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Kitabı oku: «Ligeia und andere Novellen», sayfa 5

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Die nackte Wand des östlichen Giebels wurde durch eine Treppe (mit Geländer) gehoben, die schräg daran emporlief – der Aufstieg begann von Süden. Unter dem Schutz des weit vorspringenden Dachbogens führten diese Stufen zu einer Dachkammer, mehr einem Bodenraum – denn er erhielt sein Licht nur durch ein einziges Fenster nach Norden und schien als Speicher gedacht zu sein.

Die Vorplätze des Hauptgebäudes und westlichen Flügels waren nicht, wie sonst üblich, gepflastert. Aber an den Türen und vor jedem Fenster lagen große, flache, unregelmäßige Granitplatten im herrlichen Grasteppich, die ein angenehmes Gehen bei jeder Witterung ermöglichten.

Prächtige Pfade aus dem gleichen Material – nicht zierlich ausgeführt, sondern von dem samtenen Grün unterbrochen, das in Abständen zwischen den Steinen hervorquoll, führten vom Hause hierhin und dorthin, zu einer kristallenen Quelle in fünf Schritt Entfernung, zu dem Weg oder ein paar Nebengebäuden, die hinter dem Bach nach Norden lagen und durch ein paar Akazien- und Trompetenbäume völlig verborgen wurden.

Nicht mehr als sechs Schritt vom Haupteingang des Landhauses erhob sich der tote Strunk eines phantastischen Birnbaumes, so ganz von Kopf zu Fuß in üppige Bignoniablüten gehüllt, daß es keine Kleinigkeit war, zu ergründen, woraus diese wunderschöne Sache eigentlich bestand. An verschiedenen Ästen dieses Baumes hingen Käfige aller Art. In einem großen, zylinderförmigen Weidengeflecht vergnügte sich ein Spottvogel, in einem andern ein Pirol, in einem dritten die dreiste Reisammer – während aus drei bis vier zierlicheren Zellen der Gesang von Kanarienvögeln erschallte.

Die Pfeiler der Vorplätze waren von Jasmin und Geisblatt umrankt, und im Winkel, wo Hauptbau und Westflügel sich trafen, erhob sich ein Weinstock von unvergleichlicher Pracht. Alle Hindernisse nehmend, hatte er erst das tiefer liegende Dach erklommen, dann das höhere, und am Rande des letzteren wand er sich weiter, nach rechts und nach links Ranken aussendend, bis er schließlich glücklich den Ostgiebel erreichte und sich die Treppe herunter wand.

Das ganze Haus samt seinen Flügeln war mit den altmodischen schottischen Schindeln, die breit und eckig sind, belegt. Es ist eine Eigenart dieses Materials, daß es die Häuser unten breiter als oben erscheinen läßt, gleich den ägyptischen Bauwerken, und hier wurde dieser außerordentlich malerische Eindruck durch zahlreiche Töpfe voll prächtiger Blumen unterstützt, die beinahe den gesamten Bau umringten.

Die Schindeln hatten einen mattgrauen Anstrich, und die glückliche Kontrastwirkung dieser neutralen Tönung zu dem lebhaften Grün der Blätter des Tulpenbaumes, der das Landhaus teilweise überschattete, wird jeder Künstler begreifen.

Von einem Platz am Steinwall aus war der Anblick der Gebäude am vorteilhaftesten, denn der südöstliche Flügel sprang vor, so daß das Auge gleichzeitig die beiden Fronten mit dem malerischen östlichen Giebel umfaßte und noch ein Stückchen vom Nordgiebel dazu, ferner etwa die Hälfte einer leichten Brücke, die sich in nächster Nähe des Hauptgebäudes über den Bach spannte.

Ich blieb nicht sehr lange auf dem Hügelkamm, wenngleich lange genug, um das Bild zu meinen Füßen gründlich in mich aufzunehmen. Es war klar, daß ich vom Weg zum Dorf abgekommen war, und ich hatte daher die gute Berechtigung des Wanderers, das Tor vor mir zu öffnen und jedenfalls meinen Weg zu erfragen; so trat ich ohne viel Umstände näher.

Der Pfad schien hinter dem Tor einem natürlichen Felsensteig zu folgen und schlängelte sich allmählich an den nordöstlichen Klippen hinunter. Er führte mich an den Fuß des nördlichen Abhangs hinab und dann über die Brücke, um den östlichen Giebel herum zum Haupteingang. Dabei stellte ich fest, daß von den Nebengebäuden nichts zu sehen war.

Als ich um die Ecke der Giebelseite kam, lief der Bullenbeißer in Sätzen auf mich zu, stumm, aber mit dem Blick und dem Gebaren eines Tigers. Ich streckte ihm jedoch meine Hand hin, als Freundschaftszeichen, und ich habe noch keinen Hund gekannt, der solch einem Appell an seine Höflichkeit widerstanden hätte. Er schloß nicht nur den Rachen und wedelte mit dem Schwanz, sondern bot mir eindringlich die Pfote, um dann auch Ponto seine Begrüßung zu erweisen.

Da keine Klingel zu entdecken war, pochte ich mit dem Stock an die Tür, die halb offen stand. Sogleich näherte sich eine Gestalt – die eines jungen Weibes von ungefähr achtundzwanzig Jahren – schlank und etwas über Mittelgröße. Als sie mit einem gewissen nicht zu beschreibenden Schritt von bescheidener Entschiedenheit herantrat, sagte ich zu mir selbst: „Hier habe ich nun die Vollendung der natürlichen im Gegensatz zur künstlerischen Anmut gefunden.“ Der zweite Eindruck, den sie in mir hervorrief, der aber weit lebhafter war als der erste, war Begeisterung. Ein so intensiver Ausdruck von Romantik – so sollte ich es vielleicht nennen – oder von Unweltlichkeit, wie er aus ihren tiefliegenden Augen schimmerte, war mir nie vorher ins innerste Herz gedrungen. Ich weiß nicht, wie das ist, aber dieser besondere Ausdruck im Auge, der gelegentlich auch den Mund kräuselt, ist der mächtigste, wenn nicht der durchaus einzige Zauber, mit dem ein Weib mich fesseln kann. „Romantik“ – vorausgesetzt, daß meine Leser begreifen, was ich hier mit dem Wort besagen will – „Romantik“ und „Weiblichkeit“ sind für mich dieselben Begriffe, und was schließlich der Mann im Weibe wirklich liebt, ist einfach ihre Weiblichkeit. Annies Augen (ich hörte, wie jemand von drinnen rief „Annie, Liebes!“) waren „geistvoll grau“, ihr Haar war ein lichtes Kastanienbraun; das war alles, was ich beobachten konnte.

Ihrer sehr artigen Einladung folgend, trat ich ein und durchschritt zunächst eine ziemlich weite Diele. Da ich hauptsächlich gekommen war, um zu beobachten, stellte ich fest, daß sich rechts von mir ein solches Fenster befand, wie sie von außen zu sehen gewesen waren, links eine Tür, die in das Hauptgemach führte, während gegenüber eine offene Tür mir Einblick in ein kleines Zimmer gestattete, das, von derselben Größe wie die Diele, als Arbeitszimmer eingerichtet war und ein großes Bogenfenster nach Norden hatte.

Ich trat ins Wohnzimmer und sah mich Mr. Landor gegenüber, denn dieses war, wie ich später erfuhr, sein Name. Er war höflich, ja kordial von Wesen, aber ich war eben jetzt eifriger bedacht, die Einrichtung des Hauses, das mich so ungemein interessierte, zu betrachten, als die persönliche Erscheinung des Besitzers.

Der Nordflügel, den ich nun sah, bestand aus einem Schlafzimmer, dessen Tür in das Wohnzimmer führte. Den Boden bedeckte ein Teppich von prächtigem Gewebe: kleine, grüne, kreisende Figuren auf weißem Grunde. An den Fenstern befanden sich Vorhänge aus schneeweißem Jakonettmusselin; sie waren ziemlich schwer und hingen genau, vielleicht etwas steif, in strengen, gleichmäßigen Falten bis auf den Boden – genau bis auf den Boden. Die Wände waren mit einer sehr zarten französischen Tapete bekleidet, auf deren silbernem Grund ein blaßgrüner Faden in Zickzacklinien hindurchlief. Sie wurde in ihrer ganzen Ausdehnung nur von drei kostbaren Lithographien Juliens „à trois crayons“ unterbrochen, die ungerahmt an der Wand befestigt waren. Eine der Zeichnungen war eine Szene voll orientalischer Pracht oder besser Üppigkeit, eine andere ein Karnevalsbild, unvergleichlich geistvoll, die dritte bot den Kopf einer Griechin: ein so göttlich schönes und dabei so herausfordernd unentschiedenes Antlitz hatte ich nie vorher gesehen.

Die gegenständliche Einrichtung bestand aus einem runden Tisch, ein paar Stühlen (darunter ein großer Schaukelstuhl) und einem Sofa oder besser einem „Kanapee“; es war aus glattem, gelblich-weiß lackiertem Ahornholz mit zarten grünen Streifen, der Sitz war Rohrgeflecht. Die Stühle und der Tisch „paßten“ dazu, aber ganz offenbar war die Form eines jeden Gegenstandes von demselben Kopf entworfen, der „die Landschaft“ angelegt hatte – man kann sich nichts Anmutigeres denken.

Auf dem Tisch lagen ein paar Bücher, stand eine große, eckige Kristallflasche mit einem eigenartigen Parfüm, eine Astral- (nicht Solar-) Lampe aus glattem Milchglas mit einer italienischen Glocke und eine große Vase strahlend blühender Blumen. Blumen in verschwenderischer Farbenpracht und zarten Düften bildeten tatsächlich den einzigen Schmuck des Zimmers. Der Kamin war fast ausgefüllt von einer Vase mit leuchtenden Geranien. Ein dreieckiges Wandbrett in jeder Zimmerecke trug je eine ähnliche Vase, nur ihr lieblicher Inhalt wechselte. Ein paar kleinere Sträuße zierten den Kaminsims, und späte Veilchen umdrängten die offenen Fenster.

Es liegt nicht in der Absicht dieser Erzählung, mehr zu geben, als eine eingehende Schilderung von Mr. Landors Wohnsitz, so wie ich ihn fand.

DER HERRSCHAFTSSITZ ARNHEIM

Von der Wiege bis zum Grabe wurde mein Freund Ellison von der Woge des Erfolges emporgehoben. Ich gebrauche aber nicht das Wort Erfolg im landläufigen Sinne; ich gebrauche es als Synonym für Glück. Der Mensch, von dem ich rede, schien geboren, um die Doktrinen eines Turgot, Price, Priestly und Condorcet zu verwirklichen – durch persönliches Beispiel den Beweis zu erbringen für das, was man eine Schimäre der Puritaner genannt hat. Ich vermeine in dem kurzen Dasein Ellisons das Dogma widerlegt gesehen zu haben, daß in der Natur des Menschen etwas verborgen sei, das ihn der Seligkeit entziehe. Eine eingehende Prüfung seiner Laufbahn hat mir zu verstehen gegeben, daß im allgemeinen das Unglück der Menschheit von der Verletzung einiger weniger einfacher Menschengesetze abzuleiten ist – daß wir die Elemente zu heiterer Genüge bis jetzt ungenutzt in unserer Macht haben – und daß selbst jetzt in der gegenwärtigen Finsternis und Tollheit, da alle Gedanken auf die große Frage der sozialen Lage gerichtet sind, es nicht ausgeschlossen ist, daß der Mensch, das Individuum, unter gewissen ungewöhnlichen und rein zufälligen Umständen glücklich sein kann.

Auch mein junger Freund war von derartigen Ansichten ganz erfüllt, und es ist daher bemerkenswert, daß der ununterbrochene Genuß, den das Leben ihm brachte, zum großen Teil die Folge weiser Voraussicht war. Ja, es ist klar, daß Mr. Ellison, hätte er weniger instinktive Philosophie besessen, die gelegentlich so gut die Stelle der Erfahrung zu ersetzen weiß, sich durch den so außerordentlichen Erfolg, den das Leben ihm brachte, in den üblichen Strudel des Unglücks hinabgezogen gesehen hätte, der das Los aller hervorragend begünstigten Leute ist. Doch es ist keineswegs meine Absicht, ein Essay über das Wesen des Glücks zu schreiben. Die Gedankengänge meines Freundes seien nur in kurzen Worten geschildert. Er gab nicht mehr als vier Elementarsätze oder, genauer gesagt, Bedingungen für die Freude zu. Die Hauptsache war ihm (seltsam genug!) der einfache und rein physische Grundsatz der Bewegung im Freien. „Was man an Gesundheit“, sagte er, „auf anderm Wege erreichen kann, ist dieses Namens kaum wert.“ Als Beispiel führte er die Wonnen des Fuchsjägers an und wies auf die Ackerbauern hin, die einzigen Leute, die man, als Klasse betrachtet, glücklicher erachten kann als andre. Seine zweite Bedingung war Weibesliebe. Seine dritte und sehr schwer zu verwirklichende war die Verachtung des Ehrgeizes. Seine vierte ein rastlos gesuchtes Ziel. Und er behauptete, da andre Dinge gleichgültig seien, so stehe das Maß des erreichbaren Glücksgefühls im Verhältnis zu der Geistigkeit dieses Gegenstandes.

Ellison zeichnete sich durch eine Fülle guter Gaben aus, die das Glück ihm in den Schoß geworfen hatte. An Schönheit und Anmut überstrahlte er alle Männer. Sein Verstand war von der Art jener, denen das Erwerben von Kenntnissen weniger Anstrengung als Intention und Bedürfnis ist. Seine Familie gehörte zu den erlauchtesten im Reich. Seine Braut war die lieblichste und treu ergebenste aller Frauen. Er hatte stets über reichliches Besitztum verfügt; als er aber mündig wurde, stellte es sich heraus, daß das Schicksal ihm einen der seltenen Streiche gespielt hatte, wie sie die ganze soziale Welt, in der sie sich ereignen, zuweilen in Verblüffung versetzen und selten verfehlen, die Geistesverfassung derer, denen sie gelten, völlig umzustoßen.

Es fand sich, daß etwa hundert Jahre vor Mr. Ellisons Mündigwerdung in einer entfernten Provinz ein Mr. Seabright Ellison gestorben war. Dieser Herr hatte ein fürstliches Vermögen zusammengerafft, und da er keine direkten Nachkommen hatte, packte ihn die Grille, das Vermögen sich bis hundert Jahre nach seinem Tode weiter aufstapeln zu lassen. Indem er die Anlage des Kapitals eingehend und scharfsinnig bestimmte, vermachte er die aufgehäufte Summe demjenigen nächsten Blutsverwandten des Namens Ellison, der nach Ablauf von hundert Jahren am Leben wäre. Viele Versuche waren gemacht worden, diese eigenartige Bestimmung zu umgehen; ihr Ex-post-facto-Charakter ließ sie fehlschlagen; man lenkte aber die Aufmerksamkeit einer habgierigen Regierung darauf und erlangte eine gesetzliche Verfügung, die alle derartigen Geldanhäufungen untersagte. Das hinderte freilich den jungen Ellison nicht, an seinem einundzwanzigsten Geburtstag als der Erbe seines Ahnherrn Seabright in den Besitz eines Vermögens von vierhundertundfünfzig Millionen Dollar zu kommen.

Als es bekannt wurde, welch ungeheuerliche Summe die Erbschaft ausmachte, gab es natürlich viele Vermutungen über die Art, wie sie anzulegen sei. Die Höhe und die sofortige Greifbarkeit der Summe verwirrte alle, die sich mit der Sache befaßten. Für den Besitzer irgendeiner übersehbaren Geldmenge hätte man sich irgendeinen von tausend Plänen ausgedacht. Wäre er mit Gütern gesegnet worden, die lediglich die der andern Bürger überstiegen, so hätte man sich unschwer vorgestellt, er werde die beliebten Extravaganzen seiner Zeit in unerhörtester Weise übertreiben – oder sich mit politischen Umtrieben befassen – oder nach der Machtstellung eines Ministers streben – oder sich den höheren Adel kaufen – oder große Museen der schönen Künste anlegen – oder den freigebigen Mäzen in Wissenschaft, Literatur und Kunst spielen – oder seinen Namen in ausgedehnten Wohlfahrtseinrichtungen verewigen. Bei dem unfaßlichen Vermögen jedoch, in dessen unumschränktem Besitz der Erbe sich befand, empfand man diese und alle gewöhnlichen Ziele als ein allzu begrenztes Feld. Man nahm zu Zahlen seine Zuflucht, und auch diese verwirrten noch mehr. Es stellte sich heraus, daß selbst bei nur drei Prozent das Jahreseinkommen der Erbschaft nicht weniger als dreizehn Millionen fünfhunderttausend Dollar betrug, was eine Million einhundertundfünfundzwanzigtausend Dollar im Monat ausmachte; oder sechsunddreißigtausendneunhundertundsechsundachtzig am Tag; oder sechsundzwanzig Dollar für jede entfliehende Minute. So wurde natürlich der übliche Weg der Mutmaßungen völlig umgestoßen. Die Leute wußten nicht, was sie ersinnen sollten. Einige meinten sogar, Mr. Ellison werde sich mindestens der Hälfte seines Vermögens als völlig überflüssig entledigen – und die ganze Sippe seiner Verwandtschaft durch Verteilung dieses Überflusses bereichern. Den nächsten Verwandten überließ er tatsächlich die ungewöhnlich großen Reichtümer, die ihm bereits vor der Erbschaft gehörten.

Ich war jedoch gar nicht überrascht, als ich merkte, daß er schon längst seinen Entschluß über einen Punkt gefaßt hatte, der von seinen Freunden soviel erörtert worden war. Auch war ich über die Art dieses Entschlusses nicht allzusehr erstaunt. Hinsichtlich der persönlichen Wohltätigkeit hatte er sein Gewissen beruhigt. Von der Möglichkeit irgendeines wesentlichen Dienstes, den der Mensch, wie man so zu sagen pflegt, der Menschheit erweisen könnte, war er (wie ich leider gestehen muß) wenig überzeugt. Kurz und gut, glücklich oder nicht glücklich, er war so ziemlich ganz auf sich selber angewiesen.

Er war im weitesten und edeln Sinne ein Dichter. Er erfaßte überdies den wahren Charakter, die erhabenen Ziele, die herrliche Majestät und Würde der poetischen Empfindung. Er fühlte instinktiv, daß die vollste, wenn nicht die einzige Befriedigung in der Erschaffung neuer Schönheitsformen lag. Eine gewisse Eigenart, eine Folge seiner Erziehung oder seines Intellekts, gab allen seinen ethischen Betrachtungen eine materialistische Färbung, und dieser Hang vielleicht war es, der ihn zu der Ansicht führte, das vorteilhafteste, wenn nicht das einzig rechtmäßige Feld für angewandte Poesie biete die Schöpfung neuer Formen von natürlicher, rein physischer Schönheit. So kam es, daß er weder Musiker noch Dichter wurde – wenn wir diese letztere Bezeichnung in ihrer gewöhnlichen Bedeutung fassen. Mag aber auch sein, daß er beides nicht werden wollte – lediglich in Verfolgung seiner Idee, daß die Verachtung jeglichen Ehrgeizes eine der wesentlichen Wurzeln des irdischen Glückes sei. Ist es nicht tatsächlich möglich, daß, während ein großes Genie naturgemäß ehrgeizig ist, noch ein größeres über dem steht, was wir Ehrgeiz nennen? Kann es nicht sein, daß viele, die weit größer sind als Milton, sich begnügt haben, „stumm und unberühmt“ zu bleiben? Ich glaube, die Welt hat auf dem Gebiet der Kunst die ganze erschöpfende Fülle prachtvoller Leistungen, deren die menschliche Natur unbedingt fähig ist, nie gesehen und wird sie nie sehen – es sei denn, daß allerlei Zufälle einmal eines jener größeren Genies, entgegen seiner eigenen Anschauung, zu Taten veranlassen.

Ellison wurde weder Musiker noch Dichter, obgleich man Musik und Poesie nicht inniger lieben konnte als er. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er unter andern Lebensbedingungen Maler geworden wäre. Die Bildhauerkunst war trotz ihres stark poetischen Gehalts zu begrenzt in Form und Wirkung, um jemals seine Aufmerksamkeit lange fesseln zu können. Und ich habe nun alle Gebiete aufgezählt, in denen nach allgemeinen Begriffen die poetische Empfindung sich ausbreiten kann. Ellison aber behauptete, das reichste und echteste, das natürlichste und wohl auch umfassendste Gebiet sei unverantwortlicherweise übersehen worden. Kein Deuter habe je den Landschaftsgärtner als Künstler erwähnt; dennoch, so meinte mein Freund, biete der Landschaftsgarten der wahren Muse die edelsten Möglichkeiten. Hier sei wirklich das schönste Feld zur Entfaltung der Phantasie in immer neuer Gestaltung neuer Schönheitsformen, da die zur Zusammenstellung vorhandenen Elemente bei weitem die herrlichsten seien, die die Erde zu bieten habe. In den zahllosen Formen und Farben der Blumen und Bäume erkannte er den ausgesprochensten und kraftvollsten Drang der Natur nach körperlicher Schönheit. Und in der Anordnung oder Vereinigung dieser Bemühungen – oder richtiger, in ihrer Anpassung an die Augen, die sie auf Erden würdigen sollten – glaubte er auf die beste Art – und mit erfolgreichsten Leistungen – der Erfüllung nahe zu kommen, nicht nur seiner eigenen Bestimmung als Künstler, sondern auch den erhabenen Zielen, um deretwillen die Gottheit dem Menschen das künstlerische Empfinden eingeimpft habe.

„Ihre Anpassung an die Augen, die sie auf Erden würdigen sollten …“ In seiner Erläuterung dieses Ausdrucks trug Mr. Ellison viel zur Lösung dessen bei, was mir immer als Rätsel erschienen war: – ich meine die (nur von Unwissenden bestrittene) Tatsache, daß es in der Natur keine solchen Szenerien gibt, wie der geniale Maler sie zu schaffen weiß. Keine solchen Paradiese sind in der Wirklichkeit zu finden, wie sie auf der Leinwand Claudes erglühen. In den bezauberndsten natürlichen Landschaften wird stets ein Mangel oder ein Unmaß zu finden sein – viele Mängel und viele Unmäßigkeiten. Während die gegebenen Bestandteile im einzelnen das größte Können des Künstlers übertreffen mögen, so wird die Anordnung dieser Teile stets noch der Vervollkommnung bedürftig sein. Kurz, in der ganzen weiten natürlichen Landschaft auf Erden gibt es keinen Betrachtungspunkt, von dem aus ein Künstlerauge bei längerem Zusehen nicht einen Verstoß gegen das fände, was man die „Komposition“ der Landschaft nennt. Und wie unbegreiflich ist das doch! In allen andern Dingen sind wir richtig belehrt, die Natur als überlegen anzusehen. Wir scheuen den Wettbewerb mit ihren Einzelschöpfungen. Wer wollte es fertigbringen, die Farben der Tulpe wiederzugeben oder die Gestalt des Maiglöckchens zu verbessern? Die Kritik, die von der Bildhauerei oder der Porträtkunst sagt, daß hier die Natur nicht nur erreicht, sondern übertroffen oder idealisiert sei, befindet sich im Irrtum. Kein malerisches noch bildhauerisches Zusammenwirken von Einzelheiten menschlicher Schönheit kann mehr, als der lebendigen, atmenden Schönheit nahe kommen. Nur in der Landschaft ist jener Standpunkt des Kritikers im Recht, und da er seine Wahrheit hier empfand, so ist es nur die unüberlegte Vorliebe zur Verallgemeinerung, die ihn dahin führte, ihn auf allen Gebieten der Kunst als richtig aufzustellen. Ich sage, seine Wahrheit hier empfand; denn die Empfindung ist keine Einbildung, keine Schimäre. Die Mathematiker liefern keine exakteren Beweise, als sie dem Künstler in seiner Kunst das Gefühl bietet. Er glaubt nicht nur, sondern er weiß positiv, daß die und die scheinbar willkürliche Anordnung der Dinge die wahre Schönheit ausmacht – sie ganz allein ausmacht. Seine Gründe aber sind noch nicht zum Ausdruck gereift. Es bleibt einer gründlicheren Analyse, als die Welt sie bisher gesehen hat, überlassen, diese Gründe voll zu erforschen und darzutun. Dessenungeachtet wird er in seiner instinktiven Ansicht durch die Stimme aller seiner Brüder unterstützt.

Nehmen wir an, eine „Komposition“ sei mangelhaft; sie solle lediglich in ihrer Zusammensetzung umgearbeitet werden; nun möge man die Frage nach der Notwendigkeit dieser Umarbeitung jedem Künstler, den es nur gibt, vorlegen, von jedem wird die Notwendigkeit zugegeben werden. Und sogar weit mehr als das: zur Behebung der fehlerhaften Komposition würde jedes einzelne Glied dieser Bruderschaft die nämliche Änderung vorgeschlagen haben.

Ich wiederhole, daß nur bei Landschaftsbildern die Schönheit der Natur eine Steigerung zuläßt und daß daher die Fähigkeit zu ihrer Vervollkommnung in gerade diesem einen Punkte ein Geheimnis war, das ich nicht zu lösen wußte. Meine eigenen Anschauungen über den Gegenstand gingen dahin, die Natur habe in ihrer ursprünglichen Absicht die Erde so gebildet, daß sie in allen Punkten der menschlichen Auffassung von vollendeter Schönheit oder Erhabenheit entsprach; aber diese ursprüngliche Absicht sei durch die bekannten geologischen Störungen vernichtet worden – Störungen in Form und Farbengruppierung, in deren Verbesserung oder Abschwächung die Seele der Kunst beruht. Die Kraft dieses Gedankens wurde jedoch sehr abgeschwächt durch die in ihm verborgene Notwendigkeit, die Störungen als anormal und durchaus unzweckmäßig zu betrachten. Ellison war es, der die Vermutung aussprach, sie seien ein Anzeichen des Todes. Er erklärte das so: – Angenommen, die ursprüngliche Absicht sei die irdische Unsterblichkeit des Menschen gewesen. Dann finden wir die ursprüngliche Bildung der Erde seinem seligen Zustand angepaßt – zwar nicht bestehend, aber beabsichtigt. Die Umwälzungen waren die Vorbereitungen für seine später beschlossene Bestimmung zum Tode.

„Nun könnte aber“, sagte mein Freund, „das, was wir als Steigerung der landschaftlichen Schönheit empfinden, eine lediglich menschliche Anschauungsweise sein. Jede Veränderung der natürlichen Szenerie würde das Bild vielleicht verunstalten, wenn wir es uns von weitem – als große Masse gesehen – denken, von einem der Erdoberfläche fernen Punkt, wenngleich nicht hinter den Grenzen ihrer Atmosphäre. Es ist leicht begreiflich, daß das, was einem nah besehenen Detail zum Vorteil gereichen mag, gleichzeitig eine allgemeine oder entferntere Wirkung beeinträchtigen kann. Es könnte doch eine Art vordem menschlicher, nun aber der Menschheit unsichtbarer Wesen geben, denen aus der Ferne unsre Wirrnis als Ordnung erscheint – unser Unmalerisches als malerisch; mit einem Wort, ich meine die Erdengel, für deren Betrachtung mehr als für unsere und für deren durch den Tod veredelte Bewertung des Schönen die weiten Landschaftsgärten der Hemisphären von Gott aufgestellt worden sein mögen.“

Im Laufe des Gespräches führte mein Freund einige Zitate eines Beurteilers der Landschaftsgärtnerei an, der, wie man sagt, sein Thema gut behandelt haben soll:

‚Es gibt eigentlich nur zwei Richtungen in der Landschaftsgärtnerei, die natürliche und die künstliche. Man versucht die ursprüngliche Schönheit der Landschaft wiederherzustellen, indem man ihre eigenen Mittel auf die Umgebung anwendet: Bäume anpflanzt, die sich den benachbarten Hügeln oder Flächen harmonisch anpassen; jenen reizvollen Einklang von Größe, Form und Farbe entdeckt und anwendet, der, dem gewöhnlichen Beschauer verborgen, sich erfahrenen Naturbeobachtern überall enthüllt. Das Resultat der natürlichen Richtung in der Gärtnerei zeigt sich mehr in der Vermeidung aller Mängel und Mißverhältnisse – in der Pflege einer gesunden Harmonie und Ordnung – , als im Hervorbringen von Wundern oder Besonderheiten. Die künstliche Richtung hat soviele Abstufungen, als es Geschmacksverschiedenheiten zu befriedigen gibt. Sie hat eine gewisse allgemeine Verwandtschaft mit den verschiedenen Baustilen. Da gibt es die pomphaften Alleen und Boskette Versailles, italienische Terrassen und ein vielfach gemischter altenglischer Stil, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der profanen Gotik oder der englischen elisabethanischen Architektur zeigt. Was auch gegen den Mißbrauch der künstlichen Landschaftsgärtnerei gesagt worden sein mag, so gibt doch eine Beimischung reiner Kunst einer Gartenszene große Schönheit. Teils erfreut es das Auge, daß es eine Ordnung und Planmäßigkeit wahrnimmt, teils ist es ein geistiges Genießen. Eine Terrasse mit einer alten moosbewachsenen Balustrade ruft uns sofort die reizenden Gestalten ins Gedächtnis, die hier in früheren Tagen gewandelt sind. Die kleinste Darbietung von Kunst ist ein Beweis der Sorgfalt und menschlicher Selbstliebe.‘

„Aus meinen bisherigen Bemerkungen werden Sie begreifen,“ sagte Ellison, „daß ich den Gedanken verwerfe, die ursprüngliche Schönheit der Landschaft wieder herstellen zu wollen. Die ursprüngliche Schönheit ist nie so groß, wie die, welche man hervorrufen könnte. Allerdings liegt alles an der Wahl eines geeigneten Platzes. Was oben über die Entdeckung und praktische Anwendung hübscher Beziehungen in Größe, Gestalt und Farbe gesagt ist, ist nichts als eine hohle Redensart, um unklare Gedanken zu bemänteln. Der genannte Ausspruch kann alles und nichts besagen und gibt keinerlei Anweisung. Daß der wahre Erfolg des natürlichen Stils in der Gärtnerei mehr in der Vermeidung aller Mängel und Mißverhältnisse, als in der Erschaffung irgendwelcher Wunder und Besonderheiten zu suchen sei, ist ein Vorschlag, der besser zu dem niedrigen Begriffsvermögen der Herdenmenschen paßt als zu den feurigen Träumen eines genialen Mannes. Der befürwortete negative Vorzug gehört zu den hinkenden Beurteilungen, die in der Literatur zum Beispiel einem Addison eine Apotheose bereiten würden. Ja, während jene Tüchtigkeit, die lediglich in der Vermeidung von Fehlern besteht, sich direkt an unsere Einsicht wendet und daher durch Vorschriften umschrieben werden kann, ist die erhabenere Gabe, die in der Neuschöpfung flammt, allein in ihren Wirkungen zu begreifen. Regeln behandeln nur die Vorzüge der Vermeidung – den Wert der Enthaltsamkeit. Darüber hinaus kann die kritische Kunst nur mutmaßen. Man kann uns unterweisen, einen ‚Cato‘ zu konstruieren, aber vergeblich wird man uns belehren, wie ein Parthenon oder ein ‚Inferno‘ zu schaffen sei. Ist aber die Sache getan, das Wunder vollendet, so ist es allgemeinverständlich. Die Sophisten der negativen Schule, die aus Unfähigkeit zum Schöpferischen solches Tun verspottet haben, sind nun die eifrigsten im Beifallspenden. Was im Larvenzustand seines Beginns ihren zahmen Verstand beleidigte, verfehlt nie, in seiner Reife der Vollendung ihrem Instinkt für Schönheit Bewunderung abzunötigen.“

„Gegen die Bemerkungen des Verfassers über den künstlichen Stil ist weniger zu sagen“, fuhr Ellison fort. „Die Beimischung reiner Kunst gibt einer Gartenszene eine große Schönheit. Das ist richtig, ebenso wie der Hinweis auf menschliche Selbstliebe. Das angeführte Prinzip ist unbestreitbar – es könnte aber darüber hinaus noch etwas geben. Es könnte ein auf diesem Grundsatz aufgebautes Ziel geben – ein mit den üblichen Mitteln des einzelnen unerreichbares Ziel, das aber, wenn es erreicht wird, dem Landschaftsgarten einen Reiz verleihen würde, der alles weit überträfe, was menschliche Sorgfalt hervorbringen könnte. Ein Künstler mit ganz außergewöhnlichen Geldmitteln könnte, trotz Beibehaltung der notwendigen Begriffe von Kunst oder Kultur oder, wie unser Autor sagt, von Selbstliebe, seine Pläne gleichzeitig so durch großzügige Anlage und neuartige Schönheit bereichern, daß man an die Einmischung von Feenhand glauben möchte. Man wird sehen, daß er zu solchem Resultat alle Vorteile der Selbstliebe oder Absicht heranzieht, während er doch sein Werk von der Schärfe oder den Kunstgriffen der irdischen Kunst befreit. Im finstersten Urwald – in den entlegensten Gebieten der Natur – ist die Kunst eines Schöpfers erkennbar; doch diese Kunst wird nur dem Verstande deutlich; in keiner Weise hat sie die einleuchtende Kraft des Gefühls. Nun wollen wir uns diesen Sinn in der Absicht des Allmächtigen nur einen Grad niedriger denken – irgendwie in Harmonie oder in Übereinstimmung gebracht mit dem Wesen der menschlichen Kunst – um ein Zwischenglied zwischen beiden zu bilden: – stellen wir uns beispielsweise eine Landschaft vor, die durch Ausgedehntheit und Bestimmtheit, durch Schönheit, Pracht und Absonderlichkeit den Gedanken an Sorgfalt, Kultur und Pflege durch höhere und doch der Menschheit verwandte Wesen wachruft – dann ist der Begriff der Interessiertheit gewahrt, während die eingeflochtene Kunst zur Annahme einer vermittelnden oder zweiten Natur führt – einer Natur, die weder Gott noch eine Emanation Gottes ist, die aber dennoch Natur ist, als Kunstwerk der Engel, die zwischen den Menschen und Gott schweben.“

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
22 ekim 2017
Hacim:
130 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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