sind«, sagt Rob Knight.

Mit diesem Entdeckergeist wandte Knight sich zum ersten Mal an den Zoo von San Diego. Er wollte die Gesichter und die Haut verschiedener Säugetiere abtupfen und so ihre Mikrobiome charakterisieren, aber auch herausfinden, welche Substanzen – Stoffwechselpro dukte – diese Mikroorganismen abgeben. Die Stoffwechselprodukte prägen die Umgebung, in der Mikroorganismen leben und sich weiterentwickeln, und sie zeigen nicht nur, welche Mikroorganismen vorhanden sind, sondern auch, was sie tun. Sich einen Überblick über die Stoffwechselprodukte zu verschaffen, ist vergleichbar damit, ein Verzeichnis von Kunstwerken, Lebensmitteln, Erfindungen und Exporten einer Stadt zusammenzustellen, statt nur ihre Bürger zu zählen. In letzter Zeit bemühte Knight sich auch darum, einen Überblick über die Stoffwechselprodukte im Gesicht der Menschen zu finden, aber dabei musste er feststellen, dass Kosmetikprodukte wie Sonnenmilch oder Gesichtscreme die natürlichen Stoffwechselprodukte ertränken.23 Die Lösung: Er tupfte die Gesichter von Tieren ab. Schließlich benutzt Baba, das Schuppentier, keine Feuchtigkeitscreme. »Wir hoffen auch auf Proben aus dem Mund«, sagt Knight, »und vielleicht auch aus der Vagina.« Ich hebe eine Augenbraue. »Die Leute, die hier an Zuchtprogrammen für Geparde und Pandas arbeiten, haben ganze Gefriertruhen voller Vaginalabstriche«, versichert er mir.

Der Zoowärter zeigt uns eine Kolonie von Nacktmullen. Die kleinen Nagetiere rennen in einem System aus miteinander verbundenen Plastikröhren herum. Es sind höchst unattraktive Tiere – sie sehen aus wie runzelige Würstchen mit Zähnen. Außerdem sind sie unglaublich seltsam: Unempfindlich gegen Schmerzen, resistent gegen Krebs, außerordentlich langlebig und kaum in der Lage, ihre Körpertemperatur zu steuern, besitzen sie auch noch missgebildete unfruchtbare Spermien. Sie leben wie Ameisen in Kolonien mit Königin und Arbeiterinnen. Außerdem graben sie Gänge, und deshalb sind sie für Knight interessant. Er hat sich gerade ein Forschungsstipendium gesichert, um die Mikrobiome von Tieren zu erforschen, die bestimmte Aspekte ihrer Lebensweise gemeinsam haben: Graben, Fliegen, Leben im Wasser, Anpassung an Hitze oder Kälte und auch Intelligenz. »Es ist ein recht spekulativer Gedanke, aber vielleicht liefern die Mikroben ja mit bereits vorhandenen Anpassungen die Energie, die man braucht, um solche exotischen Dinge zu tun«, sagt er. Spekulativ sicher, aber nicht allzu weit hergeholt. Mikroorganismen haben den Tieren so manche Tür geöffnet und sie in die Lage versetzt, sich alle möglichen eigenartigen Lebensweisen zu eigen zu machen, die ihnen sonst verschlossen geblieben wären. Und wenn Tiere die gleichen Gewohnheiten haben, stimmen häufig auch ihre Mikrobiome überein. Knight und seine Kollegen konnten beispielsweise nachweisen, dass Tiere, die Ameisen fressen, darunter Schuppentiere, Gürteltiere, Ameisenbären, Erdferkel und Erdwölfe (eine Art von Hyänen), in ihrem Darm ähnliche Mikroorganismen besitzen, obwohl sie schon seit rund 100 Millionen Jahren in ihrer Evolution voneinander unabhängig sind.24

Wir kommen an einem Rudel Erdmännchen vorbei. Manche von ihnen stehen aufrecht und halten Wache, andere spielen zusammen. Das einzige unter ihnen, das Knight vielleicht abtupfen könnte, ist das einsame Weibchen – die Matriarchin der Gruppe –, aber sie ist alt und herzkrank. Das ist nichts Ungewöhnliches. Erdmännchen greifen manchmal die Jungen von Artgenossen an oder verlassen den eigenen Nachwuchs; wenn das geschieht, greift der Zoo ein, und die Jungtiere werden mit der Flasche großgezogen. Dann überleben sie zwar, aber wie der Zoowärter uns berichtet, bekommen sie im Alter häufig Herzprobleme. Die Gründe kennt man nicht. »Das ist sehr interessant«, sagt Knight. »Wissen Sie irgendetwas über die Milch von Erdmännchen?« Die Frage stellt er, weil die Milch von Säugetieren besondere Zuckerverbindungen enthält, die das Junge selbst nicht verdauen kann, während bestimmte Mikroorganismen dazu in der Lage sind. Wenn eine Menschenmutter ihr Kind stillt, füttert sie es nicht nur, sondern sie versorgt es auch mit den ersten Mikroben und sorgt so dafür, dass die richtigen Pioniere sich in seinem Darm ansiedeln. Knight fragt sich, ob das vielleicht auch für Erdmännchen gilt. Beginnt das Leben der verlassenen Jungtiere mit den falschen Mikro organismen, weil sie nicht die Milch ihrer Mutter bekommen? Und wirken sich diese frühzeitigen Veränderungen im späteren Leben auf die Gesundheit aus?

Knight arbeitet bereits an anderen Projekten, mit denen er die Gesundheit der Zootiere verbessern will. Als wir an einem Käfig mit Silbernen Haubenlanguren – hübschen Kleinaffen mit zinngrauem Fell und silbrigem Gesichtsflaum – vorbeikommen, erzählt er mir, dass er derzeit herauszufinden versucht, warum manche Kleinaffenarten in Gefangenschaft so häufig an einer Entzündung des Dickdarms (Colitis) leiden, während dies bei anderen nicht der Fall ist. Es gibt stichhaltige Gründe für die Annahme, dass Mikroorganismen dabei eine Rolle spielen. Bei Menschen sind entzündliche Darmerkrankungen in der Regel von einer übergroßen Menge an Bakterien begleitet, die das Immunsystem anregen, während an denen, die es in die Schranken weisen, Mangel herrscht. Ähnliches beobachtet man auch bei mehreren anderen Gesundheitsstörungen, so bei Fettleibigkeit, Diabetes, Asthma, Allergien und Dickdarmkrebs. Man kann sich solche gesundheitlichen Probleme als ökologische Störungen vorstellen: Schuld ist nicht ein einzelner Mikroorganismus, sondern eine ganze Lebensgemeinschaft ist in einen ungesunden Zustand übergegangen. In solchen Fällen hat die Symbiose nicht funktioniert. Und wenn derart verformte Mikrobiome tatsächlich die verschiedenen Krankheiten verursachen, sollte es möglich sein, die Gesundheit durch Eingriffe in die Gemeinschaft der Mikroorganismen wiederherzustellen. Und selbst wenn die Lebensgemeinschaften der Mikroben sich erst als Folge einer Erkrankung verändern, könnten sie nützlich für die Diagnose einer Störung sein, bevor die Symptome offenkundig werden. Genau darauf hofft Knight bei den Kleinaffen: Er vergleicht Tiere verschiedener Arten mit und ohne Darmentzündung; damit will er herausfinden, ob die Krankheit charakteristische Kennzeichen hat, an denen Zoowärter ein symptomfreies, aber gefährdetes Tier erkennen können. Mithilfe solcher Studien werden wir eines Tages möglicherweise auch besser verstehen, wie sich das Mikrobiom bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen verändert.

Schließlich gehen wir in ein Hinterzimmer, in dem mehrere Tiere vorübergehend untergebracht und den Augen der Öffentlichkeit entzogen sind. Einer der Käfige beherbergt einen riesigen Schatten: ein Tier von einem Meter Länge mit schwarzem Pelz, das die Form eines Wiesels und den Gesichtsausdruck eines Bären hat. Es ist ein Binturong, eine große, struppige Schleichkatze, die Gerald Durrell einmal als »schlecht gemachten Kaminvorleger« bezeichnete. Der Zoowärter geht davon aus, dass wir ihm Gesicht und Füße leicht abtupfen können, aber die eigentliche Aktion findet weiter unten statt. Binturongs haben beiderseits des Anus besondere Duftdrüsen, und der Geruch, den sie ausströmen, erinnert an Popcorn. Auch hier sind es aller Wahrscheinlichkeit nach Bakterien, die die Düfte erzeugen. Wissenschaftler haben bereits die Gerüche charakterisiert, die von Mikroben erzeugt werden und aus den Duftdrüsen von Dachsen, Elefanten, Erdmännchen und Hyänen dringen. Der Binturong wartet noch!

»Können wir den Anus abtupfen?«, frage ich.

Der Zoowärter betrachtet das furchterregende Tier in dem Käfig und wendet seinen Blick dann langsam wieder uns zu. »Eher … nicht«, sagt er.

Wenn wir das Tierreich durch die Brille der Mikroorganismen betrachten, gewinnen selbst die vertrautesten Bereiche unseres Lebens eine erstaunliche neue Ausstrahlung. Wenn eine Hyäne ihre Duftdrüsen an einem Grashalm reibt, hinterlassen die Mikroorganismen dort ihre Autobiografie, sodass andere Hyänen sie lesen können. Eine Erdmännchenmutter säugt ihre Jungen und baut in deren Darm eine eigene Welt auf. Ein Gürteltier verschluckt einen Mundvoll Ameisen und füttert damit eine billionenköpfige Lebensgemeinschaft, von der es im Gegenzug mit Energie versorgt wird. Wenn ein Langur oder ein Mensch erkrankt, hat er ganz ähnliche Probleme wie ein See, der von Algen erstickt wird, oder eine Wiese, auf der das Unkraut wuchert – die Ökosysteme sind aus dem Gleichgewicht. Unser Leben wird stark von äußeren Kräften beeinflusst, die eigentlich in unserem Inneren liegen, von Billionen Wesen, die von uns getrennt und doch ganz und gar ein Teil von uns sind. Duft, Gesundheit, Verdauung, Entwicklung und Dutzende weitere Aspekte, die angeblich zur Domäne des Individuums gehören, sind in Wirklichkeit die Folge eines komplexen Wechselspiels zwischen Wirt und Mikroorganismen.

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