Kitabı oku: «Kullmann auf der Jagd», sayfa 2

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Steiners Gesicht verzog sich zu einer todernsten Miene und antwortete: »Oh ja!«

Erschrocken wich sie zurück.

Steiner fügte an: »Das ist ein Kampfschleckhund. Jeder, der ihn streichelt, bekommt es unweigerlich mit seiner langen, nassen Zunge zu tun.«

Erleichtert lachte Esther , setzte sich in die Hocke und streichelte Moritz über das samtweiche Fell. Einige Sekunden verstrichen, bis der Hund tatsächlich genau das tat, was Steiner angekündigt hatte. Er begann ihre Hand abzulecken.

»Ist der süß«, jubelte sie. »Wir nehmen ihn mit. So einen treuen Kerl kann man nicht allein zurücklassen.«

»Okay, bringt ihn mit! Aber macht euch auf den Weg. Ich will hier keine Wurzeln schlagen«, stimmte Schnur zu.

»Das heißt ja, dass du ihn wieder laufen lässt?«, ertönte die Stimme von Rolf West.

»Du warst ja schon immer schnell mit deinem Mundwerk, aber langsam mit dem Hirn. Wie ich sehe, hat sich im Laufe der Jahre nicht viel daran geändert«, gab Schnur dem hitzköpfigen Mann zu verstehen.

Erstaunt schauten alle Kollegen auf Jürgen Schnur, die ihn so zynisch gar nicht kannten. Aber Schnur ließ sich nicht beirren. »Sieh zu, dass der Rehkadaver in die Wildkammer gebracht wird! Das ist das Einzige, was du im Augenblick richtig machen kannst.«

Sogar Rolf West war durch diesen Ton so erschrocken, dass er nur noch ein Nicken zustande brachte. Er suchte nach Micky, um mit ihm zum Polizeifahrzeug zu gehen. Der Junge versteckte sich immer noch hinter Steiner.

Das veranlasste Steiner, sich zu Micky umzudrehen und einige Worte mit ihm zu sprechen. Das Lächeln verschwand aus dem rundlichen Gesicht und wich einer trotzigen Miene. Aber er widersprach Steiner nicht und folgte widerstrebend seinem Vater.

Nach und nach entfernten sich die Fahrzeuge vom Tatort. Zurück blieben nur noch wenige Beamte, die den Tatort mit Absperrband absicherten.

Esther begleitete Steiner nach Hause. Sie saß auf dem Beifahrersitz, ein Polizeibeamter vom Polizeibezirk Saarlouis hatte das Steuer übernommen. Ständig fiel ihr Blick in den Rückspiegel, um Steiner zu beobachten. Sein Hund lag auf seinem Schoß, sein Gesicht wirkte entspannt, während er das braun-weiß gefleckte Fell streichelte.

Der Fahrer des Wagens folgte Steiners Wegbeschreibung, bis er ein gusseisernes Tor passierte und an einem gut gepflegten Rasen vorbei auf ein Gebäude im Stil des Klassizismus zurollte. Die geraden Formen bestachen durch die hohen Sprossenfenster, dekoriert von dunklen Klappläden auf der hellen Fassade. Vollendet wurde das Gesamtbild durch das Mansardendach aus schwarzem Schiefer. Ein kleines Haus in neuzeitlicher Bauweise und ein flaches Gebäude flankierten das Herrenhaus, eingeschlossen von üppigen bunten Blättern wilden Weins. In der Mitte des Hofes prangten ein moderner Pavillon und ein rustikales Brunnenhaus. Dunkelrote Rosen, weiße Margeriten und gelbe Dahlien stachen von dem saftigen grünen Rasen ab, eine kleine Oase zwischen Sandsteinwänden, wo der Berg für dieses Fleckchen Erde abgetragen worden war. Der Anblick verschlug ihnen den Atem.

Als Steiner die erstaunten Gesichter bemerkte, erklärte er: »Durch meinen Arbeitsvertrag mit Monsieur Villeroy habe ich hier nur Wohnrecht. Das Haus gehört mir nicht.«

»Aber allein dort zu wohnen muss doch schön sein«, überlegte Esther laut.

»Das dachte ich auch, als ich hierher zog – ein Vorzug meiner neuen Arbeit. Ein ruhiges Leben, fernab von allem.«

»Wovor flüchten Sie?«

Mit dieser Frage brachte die Kommissarin Steiner aus dem Konzept.

»Ich sollte Kleider zum Wechseln holen«, lenkte er ab.

Sie stiegen aus. Wieder ließ Esther ihren Blick über das Haus wandern. Doch zu ihrem Erstaunen steuerte Steiner nicht das Schmuckstück des Hofes an, sondern die zum Wohnhaus umgebaute Remise. Zwischen den Blättern des wilden Weins war die Eingangstür nur zu vermuten.

Sie betraten eine große Diele mit Parkettboden. Eine Glastür trennte den Eingangsbereich vom Wohnbereich ab. Von allen Seiten fiel Tageslicht herein. Steiner ging voraus. Aus einem der Räume strömte Kaffeeduft, dem Esther Weis am liebsten gefolgt wäre. Steiner ging mit Esther Weis durch ein gemütliches Kaminzimmer und steuerte einen Raum an, der eindeutig sein Schlafzimmer war. Dort zog er Kleidungsstücke aus dem Schrank, eilte ins Nachbarzimmer, wo er Vorräte für seinen Hund einpackte. Moritz verhielt sich still und gehorsam. Esther Weis entwickelte in der kurzen Zeit eine große Freude an dem Tier und streichelte bei jeder Gelegenheit über sein Fell, was Moritz sich gern gefallen ließ.

Kapitel 2

Im Flur der Kriminalpolizeiinspektion stellten sie fest, wie still es dort war.

»Wo sind die Kollegen?«, fragte Esther ihren Vorgesetzen.

»Anke ist krank«, kam es mürrisch zur Antwort.

»Was hat sie denn?«

»Windpocken!« Schnurs Tonfall ließ keinen Zweifel an seinem Frust. »Wenn man ein Kind hat, das in den Kindergarten geht, kommt so etwas leider vor. Und wir haben das Nachsehen.«

»Da fehlen aber noch ein paar«, erinnerte Esther Weis. »Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die neue Staatsanwältin vorstellen will, ist keiner da.«

»Erik Tenes ist auf dem Weg hierher. Er wird zusammen mit ein paar Beamten der Polizeidienststelle Saarlouis morgen früh die Suche auf dem Limberg fortsetzen.«

»Nach was suchen wir denn?«, fragte Esther.

»Nach einem Projektil oder nach einem angeschossenen Wild – was weiß ich, was sie dort finden werden«, brummte Schnur. »Nach Steiners Angaben ist dort ein Schuss mit Treffer gefallen – dem müssen wir nachgehen …«

Steiner stand mit Moritz an der Leine im Flur und wartete geduldig.

»Wer übernimmt Harald Steiner?«, stellte Esther die Frage, die sie noch viel mehr beschäftigte.

»Er muss seine Kleider für den Erkennungsdienst abgeben, was mir ungelegen kommt«, gab Schnur mürrisch zu verstehen. »Du weißt, dass ich einen Termin mit der neuen Staatsanwältin habe. So glänze ich schon bei unserer ersten Begegnung mit Verspätung. Na toll!«

»Ich würde dir Steiner abnehmen, aber ich glaube nicht, dass er damit einverstanden wäre.«

Steiner hatte das Gespräch mitgehört. Er trat auf Esther zu und meinte: »Warum sollte ich nicht damit einverstanden sein, mich vor Ihnen zu entkleiden? Sie sind mir bedeutend lieber als Jürgen Schnur, der alte Diener.«

Er folgte Esther in einen kahlen und unpersönlichen Raum.

»Hier?«

Esther zuckte mit den Schultern. Ihre Verlegenheit war größer als Steiners, was sie selbst überraschte.

»Sie wissen, dass ich Sie im Auge behalten muss, für den Fall …«

»Das ist mir sogar recht«, kam es zurück. »Ich will schließlich nicht, dass Sie nachher für einen Fehler haftbar gemacht werden.«

»Danke. Sie machen es mir leicht.«

Er schaute sie lange an. Sie hielt seinem Blick stand. Seine dunkelbraunen Augen wirkten klug und undurchdringlich. Sein Kopf glänzte kahl, bis auf wenige graue Stoppeln, die einen Kranz am Hinterkopf bildeten. Seine Gesichtszüge waren markant, seine Falten tief, was draufgängerisch an ihm wirkte. Nicht das kleinste Anzeichen von Unsicherheit erkannte sie an ihm, während er begann, sich seiner Kleider zu entledigen.

Nach und nach legte er die Stücke auf den Tisch, bis er völlig nackt vor ihr stand.

Sein Oberkörper war muskulös, seine Schultern breit. Er hatte einen Waschbrettbauch, wie Esther es nur von Reklameschildern kannte, und kräftige Oberschenkel. Obwohl sie wusste, dass es unhöflich war, ihn anzustarren, gelang es ihr nicht, ihren Blick abzuwenden.

»Darf ich mich wieder anziehen?«

Mit dieser Frage brachte er sie aus dem Konzept. Verwirrt nickte sie, stammelte ein »Natürlich« und merkte, wie sie augenblicklich rot im Gesicht wurde. Steiner dagegen war die Selbstsicherheit in Person.

Innerlich ärgerte sich Esther über ihr Verhalten. Hastig packte sie die Kleidungsstücke in eine Tüte und wollte das Zimmer verlassen, als ihr eine Frage einfiel: »Wer ist Bernd Schumacher?«

Anstatt zu antworteten, stellte ihr Steiner eine Gegenfrage: »Seit wann arbeiten Sie hier im Polizeidienst?«

»Seit sieben Jahren.«

»Dann wissen Sie natürlich nicht, wer Bernd Schumacher ist«, folgerte Steiner. Er zögerte eine Weile, bis er endlich weiter sprach: »Ich war bis vor fünfzehn Jahren Einsatzleiter des Sondereinsatzkommandos des Saarlandes. Mein letzter Einsatz galt Bernd Schumacher. Der Einsatz scheiterte, weshalb ich meinen Rücktritt erklärte.«

An diesen Worten erkannte Esther, dass der Fall interessant zu werden versprach. Steiner tat nichts, um den Verdacht von sich abzulenken, dabei drückten seine eigenen Worte schon ein Motiv aus, Bernd Schumacher zu töten.

Leise schloss sie die Tür hinter sich.

Ein paar Türen weiter breitete sich Aufregung im Büro aus. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: »Gleich kommt die neue Staatsanwältin.«

Erwartungsvoll lauschten sie den Schritten auf dem Flur, die immer näher kamen.

Dieter Forseti zupfte nervös an seiner Krawatte. Nach seinem Sprung vom Hauptkommissar zum Ersten Hauptkommissar war seine Karriere nicht mehr zu stoppen. Kurt Wollnys vorzeitiger Abschied in den Ruhestand hatte ihn unverhofft schnell zum Kriminalrat befördert. Hier stand er nun vor seinem ersten offiziellen Auftreten als Amtsleiter.

Die Tür ging auf.

Vor ihnen stand eine große, schlanke Frau mit roten Haaren, die in wilden Locken ihr schmales Gesicht umrahmten. Sie trug einen grünen, figurbetonten Hosenanzug, dazu Goldschmuck an Hals und Ohren. Überrascht und belustigt zugleich blickte sie in die Runde, bevor sie mit einer angenehm tiefen Stimme sprach: »Ein Begrüßungskomitee hatte ich nicht erwartet.«

Alle waren gefesselt von ihrem Anblick. Ihr Gesicht war blass und ungeschminkt. Hohe Wangenknochen und die lange, gerade Nase wirkten aristokratisch.

Es war Forseti, der sich wie immer am besten im Griff hatte. Er trat auf sie zu mit den Worten: »Ich bin Kriminalrat Forseti.«

»Ich bin Staatsanwältin Ann-Kathrin Reichert.« Sie reichte ihm ihre Hand.

Schnur gesellte sich dazu. »Jürgen Schnur. Dienststellenleiter. Ich freue mich, Sie als Nachfolgerin von Emil Foster begrüßen zu können.«

»Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit«, antwortete die Staatsanwältin mit ihrer auffallend dunklen Stimme.

»Da habe ich keine Bedenken«, gab Jürgen Schnur galant zurück.

Forseti übernahm den nächsten Teil der Empfangszeremonie. Er stellte alle Mitarbeiter vor. Ann-Kathrin Reichert begrüßte jeden mit Handschlag.

»Zum Einstand laden wir Sie zu einer Besprechung ein«, kam Schnur sofort zum Thema. »Leider müssen wir Sie gleich mit einer unangenehmen Angelegenheit überfallen und haben zu unserer Verteidigung noch wenig vorzubringen. Wir stehen ganz am Anfang.«

Ann-Kathrin Reichert lachte. Amüsiert schaute sie sich Schnur genauer an, bevor sie sagte: »Sie halten es nicht für möglich: Aber zum Arbeiten bin ich hier – nicht zum Vergnügen.«

Leises Gelächter ertönte.

Es war Forseti, der alle in Staunen versetzte. »Sicherlich! Aber ein wenig Vergnügen während der Arbeit hat noch keinem geschadet.«

War das der Forseti, den sie kannten?

Höflich zeigte er der Staatsanwältin den Weg zum Besprechungsraum. Gläser und Getränke standen bereit. Alles war bestens vorbereitet.

Die Staatsanwältin setzte sich neben Jürgen Schnur, der ihr den Stuhl hervorzog, um ihr Platz anzubieten.

Nach seinem kurzen Bericht forderte Schnur seinen Mitarbeiter Erik Tenes auf, das Ergebnis der Suche auf dem Limberg zu schildern. Es wurde weder ein angeschossenes Tier noch ein angeschossener Mensch dort gefunden.

Steiners Aussage, einen Schuss auf dem Berg gehört zu haben, stand somit in Frage.

Kapitel 3

Die Zeit, die Steiner mit seinem Hund allein in dem kargen Raum saß, nutzte er, um nachzudenken. Der Einsatz vor fünfzehn Jahren hatte sein Leben entscheidend verändert. Lange hatte er sich eingeredet, dass er so besser dran war. Aber wenn er ehrlich blieb, hatte er sein Ziel verfehlt. Der Gang in das neue Gebäude der Kriminalpolizeiinspektion hatte ihm verdeutlicht, dass es ein notgedrungener Schritt gewesen war und keine freiwillige Entscheidung. Er arbeitete Tag und Nacht allein im Wald, erstellte Abschusspläne für das Wild, das in einem Jahr geschossen werden durfte, organisierte den Holzeinschlag für den Herbst, damit der Baum­bestand des Waldes im Gleichgewicht blieb. Nichts davon entsprach seiner ursprünglichen Berufung, Menschen in Notsituationen zu helfen. Seine einzigen menschlichen Kontakte galten dem Kampf gegen die Wilderer, die seine Arbeit in Frage stellten, den Komplikationen mit den Leuten aus dem Dorf, deren Ziel es war, ihn um seinen Arbeitsplatz zu bringen, und einem Jungen mit Down-Syndrom. Die meisten Gespräche beschränkten sich auf die Monologe mit seinem Hund Moritz.

Er schaute hinab auf den Münsterländer. Sogar der Hund war ein Erinnerungsstück an den gescheiterten Einsatz. Damit hatte er so etwas wie eine Wiedergutmachung bezweckt, wobei er sich immer noch nicht sicher war für wen: für den Hund oder sich selbst?

»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.« Mit diesen Worten stürmte Schnur in das Vernehmungszimmer.

Moritz setzte sich wachsam auf und behielt Schnur genau im Auge.

»Nicht schlimm.« Steiner lächelte schwach. »Ich habe die Zeit genutzt, um nachzudenken.«

»Was kam dabei heraus?«

»Dass die Vergangenheit mich wieder eingeholt hat.«

»Stimmt. Du befindest dich in einer äußerst unglücklichen Situation«, gab Schnur zu bedenken. »Bernd Schumacher hat dir vor fünfzehn Jahren schon einmal geschadet.«

»Und deshalb begebe ich mich auf das Niveau eines Verbrechers?«

Jürgen Schnur ging nicht auf die Bemerkung ein. »Wie wir inzwischen vom Gefängnis Lerchesflur erfahren haben, sprach er über die ganzen Jahre hinweg immer nur von Bezahlen. Was meinte er damit?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Du warst doch regelmäßig auf dem Lerchesflur.«

Steiner bewegte sich unruhig hin und her. »Aber nicht bei Bernd Schumacher.«

»Das wissen wir auch. Die Angestellte der Gefängnisverwaltung war sehr gesprächig. Einen guten Geschmack hast du«, reagierte Schnur süffisant.

Steiner fühlte sich unbehaglich. Er wusste, dass sein Privatleben nicht mehr existierte, wenn er der einzige Verdächtige in diesem Fall bleiben würde. Er bekam jetzt schon einen Vorgeschmack auf die Scham, die dann auf ihn zukam.

»Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass du dort etwas über ihn in Erfahrung gebracht hast – ob gewollt oder ungewollt.«

Steiner rieb sich über die Glatze, sagte aber nichts.

»Du weißt doch selbst aus deinen Erfahrungen als Polizeibeamter, wie so etwas für einen Verdächtigen aussieht«, hakte Schnur nach.

»Ja! Das ist das Ärgerliche. Ich wusste nichts von Bernd Schumachers Plänen. Damals bin ich nach Wallerfangen gegangen, weil ich dachte, dort bin ich weit weg und komme nie mehr mit diesem Fall in Berührung.«

»Die Absicht ist aber sehr undurchsichtig.«

»Warum?« Steiner horchte auf.

Eine Weile schwiegen sich beide an, bis Schnur endlich die Bombe platzen ließ: »Bernd Schumacher ist in Wallerfangen geboren und aufgewachsen.«

Steiner starrte Schnur fassungslos an.

»Warum kehrt er ausgerechnet in das Dorf zurück, wo der Mann arbeitet, der ihn vor Jahren ins Gefängnis gebracht hat?«

»Heimattreue?«, rätselte Steiner ironisch.

Jürgen Schnur schaute Steiner eindringlich an, bis dieser sich auf seinem Platz wand wie ein Aal. »Wallerfangen ist nicht gerade der Nabel der Welt. Du lebst und arbeitest in diesem Dorf, ohne auch nur das Geringste mitzubekommen. Wie geht das?«

»Ich kam als Fremder und bin die ganzen fünfzehn Jahre ein Fremder geblieben«, gestand Steiner.

»Und wie bist du an den Job gekommen, auf den auch Einheimische scharf waren?

»Otto Siebert hat mir die Arbeitsstelle vermittelt.«

»Natürlich! Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Alle Eltern, deren Kinder einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind, rennen mir heute noch die Türen ein, um sich bei mir zu bedanken«, kam es ironisch von Schnur zurück.

»Otto Sieberts Kind hat die Entführung überlebt.«

»Aber wie?«

»Was soll das heißen?«

»Das Kind ist psychisch krank.«

»Aber es lebt«, konterte Steiner. »Heute machen viele Menschen Psychotherapien. Sogar solche, die nicht entführt wurden.«

»Trotzdem staune ich über die Hilfsbereitschaft von Otto Siebert.«

»Er war damals Staatssekretär im Innenministerium und für die Polizeiangelegenheiten zuständig. Also war er über den Einsatz und meinen Rücktritt bestens informiert.«

»Willst du mir jetzt den Geschäftsverteilungsplan des Innenministeriums aus dem Jahr 1991 erklären?«

»Nein!«

»Dann rede endlich Klartext!« Schnur wurde ungehalten. »Zufällig weiß ich, wem der Limberg gehört – nämlich der Familie Villeroy. Damals, bevor ich Wallerfangen verlassen hatte, hieß deren Verwalter Ernst Barbian. Ob er heute noch in seinem Amt ist, weiß ich nicht …«

»Er ist«, unterbrach Steiner. »Er traf letztendlich die Entscheidung, wer den Posten des Revierförsters auf dem Limberg bekommt.«

»Welche Rolle spielte Otto Siebert dabei?«

»Ihm gehört das Nachbarrevier Hessmühle.«

»Weiß ich.«

»Otto Siebert hatte ständig Ärger mit Eduard Zimmer. Mein Vorgänger hatte das Wild der Hessmühle auf den Limberg treiben lassen, um es dort zu schießen. Otto Siebert wollte nach Zimmers Tod einen Jäger auf dem Posten haben, der mit waidgerechten Methoden arbeitet. Deshalb gab er bei Ernst Barbian einen guten Leumund für mich ab.«

»Und Ernst Barbian macht, was Otto Siebert verlangt?« Schnur schaute ungläubig drein. »Gibt es etwas, womit sich Barbian erpressbar gemacht hat?«

»Keine Ahnung«, wehrte Steiner ab. »Wenn ja, will ich nichts damit zu tun haben. Ich habe schon Ärger genug. In diesem Nest gibt es viele bornierte Unheilstifter, die nichts Besseres zu tun haben, als mich in Miss­kredit zu bringen.«

»Ich stamme auch aus Wallerfangen – falls du es vergessen hast. Sei mit deiner Wortwahl vorsichtiger«, riet Schnur.

»Wie ich oben auf dem Berg mitbekommen habe, kennst du Rolf West, den ewigen Choleriker«, überging Steiner die Warnung.

Schnur nickte.

»Er hatte sich gute Chancen ausgerechnet, diese Stelle zu bekommen, weil er mit dem Verwalter verwandt ist.«

»Leider hat ihm die Verwandtschaft nichts genützt – deine Beziehungen waren besser.« Schnur feixte.

»Dass ich plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht bin, traf ihn wie ein Schlag. Er blieb arbeitslos – was er heute noch ist.«

»Willst du damit den Verdacht auf Subito-Rolf lenken?«

»Den halte ich mit seinem hitzigen Gemüt durchaus für eine solche Tat fähig« antwortete Steiner. »Als Polizist habe ich meinen Eid auf die saarländische Verfassung abgelegt. Daran halte ich mich heute noch.«

»Auch das soll ich dir jetzt glauben? Meine Güte, seit ich diesen Fall bearbeite, muss ich ganz urplötzlich zu einem glaubensstarken Menschen mutieren.«

»Hör auf, so mit mir zu reden«, wurde Steiner plötzlich laut. »Du kennst mich schon seit wir beide bei der Polizei angefangen haben und weißt genau, dass du mir vertrauen kannst.«

»Wirklich?« Schnurs Miene blieb ausdruckslos.

»Was soll das jetzt?« Steiner reagierte gereizt.

»Warum ließ sich Odysseus mit verbundenen Augen und Ohren an den Mast fesseln, als er an den Sirenen vorbeifuhr?«

Ohne zu überlegen antwortete Steiner: »Weil er sich selbst nicht traute.«

»Gut erkannt«, nickte Schnur.

Steiner merkte zu spät, was seine Antwort für ihn bedeutete.

Moritz spürte die Anspannung und begann leise zu knurren.

»Moritz! Aus!«, befahl Steiner. Der Hund gehorchte sofort.

»Was soll das, den Hund Moritz zu nennen?«, reagierte Schnur auf den kleinen Zwischenfall. »Für einen Menschen, der seine Vergangenheit weit hinter sich lassen will, tust du merkwürdige Dinge.«

Steiners Gesichtszüge wurden hart, als er grollte: »Was wird das hier? Willst du mit deiner Beförderung gleichzeitig einen Weltrekord im Aufklären von Fällen aufstellen?« Er schnappte kurz nach Luft und fügte in einem Tonfall an, als würde er einen Sensationsbericht abgeben: »Schon nach einer Stunde Fall gelöst, Jürgen Schnurs Karriereleiter nicht mehr zu stoppen!«

»Hieß nicht das entführte Kind Moritz?« Mit dieser Frage überging er Steiners affektierte Kundgebung.

»Ja.« Steiners Tonfall wurde wieder normal. »Aber nicht nur das Kind, wie du wohl weißt.«

Schnur lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte seine Arme vor seinem Bauch und wartete.

»Da war außerdem der Hund namens Moritz«, sprach Steiner weiter.

»Richtig! Durch das unverhoffte Auftauchen dieses Hundes wurde dein Einsatz in den Sand gesetzt«, stimmte Schnur zu. »Und was willst du damit bezwecken, deinen Hund Moritz zu nennen. Ist das eine Art der Selbst­bezichtigung, weil du damals den Tod einer unschuldigen Frau verschuldet hast?«

Die Luft war zum Zerreißen gespannt.

Es dauerte lange, bis Steiner endlich antwortete: »Mein Moritz ist der Hund von damals.«

Nun war es an Schnur zu staunen. Er stand auf, ging um den Tisch herum und schaute sich das Tier näher an.

»Dann muss er schon fünfzehn Jahre alt sein?«

»Rechnen kannst du.«

Beide blickten auf den braun-weißen Hund, der abwechselnd von Schnur zu Steiner schaute.

»Was hätte ich damals tun sollen? Auch noch das arme Tier ins Tierheim bringen? Das habe ich einfach nicht übers Herz gebracht. Es war schon genug passiert.«

»Du hast den Fall nicht vergessen können«, erkannte Schnur. »Im Gegenteil, du siehst ihn vor dir, als wäre alles erst gestern passiert.«

Steiner sagte nichts dazu.

»Und dann willst du mir weismachen, dass ausgerechnet du Bernd Schumacher, dem Entführer, keinerlei Beachtung mehr geschenkt hast. Er war der Auslöser für alles.«

»Sieh es, wie du willst. Ich habe den Hund mitgenommen und als Jagdhund ausgebildet. So konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«

»Aber der Hund erinnert dich doch täglich daran.«

»Nein. Der Hund ist das Beste, was mir passieren konnte. Er hat mich nicht herunterzogen, sondern aufgebaut. Hast du ein Haustier?«

Schnur schüttelte den Kopf und meinte: »Ich habe eine Frau und zwei Kinder. Das reicht.«

»Ich hatte auch einmal Frau und Kind. Beide habe ich nach dem Einsatz verloren. Was mir geblieben ist, ist der Hund.«

Schnur legte seine angriffslustige Haltung ab, weil er erkannte, dass er auf einen wunden Punkt bei Steiner gestoßen war. Keinem auf der Polizei­dienststelle war damals entgangen, wie dieser Einsatz Steiners Leben verändert hatte. Es gab niemanden, den es kalt gelassen hätte.

»Okay«, lenkte Schnur nach einer kurzen Bedenkzeit ein. »Du hältst dich zur Verfügung.«

Steiner nickte, erhob sich von seinem Platz und steuerte auf den Ausgang zu. Moritz folgte ihm aufgeregt hechelnd, ein Zeichen dafür, dass er froh war, endlich dort raus zu kommen.

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