Kitabı oku: «Das Wirken der Seele: Ideen zu einer organischen Psychologie», sayfa 4
Nun ist das Subjekt in zentralster Selbstunterscheidung von den Objekten Wille, zunächst als triebhaft, dann aber vorzugsweise als aktiv wollend. Daher ist die Assoziation durch den Willen, durch das Streben bedingt29. Es „assoziieren“ sich also nicht reine Vorstellungen miteinander, sondern willensbehaftete Erlebnisse des einheitlichen Subjekts. In der Einheit des erlebenden Subjekts bzw. des Strebens sind die Assoziationen letzten Endes gegründet, aus ihr fließen sie. Die Assoziation besteht darin, daß durch „triebhafte“ Einwirkung auf die Apperzeption Erlebnisse einander ins Bewußtsein rufen („reproduzieren“) und mit ihnen Zusammenhänge bilden, die bald durch innere, bald durch mehr äußerliche Beziehungen bedingt sind, so aber, daß das Willenselement nie fehlt. Die Assoziation ist, wie dies Wundt erkannt hat, ein Triebvorgang, wenn auch ein solcher, wo das Moment des Strebens vielfach in den Hintergrund des Bewußtseins tritt. Dies ist wohl begreiflich, wenn man an die durch Übung erzielte „Mechanisierung“ des Bewußtseins, der Willens- und Triebhandlung denkt. Assoziation ist in der Tat relativ mechanisierte Geistesarbeit, und das um so mehr, je weniger das Triebmoment, das manchmal ziemlich stark hervortreten kann, zurücktritt, ohne aber je ganz zu fehlen (vgl. Fouillée a. a. O.). Erlebnisse, die irgendwie zur Einheit im Ich zusammengehen können – bei verschiedenen Individuen in verschiedener Weise – haben die Tendenz, sich zu „assoziieren“, d. h. sie assoziieren sich, sofern nicht äußere oder innere störende, hemmende, ablenkende Faktoren (z. B. der Denkwille) ins Spiel treten. Die Vorstellungen assoziieren sich aber nicht direkt und von selbst, sondern nur so, daß sie auf das Streben einwirken, (als Momente desselben) und dieses zur Reproduktion (Erneuerung) anderer Vorstellungen anregen, reizen, aus dessen Natur heraus, die auf Einheit geht.
Vorstellungen sind keine Dinge oder Kräfte, die, wenn sie dem Ich nicht präsent sind, irgendwo unbewußt lauern, bis sie wieder ins Bewußtsein treten können. Nimmt man von der Vorstellung das Bewußtsein weg, dann hebt man sie selbst auf, denn sie ist nur eine besondere Form, eine Modifikation des Bewußtseins (im weitesten Sinne), welches nicht neben den Erlebnissen einhergeht, zu ihnen hinzukommt, sondern ein Ausdruck für das Gemeinsame aller Erlebnisse, eben das Erleben (Erlebtwerden) ist. Es gibt also keine absolut unbewußten Vorstellungen und die Reproduktion, mit der die Assoziation verbunden ist, ist keine Hervorholung der Vorstellungen aus dem Unbewußten ins Licht des Bewußtseins. Jede „reproduzierte“ Vorstellung ist vielmehr ein neues, besonderes Erlebnis, das inhaltlich zwar einem früheren Erlebnis sehr ähnlich ist, trotzdem aber, abgesehen von mehr oder weniger erheblichen Abweichungen, funktionell nicht mit dem alten Erlebnis zusammenfällt. Freilich muß die Reproduktion der Vorstellungen Bedingungen haben, durch die sie ermöglicht wird. Diese Bedingungen sind, objektiv-physisch betrachtet, „Spuren“, potentielle Energien bzw. molekulare Umlagerungen im Zentralnervensystem, im Gehirn. Und bei der Assoziation dürften infolge von „Bahnungen“ u. dgl. zusammengehörige, früher irgendwie verbunden gewesene Partien oder Funktionsanlagen in Tätigkeit treten, indem die Erregung der einen Partie oder der einen Funktionsanlage eine Erregung bestimmter anderer Bestandteile nach sich zieht. Psychologisch aber kann natürlich nicht von Molekularumlagerungen u. dgl. gesprochen werden. Gleichwohl ist man berechtigt, von funktionellen Dispositionen zur Reproduktion von Vorstellungen u. dgl. zu reden. Es sind das nicht bestimmte, unbewußt existierende, bereitliegende Inhalte, sondern Nachwirkungen früherer Erlebnisse in der psychischen Organisationseinheit, Tendenzen der Psyche zur Erneuerung von Erlebnissen unter bestimmten Anregungen, Antrieben, welche von gewissen anderen Erlebnissen (gefühlsbetonten Wahrnehmungen oder Vorstellungen) ausgehen. So zeigt sich auch die Erinnerung und die Fähigkeit dazu, das Gedächtnis, als ein nicht rein intellektuelles, sondern volitionelles Phänomen, dessen physiologisches Korrelat wohl in der Aufspeicherung potentieller Energie im Gehirn und deren Übergehen in aktuelle Energie besteht. Psychische „Dispositionen“ sind also nicht selbst Vorstellungen, sondern nur „Bereitschaften“ zu solchen, es sind psychische Potenzen als das Innensein der Gehirndispositionen. So verhält es sich auch mit den sog. Anlagen, die nichts anderes sind als ursprüngliche, ererbte, angeborene psycho-physische Dispositionen, im Unterschiede von den individuell erworbenen Dispositionen und Fertigkeiten. Alle Dispositionen, ererbte und erworbene, sind Resultate der Übung, als solche stehen sie zur Richtung des geringsten Widerstandes, der kleinsten Kraftaufwendung in Beziehung, haben also eine ökonomische Bedeutung, aus der sich auch die ihnen eigene Tendenz oder Strebung begreift. Sind die Dispositionen einerseits Nachwirkungen von Willens- und Triebhandlungen, inneren und äußeren, so üben sie anderseits einen außerordentlichen Einfluß auf die Weiterentwicklung des Seelenlebens aus, sie werden zur Grundlage neuer und höherer, reicherer geistiger Prozesse und zugleich mitbestimmend für die Richtung, welche diese nehmen.
Der Begriff der Richtung (dessen Bedeutung von R. Goldscheid30 betont wurde) ist überhaupt für die Psychologie wichtig. Er ist hier wie in der Naturwissenschaft unentbehrlich, weil der Qualitäts- und der Intensitätsbegriff nicht ausreichen, um gewisse Unterschiede in den psychischen Vorgängen festzulegen. In erster Linie und primär ist die „Richtung“ im Seelischen ein Modus des Willens, dessen Wirksamkeit verschieden ist, je nach dem Ziele, auf das der Wille gerichtet, eingestellt ist. Mit gutem Sinne können wir z. B. von einer Richtung des Vorstellungsverlaufes sprechen, die entweder von momentanen, triebartigen Impulsen oder aber vom zweckbewußten Willen (Denkwillen) abhängig ist. Der Wille beeinflußt die Richtung der Erlebnisse, die Art des Ablaufes, des zeitlichen Zusammenhanges, des (relativen) Abschlusses derselben, abgesehen davon, daß der Aufmerksamkeitswille verschieden gerichtet sein kann, indem er bald auf das eigene subjektive Erleben, bald auf die objektiven Inhalte desselben sich lenkt. Der Wille als solcher ist, in Beziehung auf seinen Zielpunkt, ein (dynamisches) „Gerichtetsein“, dessen direkte oder indirekte, totale oder partielle Objektivierung die Richtung der psychischen Energie der Gehirn- und Nervenprozesse ist. Für den Unterschied zwischen Trieb und Willkür (Wahl) mechanisierter (automatischer) und aktiver Geistesfunktion ist die Unterscheidung eindeutig und mehrdeutig bestimmter Richtung von Wichtigkeit, z. B. für das Problem der Willensfreiheit. —
Es würde den Rahmen dieser Arbeit weit übersteigen, sollte der Anteil des Willens an den seelischen Geschehnissen im einzelnen aufgezeigt werden. Es genügt, wenn wir dartun konnten, daß sowohl im niederen, einfachen, wie im höheren, komplizierten Seelen- und Geistesleben der Wille in verschiedener Form und Richtung das zentral Wirksame, die innerste Energie des Bewußtseins ist, und daß der vollständige, unabgekürzte, ungehemmte psychische Vorgang eine Willenshandlung ist. Erst durch Abschwächung, Abstumpfung des Strebens und Fühlens, des Appetitiven und Affektiven kommt das verhältnismäßige „rein“ Intellektuelle, das neutrale Wahrnehmen, Vorstellen und Denken zustande, teilweise aber selbst wieder unter dem Einfluß des Willens, nämlich des Kulturwillens, der eine möglichste Beherrschung, Zurückdrängung des Triebhaften, Affektiven mit sich bringt.
IV. Der Zweck im Seelischen
Während in früheren Perioden der wissenschaftlichen Forschung die Idee des Zweckes und der Zweckmäßigkeit, kurz, die Teleologie meist in der Form eines Gegensatzes zum Kausalitätsbegriff oder aber so auftrat, daß in der Natur zwei Arten von Ursächlichkeiten, die kausale und die finale, nebeneinander, ohne innere Verbindung walten sollten, ist es ein Postulat unserer Zeit – das aber schon bei älteren Denkern, besonders bei Leibniz sich geltend machte – die Teleologie so zu fassen, daß sie zu der kausalen Betrachtungsweise in keinen Widerspruch gerät, vielmehr mit ihr aufs beste harmoniert. Von einer „transzendenten“ Teleologie, wonach Gott oder die Natur den Dingen bestimmte Zwecke gesetzt hat, denen diese unbewußt oder bewußt nachgehen, will man mit Recht, wenigstens innerhalb der empirischen Wissenschaft, nichts wissen. Anderseits ist den noch immer in großer Zahl vorhandenen Gegnern aller Teleologie entgegenzuhalten, daß man in der Biologie und in den Geisteswissenschaften ohne Teleologie nicht auskommt. Nur muß das eine immanente, eine „Auto-Teleologie“ (Pauly) sein, welche Ziele und Zwecke nicht als Wesenheiten außerhalb der lebenden, handelnden Wesen, sondern als etwas diesen Innerliches, Immanentes, von ihnen selbst Gesetztes, Erstrebtes, Verwirklichtes bestimmt und den Einfluß äußerer, nicht-teleologischer, rein kausaler Faktoren gebührend würdigt. Finalität und Kausalität schließen einander nicht aus, sondern sind, wie wir gleich sehen werden, nur zwei Betrachtungsweisen bzw. Phasen einer und derselben Reihe des Geschehens, ohne daß deshalb, wie manche meinen, etwa die Finalität nur subjektiv, nur ein „Regulativ“ für unser Erkennen sein muß.
Wo wir innerhalb der empirischen Wissenschaft kein Seelisches annehmen dürfen oder, besser, nicht anzunehmen brauchen, beim Anorganischen, und überall da, wo wir nicht in der Lage sind, mit Sicherheit bestimmte psychische Handlungen einfühlend zu erkennen, da sind wir berechtigt, bloß von einer „regulativen“ und heuristischen Anwendung des Zweckbegriffes zu sprechen, d. h. die Dinge so anzusehen, als ob sie einem Zwecke dienten, um leichter zu kausalen Reihen zu kommen und diese besser zu verstehen. Aber das ist nicht der einzige zulässige Gebrauch, den man von der Teleologie machen darf, und zwar nicht erst in der Metaphysik, sondern schon in der Biologie, Psychologie und in den Geisteswissenschaften. Hier ist es vielfach oft die Idee des Zweckes, die erst Einheit in die Erfahrung bringt, diese erst „konstituiert“ und das Geschehen erst sinnvoll, bedeutsam macht. Aber auch hier ist die „Finalität“ nur eine Seite oder Phase desselben Geschehens, das zugleich sich kausal beschreiben läßt. „Konstitutiv“ ist der Zweckbegriff hier aber schon deshalb, weil wir, während Zwecksamkeit, Finalität in das Physische zunächst nur hineingelegt wird, sie an uns selbst, in unserem seelischen Verhalten unmittelbar erleben oder setzen und sie ebenso als ein allem Seelischen unmittelbar Anhaftendes ansehen müssen, als ein Charakteristikon des Psychischen selbst31.
In der Tat, der Zweckbegriff, der formal unserem beziehenden Denken entspringt, hat sein Ur- und Vorbild im eigenen Erleben des Subjekts. Dieses ist selbst durch und durch ein Zwecke-setzendes, „zielstrebiges“ Wesen und es ist tätig, um diesen seinen Zwecken zu genügen, um sie zu verwirklichen, aus der Potenz in die Aktivität überzuführen. Das Subjekt ist ein Zwecke-objektivierendes Wesen. Sein ganzes Tun ist ein Inbegriff von Mitteln zur Realisation von Zwecken, zur Erreichung von Zielen. Zunächst ist aber zu zeigen, wie das möglich ist, ohne daß das Kausalitätsgesetz durchbrochen, außer Geltung gesetzt wird.
Ein einfaches Beispiel für eine Zwecktätigkeit ist die Handlung, bei der ich den Arm ausstrecke, um ein Buch zu ergreifen. Psychologisch geht folgendes vor: ich habe ein Ziel in Gestalt einer Vorstellung vor Augen, die „Lust“ dazu und das Streben nach dessen Erreichung, welches sich in Bewegungsempfindungen u. dgl. umsetzt und schließlich zu jenem psychischen Zustande führt, welcher mit dem Besitze des Buches verbunden ist. Dieselbe Reihe ist nun auch rein kausal beschreibbar. Zuerst war meine Armbewegung „Mittel“ zur Besitzergreifung des Buches, diese aber „Zweck“ meiner Handlung; jetzt ist die Handlung (das Ausstrecken des Armes) „Ursache“ des Ergreifens und Festhaltens des Buches und zwar sowohl psychisch (als unmittelbares Erlebnis von Empfindungen und Vorstellungen) wie physisch (als objektiv-physikalisch aufgefaßte Bewegung). Was bei der einen Betrachtungsweise Mittel und Zweck ist, ist für die andere Ursache und Wirkung. Der Zweck ist nichts als die im Erleben antizipierte, die vorstellend erstrebte Wirkung, die reale Wirkung ist der aktualisierte Zweck, ohne daß sie stets genau mit diesem übereinstimmt. Die oft gestellte Frage: wie kann etwas, was noch nicht da ist, was der Zukunft angehört, Ursache eines Geschehens sein, beantwortet sich dahin, daß nicht die reale Wirkung selbst Ursache des Handelns ist, sondern die Vorstellung der Wirkung, des Resultates und zwar als Inhalt oder Motiv des Willens. Zweck ist soviel wie Willensziel, Willensinhalt, nicht etwas selbständig Existierendes und Wirksames. Der Zweck wirkt nur im und durch den Willen, dieser ist als psychischer Vorgang die Ursache von Handlungen, durch welche das Gewollte, der Zweck, verwirklicht wird. Das Eigenartige der Zwecksamkeit, das „Wozu“ ist kein besonderes Geschehen, dem physisch etwas parallel geht, sondern liegt schon im Zusammenhange des Wollens, der allein sein physiologisches Gegenstück hat. Das Subjekt will etwas, und zwar weil es ein anderes will usf. Dies führt zu einem ganzen System von Wollungen, deren jede auf die andere so bezogen ist, daß eine aus der andern mit innerer Notwendigkeit erfolgt, einer Notwendigkeit, die final und kausal zugleich ist, je nachdem wir in der Ordnung der Reihen vorgehen. Dieses System von Zwecksetzungen, in welchem jeder Zweck wieder Mittel für einen anderen Zweck sein kann, ist nicht bloß formal zur Einheit verknüpfbar, sondern erweist sich bei gehöriger Selbstbesinnung und vergleichender Betrachtung fremden Seelenlebens als einheitlich gerichtet, indem es dem obersten subjektiven Zweck, der Erhaltung und Betätigung der Einheit des Subjekts, also dem Einheitswillen sich unterordnet. Dieser Einheitswille, der Wille zur Bewahrung der Ich-Einheit in aller Mannigfaltigkeit der Erlebnisse, ist der oberste Grund, dem das seelische Handeln entfließt, das Motiv der Motive. Indem nun die Psyche in ein solches System von Wollungen oder Zielsetzungen sich auseinanderlegt, ist sie so recht eine „Entelechie“ (im Sinne noch mehr des Leibniz als des Aristoteles), eine sich von innen aus aktiv-reaktiv entfaltende, entwickelnde Subjektivität, ein „Organismus“, dessen Objektivation oder Ausdruck der leibliche Organismus ist32.
Wenn der Neo-Lamarckismus so sehr die Wirksamkeit psychischer Faktoren und die Geltung einer „Auto-Teleologie“ betont, so ist er durchaus im Rechte, vorausgesetzt, daß er nicht die Bedeutung äußerer Faktoren (Milieu, Auslese usw.) vernachlässigt. In der Tat: wollen wir das Leben nicht bloß äußerlich in dessen Erscheinungen beschreiben, sondern es in seinem inneren Wirken verstehen, wollen wir die Zweckmäßigkeit der Lebensprozesse und deren Produkte begreifen, so können wir nicht umhin, auf die Bedürfnisse zurückzugreifen, die durch Anregung des Strebens zu lebensnützlichen Reaktionen verschiedenster Art führen. Es gibt zweifellos eine aktive Anpassung, bei welcher der Organismus, seinen durch den Wechsel der äußeren Bedingungen erregten Bedürfnissen folgend, so tätig ist, daß diesen Bedürfnissen Genüge getan wird, bis, durch Übung und Vererbung festgewordener Übungsresultate, eine größere Harmonie des Baues und der Funktionen des Organismus mit dem Naturmilieu erreicht ist. Die erreichte Zweckmäßigkeit ist also ein Resultat der psychischen, zielstrebigen Einwirkung des Organismus auf sich selbst, die, wir wissen bereits warum – ihr physisches, physiologisches Korrelat hat. Die Zielstrebigkeit ist aber nur zum geringeren Teil direkt auf Realisierung von bestimmten Vorstellungsinhalten gerichtet, vielfach und primär ist sie nur triebhafte Reaktion zur Abstellung von Unlust oder Gewinnung von Lust nach einer bestimmten Richtung, Tendenz zur Herstellung des gestörten Gleichgewichts, zur Entfernung störender Reize u. dgl. Das objektiv Zweckmäßige ist zwar durch das zielstrebige Verhalten des Organismus bedingt, aber keineswegs ein direktes Resultat desselben, sondern das Produkt einer Komplikation von Faktoren und einer ganzen Reihe von Zielstrebigkeiten und Handlungen.
Es mußte dies betont werden, weil es auch für die Psychologie als solche, nicht bloß für die Biologie gilt. Auch hier müssen wir von den primären Zielstrebigkeiten und Zwecksetzungen jene Folgen und Nebenwirkungen unterscheiden, die, indem sie irgendwie in die Richtung der individuellen Zielstrebigkeit hineinpassen, später selbst finalen Charakter erlangen, ohne daß vorher auch nur im geringsten an sie gedacht worden wäre. Für die individuelle, wie für die soziale, kulturelle Entwicklung ist dieses Prinzip der „Heterogonie der Zwecke“ (Wundt) von nicht geringer Bedeutung, es erklärt uns die beständige Steigerung, das Wachstum geistiger Werte, und es zeigt uns, wie es das Wesen des Geistes ist, Kausalität in Finalität zu verwandeln, bzw. in deren Dienst zu nehmen.
Das Umgekehrte ist nun die Verwandlung von Finalität in Kausalität. Wir meinen damit freilich nicht, als ob je im Seelenleben die Finalität verloren ginge und an ihre Stelle reine, mechanische Kausalität träte. Wir wissen bereits, daß die „Mechanisierung“, von der in der Psychologie die Rede ist, nur eine Abkürzung und ein Eindeutig-Werden von Willenshandlungen ist, keine absolute Entseelung. Aber Tatsache ist es, daß Handlungen, welche ursprünglich mit mehr oder weniger Bewußtseinsklarheit auf ein bestimmtes Ziel gerichtet waren, später durch das, was wir „Gewöhnung“ nennen, rein triebmäßig und schließlich ganz automatisch, ohne Richtung auf ein bewußtes Ziel verlaufen können, so daß sie uns als bloße Wirkungen psycho-physischer Antezedentien erscheinen. Nur insofern diese Handlungen Glieder des teleologischen Zusammenhanges der Gesamtpsyche sind, haben sie jetzt finalen Charakter, nicht aber für sich genommen. Oder wenn man will, läßt sich diese Art psychischer Kausalität als Grenzfall psychischer Finalität ansehen, als stabilisierte Zielstrebigkeit. Der psychische „Mechanismus“ ist, weit entfernt die Quelle der geistigen Finalität zu sein, schon nur ein Spezialfall, eine Phase und ein Niederschlag der Finalität, die nach zwei Richtungen sich entfaltet: einerseits zur vollbewußten aktiven Zwecktätigkeit im Denken, Wollen und Gestalten, anderseits zum seelischen Automatismus. Zugleich bleibt der Satz bestehen, daß die psychische Kausalität im allgemeinen Sinne durch eine Betrachtungsweise desselben Zusammenhanges gegeben ist, der sonst als finaler Zusammenhang sich darstellt, und zwar am unmittelbarsten sich darstellt.
Daß die Psychologie nicht umhin kann, die Teleologie des Seelenlebens zu berücksichtigen, ist bisher hauptsächlich von jenen Psychologen betont worden, welche biologische Gesichtspunkte in ihre Wissenschaft hineintragen. In der Tat: so wichtig und notwendig es ist, die biologischen Prozesse schließlich auch psychologisch zu interpretieren, psychische Faktoren zum Verständnis von Lebensvorgängen verschiedener Art heranzuziehen, so unumgänglich ist auch die Erklärung fundamentaler psychischer Funktionen durch Rekurrierung auf biotische Momente. Es ist dies ganz natürlich, denn das Seelenleben ist auch ein Ausschnitt, bzw. eine Seite des Lebens schlechthin, und das Leben ist qualitativ eine Manifestation seelischer Faktoren. Wir übertragen also nicht etwa in äußerlicher Form, durch künstliche Analogien, biologische Gesichtspunkte auf das Seelische, sondern dieses hat an sich selbst, vermöge seiner Identität mit dem Leben die Eigenschaften desselben. Daher gelten die von der Entwicklungstheorie verwandten Momente: Anpassung, Kampf ums Dasein, Auslese, Übung, Korrelation, Vererbung usw. auch für die Psychologie. Freilich muß man sich hier vor Einseitigkeiten hüten, wie sie etwa die extreme Selektionstheorie aufweist, und man muß der spezifischen Beschaffenheit des Psychischen als solchen gebührend Rechnung tragen.
Der teleologische Charakter des Seelenlebens hängt aufs innigste damit zusammen, daß dasselbe etwas Organisches, kein Aggregat selbständiger Elemente, kein äußerlich verbundenes Ganzes, sondern eine innerlich zusammenhängende Einheit33 ist, die in lebendiger Wechselwirkung mit ihren Gliedern steht. Diese Glieder sind ebenso durch das Ganze bedingt, wie das Ganze durch die Teile; es sind ja beide nur Abstraktionen aus dem konkreten Zusammenhang, der zugleich Einheit und Mannigfaltigkeit ist. Die Seele ist, das muß aller mechanistischen Psychologie gegenüber entschieden betont werden, eine sich in der Mannigfaltigkeit ihrer Modifikationen entfaltende und entwickelnde aktuale Organisation und hat alle Eigenschaften einer solchen. Was Herbart von der metaphysischen, einfachen Seelensubstanz lehrte, die sich wie alle „Realen“ gegenüber Störungen ständig zu erhalten strebt, gilt auch, nur noch viel plausibler, von der gegliederten Seeleneinheit, die im Erlebniszusammenhange, nicht hinter diesem besteht und tätig ist. Die Zielstrebigkeit, die das Psychische charakterisiert, äußert sich in verschiedener Weise, so aber, daß das Streben nach Erhaltung und Durchsetzung, sowie nach Steigerung, Bereicherung, Potenzierung der Subjekt-Einheit sowohl das Primärste als auch das Letzte und Höchste ist, was die Psyche als solche, als Individuum unter anderen, im Reagieren und Agieren bestimmt. Die Psyche ist von Natur aus so geartet, daß sie Störungen, die sie erleidet, zu beseitigen, daß sie alles Neue sich, dem Grundbestande ihrer Modifikationen einzuordnen strebt, Widersprüche, soweit ihr diese zum mehr oder minder klaren Bewußtsein kommen, nicht duldet. Und wie sie sich selbst als Ganzes im Konflikte mit der physischen und psychischen Umwelt zu erhalten strebt, so hat die Psyche auch die Tendenz, alles für sie und ihre Einheit und Entwicklung Förderliche möglichst festzuhalten, zu erhalten. Nicht die Vorstellungen für sich allein haben einen Selbsterhaltungstrieb, sondern die Psyche, das erlebende Subjekt ist es, welches Teile seiner Erlebnisse gegenüber andern triebmäßig oder willkürlich begünstigt und sie so anderen gegenüber sich behaupten läßt, wobei natürlich die Möglichkeit der Konkurrenz verschiedener Tendenzen nicht zu übersehen ist, die sich aber schließlich irgendwie der Einheitstendenz des Ganzen einordnen müssen, soll das Seelenleben „normal“, intakt oder wenigstens im relativen Gleichgewicht bleiben. Daß Vorstellungen usw. im Bewußtsein herrschend werden u. dgl., ist gewiß kausal bedingt, wir können häufig die Faktoren aufzeigen, welche die Erhaltung, Fixierung, Begünstigung von Erlebnissen zur notwendigen Folge haben, aber zugleich liegt hier eine Finalität vor, da diese Erhaltung im Dienste der psychischen Zielstrebigkeit steht, so daß der psychische Zusammenhang durch einen Zweck bestimmt ist; die kausale Notwendigkeit ist hier also auch teleologische Notwendigkeit. Das ganze logische Denken z. B. läßt dies deutlich erkennen, denn der „reine Denkzweck“ ist zugleich der Grund, aus dem die Bildung bestimmter Urteile und Schlüsse erfolgt, und im Erkenntnisprozesse wieder sind die Kategorien Mittel zur Herstellung eines objektiv-einheitlichen Zusammenhanges, zur Konstituierung von objektiver Erfahrung und von Erfahrungsobjekten34. Die Gesetze des Denkens und Erkennens fließen gewiß aus dem Wesen der „Sachen“, sind nicht bloß individuell-subjektiv, nicht relativ, aber sie sind auch nicht in der Luft schwebende Wesenheiten, existieren nicht an sich, sondern gehören zum „Bewußtsein überhaupt“, sind Forderungen des auf reine Erkenntnis gerichteten Willens, der nur durch sie seinen Zweck: die Erkenntnis, die Erfassung der Wahrheit und Wirklichkeit, erreichen kann und daher sich selbst bindet, um so bewußter und entschiedener, je mehr er die Tauglichkeit der einzelnen Denk- und Erkenntnismittel im Fortschritte der wissenschaftlichen Entwicklung und als an der Erfahrung sich bewährend einsieht…
Der teleologische Charakter des Seelenlebens tritt schlagend in dem zutage, was man Interesse benannt und oft auch schon bei der Erklärung psychischer Prozesse verwertet hat. Was in irgendeiner bemerkbaren Beziehung zum Willen und damit zur Zielstrebigkeit der Psyche steht, daran nimmt diese Interesse, d. h. sie erfaßt es willig, reiht es leicht dem Zusammenhang ihrer Erlebnisse ein, verweilt triebmäßig oder willkürlich bei ihm, beschäftigt sich mit ihm. Interesse erweckt etwas, wenn es tauglich ist, die psychische Organisation irgendwie zu fördern, irgendwelche Bedürfnisse des Subjekts zu befriedigen. Je nach der Art der Bedürfnisse und Zwecke, für die etwas geeignet sein kann, gibt es verschiedene Richtungen des Interesses, verschiedene Arten des Interessanten, welches wieder allgemein oder individuell, für die Psyche überhaupt oder für bestimmt geartete Subjekte erregend sein kann. Daher die Relativität und Wandelbarkeit des Interesses, je nach der „Stimmung“, den vorangegangenen Erlebnissen, der Beschäftigung usw., kurz, je nach den jeweilig vorherrschenden Tendenzen und Zielsetzungen, denen Erlebnisse und deren Gegenstände begegnen. Je mehr wir uns für etwas interessieren, desto mehr ist unsere seelische Energie einem Inhalt zugewandt, desto mehr „Seelenkraft“ ist an dessen Verarbeitung beteiligt, desto besser und nachhaltiger wird der Inhalt vom Ich aufgenommen und verwertet. Daher die große Bedeutung des Interesses für die Aufmerksamkeit und Apperzeption, für das Gedächtnis und die Erinnerung, für die Richtung unseres Denkens und Handelns. Das Interesse selbst aber ist ohne die allgemeine und spezielle Finalität der Psyche nicht zu verstehen, denn es ist nur der gefühlsmäßige Ausdruck für dieselbe, ein Moment derselben, nicht etwa ein selbständiges „Seelenvermögen“. Die „interessierte“ Seele ist nur die nach einer bestimmten Richtung besonders erregte, an einem Erlebnis besonderen Anteil, besondere Lust nehmende Seele, für die in irgendeinem Ausmaße das Erlebnis bedeutsam ist. Das Interesse ist es, was die Psyche eine Auslese unter den ihr sich in Fülle darbietenden Eindrücken treffen und sie nur dasjenige assimilieren läßt, was auf Dispositionen, in „Bereitschaft liegende“ Bewußtseinszustände bestimmter Art stößt. Solche Dispositionen, welche für die Richtung des Interesses bedeutsam sind, sind auch überall da vorhanden, wo sog. „funktionelle Bedürfnisse“ bestehen, d. h. Tendenzen bestimmter Organe oder Seelenpartien zur Betätigung der ihnen gemäßen Funktionen. Ein Beispiel dafür ist der „Lichthunger“, der uns nach längerem Verweilen im Dunkeln befällt, der Bewegungsdrang nach längerer Ruhe, die Lust am Hören von Klängen, am Reden, an Phantasiespielen usw. Im Spiel und in der Kunst kommen funktionelle Bedürfnisse stark zur Geltung35. Daher auch die teleologische Bedeutung von Spiel und Kunst, welche nicht bloß eine wohltätige Kraftentladung in der Psyche bewirken, sondern auch durch die Übung bestimmter, sonst vernachlässigter psychischer Systeme und Organe subjektiv zweckmäßig sind36. Uninteressiert sind wir beim ästhetischen Genuß nur insofern, als wir nicht auf irgendeinen Nutzen, auf irgendwelche Gütererlangung ausschauen, aber willen- und interesselos sind wir keineswegs, sondern ein „Wille zur Schau“, zum reichen und dabei harmonischen Erleben besteht, der im und durch das ästhetische Erleben befriedigt wird, genau so, wie das Spiel in gewissem Sinne Selbstzweck ist…
Ebenso wie das Interesse, bezieht sich auch das Phänomen der Wertung auf die Finalität des erlebenden Subjektes. Was irgendwie zur Befriedigung eines Bedürfnisses zur Erreichung eines Strebenszieles nicht bloß geeignet, sondern auch notwendig, gefordert ist, das ist uns wert, das ist für uns und alle Gleichgerichteten ein Wert. Werten kann also nur ein zielstrebiges Wesen, und die Grundrichtung, die es überhaupt oder jeweils verfolgt, sein Grundwille und alles daraus folgende Streben ist gleichsam das „a priori“ aller Wertung. Erst und nur im bewußten oder unbewußten Hinblick auf einen Zweck ist etwas für uns wertvoll, als Mittel zu einem Zweck, das selbst in anderer Hinsicht ein Zweck sein kann, bis hinauf zum obersten Endzweck, der, als identisch mit dem Inhalt des reinen Grundwillens, an sich, „absolut“ wertvoll37 ist; die Relativität und Subjektivität der Einzelwerte, deren Abhängigkeit von verschiedenen Verhältnissen, von der Art der psycho-physischen Organisation, vom Milieu, von historischen und sozialen Bedingungen schließt keineswegs das Bestehen objektiver, intersubjektiver, relativ konstanter Werte und die Absolutheit der obersten Grundwerte der Menschheit für den menschlichen bzw. ideal-menschlichen Grundwillen aus, ein Umstand, der für die Ethik und Sozialphilosophie von höchster Bedeutung ist und der vor allem die Versöhnung zwischen Historismus und Apriorismus ermöglicht, sofern man nur mitten im Geschichtlichen, im menschlichen Entwicklungsprozeß das Apriorische, die in Form von Ideen und Idealen gegebenen, vom Gesamtwillen gesetzten und anerkannten Grundwerte zu finden und die Geschichte als eine, freilich nicht geradlinige und rein rationelle Annäherung an die Verwirklichung und Objektivierung dieser Wertideale zu erkennen weiß38.
Eine Art Wertung liegt schon in den Gefühlen der Lust und der Unlust vor, welche zweifellos eine teleologische Bedeutung besitzen, die man nur richtig auffassen muß. Denn es ist zu berücksichtigen, daß etwas für bestimmte Partien oder auch für den Gesamtorganismus direkt oder indirekt unzweckmäßig sein kann, was relativ für bestimmte Partien und Funktionen, also im Hinblick auf besondere Tendenzen der Psyche als zweckmäßig empfunden wird und Lust bereitet. Dies festhaltend, kann man ruhig behaupten, daß das Gefühlsleben ebenfalls die Finalität des Subjekts zum Ausdruck bringt, daß lustvolle Gefühle Zeichen, Symptome für Bedürfnisbefriedigungen sind, d. h. für Zustände, die der Psyche in irgendeiner Beziehung und Weise genehm, die für sie irgendwie zweckmäßig sind, während Unlust in der Regel auf das Gegenteil hinweist. Die scheinbare Durchbrechung der Regel erklärt sich eben aus dem Bestehen verschiedener Tendenzen der Psyche und aus dem Konflikte, in welchen dieselben unter Umständen miteinander geraten können. Ferner kann die Erfahrung und Verstandeserwägung das Bewußtsein der üblen Folgen an sich lustvoller Erlebnisse und Handlungen als Gegengewicht gegen diese ins Treffen führen und dies zeigt, daß eben eine Entwicklung des Wertens wie eine solche der seelischen Fähigkeiten überhaupt besteht; wo die Wertvoraussetzungen anders sich gestalten, muß natürlich auch, ungeachtet der Zähigkeit mancher organisch gewordener Wertungen, die Wertung sich modifizieren. Ist doch die Zweckmäßigkeit, auf die das Werten sich bezieht, überhaupt nichts Festes, Starres, sondern ein Werdendes, ein Produkt der Entwicklung. Je nach dem erreichten Entwicklungszustande nimmt das erlebende Subjekt in verschiedener Weise Stellung zu seinen Erlebnissen, wertet es diese, bzw. deren Inhalt verschieden. Stets kommt aber in der Wertung die Natur und Gesetzlichkeit des Subjekts, des einzelnen wie der Subjektivität schlechthin zum Ausdruck, und diese Gesetzlichkeit ist im Kerne finaler Art39.