Kitabı oku: «Schulalltag konkret», sayfa 2
Warum gibt es «schwierige Schüler»?
Eine mögliche Antwort wäre, die Ursache in den heutigen «schlechten Zeiten» suchen. Wenn man sich jedoch mit der Geschichte von verhaltensauffälligen Kindern beschäftigt, trifft man schon früh auf verschiedenste Bezeichnungen. So gibt es in der Literatur die «verkommenen Söhne» und «missratenen Töchter». In der Pädagogik ist die Liste der Adjektive lang und vielfältig und widerspiegelt die jeweilige Zeit. Man sprach von bösartigen, sittlich verwilderten, von moralisch schwachsinnigen, soziopathischen Kindern. Oder von schwer erziehbaren, gemeinschaftsschwierigen, seelisch heimatlosen, entwicklungsgestörten, entwicklungsgehemmten, haltschwachen Kindern. Und auch von sozial schwierigen, verhaltensgestörten, verhaltensschwierigen und erziehungshilfebedürftigen Kindern war die Rede (Göppel 2010, S. 201 f.).
Schwieriges Verhalten ist von verschiedenen, miteinander verknüpften Faktoren geprägt. Einerseits ist von Entwicklungsverletzungen, aktuellen Entwicklungskrisen, neurobiologischen Störungen (zum Beispiel ADHS), aktuellen Familienproblemen, familiären Erziehungsfehlern und schulischen Fehlern die Rede und andererseits von gesellschaftlichen Einflüssen (Keller 2010, S. 29 f.). Es ist nicht Thema dieses Buches, alle diese Hintergründe und Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern zu beleuchten, zu analysieren und zu erklären.
Es soll hier genügen, darauf aufmerksam zu machen, dass jede Eindimensionalität einer Lösungssuche im Wege steht. Kurzfristig mag wohl die eine oder andere Erklärung in der Enttäuschung und/oder Ohnmacht entlastend sein, doch wenn sie zu kurz greift und keinen Lösungsansatz eröffnet, steigert sie unter Umständen die Verbitterung. Wichtig erscheint uns, dass Lehrpersonen «schwierige Schüler» als solche ernst nehmen und sich Gelegenheiten verschaffen, deren Störungsbotschaften zu übersetzen. Manchmal gelingt es in einem Gespräch, mögliche Ursachen zu erfahren. Vielfach machen Lehrpersonen die Erfahrung, dass der «schwierige Schüler» selbst unter seinem Verhalten leidet und es verändern möchte. Von der Einsicht zum korrigierten Verhalten ist allerdings zuweilen ein weiter Weg, wie Wiater (2009) schreibt:
«Damit Verhaltensmodifikation überhaupt gelingen kann, muss es zwischen Schüler und Lehrer nicht nur ein maximales Vertrauen und eine grösstmögliche Kooperationsbereitschaft geben, sondern vor allem auch die Bereitschaft und Offenheit des Schülers dazu. […] Ohne Mitwirkung des Schülers bleiben die Bemühungen um eine Änderung seines Verhaltens erfolglos.» (A. a. O., S. 61)
So bleiben ohne Mitarbeit und Einsicht des Lernenden oft nur schulische Ordnungsmassnahmen wie zum Beispiel ein Time-in, ein Time-out, eine Versetzung in eine Parallelklasse oder in eine andere Schule respektive der Schulausschluss als mögliche Lösungen.
Kernfragen im Umgang mit «schwierigen Schülern»
Der Umgang mit einzelnen «schwierigen Schülern» war schon immer eine der Herausforderungen im Lehrerberuf. Der «schwierige Schüler» ist keine Erfindung unseres Jahrhunderts. Verständnis und Vorgehensweise haben sich aber in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Heute ist es selbstverständlich, dass vertieft die Ursachen eines auffälligen Verhaltens ergründet werden. Unbestritten ist jedoch auch die Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten in den heutigen Regelklassen. Dies hat, wie bereits oben angedeutet, verschiedene Ursachen.
Ohne den Erneuerungsbedarf der Schule infrage zu stellen, seien hier doch einige kritische Bemerkungen im Zusammenhang mit der Häufung von «schwierigen Schülern» erlaubt.
Im Klassenzimmer sind vielfach heilpädagogische, logopädische und/ oder sozialpädagogische Fachpersonen anwesend sowie Personen aus verschiedenen Projekten (→ Kapitel 3, Teamarbeit und Kooperation). Parallel dazu hat die Entwicklung zu immer mehr Teilpensen und zur Aufteilung der Klassenverantwortung geführt. «Gewicht» und Bedeutung der Klassenlehrperson wurden insofern teilweise problematisiert, als sie als Einzelkämpfer im Schulzimmer stehen und handeln. Heute beklagt man die zum Teil hohe Anzahl von Lehrpersonen, die in einer Klasse unterrichten. Bestrebungen scheinen nun wieder in die Gegenrichtung zu laufen. Die Erkenntnis beginnt sich durchzusetzen, dass eine Zerstückelung der Pensen den Bildungszielen der Volksschule wenig förderlich ist.
Auch der Enthusiasmus über die weitgehende Integration von Sonderschülerinnen und -schülern und Lernenden mit besonderen Bedürfnissen wird heute mehr und mehr kritisch hinterfragt. Damit soll keineswegs der Rückkehr zu einer absoluten Separation das Wort geredet werden. Die Auswirkungen der Bildungspolitik der letzten Jahre, die heute zu Kritik Anlass geben, sind in den Klassenzimmern heute Realität.
In vielen Schulen wurden Kleinklassen aufgelöst und die Schülerinnen und Schüler in Regelklassen integriert. Die politische Forderung lautete, dass diese Lernenden in die Regelklassen integriert werden sollten (zumeist durch heilpädagogische Massnahmen begleitet), während die Klassengrössen praktisch nicht verändert wurden (→ Kapitel 13, Bildungspolitik). Separation wurde zum Unwort erklärt. Eine Folge dieser Integration ist, dass die Heterogenität massiv zugenommen hat, was die Lehrpersonen zu immer ausgeprägterer Individualisierung zwingt. Dies hat den Unterricht an der öffentlichen Volksschule massgeblich verändert.
Was bedeutet das im Hinblick auf den «schwierigen Schüler»? Eigentlich würde er stabile Bezugspersonen brauchen – und nicht möglichst viele Fachlehrpersonen. Für viele «schwierige Schüler» bedeuten die heutigen Verhältnisse eine Überforderung, die sich wiederum in einer Verstärkung des «schwierigen» Verhaltens manifestieren kann.
Auch gesellschaftliche Veränderungen und zunehmende Migration haben zur Verschärfung der Situation in den Regelklassen geführt. Lehrpersonen erleben tagtäglich, dass die Anzahl «schwieriger Schüler» und/oder der Schweregrad von Verhaltensauffälligkeiten und die unterschiedlichsten Voraussetzungen der Lernenden in einer Klasse häufig einen gemeinsamen Klassenunterricht verunmöglichen (→ Kapitel 7, Heterogenität: Wunsch und Wirklichkeit).
Nicht wenige Lehrpersonen reduzieren aus dieser Not die Vielfalt der Lehrmethoden, verzichten auf den Klassenunterricht und greifen auf den «offenen» Unterricht zurück, um denjenigen Schülerinnen und Schülern, die ungestört lernen wollen, Gelegenheit dazu zu geben.
Mit dem damit einhergehenden Freiraum des Unterrichts (weniger Überblick über den Lernprozess) können «schwierige Schüler» zumeist nicht umgehen und sind überfordert. So wird die Lehrperson schon bei einer allfälligen Gruppenbildung darauf schauen, dass verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler die lernwilligen nicht stören. Mit «offenem» und/oder individualisiertem Unterricht erreichen verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler oft nur bescheidene Resultate. Auch in diesem Rahmen würden sie intensive Betreuung und Begleitung brauchen, die in den Regelklassen zulasten der leistungswilligen Lernenden geht. Darüber hinaus beklagen die Lehrpersonen, dass Lehrmittel für ein eigenständiges und differenziertes Lernen kaum vorhanden sind. Gemäss der umfangreichen Belastungsstudie des Kantons Zürich (2009) fehlen taugliche Lehrmittel für einen individualisierenden und differenzierenden Unterricht weitgehend (Bucher 2010, S. 32).
Die Klassenlehrperson kann (wie erwähnt) vielfach den leistungsstärkeren Lernenden nicht gerecht werden. Diese wandern oftmals, wenn dies finanziell möglich ist, in Privatschulen ab. Aber auch die guten Schülerinnen und Schüler sollen in der Volksschule gefördert und gefordert werden, was eine ausreichende Verfügbarkeit der Lehrperson erfordert. Für das breite «Mittelfeld» der Klasse gilt dasselbe. Es ist kaum verwunderlich, wenn ein Sekundarlehrer aus der Zentralschweiz folgert: «Die zunehmende Heterogenität in der Klasse gibt mir das latente Gefühl, nicht genügen zu können.»
Diese Lehrperson unterrichtet zusammen mit einer IF3-Lehrperson engagiert im Teamteaching. Und trotzdem erlebt sie, dass es ihr nicht (mehr) gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu Erfolgserlebnissen zu führen. Überflüssig zu erwähnen, dass sich dies negativ auf die Berufszufriedenheit auswirkt.
D Empfehlungen und Massnahmen
Aufgrund der Multikausalität des Themenkreises «schwieriger Schüler» geben wir im Folgenden verschiedene Empfehlungen und schlagen Massnahmen vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei werden alle beteiligten Ebenen (Schulzimmer, Schulhaus, Gemeinde und Kanton) berücksichtigt.
Lehrperson
Klare und enge Unterrichtsführung
Damit sie die dringend benötigten schulischen Erfolgserlebnisse erreichen können, brauchen verhaltensauffällige Lernende einen stark strukturierten Unterricht, eine reizarme Sitzordnung, immer wiederkehrende Abläufe (Routinen), klare und geregelte Absprachen unter den Lehrpersonen, ähnliche Unterrichtsstile.
Kooperation am Arbeitsplatz
Teamarbeit
Ein wichtiger Punkt im Umgang mit «schwierigen Schülern» ist die Zusammenarbeit der Lehrpersonen im Team. Wird der «schwierige Schüler» als ein Lernender, der «zufälligerweise in meiner Lerngruppe» ist, betrachtet, so sollte sich auch die Kooperation im Team ändern. Damit ist Folgendes gemeint: Hat ein verhaltensauffälliger Lernender eine für die Lehrperson nicht mehr tragbare «Tagesform», springt eine Kollegin, ein Kollege aus dem Team ein und unterstützt so weit als möglich.
Absprachen
Lehrpersonen, die in einer Klasse unterrichten, sollten über ihre «schwierigen Schüler» stetig im Gespräch sein, damit sie Entwicklungsrichtungen (auf alle Seiten) nicht «verpassen» und auf Ausweichmanöver gemeinsam reagieren können. Lernende «kennen» ihre Lehrpersonen mindestens so gut wie diese die Lernenden.
Kollegiale Intervision
Eine regelmässig stattfindende, lösungsorientierte, vorstrukturierte kollegiale Intervision (→ Anhang 1) kann für Lehrpersonen sehr entlastend sein, ist sie einmal professionell eingeführt worden.
Schulleitung/Gemeindeschulbehörden
Ablaufplan bei disziplinarischen Problemen
Viele Schulhäuser kennen einen Ablauf (Leitfaden), wie die Lehrperson bei Grenz- und Regelverletzungen, bei problematischen Verhaltensweisen konkret vorgehen soll. Einerseits sind darin Disziplinarmassnahmen aufgeführt, andererseits auch Möglichkeiten, Unterrichtsbelastungen, Unterrichtsstörungen und Krisensituationen sofort zu begegnen. Es existieren diverse Konzepte. Das bekannteste ist wohl das Trainingsraum-Programm (Balke 2003; Classen & Niessen 2006).
Time-in-Möglichkeiten
Einige Schulen haben eine Anlaufstelle für Lehrpersonen mit «schwierigen Schülern». Diese ermöglicht im Schulalltag ohne grosse Absprachen, einzelne den Unterricht störende Schülerinnen und Schüler vorübergehend (für Stunden, Tage oder wenige Wochen) innerhalb der Schule zu platzieren. Diese Massnahme bedarf immer einer Begleitung. Dazu existieren unterschiedliche gemeindebezogene Konzepte.
Anzahl Lehrpersonen an einer Klasse
In den meisten Schuleinheiten unterrichten heute mehrere Lehrpersonen in einer Klasse. Dieser Punkt wird auch in der oben erwähnten Belastungsstudie gewichtet. Eine empfohlene Massnahme: die Anzahl Lehrpersonen pro Klasse reduzieren (vgl. Bucher 2010, S. 31). Buchers Studie empfiehlt vor allem eine «Zusammenführung» der IF- und IS-Pensen auf eine Lehrperson. Die Vielzahl der Unterrichtenden hat jedoch auch mit dem Wechsel der Ausbildung der Lehrpersonen vom «Allrounder» zur Fächergruppenlehrkraft zu tun. Tatsache bleibt, dass vor allem verhaltensauffällige (und leistungsschwache) Schülerinnen und Schüler (aber auch die anderen) konstante, stabile und verlässliche Bezugspersonen brauchen. Im Übrigen wird es für die Lehrperson bei mehreren Klassen wegen der grossen Anzahl von Lernenden immer schwieriger, eine Beziehung zu den einzelnen Lernenden aufzubauen. Eine mögliche Folge davon: häufigere disziplinarische Störungen – ein Teufelskreis.
Empfehlungen: Mit Blick auf die grösser werdende Anzahl von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern sollen so wenige Lehrpersonen wie möglich an einer Klasse unterrichten. Dass sie in der Folge eventuell einen ungünstigeren Stundenplan haben, geschieht freilich in ihrem Interesse (vgl. oben). Des Weiteren müsste die Ausbildung der Fächergruppenlehrkraft im Hinblick auf die Wichtigkeit der Bedeutung einer Klassenlehrperson überdacht werden.
Infrastruktur
Die anspruchsvolle Arbeit mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen bedeutet, dass sich im Schulzimmer verschieden grosse Lerngruppen mit eventuell zwei bis drei Lehrpersonen auf zum Teil kleinem Raum befinden. Wenn in einigen Lerngruppen diskutiert wird und andere Lernende selbstständig lernen, ist unter anderem der Lärmpegel derart, dass sich nicht alle konzentrieren können.
Massnahmen: Bauliche Veränderungen wie Nebenräume, grössere Schulzimmer (flexibel unterteilbar) sind in vielen Gemeinden dringend nötig.
Kantonale (gesetzgebende) Ebene
Zu grosse Klassen
In den heutigen heterogenen Klassen sind Individualisierung der Stoffvermittlung und Differenzierung der Lerninhalte oft die einzige Möglichkeit des Unterrichtens. Diese Methoden setzen eine grosse Konzentrationsfähigkeit und Selbstständigkeit der Lernenden voraus, die viele «schwierige Schüler» (und nicht nur sie) in einer Klasse mit über zwanzig Lernenden nur ungenügend aufbringen können.
Massnahmen: Die Richtlinien für die Klassengrössen sind vom Kanton vorgegeben. Ausnahmen gibt es sehr selten. Die Schulleitung hat auf die Klassengrösse nur strukturellen Einfluss, das heisst: je grösser die Schuleinheit, desto grösser der Spielraum. Es sind politische Massnahmen, die das Problem der grossen Klassen beheben könnten.
Lehrmittel
Situation: Die Lernenden verfügen über die unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen.
Massnahmen: Lehrmittel sollten für verschiedene Lern- und Leistungsdifferenzierungen verfügbar sein. Solche Lehrmittel müssten folgende Bedingungen erfüllen:
• sofort einsetzbar;
• alle Materialien vorhanden;
• genügend Übungsmaterial vorhanden;
• übersichtliche Differenzierung;
• selbstständige Lernkontrolle durch die Lernenden.
2 Disziplin
(Elsbeth Würzer)
A Aussagen von Lehrpersonen
Disziplin und der respektvolle Umgang zwischen Lernenden und Lehrpersonen beschäftigen etliche Lehrpersonen aus unserer Umfrage. Auch wenn das Wort «Disziplin» nicht immer explizit genannt wird, erscheint es im Zusammenhang mit der Klassenführung zwischen den Zeilen.
Ein erfahrener Primarlehrer aus dem Kanton Luzern bringt das Thema Disziplin in einen Zusammenhang mit den neuen Unterrichtsformen:
A1 «Die heutigen Lehr- und Lernformen sorgen auch für Herausforderungen in der Disziplin. Wie organisiert die Lehrperson den Unterricht und die Klassenführung optimal, damit Unterricht klar, strukturiert und effizient gestaltet werden kann?»
Ein langjähriger Oberstufenlehrer schreibt:
A2 «Durch den Niveauunterricht (Sekundarstufe) wird die Klasse in ihrer Homogenität immer wieder belastet, weil ständig unterschiedliche Leistungslerngruppen entstehen. Eine stark erschwerte Klassenführung ist die Folge, und die leistungsschwächeren Stufen (B/C) werden zur Herausforderung, die einzig Kolleginnen und Kollegen mit Erfahrung und grossem Aufwand schaffen.»
Ein Kollege formuliert sein Anliegen nach mehr Ruhe und Ordnung in einer Frage:
A3 «Gibt es allgemeingültige Methoden, Modelle oder Hilfestellungen, die effizient und effektiv sind, um Verhaltensauffälligkeiten in den Griff zu bekommen?»
Disziplin ist kein neutrales Wort. Einerseits ist es für viele von uns aus biografischen Gründen belastet, andererseits ist es in der Vergangenheit (nicht nur im letzten Jahrhundert) für menschenverachtende Haltungen verwendet worden. In der schwarzen Pädagogik (Pädagogik, die sich repressiver Mittel bediente) waren Disziplin und Angst Begriffe, die zusammengehörten. Bevor auf die theoretischen Hintergründe eingegangen wird, lassen wir Beispiele zum Themenkreis Disziplin sprechen.
B Beispiele
B1 Der Schwimmunterricht der 5. Klasse ist beendet, und die Schülerinnen und Schüler sollen das Schwimmbad verlassen. Doch Leo fragt: «Darf ich nicht noch schnell eine Länge tauchen?» «Nein», antwortete die Lehrperson, «du kannst das nächste Mal wieder schwimmen und tauchen.» Leo gehorcht nicht und springt ins Wasser.
B2 Der Sportlehrer der Sekundarschule gibt Kevin eine Anweisung. Der Junge weigert sich, dieser zu folgen. Erneut fordert der Sportlehrer ihn auf, der Aufforderung Folge zu leisten. Daraufhin spuckt Kevin vor dem Lehrer auf den Hallenboden.
B3 Matthias (Sekundarschule) hat zum dritten Mal in diesem Semester die Hausaufgaben nicht gemacht. Dies ist der fünfte Eintrag, weil er ausserdem zweimal verschlafen hat. Fünf Striche bedeuten an dieser Schule, dass Matthias eine Unterschrift der Eltern braucht und am folgenden Mittwochnachmittag in der Schule arbeiten muss. Diese Regeln sind schriftlich festgelegt und allen bekannt. Matthias ist aufgebracht und beginnt laut zu lamentieren, will sofort darüber diskutieren, um den Eintrag abzuwenden. Er merkt, dass ihm das nicht gelingt, und wird immer lauter und unbeherrschter. Auf eine Ermahnung der Lehrerin hin steht er auf, geht zum Zimmer hinaus und wirft die Türe zu. Die Lehrerin weiss aus Erfahrung, dass sie am Abend einen Anruf der Eltern erhält, die ihr Vorgehen aufs Schärfste missbilligen.
B4 «Ein spezieller Stress war die Pausenaufsicht. Es gab dauernd Raufereien, hier eine versprayte Wand, da wieder mal einen kleinen Brand auf der Toilette, dort primitive Sprüche hinter meinem Rücken. Hey, fick dich, Hurensohn!» (Beglinger 2008, S. 16)
Hinter jeder Situation steht eine passive oder aktive Weigerung, sich an eine Anweisung, Ordnung oder Regel zu halten – mit zum Teil mehr als respektlosen Reaktionen. Es gibt auch die Auffassung, dies seien alles Situationen, in denen das Probierverhalten von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehe. Wäre dies die ausschlaggebende Motivation, würde dies ebenso eine Reaktion der Lehrperson verlangen. Die Reaktion auf ein Missachten von Regeln gehört zum Beruf der Lehrperson und ist unter anderem ein Element der Klassenführung.
Schlagzeilen wie «Kampfzone Klassenzimmer» (Esser 2007), «Alle gegen den Lehrer» (Guggenbühl 2010), «Entzauberung des Lehrers» (Peterhans 2011) sind häufig und bringen eine Ohnmacht zum Ausdruck – Ohnmacht, die vielleicht auch den einen Leser oder die andere Leserin der Beispiele beschleicht.
Ob die Disziplinlosigkeit ein Zeichen der heutigen Zeit ist, wird kontrovers diskutiert. Dies ist aus den Buchtiteln «Lob der Disziplin» (Bueb 2007) und «Aberglaube Disziplin» (Arnold 2007) ersichtlich. Diese bekannte Kontroverse ist aber nicht Gegenstand dieses Kapitels. Dessen ungeachtet sind Störungen im Unterricht heute ein Thema, das viele Lehrende und Lernende beschäftigt (→ Kapitel 1, Der «schwierige Schüler»). Tatsache ist, dass nicht wenige Lehrpersonen vermehrte Respektlosigkeit seitens der Lernenden beklagen und sich in diesem Zusammenhang oft alleingelassen fühlen.
Im Folgenden soll der Umgang mit Disziplinlosigkeit in der Schule im Vordergrund stehen mit den Fragen: Was heisst Disziplin? Welches sind die Faktoren, welche die Disziplin beeinflussen? Und wie begegnet man Disziplinschwierigkeiten?