Kitabı oku: «Das Geheimnis von East Lynne», sayfa 2

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Kapitel 2 Das zerbrochene Kreuz

Lady Isabels Kutsche setzte ihren Weg fort und brachte sie zum Wohnsitz von Mrs. Levison. Die Dame war fast achtzig Jahre alt und in Sprache und Betragen sehr ernst oder, wie Mrs. Vane es ausdrückte, „griesgrämig“. Als Isabel eintrat, sah Mrs. Levison aus wie der Inbegriff der Ungeduld: Ihre Haube war schief aufgesetzt, und sie nestelte an ihrem schwarzen Satinkleid. Mrs. Vane hatte sie beim Abendessen warten lassen, und Isabel hielt sie vom Tee ab; so etwas verträgt sich nicht mit den Alten, mit ihrer Gesundheit oder ihrer Laune.

„Ich fürchte, ich komme spät“ rief Lady Isabel aus, während sie auf Mrs. Levison zuging, „aber heute hat ein Gentleman mit Papa zu Abend gegessen und uns etwas länger am Tisch festgehalten.“

„Du bist fünfundzwanzig Minuten über die Zeit“, rief die alte Dame streng, „und ich will meinen Tee. Emma, bestelle ihn.“

Mrs. Vane läutete und tat, wie man sie geheißen hatte. Sie war eine kleine Frau von sechsundzwanzig Jahren mit sehr schlichtem Gesicht, aber elegant in ihrer Erscheinung, sehr verfeinert und eitel bis in die Fingerspitzen. Ihre verstorbene Mutter war Mrs. Levisons Tochter gewesen, und ihr Ehemann Raimond Vane war der mutmaßliche Erbe des Adelsgeschlechts von Mount Severn.

„Möchtest du nicht diese Pelerine ablegen, Kind?“, fragte Mrs. Levison; von den neumodischen Namen für solche Kleidungsstücke – Mäntel, Burnusse und dergleichen – verstand sie nichts; Isabel warf den Mantel ab und setzte sich neben sie.

„Der Tee ist noch nicht zubereitet, Großmutter!“, rief Mrs. Vane in erstauntem Tonfall, als die Dienerin mit dem Tablett und der Silberkanne erschien. „Du willst ihn doch sicher nicht im Zimmer zubereiten lassen.“

„Wo soll ich ihn denn sonst zubereiten lassen?“, erkundigte sich Mrs. Levison.

„Es ist doch viel bequemer, ihn fertig hereinbringen zu lassen“, sagte Mrs. Vane. „Es ist so embarrassée, ihn zuzubereiten.“

„Ach, wirklich!“, war die Antwort der alten Dame; „und dann schwappt er in den Untertassen über und ist kalt wie Milch! Du warst immer faul, Emma – und du neigst dazu, diese französischen Wörter zu verwenden. Ich für mein Teil würde mir ein gedrucktes Etikett ‚Ich spreche Französisch‘ auf die Stirn kleben und es so die ganze Welt wissen lassen.“

„Wer macht dir im Allgemeinen den Tee?“, fragte Mrs. Vane und warf Isabel hinter dem Rücken ihrer Großmutter einen verächtlichen Blick zu.

Aber Lady Isabel senkte furchtsam die Augen, und auf ihren Wangen erschien ein leuchtendes Rosa. Sie mochte es nicht, wenn es aussah, als würde sie sich von Mrs. Vane, ihrer Aufsichtsperson und dem Gast ihres Vaters, unterscheiden, aber ihr Inneres lehnte sich gegen den Gedanken auf, gegenüber einem betagten Familienmitglied Undankbarkeit oder Spott zu zeigen.

„Harriet kommt und bereitet ihn für mich zu“, erwiderte Mrs. Levison. „Ja, und sie setzt sich auch zu mir und trinkt ihn mit mir, wenn ich allein bin, was recht oft vorkommt. Was sagen Sie dazu, Madame Emma – Sie, mit Ihren feinen Vorstellungen?“

„Wie es dir beliebt, natürlich, Großmutter.“

„Und da steht der Teewagen neben deinem Ellenbogen, und die Kanne dampft, und wenn wir heute Abend noch Tee trinken wollen, sollte man ihn besser zubereiten.“

„Ich weiß nicht, wie viel ich hineingeben soll“, murrte Mrs. Vane. Sie hatte die größte Abscheu davor, ihre Hände oder die Handschuhe zu beschmutzen; kurz gesagt, hegte sie eine ganz besondere Abneigung dagegen, irgendetwas Nützliches zu tun.

„Soll ich ihn zubereiten, liebe Mrs. Levison?“, fragte Isabel und erhob sich voller Eifer. „Früher habe ich den Tee ebenso oft gemacht wie meine Gouvernante in Mount Severn, und ich mache ihn auch für Papa.“

„Tuʼ das, Kind“, erwiderte die alte Dame. „Du bist so viel wert wie zehn von der da.“

Isabel lachte vergnügt, legte die Handschuhe ab und setzte sich an den Tisch; in diesem Augenblick schlenderte ein junger, eleganter Mann ins Zimmer. Mit seinen scharf geschnittenen Gesichtszügen, den dunklen Augen, den rabenschwarzen Haaren und den weißen Zähnen musste man ihn als gut aussehend bezeichnen; für den aufmerksamen Beobachter hatten diese Eigenschaften allerdings keinen anziehenden Ausdruck, und die dunklen Augen hatten die starke Eigenart, wegzusehen, wenn er mit jemandem sprach. Es war Francis, Captain Levison.

Er war ein Enkel der alten Dame und Cousin ersten Grades von Mrs. Vane. Die wenigsten Männer waren in ihrem Betragen zu allen Zeiten und Gelegenheiten in Gesicht und Gestalt so faszinierend, die wenigsten gewannen so vollständig in den Ohren ihrer Zuhörer, und die wenigsten waren in ihrenm tiefsten Inneren so herzlos. Die Welt lag ihm zu Füßen, die Gesellschaft ehrte ihn; aber obwohl er ein rücksichtsloser Verschwender war – und dass er es war, wusste man –, würde er vermutlich zum Erben des reichen, alten Sir Peter Levison werden.

Die betagte Dame ergriff das Wort: „Captain Levison, Lady Isabel Vane.“ Beide nahmen die Vorstellung zur Kenntnis; und Isabel, die in den Angelegenheiten der großen Welt noch ein Kind war, wurde dunkelrot unter den bewundernden Blicken, die der junge Gardist ihr zuwarf. Seltsam – seltsam, dass sie die Bekanntschaft dieser beiden Männer am gleichen Tag machte, ja fast zur gleichen Stunde; der beiden, die unter allen Angehörigen des Menschengeschlechts den größten Einfluss auf ihr zukünftiges Leben haben sollten!

„Das ist ein hübsches Kreuz, mein Kind“, rief Mrs. Levison, als Isabel neben ihr stand, nachdem die Teestunde vorüber war und sie im Begriff stand, nach dem abendlichen Besuch mit Mrs. Vane abzufahren.

Damit meinte sie ein goldenes Kreuz mit sieben eingelegten Smaragden, das Isabel um den Hals trug. Es war von leichter, zarter Machart und hing an einer dünnen, kurzen Goldkette.

„Ist es nicht hübsch?“, erwiderte Isabel. „Meine liebe Mama hat es mir geschenkt, kurz bevor sie gestorben ist. Warten Sie, ich nehme es für Sie ab. Ich trage es nur bei besonderen Gelegenheiten.“

Und dies hier, ihr erster Auftritt bei der Großherzogin, schien dem einfach erzogenen, unerfahrenen Mädchen eine ganz besondere Gelegenheit zu sein. Sie öffnete den Verschluss der Kette und legte sie mit dem Kreuz in Mrs. Levisons Hände.

„Nun, ich stelle fest, du trägst keinen Schmuck außer diesem Kreuz und ein paar armseligen Perlenarmbändern!“, sagte Mrs. Vane zu Isabel. „Ich hatte dich noch gar nicht genau angesehen.“

„Beides hat mir Mama geschenkt. Die Armbänder hat sie selbst oft getragen.“

„Du altmodisches Kind! Dass deine Mama dieser Armbänder vor Jahren getragen hat – ist das ein Grund, dass auch du sie trägst?“, gab Mrs. Vane zurück. „Warum legst du nicht deine Diamanten an?“

„Ich … hatte … meine Diamanten angelegt. Aber ich … habe sie wieder ausgezogen“, stammelte Isabel.

„Warum um alles in der Welt?“

„Ich wollte nicht zu fein aussehen“, antwortete Isabel mit einem Lachen und errötete. „Sie haben so geglitzert! Ich habe gefürchtet, man könnte denken, ich hätte sie nur angelegt, um fein auszusehen.“

„Aha! Du willst dich also offensichtlich in die Klasse von Menschen einordnen, die so tun, als würden sie Schmuck verabscheuen“, bemerkte Mrs. Vane. „Das ist die höchste Verfeinerung der Affektiertheit, Lady Isabel.“

Der Spott klang in Lady Isabels Ohren harmlos. Sie glaubte einfach, irgendetwas habe Mrs. Vane die Laune verdorben. Das stimmte sicher auch; und dieses Etwas war – auch wenn Isabel es kaum vermutet hätte – die offenkundige Bewunderung, die Captain Levison ihrer frischen, jungen Schönheit entgegenbrachte; sie nahm ihn ganz in Anspruch und machte ihn sogar nachlässig gegenüber Mrs. Vane.

„Hier, Kind, nimm dein Kreuz“, sagte die alte Dame. „Es ist sehr hübsch; an deinem Hals ist es hübscher als Diamanten es wären. Du brauchst keine Verschönerung; machʼ dir nichts daraus, was Emma sagt.“

Francis Levison nahm ihr das Kreuz mit der Kette aus der Hand und gab es an Lady Isabel weiter. Ob er ungeschickt war oder ob sie die Hände voll hatte – sie musste ihre Handschuhe und das Taschentuch festhalten, außerdem hatte sie gerade den Mantel abgelegt – jedenfalls fiel es zu Boden; und in seinem zu schnellen Versuch, es aufzufangen, gelang es dem Gentleman, mit dem Fuß darauf zu treten. Das Kreuz war entzweigebrochen.

„Da! Wer ist denn nun daran schuld?“, rief Mrs. Levison.

Isabel antwortete nicht; es ging ihr zu Herzen. Sie nahm das zerbrochene Kreuz, und die Tränen liefen ihr aus den Augen; sie konnte es nicht verhindern.

„Warum denn das! Du weinst doch wohl nicht über so ein lächerliches Kreuz!“, sagte Mrs. Vane und unterbrach damit Captain Levisons Ausdruck des Bedauerns über seine Ungeschicklichkeit.

„Du kannst es löten lassen, mein Liebes“, warf Mrs. Levison ein.

Lady Isabel schluckte die Tränen herunter und wandte sich mit fröhlichem Blick Captain Levison zu. „Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe“, sagte sie gutmütig; „es war ebenso gut meine Schuld wie Ihre; und wie Mrs. Levison schon sagte, kann ich es löten lassen.“

Während sie sprach, löste sie den oberen Teil des Kreuzes von der Kette und legte sich diese um den Hals.

„Du wirst doch nicht diese dünne Goldkette und sonst nichts umlegen!“, meinte Mrs. Vane.

„Warum nicht?“, gab Isabel zurück. „Wenn die Leute etwas sagen, kann ich ihnen erklären, dass mit dem Kreuz ein Missgeschick passiert ist.“

Mrs. Vane brach in spöttisches Gelächter aus. „Wenn die Leute etwas sagen!“, wiederholte sie in einem Tonfall, der zum Lachen passte. „Sie werden nicht ‚etwas sagen‘, sondern annehmen, dass die Tochter von Lord Mount Severn an einem unglückseligen Mangel an Schmuck leidet.“

Isabel lächelte und schüttelte den Kopf. „Im Salon haben sie meine Diamanten gesehen.“

„Wenn du mir etwas so Ungeschicktes angetan hättest, Frank Levison“, platzte die alte Dame heraus, „wären meine Türen dir einen Monat lang verschlossen geblieben. Emma, wenn du gehen willst, dann gehst du besser; ausgehen und den Abend um zehn Uhr in der Nacht beginnen! Zu meiner Zeit sind wir um sieben ausgegangen; aber heutzutage ist es Sitte, die Nacht zum Tag zu machen.“

„Damals, als George der Dritte um ein Uhr nachts gekochten Hammel und Rüben aß“, warf der schamlose Captain ein; er brachte seiner Großmutter sicher keine größere Verehrung entgegen als Mrs. Vane.

Während er sprach, wandte er sich zu Isabel, um sie die Treppe hinunter zu begleiten. So wurde sie zum zweiten Mal in dieser Nacht von einem Fremden zu ihrer Kutsche gebracht. Mrs. Vane ging allein hinunter, so gut sie konnte, und dabei besserte sich ihre Laune nicht.

„Gute Nacht“, sagte sie zu dem Captain.

„Ich werde nicht Gute Nacht sagen. Sie finden mich dort fast sobald Sie dort sind.“

„Sie haben mir gesagt, sie würden nicht kommen. Irgendeine Junggesellenfeier sei dazwischen gekommen.“

„Ja, aber ich habe es mir anders überlegt. Leben Sie einstweilen wohl, Lady Isabel.“

„Wie wirst du denn aussehen, mit nichts um den Hals außer einer Schulmädchenkette!“, setzte Mrs. Vane an und kehrte damit zu dem Missstand zurück, während sie mit der Kutsche davonfuhren.

„Ach, Mrs. Vane, was hat das zu bedeuten? Ich kann an nichts anderes denken als an mein zerbrochenes Kreuz. Das ist doch sicher ein schlechtes Omen.“

„Ein schlechtes – was?“

„Ein schlechtes Omen. Mama hat mir das Kreuz geschenkt, als sie im Sterben lag. Sie hat mir gesagt, es soll mein Glücksbringer sein, und ich soll es immer sorgfältig aufbewahren; und wenn ich Kummer hätte oder einen Rat bräuchte, solle ich es ansehen und mich daran zu erinnern versuchen, was sie mir geraten hätte, um dann entsprechend zu handeln. Und jetzt ist es zerbrochen – zerbrochen!“

Eine flackernde Gaslaterne warf einen Lichtblitz in die Kutsche und genau in Isabels Gesicht. „Ich stelle fest, du weinst schon wieder!“, sagte Mrs. Vane. „Eines sage ich dir, Isabel: Ich werde keine roten Augen zur Herzogin von Dartfort begleiten. Wenn du also nicht aufhören kannst, werde ich den Kutscher anweisen, dich nach Hause zu fahren, und dann allein hingehen.“

Isabel trocknete sich kleinlaut die Augen ab und seufzte dabei tief. „Ich glaube schon, dass man die Stücke wieder zusammensetzen kann, aber für mich wird es nie wieder dasselbe Kreuz sein.“

„Was hast du mit den Stücken gemacht?“, fragte Mrs. Vane gereizt.

„Ich habe sie in das Seidenpapier eingewickelt, das Mrs. Levison mir gegeben hat, und sie in mein Röckchen gesteckt. Hier ist es“, sagte sie, wobei sie sich an den Körper fasste. „Ich habe keine Tasche dabei.“

Mrs. Vane ließ ein Stöhnen hören. Sie war selbst nie ein Mädchen gewesen – schon mit zehn Jahren war sie eine Frau; sie beglückwünschte Isabel dazu, dass die kaum besser sei als eine Schwachsinnige. „In mein Röckchen gesteckt!“, stieß sie mit beißendem Spott hervor. „Und du willst achtzehn Jahre alt sein! Ich hatte mir vorgestellt, du hättest die ‚Röckchen‘ im Kinderzimmer gelassen. Schämʼ dich, Isabel!“

„Ich wollte sagen, in mein Kleid“, korrigierte sich Isabel.

„Du wolltest sagen, du bist ein dummes Baby!“, lautete der unausgesprochene Kommentar von Mrs. Vane.

Einige Minuten später hatte Isabel ihren Kummer vergessen. Die prächtigen Räumlichkeiten waren für sie wie eine verzauberte Szene aus einem Traumland; ihr Herz befand sich im Frühling der ersten Frische, und die Sättigung mit Erfahrungen hatte sich noch nicht eingestellt. Wie konnte sie an Schwierigkeiten oder sogar an das zerbrochene Kreuz denken, als sie sich den Huldigungen zuneigte, die ihr entgegengebracht wurden, und die honigsüßen Worte in sich aufsaugte, die man ihr in die Ohren träufelte?

„Hallooo!“, rief ein Student aus Oxford mit Aussicht auf eine lange Einkünfteliste, der sich an die Wand drückte, um den Tänzern nicht im Wege zu sein. „Ich dachte, Sie hätten es aufgegeben, an solche Orte zu kommen?“

„Das hatte ich auch“, erwiderte der angesprochene flotte Adlige, der Sohn eines Marquis. „Aber ich bin auf der Suche, und deshalb muss ich wieder herkommen. Für mich ist ein Ballsaal das Langweiligste auf der Welt.“

„Auf der Suche wonach?“

„Nach einer Ehefrau. Mein alter Herr hat mir die Unterstützung gestrichen und bei seinem Bart geschworen, keinen Schilling mehr herauszurücken und keine Schulden zu bezahlen, bis ich mich gebessert habe. Als ersten Schritt in diese Richtung besteht er auf einer Ehefrau, und ich versuche, mich für eine zu entscheiden, denn ich stecke tiefer in den Schulden, als Sie sich vorstellen können.“

„Dann nehmen Sie doch die neue Schönheit.“

„Wer ist sie?“

„Lady Isabel Vane.“

„Verbindlichsten Dank für den Vorschlag“, erwiderte der Earl. „Aber man möchte doch gern einen respektablen Schwiegervater haben, und Mount Severn wird vor die Hunde gehen. Er und ich, wir sind zu sehr auf der gleichen Linie und könnten auf lange Sicht zusammenrasseln.“

„Man kann nicht alles haben; die Schönheit des Mädchens geht über das Übliche hinaus. Ich habe gesehen, wie dieser Wüstling Levison sich an sie herangemacht hat. Er bildet sich ein, er könnte alle anderen ausstechen, wenn es um Frauen geht.“

„Das schafft er oft“, war die leise Antwort.

„Ich mag den Burschen nicht! Er ist so von sich eingenommen mit den gelockten Haaren und den blitzenden Zähnen und der weißen Haut; und er ist herzlos wie eine Eule. Was war das für eine vertuschte Angelegenheit mit Miss Charteris?“

„Wer weiß das schon? Levison hat sich aus der Affäre gezogen wie ein Aal, und die Frau hat sich beklagt, andere würden sich an ihm mehr versündigen als er sich an anderen. Drei Viertel von allen haben ihr geglaubt.“

„Und sie ist ins Ausland gegangen und gestorben; da kommt Levison ja schon! Und die Tochter von Mount Severn mit ihm.“

Im gleichen Augenblick kamen Francis Levison und Lady Isabel näher. Zum zehnten Mal an diesem Abend brachte er sein Bedauern über das unangenehme Missgeschick mit dem Kreuz zum Ausdruck. „Ich habe das Gefühl, als könne ich das nie wieder gutmachen“, flüsterte er. „Mir ist, als würde die aus tiefsten Herzen kommende Huldigung meines ganzen Lebens als Ausgleich nicht ausreichen.“

Er sprach in einem Tonfall der mitreißenden Herzlichkeit – angenehm für das Ohr, aber gefährlich für das Herz. Lady Isabel blickte auf und begegnete seinen Augen, die sie voller tiefster Zärtlichkeit anblickten – in einer Sprache, die ihr noch nie begegnet war. Wieder breitete sich auf ihren Wangen eine lebhafte Röte aus, ihre Augenlider senkten sich, und ihre angstvollen Worte starben im Schweigen dahin.

„Vorsicht, Vorsicht, meine junge Lady Isabel“, murmelte der Oxforder halblaut, als sie an ihm vorübergingen. „Dieser Mann ist so falsch, wie er hübsch ist.“

„Ich glaube, er ist ein Schuft“, bemerkte der Earl.

„Das ist mir bekannt; ich weiß ein paar Dinge über ihn. Er würde ihr Herz um der Eroberung willen ruinieren, einfach weil sie eine Schönheit ist, und dann würde er es gebrochen wegwerfen. Er hat nichts, was er für das Geschenk zurückgeben könnte.“

„Ebenso viel wie mein neues Rennpferd“, schloss der Earl. „Sie ist wirklich sehr schön.“

Kapitel 3 Barbara Hare

West Lynne war ein Ort von einer gewissen Bedeutung, insbesondere nach seiner eigenen Einschätzung, denn da es weder eine Industriestadt noch Bischofssitz war, ja noch nicht einmal die Hauptstadt der Grafschaft, war es, was Sitten und Gebräuche anging, ein wenig primitiv. Außerhalb der Stadt, in östlicher Richtung, kam man an mehreren freistehenden Landhäusern vorüber. In deren Nachbarschaft stand die Kirche St. Jude, die, was ihre Gemeinde anging, aristokratischer war als die anderen Kirchen von West Lynne. Die Häuser verteilten sich über ungefähr eine Meile, und die Kirche lag am Anfang der Reihe nicht weit vom belebten Teil des Ortes. Nochmals eine Meile weiter gelangte man zu dem wunderschönen Anwesen, das East Lynne genannt wurde.

Zwischen den erwähnten Herrenhäusern und East Lynne war die Straße auf einer Meile sehr einsam und größtenteils von Bäumen überschattet. Ein Haus stand dort ganz allein ungefähr eine dreiviertel Meile bevor man nach East Lynne gelangte. Es lag auf der linken Seite, ein klobiges, hässliches rotes Backsteinhaus mit einem Wetterhahn auf dem First, das in einer gewissen Entfernung von der Straße erbaut war. Davor erstreckte sich ein flacher Rasen, und in der Nähe des Lattenzaunes, der ihn von der Straße trennte, wuchs ein eine Baumgruppe von einigen Yards Tiefe. Der Rasen wurde in der Mitte von einem schmalen Kiesweg unterteilt, über den man Zugang zur Eingangsveranda des Hauses erhielt. Von dort trat man in eine große, geflieste Diele mit je einem Empfangszimmer rechts und links und dem breiten Treppenhaus auf der Rückseite; neben dem Treppenhaus gelangte man zu den Wohnungen und Arbeitsräumen der Dienstboten. Das Haus wurde The Grove genannt; es war Eigentum und Wohnsitz von Richard Hare, Esq., der allgemein Richter Hare genannt wurde.

Der Raum, der beim Eintreten zur Linken lag, war das allgemeine Wohnzimmer; der andere war größtenteils mit lavendelfarbenen und braunen Leinentapeten geschmückt und wurde nur bei besonderen Gelegenheiten geöffnet. Der Richter und Mrs. Hare hatten drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. Anne, das Ältere der Mädchen, hatte frühzeitig geheiratet; Barbara, die Jüngere, war jetzt neunzehn; und Richard, der Älteste – auf ihn werden wir später zu sprechen kommen.

An einem frostigen Abend Anfang Mai, wenige Tage nach dem Besuch von Mr. Carlyle bei dem Earl of Mount Severn, saß Mrs. Hare in diesem Wohnzimmer. Die blasse, kränkliche Frau war zwischen Decken und Kissen begraben – aber tagsüber war es warm gewesen. Am Fenster saß ein hübsches Mädchen, sehr liebreizend mit blauen Augen, blonden Haaren, einem blühenden Teint und kleinen, scharf geschnittenen Gesichtszügen. Sie blätterte lustlos in einem Buch.

„Barbara, jetzt ist doch sicher schon Zeit für den Tee.“

„Die Zeit vergeht dir anscheinend sehr langsam, Mama. Erst vor knapp einer Viertelstunde habe ich dir gesagt, dass es zehn Minuten nach sechs ist.“

„Ich habe solchen Durst!“, verkündete die arme Kranke. „Sieh doch noch einmal auf die Uhr, Barbara.“

Barbara Hare erhob sich mit einer Geste unverhohlener Ungeduld, öffnete die Türe und warf einen Blick auf die große Uhr in der Diele. „Es fehlen noch neunundzwanzig Minuten bis sieben Uhr, Mama. Du könntest eigentlich tagsüber deine Armbanduhr anlegen; seit dem Essen hast du mich schon viermal weggeschickt, damit ich auf die Uhr sehe.“

„Ich habe solchen Durst!“, wiederholte Mrs. Hare mit einer Art Schluchzen. „Wenn es doch bloß sieben Uhr schlagen würde! Ich komme um ohne meinen Tee!“

Nun könnte man meinen, dass eine Lady in ihrem eigenen Haus, die „ohne ihren Tee umkommt“, doch sicher die Anweisung geben könnte, ihn zu servieren, auch wenn die übliche Stunde noch nicht geschlagen hat. Nicht so Mrs. Hare. Seit ihr Ehemann sie vor vierundzwanzig Jahren zum ersten Mal in dieses Haus gebracht hatte, hatte sie es nie gewagt, ihren eigenen Willen zum Ausdruck zu bringen; kaum einmal hatte sie aus eigener Verantwortung eine Anweisung gegeben. Der Richter Hare war streng, gebieterisch, halsstarrig und selbstgefällig; sie war furchtsam, sanftmütig und unterwürfig. Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt, und ihr Leben war eine einzige lange Unterwerfung ihres Willens unter den Seinen gewesen; eigentlich hatte sie keinen eigenen Willen; immer galt der Seine. Dennoch war sie weit davon entfernt, die Knechtschaft als Joch zu empfinden – manche Charaktere haben solche Gefühle nicht. Und um Mr. Hare Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Sein machtvoller Wille, wonach alles sich ihm beugen musste, war ein Fehler, aber seine Freundlichkeit stand außer Frage. Er wollte zu seiner Frau nie unfreundlich sein. Von seinen drei Kindern hatte allein Barbara seine Willensstärke geerbt.

„Barbara“, setzte Mrs. Hare noch einmal an, als sie glaubte, es müsse mindestens eine Viertelstunde verstrichen sein.

„Ja, Mama?“

„Läute und sage ihnen, sie sollen alles in Bereitschaft halten, damit keine Verzögerung eintritt, wenn es sieben schlägt.“

„Du liebe Güte, Mama! Du weißt doch, dass immer alles bereitsteht. Und wir haben keine Eile, denn Papa ist wahrscheinlich nicht zu Hause.“ Dennoch erhob sie sich, betätigte mit einer verdrießlichen Bewegung die Glocke, und als der Dienstbote eintrat, sagte sie ihm, er solle pünktlich den Tee servieren.

„Wenn du wüsstest, mein Liebes, was ich für einen trockenen Hals habe und wie ausgedörrt mein Mund ist, hättest du mehr Geduld mit mir.“

Barbara schlug mit einem Ausdruck der Lustlosigkeit ihr Buch zu und wandte sich lustlos zum Fenster. Sie wirkte müde, aber nicht vor Erschöpfung, sondern wegen des Zustandes, den die Franzosen mit dem Wort ennui ausdrücken. „Da kommt Papa“, sagte sie kurz darauf.

„Ach, da bin ich aber froh“, rief die arme Mrs. Hare. „Vielleicht macht es ihm nichts aus, sofort Tee zu trinken, wenn ich ihm sage, welchen Durst ich habe.“

Der Richter trat ein. Er war ein mittelgroßer Mann mit wichtigtuerischen Gesichtszügen, wichtigtuerischem Gang und einer flachsblonden Perücke. In seiner Adlernase, den zusammengepressten Lippen und dem spitzen Kinn mochte man vielleicht eine Ähnlichkeit mit seiner Tochter erkennen; allerdings hatte er nie auch nur halb so gut ausgesehen wie die hübsche Barbara.

„Richard“, ergriff Mrs. Hare in dem Augenblick, in dem er die Tür öffnete, zwischen ihren Decken das Wort.

„Ja?“

„Darf ich jetzt bitte den Tee bringen lassen? Würde es dir sehr viel ausmachen, ihn heute Abend ein wenig früher zu trinken? Ich habe wieder Fieber, und meine Zunge ist so trocken, dass ich nicht mehr weiß, wie ich sprechen soll.“

„Ach, es ist ja kurz vor sieben; du musst nicht mehr lange warten.“

Mit dieser überaus liebreizenden Antwort auf die Bitte einer Kranken verließ Mr. Hare das Zimmer und knallte die Tür zu. Er hatte nicht unfreundlich oder grob gesprochen, sondern einfach nur voller Gleichgültigkeit. Aber noch bevor Mrs. Hares schwacher Seufzer der Enttäuschung vorüber war, öffnete sich die Tür erneut, und die flachsblonde Perücke wurde wieder hereingestreckt.

„Es macht mir nichts aus, ihn jetzt zu trinken. Es wird eine schöne Mondnacht, und ich werde mit Pinner zu Beauchamp gehen und dort eine Pfeife rauchen. Lassʼ ihn kommen, Barbara.“

Der Tee wurde zubereitet und eingenommen, und nachdem Squire Pinner am Tor vorgesprochen hatte, machte der Richter sich auf den Weg zu Mr. Beauchamp. Dieser Gentleman bewirtschaftete große Ländereien und war auch der Agent oder Verwalter des Lord Mount Severn für East Lynne. Er wohnte ein Stück weiter die Straße entlang in kurzer Entfernung hinter East Lynne.

„Mir ist so kalt, Barbara“, schauderte Mrs. Hare, während sie zusah, wie der Richter den Kiesweg hinunterging. „Ob dein Papa es wohl töricht finden würde, wenn ich ihnen sage, sie sollten ein wenig Feuer machen?“

„Lassʼ es anzünden, wenn du magst“, erwiderte Barbara und läutete. „Papa wird ohnehin nichts davon erfahren, denn er wird erst nach der Zubettgehzeit nach Hause kommen. Jasper, Mama friert und möchte, dass ein Feuer angezündet wird.“

„Viele dünne Stöcke, Jasper, damit es schnell brennt“, sagte Mrs. Hare mit bettelnder Stimme, als seien es nicht ihre Stöcke, sondern die von Jasper.

Mrs. Hare bekam ihr Feuer, zog ihren Stuhl davor und legte die Füße auf das Kamingitter, um die Wärme aufzufangen. Barbara begab sich, immer noch lustlos, in die Diele, nahm dort einen Wollschal vom Ständer, warf ihn sich über die Schulter und ging hinaus. Sie schlenderte den geraden, herrschaftlichen Weg hinunter, blieb an dem eisernen Tor stehen und blickte darüber hinweg auf die öffentliche Straße, die allerdings an dieser Stelle und zu dieser Stunde nicht sehr öffentlich war, sondern so einsam, wie man es sich nur wünschen konnte. Es war eine stille, angenehme Nacht, wenn auch etwas kalt für Anfang Mai, und der Mond stieg am Himmel in die Höhe.

„Wann kommt er wohl nach Hause?“, murmelte sie, während sie den Kopf an das Gitter lehnte. „Ach, was wäre das Leben ohne ihn? Wie elend waren diese paar Tage! Was hat ihn wohl dorthin geführt? Was hält ihn ab? Corny sagt, er sei nur für einen Tag weggegangen.“

Aus der Ferne drang das schwache Echo von Schritten an ihre Ohren. Barbara zog sich ein wenig zurück und versteckte sich unter den Bäumen – von einem zufälligen Passanten wollte sie nicht gesehen werden. Als die Schritte aber näher kamen, ging plötzlich eine Wandlung mit ihr vor; ihre Augen leuchteten auf, ihre Wangen färbten sich dunkelrot, und ihre Adern pulsierten in einem Übermaß von Begeisterung: Sie kannte diese Schritte nur allzu gut und liebte sie.

Vorsichtig spähte sie wieder über das Tor und blickte die Straße hinunter. Eine stattliche Gestalt, deren Größe und Kraft eine Anmut in sich trugen, ohne dass sich ihr Besitzer dessen bewusst gewesen wäre, kam aus der Richtung von West Lynne schnell auf sie zu. Wieder schreckte sie zurück; wahre Liebe ist stets furchtsam; und welche Qualitäten Barbara Hare sonst auch besitzen mochte, ihre Liebe zumindest war wahrhaftig und tief. Aber das Tor öffnete sich nicht mit der energischen, schnellen Bewegung, die für die sie ausführende Hand charakteristisch war, sondern die Schritte schienen vorüberzugehen und sich nicht in ihre Richtung zu wenden. Barbaras Herz sank. Wieder stahl sie sich an das Tor und sah mit sehnsuchtsvollem Blick nach draußen.

Ja, natürlich ging er weiter. Er dachte nicht an sie, kam nicht zu ihr; in der Enttäuschung und aus dem Impuls des Augenblicks rief sie ihn:

„Archibald!“

Mr. Carlyle – denn kein anderer war es – wandte sich auf dem Absatz um und kam zum Tor.

„Sie sind es, Barbara! Halten Sie Ausschau nach Dieben und Wilderern? Wie geht es Ihnen?“

„Wie geht es Ihnen?“, gab sie zurück und hielt das Tor auf, damit er eintreten konnte. Während sie sich die Hand gaben, bemühte sie sich, ihre Aufregung zu zügeln. „Wann sind Sie zurückgekommen?“

„Gerade erst, mit dem Achtuhrzug. Er hatte Verspätung, weil er an den Bahnhöfen unverzeihlich lange getrödelt hat. Sie hatten nicht daran gedacht, dass ich darin saß, das verrieten mir ihre Blicke, als ich ausgestiegen bin. Ich war noch nicht zu Hause.“

„Nein! Was wird Cornelia sagen?“

„Ich war für fünf Minuten in der Kanzlei. Aber ich habe ein paar Worte mit Beauchamp zu reden und gehe sofort hin. Danke, ich kann jetzt nicht hereinkommen; ich habe vor, es auf dem Rückweg zu tun.“

„Papa ist zu Mr. Beauchamp gegangen.“

„Mr. Hare! Wirklich?“

„Er und Squire Pinner“, fuhr Barbara fort. „Sie sind hingegangen, um eine Runde zu rauchen. Wenn Sie dort auf Papa warten, wird es zu spät, um noch hereinzukommen, denn er wird sicher nicht vor elf oder zwölf zurück sein.“

Mr. Carlyle senkte nachdenklich den Kopf. „Ich glaube, dann nützt es nichts, wenn ich weitergehe“, sagte er, „denn meine Geschäfte mit Beauchamp sind privater Natur. Ich muss sie auf morgen verschieben.“

Er nahm ihr das Gartentor aus der Hand, schloss es und legte ihre Hand auf seinen Arm, um mit ihr zum Haus zu gehen. Das Ganze geschah auf eine nüchterne, realistische Art und Weise; Romantik oder Gefühle schwangen darin nicht mit; und doch fühlte sich Barbara Hare, als wäre sie im Paradies.

„Und wie ist es Ihnen in den letzten Tagen ergangen, Barbara?“

„Ach, sehr gut. Aus welchem Anlass sind Sie so plötzlich abgereist? Sie haben nie gesagt, dass Sie wegfahren würden, und sind auch nicht zu uns gekommen, um sich zu verabschieden.“

„Sie haben es gerade zum Ausdruck gebracht, Barbara – ‚plötzlich‘. Eine geschäftliche Angelegenheit hat sich plötzlich ergeben, und dafür musste ich plötzlich etwas tun.“

„Cornelia hat gesagt, Sie wären nur einen Tag fort.“

„Hat sie das gesagt? Wenn ich in London bin, gibt es immer viel zu tun! Geht es Mrs. Hare besser?“

„Es ist immer gleich. Ich glaube, Mamas Leiden sind zumindest zur Hälfte nur eingebildet; wenn sie sich aufraffen würde, ginge es ihr besser. Was ist in diesem Paket?“

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