Kitabı oku: «Das Geheimnis von East Lynne», sayfa 6

Yazı tipi:

Das kurze Gespräch zwischen Richard Hare und seiner Mutter war schnell zu Ende. Es dauerte nur ungefähr eine Viertelstunde, denn beide fürchteten Unterbrechungen durch die Dienstboten; mit hundert Pfund in der Tasche und Verzweiflung im Herzen verließ der unglückselige junge Mann wieder einmal das Zuhause seiner Kindheit. Mrs. Hare und Barbara sahen zu, wie er sich im verräterischen Mondlicht den Pfad entlangschlich und schließlich die Straße erreichte. Beide hatten das Gefühl, die Abschiedsküsse, die sie ihm auf die Lippen gedrückt hatten, würden jahrelang nicht erneuert werden, ja vielleicht sogar überhaupt nicht mehr.

Kapitel 7 Hausherrin Miss Carlyle

An einem schönen Morgen im Juli schlug die Kirchturmuhr von West Lynne acht. Dann erklangen die Glocken und verkündeten, dass Sonntag war.

East Lynne hatte den Besitzer gewechselt und war jetzt das Eigentum von Mr. Carlyle. Er hatte es im Ist-Zustand gekauft, mit Möbeln und allem anderen; die Transaktion war aber heimlich vollzogen worden, und abgesehen von denen, die an den Verhandlungen beteiligt waren, hatte niemand einen Verdacht. Ob Lord Mount Severn nun glaubte, es könne verhindern, dass jemand Wind davon bekam, oder ob er Abschied von einem Ort nehmen wollte, den er früher geliebt hatte, eines ist sicher: Er war bestrebt, es eine oder zwei Wochen zu besuchen. Mr. Carlyle hatte höchst bereitwillig und wohlwollend zugestimmt; und so waren der Earl, seine Tochter und ihre Entourage am Tag zuvor eingetroffen.

West Lynne war in Aufruhr. Es bezeichnete sich als aristokratischen Ort und hegte die Hoffnung, der Earl könne die Absicht haben, ihm auf Dauer das Licht seiner Gegenwart zu schenken, indem er seinen Wohnsitz wiederum in East Lynne nahm. Man hatte üppig Toilette gemacht, um seinem bewundernden Blick zu begegnen, und die hübsche Barbara Hare war nicht die einzige junge Dame, die deshalb auf elterliche Entrüstung stieß.

Miss Carlyle hatte sich zur üblichen Zeit auf den Kirchgang vorbereitet und war einfach, aber gut gekleidet. Als sie und Archibald das Haus verließen, sahen sie auf der Straße etwas in der Sonne blitzen und glitzern. Zuerst kam ein rosa Sonnenschirm; es folgten eine rosa Haube, eine rosa Feder, ein graues, in Brokat gefasstes Kleid und weiße Handschuhe.

„Die eitle kleine Närrin!“, stieß Miss Carlyle hervor. Aber Barbara, die sich der Beschimpfung nicht bewusst war, lächelte ihnen auf der Straße entgegen.

„Gut gemacht, Barbara!“, sagte Miss Carlyle zur Begrüßung. „Alles, was Recht ist – Sie sind schöner als ein Sonnenstrahl!“

„Nicht halb so schön wie viele andere in der Kirche heute sein werden“, antwortete Barbara, während sie die schüchternen blauen Augen hob und mit errötendem Gesicht den Gruß von Mr. Carlyle erwiderte. „West Lynne scheint es darauf anzulegen, sich besser zu kleiden als Lady Isabel. Sie hätten gestern Morgen bei der Modistin sein müssen, Miss Carlyle.“

„Wird heute der Sonntagsstaat ausgeführt?“, erkundigte sich Mr. Carlyle gewichtig, als Barbara sich mit ihnen zur Kirche wandte. Er ging neben ihr und seiner Schwester, denn er hatte eine fast ebenso unbezwingbare Abneigung wie ein Franzose dagegen, zwei Damen seine Arme anzubieten.

„Natürlich“, erwiderte Barbara. „Wissen Sie, der erste Eindruck ist alles, und der Earl und seine Tochter werden in die Kirche kommen.“

„Und wenn sie nun nicht in einem Pfauengefieder erscheint?“, rief Miss Carlyle mit unbewegter Miene.

„Ach! Aber sie wird sicher so kommen – wenn Sie damit meinen, dass sie fein angezogen ist“, sagte Barbara hastig.

„Und wenn sie überhaupt nicht in die Kirche kommen?“, lachte Mr. Carlyle. „Was für eine Enttäuschung wäre das für die Hauben und Federn!“

„Schließlich, Barbara, was bedeuten sie uns oder wir ihnen?“, nahm Miss Carlyle das Gespräch wieder auf. „Wir werden vielleicht nie zusammentreffen. Wir unbedeutenden Bürger von West Lynne sollten uns in East Lynne nicht aufdrängen. Das wäre wohl kaum passend – und würde auch vom Earl oder Lady Isabel nicht so betrachtet.“

„Genau so hat auch Papa geredet“, murrte Barbara. „Er hat gestern diese Haube zu Gesicht bekommen, und als ich zur Entschuldigung sagte, ich müsse bei Ihnen vorsprechen, hat er mich gefragt, ob ich glaubte, die unbedeutenden Familien von West Lynne könnten es wagen, dem Lord Mount Severn ihre Aufwartung zu machen, als gehörten sie zum Landadel. Was ihn so verärgert hat, war die Feder.“

„Sie ist auch wirklich lang“, bemerkte Miss Carlyle und musterte sie mürrisch.

Barbara sollte an diesem Tag in der Kirchenbank der Carlyles sitzen, denn sie dachte, je weiter sie von dem Richter entfernt war, desto besser sei es; man konnte es nicht wissen, aber vielleicht würde er an der Feder inmitten des Gottesdienstes aus Rache einen heimtückischen Schnitt anbringen und so ihre Schönheit ruinieren. Sie hatten sich kaum gesetzt, da kamen zwei Fremde leise durch den Mittelgang: ein Gentleman mit gefurchter Stirn und grauen Haaren, der beim Gehen hinkte, und eine junge Dame. Barbara drehte sich eifrig um, blickte aber dann wieder weg; es konnten nicht die erwarteten Besucher sein, dazu war das Kleid der jungen Dame zu einfach – ein schlichtes Musselinkleid für einen heißen Sommertag. Aber der alte Kirchendiener mit seinem wallenden Mantel ging mit seinem Marschallstab seitlich vor ihnen her und führte sie zur Kirchenbank von East Lynne, in der so viele Jahre niemand gesessen hatte.

„Wer um alles in der Welt kann das sein?“, sagte Barbara im Flüsterton zu Miss Carlyle. „Dieser alte Dummkopf macht immer Fehler und setzt Leute an die falschen Stellen.“

„Der Earl und Lady Isabel.“

Die Farbe schoss Barbara ins Gesicht, und sie starrte Miss Corny an. „Was, aber sie hat keine Seide, keine Federn, gar nichts!“, rief Barbara. „Sie ist schlichter als alle anderen in der Kirche!“

„Schlichter als die Herausgeputzten – als Sie zum Beispiel. Der Earl hat sich stark verändert, aber ich hätte beide überall wiedererkannt. Sie haben große Ähnlichkeit mit ihrer armen Mutter – genau die gleichen Augen und der gleiche liebreizende Gesichtsausdruck.“

Ja, diese braunen Augen voller Liebreiz und Melancholie; wohl kaum jemand, der sie einmal gesehen hatte, konnte sie verwechseln oder vergessen; Barbara Hare vergaß, wo sie war, und blickte sie an diesem Tag immer wieder an.

„Sie ist sehr anmutig“, dachte Barbara, „und ihre Kleidung ist sicher die einer Lady. Hätte ich doch nur nicht diese flatterige rosa Feder aufgesteckt! Sie muss uns alle für ganz schön putzsüchtig halten!“

Der Wagen des Earl, ein offener Landauer, wartete am Ende des Gottesdienstes vor dem Tor. Der Lord half seiner Tochter beim Einsteigen und stand gerade im Begriff, ihr zu folgen und seinen Gichtfuß auf das Trittbrett zu setzen, da sah er Mr. Carlyle. Der Earl drehte sich um und streckte die Hand aus. Ein Mann, der East Lynne kaufen konnte, war es wert, als gleichrangig behandelt zu werden, auch wenn er nur ein Landanwalt war.

Mr. Carlyle gab dem Earl die Hand, näherte sich dem Wagen und lüftete in Richtung von Lady Isabel den Hut. Sie beugte sich mit ihrem angenehmen Lächeln nach vorn und legte ihre Hand in seine.„Ich habe Ihnen vieles zu sagen“, bemerkte der Earl. „Ich würde es begrüßen, wenn Sie mit zu uns nach Hause fahren würden. Wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, seien Sie doch für den Rest des Tages Gast auf East Lynne.“

Dabei lächelte er verschmitzt, und Mr. Carlyle tat es ihm gleich. Als Gast auf East Lynne! Das war derzeit der Earl. Mr. Carlyle wandte sich zur Seite und setzte seine Schwester in Kenntnis.

„Cornelia, ich werde zum Abendessen nicht zu Hause sein; ich fahre mit Lord Mount Severn. Guten Tag, Barbara.“

Mr. Carlyle stieg in die Kutsche, der Earl folgte ihm, und sie fuhren davon. Die Sonne schien noch, aber für Barbara Hare war die Helligkeit des Tages dahin.

„Woher kennt er den Earl so gut? Woher kennt er Lady Isabel?“, fragte sie sich in ihrer Verwunderung immer wieder.

„Archibald weiß über die meisten Menschen etwas“, erwiderte Miss Corny. „Als er im Frühjahr in London war, ist er oft mit dem Earl zusammengetroffen, und ein- oder zweimal auch mit Lady Isabel. Was für ein hübsches Gesicht sie hat!“

Barbara antwortete nicht. Sie fuhr mit Miss Carlyle nach Hause, aber ihr Benehmen war ebenso abwesend wie ihr Herz, denn das war nach East Lynne davongelaufen.

Kapitel 8 Mr. Kanes Konzert

Bevor der vierzehntägige Aufenthalt von Lord Mount Severn zu Ende gehen sollte, nahm die Gicht einen ernsten Verlauf. Aus East Lynne abzureisen, war ihm unmöglich. Mr. Carlyle versicherte ihm, er sei nur allzu erfreut, wenn der Gast bleiben würde, solange es ihm beliebte, und der Earl brachte seinen Dank zum Ausdruck; er hoffte, bald wieder auf den Beinen zu sein.

Aber das war er nicht. Die Gicht kam, und die Gicht ging – sie zwang ihn zwar nicht gerade, im Bett zu bleiben, raubte ihm aber die Fähigkeit, seine Räumlichkeiten zu verlassen; der Zustand dauerte bis zum Oktober, aber dann ging es ihm viel besser. Die Landbewohner waren gute Nachbarn gewesen, hatten den gebrechlichen Earl besucht und Lady Isabel gelegentlich mitgenommen, aber sein wichtigster und beständiger Besucher war Mr. Carlyle gewesen. Mittlerweile mochte der Earl ihn auf mehr als nur gewöhnliche Weise und war enttäuscht, wenn der Anwalt einen Abend nicht bei ihm verbrachte; so kam es, dass er mit dem Earl und Lady Isabel irgendwann auf vertrautem Fuß stand. „Ich bin der allgemeinen Gesellschaft nicht ganz gewachsen“, sagte der alte Herr zu seiner Tochter, „und es ist sehr rücksichtsvoll und freundlich von Carlyle, hierher zu kommen und mich in meiner Einsamkeit aufzuheitern.“

„Äußerst freundlich“, sagte Isabel. „Ich mag ihn sehr, Papa.“

„Ich kenne niemanden, den ich nur halb so sehr mögen würde“, war die Antwort des Earl.

Am gleichen Abend kam Mr. Carlyle wie gewöhnlich zu Besuch, und im weiteren Verlauf bat der Earl seine Tochter, zu singen.

„Wenn es dein Wunsch ist, Papa“, antwortete sie, „aber das Klavier ist so verstimmt, dass es keine Freude macht, dazu zu singen. Mr. Carlyle, gibt es in West Lynne irgendjemanden, der herkommen und mein Klavier stimmen könnte?“, fragte sie, wobei sie sich zu ihm wandte.

„Natürlich. Kane könnte das machen. Soll ich ihn morgen herschicken?“

„Darüber wäre ich sehr froh, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht. Nicht dass das Stimmen viel nützen würde, wo es so ein altes Instrument ist. Wenn wir öfter in East Lynne wären, könnte ich Papa vielleicht dazu bringen, es gegen ein gutes auszutauschen.“

Lady Isabel verwendete keinen Gedanken darauf, dass eben dieses Klavier nicht ihr gehörte, sondern Mr. Carlyle. Der Earl hustete, wobei er mit seinem Gast ein Lächeln und einen Blick tauschte.

Mr. Kane war der Organist der Kirche St. Judeʼs, ein Mann voller Kummer und Sorgen, der lange einen trostlosen Kampf gegen die Welt geführt hatte. Als er, von Mr. Carlyle entsandt, am nächsten Tag nach East Lynne kam, spielte Lady Isabel gerade. Dann stand sie neben ihm und sah zu, wie er mit der Arbeit begann. Sie war höflich und liebenswürdig – so war sie zu jedem –, und der arme Musikmeister fand den Mut, von seinen eigenen Angelegenheiten zu sprechen und eine bescheidene Bitte vorzubringen: ob sie und Lord Mount Severn die Schirmherrschaft über ein Konzert übernehmen könnten, das er in der folgenden Woche zu geben gedachte, und ob sie selbst zugegen sein würden? In seine dünnen Wangen stieg ein dunkles Rot, als er einräumte, er sei sehr arm, könne kaum leben und müsse das Konzert wegen seiner verzweifelten Bedürftigkeit veranstalten. Wenn es ein Erfolg werde, komme er wieder zurecht; wenn nicht, würde man ihn aus seinem Zuhause werfen und das Mobiliar für die Miete verkaufen, die er seit zwei Jahren schuldig war – und dabei habe er sieben Kinder.

Isabel, deren tiefes Mitgefühl geweckt war, suchte den Earl auf. „Ach, Papa! Ich muss dich um einen großen Gefallen bitten. Wirst du ihn mir gewähren?“

„Um so etwas bittest du mich nicht oft. Worum geht es?“

„Ich möchte, dass du mich zu einem Konzert nach West Lynne begleitest.“

Der Earl lehnte sich erstaunt zurück und starrte Isabel an. „Ein Konzert in West Lynne!“, lachte er. „Um zuzuhören, wie die Landpomeranzen auf der Fiedel kratzen! Meine liebe Isabel!“

Sie sprudelte mit allem heraus, was sie gerade gehört hatte, einschließlich ihrer eigenen Kommentare und Hinzufügungen. „Sieben Kinder, Papa! Und wenn das Konzert kein Erfolg wird, muss er sein Zuhause aufgeben und mit ihnen auf der Straße leben – du siehst, es ist für ihn fast eine Frage von Leben und Tod. Er ist sehr arm.“

„Ich bin auch arm“, sagte der Earl.

„Er hat mir so leidgetan, als er gesprochen hat. Immer wieder wurde er rot und weiß und geriet vor Aufregung außer Atem; es war schmerzhaft, ihn von seiner Notlage erzählen zu hören. Ich bin sicher, er ist ein Gentleman.“

„Nun ja, du kannst Karten für ein Pfund kaufen, Isabel, und sie den leitenden Dienstboten geben. Ein Dorfkonzert!“

„Ach, Papa, so ist es nicht – ist dir das nicht klar? Wenn wir zusagen, du und ich, dann werden auch alle Familien rund um West Lynne das Konzert besuchen, und er wird den Saal voll haben. Sie werden hingehen, weil wir hingehen – das hat er gesagt. Opfere dich dieses eine Mal, liebster Papa, und geh hin, und wenn es auch nur für eine Stunde ist. Ich werde Spaß daran haben, selbst wenn da nicht mehr ist als eine Geige und ein Tambourin.“

„Du Zigeunerin! Du bist so schlimm wie eine Berufsbettlerin. Gut – sage dem Kerl, wir werden für eine halbe Stunde vorbeischauen.“

Mit leuchtenden Augen eilte sie wieder zu Mr. Kane. Wie immer sprach sie leise mit ihm, aber ihre eigene Befriedigung ließ ihre Stimme fröhlich klingen.

„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Papa zugestimmt hat. Er nimmt vier Eintrittskarten, und wir werden das Konzert besuchen.“

Mr. Kane traten die Tränen in die Augen; Isabel war sich nicht sicher, aber vermutlich erging es ihr genauso. Er war ein großer, dünner, zart aussehender Mann mit langen, weißen Fingern und langem Hals. Seinen stammelnden Dank verband er mit der Frage, ob er öffentlich bekannt machen dürfe, dass sie anwesend sein würden.

„Erzählen Sie es allen“, sagte sie eifrig. „Allen, die Ihnen über den Weg laufen, wenn es so ist, wie Sie denken: dass es das Mittel sein wird, um die Leute zur Teilnahme zu bewegen. Ich werde es auch allen Freunden erzählen, die mich besuchen, und sie bitten, ebenfalls hinzugehen.“

Als Mr. Carlyle an diesem Abend zu Besuch kam, war der Earl vorübergehend nicht im Zimmer. Isabel sprach von dem Konzert.

„Für Mr. Kane ist das ein gefährliches Unternehmen“, bemerkte Mr. Carlyle. „Ich fürchte, er wird nur noch mehr Geld verlieren, und das wird zu seinem Dilemma beitragen.“

„Warum fürchten sie das?“, fragte sie.

„Weil in West Lynne nichts unterstützt wird, Lady Isabel – jedenfalls nichts Einheimisches; und die Leute wissen schon so lange über die Notlage des armen Kane Bescheid, dass sie kaum noch daran denken.“

„Ist er wirklich so arm?“

„Sehr arm. Die halbe Zeit muss er hungern.“

„Hungern!“, wiederholte Isabel. Sie sah Mr. Carlyle an, und in ihr Gesicht stieg ein Ausdruck der Verblüffung, denn sie verstand ihn kaum. „Meinen Sie damit, dass er nicht genug zu essen hat?“

„Brot vielleicht, aber bessere Nahrung kaum. Sein Gehalt als Organist beträgt dreißig Pfund, und ein wenig verdient er mit vereinzeltem Unterricht. Aber er muss eine Frau und Kinder ernähren, und zweifellos denkt er zuerst an sie und erst danach an sich. Ich wage zu behaupten, dass er kaum weiß, wie Fleisch schmeckt.“

Die Worte versetzten Lady Isabel einen schmerzhaften Stich.

„Nicht genug zu essen! Weiß nicht, wie Fleisch schmeckt!“ Und sie in ihrer Sorglosigkeit, ihrer Unkenntnis, in der Gleichgültigkeit – sie wusste kaum, welchen Namen sie ihr geben sollte – hatte nicht daran gedacht, ihm in ihrem Haus des Überflusses eine Mahlzeit zu bestellen! Er war zu Fuß von West Lynne gekommen, hatte sich eine Stunde mit ihrem Klavier beschäftigt und sich dann auf dem Rückweg gemacht, während er gegen seinen Hunger ankämpfte. Ein Wort von ihr, und man hätte ihm in ihrem Überfluss eine Mahlzeit vorgesetzt, wie er sie noch nie gesehen hatte, aber dieses Wort hatte sie nicht ausgesprochen.

„Sie sehen ernst aus, Lady Isabel.“

„Ich gehe mit mir selbst ins Gericht. Lassen wir es gut sein, es ist nicht mehr zu ändern. Aber es wird immer ein dunkler Fleck in meiner Erinnerung bleiben.“

„Was meinen Sie?“

Sie hob ihr Büßergesicht, sah ihn an und lächelte. „Lassen wir es gut sein, habe ich gesagt, Mr. Carlyle. Was vergangen ist, lässt sich nicht zurückholen. Er sieht aus wie ein Gentleman.“

„Wer? Kane? Die Herkunft eines Gentlemans; sein Vater war Geistlicher. Die Liebe zur Musik hat Kane ruiniert – sie war der Grund, warum er sich nicht einem besser bezahlten Beruf gewidmet hat; auch seine frühzeitige Eheschließung war ein Nachteil. Er ist noch jung.“

„Mr. Carlyle, ich möchte um nichts in der Welt so sein wie Ihre Leute aus West Lynne. Da kämpft ein junger Gentleman mit widrigen Umständen, und Sie strecken nicht die Hand aus, um ihm zu helfen!“

Er lächelte über ihre Barmherzigkeit. „Einige von uns werden Eintrittskarten kaufen – auch ich zum Beispiel; aber wie es mit dem Konzertbesuch aussieht, weiß ich nicht. Ich fürchte, das werden nur wenige tun.“

„Weil es genau das ist, was ihm nützen würde? Wenn einer hingeht, geht auch der Nächste hin. Nun, ich werde es versuchen und West Lynne zeigen, dass ich nicht die Lektion aus ihrem Buch gelernt habe; ich werde dort sein, bevor es beginnt, und nicht wieder herauskommen, bevor das letzte Stück vorüber ist. Wenn West Lynne sich zu gut ist, um hinzugehen – ich bin es nicht.“

„Sie denken doch nicht etwa daran, das Konzert zu besuchen?“

„Ich denke ganz sicher daran; und Papa geht mit – ich habe ihn überredet; außerdem habe ich es Mr. Kane versprochen.“

Mr. Carlyle hielt inne. „Es freut mich, das zu hören; für Kane wird es eine Wohltat sein. Wenn sich erst einmal herumspricht, dass Lord Mount Severn und Lady Isabel die Absicht haben, das Konzert zu beehren, wird kein Stehplatz frei bleiben.“

Sie tanzte mit einem kleinen, vergnügten Schritt um ihn herum. „Anscheinend sind der Lord Mount Severn und Lady Isabel hochgestellte, mächtige Persönlichkeiten! Wenn Sie überhaupt Herzensgüte besitzen, Mr. Carlyle, dann nehmen auch Sie sich der Sache an.“

„Ich glaube, das werde ich tun“, lächelte er.

„Papa meint, Sie hätten in West Lynne etwas zu sagen. Wenn Sie erklären, dass sie hingehen, wird das auch für andere ein Grund sein.“

„Ich werde erklären, dass Sie hingehen“, erwiderte er. „Das wird vollkommen ausreichen. Aber, Lady Isabel, sie dürfen von der Aufführung nicht allzu viel Genugtuung erwarten.“

„Ein Tamburin reicht für mich vollkommen aus; ich habe auch Papa gesagt, dass ich nicht an die Musik denke; ich denke nur an den armen Mr. Kane. Mr. Carlyle, ich weiß, Sie können freundlich sein, wenn Sie wollen; ich weiß, dass Sie lieber freundlich sind als alles andere – das kann man an Ihrem Gesicht ablesen. Versuchen Sie doch, so viel wie möglich für ihn zu tun.“

„Ja, das werde ich“, erwiderte er liebenswürdig.

Am nächsten Tag verkaufte Mr. Carlyle eine lange Reihe von Eintrittskarten, oder vielmehr sorgte er dafür, dass sie verkauft wurden. Er pries das Konzert weit und breit an und erklärte, Lord Mount Severn und seine Tochter würden es sich auf keinen Fall entgehen lassen. Mr. Kanes Haus wurde wegen der Eintrittskarten belagert, sodass er seine Unterschrift gar nicht schnell genug in die Ecke schreiben konnte; und als Mr. Carlyle zum Mittagessen nach Hause kam – was nicht oft geschah –, legte er zwei Karten neben Miss Cornys Ellenbogen.

„Was ist denn das? Konzertkarten! Archibald, du bist doch nicht etwa gegangen und hast die gekauft!“

Was hätte sie wohl gesagt, wenn sie gewusst hätte, dass die beiden Karten nicht den gesamten Umfang seiner Investition darstellten?

„Zehn Schilling, weggeworfen für zwei läppische Stücke Karton!“, ärgerte sich Miss Carlyle. „Du warst in Geldangelegenheiten immer ein Trottel, Archibald, und das wird auch immer so bleiben. Hätte ich doch nur deine Geldbörse unter meiner Aufsicht!“

„Was ich gegeben habe, wird mir nicht wehtun, Cornelia, und Kane geht es schlecht. Denke nur an sein Rudel von Kindern.“

„Du liebe Güte!“, sagte Miss Corny. „Ich finde, er sollte an sie denken. Ich nehme an, es war seine Schuld, dass sie gekommen sind. So ist das immer. Arme Leute bekommen einen Haufen Kinder, und dann bitten sie um Mitleid. Ich würde sagen, es wäre gerechter, wenn sie um Vorwürfe bitten würden.“

„Nun ja, die Tickets sind nun einmal da, gekauft und bezahlt, also kann man sie ebenso gut nutzen. Du kommst mit mir, Cornelia.“

„Und dann drücken wir uns dort auf leeren Bänken herum wie zwei Gänse, sitzen da und starren in die Gegend und zählen die Kerzen! Das soll ein angenehmer Abend werden?“

„Vor leeren Bänken brauchst du dich nicht zu fürchten. Die Mount Severns gehen hin, und ganz West Lynne ist wie verrückt hinter den Eintrittskarten her. Ich nehme an, du hast eine … eine Haube, die sich für den Anlass eignet, Cornelia“, sagte er, während er den undefinierbaren Gegenstand betrachtete, der den Kopf seiner Schwester zierte. „Wenn nicht, solltest du eine bestellen.“

Der Vorschlag brachte Miss Carlyle in Rage. „Würdest du nicht besser dein Haar zu Locken drehen lassen und deine Rockschöße mit weißem Satin besetzen und ein goldenes Opernglas und einen Dreispitz mitnehmen?“, gab sie zurück. „Du lieber Himmel! Eine schöne neue Haube, nur um zu diesem Murks von einem Konzert zu gehen, nachdem wir zehn Schilling für die Eintrittskarten bezahlt haben! So weit ist es mit der Welt schon gekommen.“

Mr. Carlyle wandte sich von ihr und ihrem Murren ab und kehrte in die Kanzlei zurück. Im gleichen Augenblick fuhr die Kutsche von Lord Mount Severn vorüber, und darin saß Isabel Vane. Als sie Mr. Carlyle sah, ließ sie den Wagen halten, und er kam auf sie zu.

„Ich bin selbst wegen der Eintrittskarten bei Mr. Kane gewesen“, sagte sie mit strahlendem Blick. „Ich bin zu dem Zweck nach West Lynne gefahren und habe dem Kutscher gesagt, er solle herausfinden, wo der Mann wohnt. Ich dachte, wenn die Leute mich und die Kutsche dort sehen, werden sie sich denken können, was ich will. Ich hoffe, bei dem Konzert wird es voll werden.“

„Da bin ich mir sicher“, erwiderte Mr. Carlyle, während er ihre Hand losließ. Lady Isabel gab dem Kutscher ein Zeichen, er solle weiterfahren.

Als Mr. Carlyle sich umdrehte, traf er auf Otway Bethel. Der Neffe des Colonel Bethel wurde im Haus seines Onkels nur deshalb geduldet, weil er kein anderes Zuhause hatte und anscheinend nicht in der Lage war, sich selbst eines zu beschaffen. Manche Leute bestanden darauf, ihn als Gentleman zu bezeichnen – was er aufgrund seiner Geburt war –, andere hielten ihnen für ein mauvais sujet. Manchmal kommt beides zusammen. Er war in einen Samtanzug gekleidet und hatte ein Gewehr in der Hand. Man sah ihn überhaupt selten ohne Gewehr, war er doch dem Sport außerordentlich zugetan; aber wenn alles stimmte, was geflüstert wurde, versorgte er sich selbst nicht nur mit Schüssen, sondern auch auf andere Weise mit Wild, das dann, so das Gerücht, an Londoner Händler geliefert wurde. Nahezu während der ganzen sechs Monate war er nicht in West Lynne gewesen.

„Aha, wo haben Sie sich denn versteckt?“, rief Mr. Carlyle. „Der Colonel war untröstlich.“

„Kommen Sie, Carlyle, reden Sie keinen Unsinn. Ich war in Frankreich und Deutschland unterwegs. Der Mensch braucht manchmal eine Veränderung. Und was den verehrten Colonel angeht, so wäre er nicht einmal dann untröstlich, wenn er sehen würde, wie ich in einer sechs Fuß langen Kiste vernagelt und mit den Füßen zuerst hinausgetragen werde.“

„Bethel, ich muss Ihnen eine Frage stellen“, fuhr Mr. Carlyle fort, wobei er seine Unbefangenheit in Betragen und Stimme vollkommen ablegte. „Richten Sie die Gedanken noch einmal auf die Nacht von Hallijohns Mord.“

„Muss das wirklich sein?“, rief Mr. Bethel. „Die Erinnerung ist alles andere als angenehm.“

„Sie schaffen das schon“, sagte Mr. Carlye in aller Ruhe. „Man hat mir gesagt, es sei zwar bei der Untersuchung nicht zur Sprache gekommen, aber Richard Hare habe mit Ihnen wenige Minuten nach der Tat im Wald ein Gespräch geführt. Nun …“

„Wer hat Ihnen das erzählt?“, unterbrach ihn Bethel.

„Darum geht es nicht. Meine Quelle ist über jeden Zweifel erhaben.“

„Ja, es stimmt. Ich habe nichts darüber gesagt, weil ich die Sache für Dick Hare nicht noch schlimmer machen wollte. Er hat mich tatsächlich angesprochen wie ein Mann, der vor Aufregung vollkommen außer sich war.“

„Und er hat gefragt, ob Sie gesehen haben, wie ein Liebhaber von Afy aus der Hütte geflohen ist. Ein gewisser Thorn.“

„Das war der Inhalt. Thorn, Thorn – ich glaube, so lautete der Name, den er erwähnt hat. Nach meiner Ansicht war Dick entweder völlig außer sich, oder er spielte eine Rolle.“

„Nun, Bethel, ich möchte, dass Sie mir ehrlich antworten. Die Frage hat so oder so für Sie keine Bedeutung, aber ich muss wissen, ob Sie gesehen haben, wie dieser Thorn die Hütte verlassen hat.“

Bethel schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht das Geringste über irgendeinen Thorn, und ich habe niemand gesehen außer Dick Hare. Allerdings hätten ein Dutzend Thorns von der Hütte weglaufen können, ohne dass ich sie gesehen hätte.“

„Sie haben gehört, wie der Schuss abgefeuert wurde?“

„Ja; aber ich habe nie einen Gedanken auf ein Unglück verwendet. Ich wusste, dass Locksley im Wald war, und nahm an, das Geräusch sei von ihm gekommen. Ich lief den Weg entlang, der zur Hütte führte, und bog auf der anderen Seite in den Wald ab. Kurz danach hielt Dick Hare mich auf wie jemand, der völlig von Sinnen ist, und fragte, ob ich gesehen hätte, wie Thorn die Hütte verließ. Thorn – das war tatsächlich der Name.“

„Aber Sie hatten ihn nicht gesehen?“

„Ich hatte niemanden gesehen außer Dick, und dann auch noch Locksley. Ich hatte den Eindruck, dass sonst niemand in der Nähe war; das glaube ich noch heute.“

„Aber Richard …“

„Sehen Sie, Carlyle, ich will Dick Hare kein Unrecht tun, nicht mit einem einzigen Wort, wenn ich es vermeiden kann; es hat keinen Zweck, wenn Sie mich deswegen unter Druck setzen.“

„Ich wäre der Letzte, der Sie unter Druck setzen würde, irgendjemandem Unrecht zu tun, insbesondere Richard Hare“, gab Mr. Carlyle zurück. „Ich beabsichtige, Richard keinen Schaden zuzufügen, sondern ihm zu nützen. Ich habe einen Verdacht – woher, spielt keine Rolle – dass nicht Richard Hare den Mord begangen hat, sondern jemand anderes. Können Sie in irgendeiner Form Licht in die Sache bringen?“

„Nein, das kann ich nicht. Ich habe immer gedacht, dass der arme, unentschlossene Dick Niemandes Feind ist außer sein eigener; aber Licht in die Vorgänge in dieser Nacht zu bringen – das kann ich nicht. Man hätte mich schon mit Gewalt zu der Untersuchung zerren müssen, damit ich gegen Dick aussage, und deshalb war ich froh, dass Locksley niemals verraten hat, dass ich vor Ort war. Was auch immer danach abgelaufen ist, kann ich nicht sagen; aber das spielte auch keine Rolle; meine Aussage hätte an dem Urteil nichts geändert. Und wo wir gerade dabei sind, Carlyle, wie ist es eigentlich zu ihrer Kenntnis gelangt, dass Richard Hare mich angesprochen hat? Ich habe das keinem Sterblichen anvertraut.“

„Das ist jetzt nicht von Bedeutung“, wiederholte Mr. Carlyle. „Ich weiß es, und das reicht. Ich hatte gehofft, Sie hätten tatsächlich gesehen, wie dieser Thorn die Hütte verließ.“

Otway Bethel schüttelte den Kopf. „An Ihrer Stelle würde ich nicht allzu großes Gewicht auf die Frage leben, ob dort irgendwelche Thorns waren. Dick Hare war in dieser Nacht von Sinnen und hat vielleicht Gestalten oder Dinge gesehen, wo keine waren.“

₺403,31

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
842 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783754113479
Tercüman:
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre