Kitabı oku: «Hinter hessischen Gittern», sayfa 3

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7

Eine Viertelstunde später saß Kurz im Büro von Jan Gerber. Der Sicherheitsdienstleiter betrachtete ihn genauer. Ein kleines Männlein, etwa ein Meter 60 groß und schmächtig, seine dünnen Ärmchen sahen aus, als würden sie bei der geringsten Anstrengung zerbrechen. Auf seinem Vollstreckungsblatt, eine Din A4 Seite, auf dem der Grund der Inhaftierung und eventuelle Vorstrafen vermerkt waren, stand nur die derzeitige Haftstrafe: wiederholtes Fahren ohne Führerschein unter Alkoholeinfluss, was ihm zwei Jahre ohne Bewährung einbrachte. Der Gesichtsausdruck von Kurz sprach Bände, er ahnte, weshalb er im Büro des Sicherheitsdienstleiters saß. Sein Blick war nach unten gerichtet, und er knetete nervös seine Finger.

»Also, Herr Kurz«, begann Gerber, seine Stimme war freundlich. »Frau Saletti hat dieses Tütchen mit Heroin in einem Ihrer Sportschuhe gefunden.« Jan hielt die Drogen direkt vor seine Nase. Kurz blickte auf, seine Augen flatterten hektisch hin und her.

»Das kann nicht sein«, sagte er, »ich nehme keine Drogen.« Die letzten Worte waren kaum zu verstehen. Gerber hob den Sportschuh hoch und fing gerade an, die Sohle herauszunehmen, als Kurz rief: »Das ist nicht mein Schuh!«

Maria und Jan blickten sich an.

»Aha, und wessen Schuh ist das dann, in Ihrer Zelle?«, fragte Maria.

»Weiß ich nicht, aber der sieht auch viel zu groß aus für mich.« Kurz hatte rote Flecken am Hals und schluckte nervös.

»Wenn das nicht Ihr Schuh ist, warum ist er dann in Ihrer Zelle?« Gerber sah Kurz durchdringend an.

»Ich kenne diesen Schuh gar nicht. Ich habe Schuhgröße 40 und der ist mindestens 43, das sieht man doch.« Kurz wurde langsam sicherer, seine Stimme wurde fester.

»Nun gut, Herr Kurz«, fuhr Gerber fort, »wir nehmen das mal so zu Protokoll.«

»Aber wo sind dann Ihre Sportschuhe? Ich habe nur dieses eine Paar in Ihrer Zelle gefunden.« Maria stand direkt vor Kurz. Der kleine Mann musste seinen Kopf in den Nacken legen, um Maria in die Augen zu blicken.

»Ich habe keine Sportschuhe, oder sehe ich aus, als ob ich hier unten in die Muckibude gehe?« Kurz schob den kurzen Ärmel der Arbeitsjacke nach oben, damit man seine Spatzenärmchen in voller Pracht sehen konnte. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er war sich sicher, man konnte ihm nichts nachweisen.

Eine Wespe flog gerade geräuschvoll von innen an die Fensterscheibe des Büros, sie hatte das offene Fenster nur um einige Zentimeter verfehlt. Karl-Heinz Kurz lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete, wie Maria ein Glas aus dem Regal nahm und es über das brummende Tier stülpte.

»Sie dachte, sie wäre frei, dabei habe ich sie in der Hand«, sagte Maria und schob ein Blatt Papier unter das Glas. Die Wespe war gefangen.

»Also gut«, sagte Gerber, »dann bringt Sie ein Kollege mal wieder zu Ihrem Arbeitsplatz.«

Als Kurz das Büro verlassen hatte, sahen Jan und Maria enttäuscht aus dem Fenster.

»Für wen bunkert der das Dope, das ist hier die eigentliche Frage.« Gerber kratzte sich hinter dem rechten Ohr.

»Das werde ich noch herausfinden.« Sie betrachtete den Schuh genauer, ein Nike Basketballschuh Größe 43. »Irgendwer wird ihn sicher die Tage vermissen. Mal sehen, wer in seiner Zelle keine Turnschuhe hat.«

»Da hast du ja was vor.« Gerber ließ das Plastikrollo am Fenster runter. Ein verzweifelter Versuch, die Affenhitze im Büro ein wenig zu mildern. Die Luft war heiß, es war kaum auszuhalten. Maria ging zum Waschbecken und ließ kaltes Wasser über ihre Unterarme laufen. Dies brachte ein wenig Abkühlung. Die Wespe kämpfte im Glas um ihr Leben, bis Maria zum Fenster ging, das Glas durch das Gitter aus dem Fenster hielt und sie in die Freiheit entließ.

»Aber das Heroin haben wir. Vielleicht wird Kurz, wenn er nicht liefern kann, so unter Druck gesetzt, dass er bei uns freiwillig auspackt.« Jan Gerber setzte sich an seinen Computer und begann, seinen Bericht für die Kripo zu schreiben.

Maria sah aus dem Fenster und beobachtete die Mauersegler, die schreiend ihre Kreise immer an den Gefängniswänden entlang zogen. »Wenn ich logisch überlege, kommen nicht viele Gefangene für das Heroin infrage. Eigentlich nur die Russen, oder?«

Gerber war ganz in seinen Text vertieft und hatte Maria nur halb zugehört. Ohne aufzusehen sagte er: »Ja, aber die Russen, das weißt du selbst, bunkern nicht bei Nichtrussen.«

»Stimmt, also sagen wir mal, die scheiden aus. Wer konsumiert noch Heroin?« Maria sah im Geiste einige Gefangene ihrer Station. War ihr da schon einer aufgefallen?

»Am besten, du gehst die Vollstreckungsblätter durch, wer wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz einsitzt. Oder aber du siehst dir die Herren genauer an. Wer könnte auf Heroin sein? Vielleicht hat dann einer noch Schuhgröße 43, dann sind wir dem Ganzen schon näher.«

»Oh, Mann. Ich glaube, der Kurz hat soeben überhaupt nicht begriffen, dass er nun ein echtes Problem hat.« Maria griff sich die Wasserflasche, die auf dem Tisch stand und goss sich ein großes Glas ein.

»Ja, er dachte, wir wären sein Problem. Dabei bekommt er bestimmt mit demjenigen Stress, dem das Heroin gehört.«

8

Susanne Herzberg hatte den gesamten Vormittag mit ihren Angestellten die Einführung einer neuen Anti-Aging-Creme geplant. Marketing war in der heutigen Zeit fast noch wichtiger als das eigentliche Produkt. Wie konnte sie die Kundinnen von der neuen Creme überzeugen? Nach und nach spürte sie immer stärker werdende Kopfschmerzen, und auch ihr Nacken war total verspannt.

»Also, ich denke, für heute machen wir Schluss. Wenn jemand noch eine gute Idee hat, kann er sie mir mailen oder bis Freitag zu Papier bringen, wir treffen uns hier um 9 Uhr. Alles klar?« Susanne sah fragend in die Runde. Ein Raunen ging durch den Raum. Alle Anwesenden waren mindestens so abgekämpft wie sie selbst. Die Hitze des Sommers war kaum zu ertragen. Seit Monaten war kein Tropfen Regen gefallen, und das Thermometer kletterte beständig über 30 Grad, da wurde selbst die robusteste Natur schwach. Obwohl Tag und Nacht die Klimaanlagen liefen, waren die Räume aufgeheizt und stickig. Susanne stand auf, sofort war Katie an ihrer Seite und trottete neben ihr her durch den langen Flur zu ihrem Büro. Frau Krüger, ihre Vorzimmerdame und der Fels in der Brandung, hatte die eingegangene Post bereits für sie bereitgelegt.

»Gibt es etwas Wichtiges in der Post?« Susanne stand am Kühlschrank und holte eine Flasche Wasser heraus.

»Nein, ein paar Rechnungen, aber sonst nichts von Bedeutung. Im Moment ist es ja angenehm ruhig, viele sind im Sommerurlaub. Sagen Sie, fahren Sie dieses Jahr denn nicht an die Ostsee? Die Hitze ist dort sicherlich besser zu ertragen. Die letzten Jahre waren Sie immer um diese Zeit dort.« Frau Krüger richtete bei diesen Worten den kleinen Tischventilator direkt auf ihr Gesicht.

»Doch, ich möchte noch nach Usedom fahren, mir war wichtig, erst noch die Kampagne mit der neuen Creme ins Laufen zu bringen. Sie kennen mich doch, ich beiße mich an so etwas fest und vergesse darüber, dass man auch mal entspannen muss. Sowie das erledigt ist, packe ich meine sieben Sachen und bin weg. Sie haben recht, ich werde das gleich fix machen, sonst komme ich nie hier raus.« Susanne lächelte und ging eilig in ihr Büro, dabei ließ sie die Tür zu ihrem Vorzimmer offen. Jeder Luftzug, und war er auch noch so schwach, brachte ein wenig Abkühlung. Das moderne, großzügige Büro mit seinen bodentiefen Fenstern drückte eine schlichte Eleganz aus. Dicker Teppichboden schluckte jedes störende Geräusch, und eine kleine Sitzgruppe in der Ecke lud zum Verweilen ein. Auf ihrem gläsernen Schreibtisch herrschte das Chaos. Sie drückte auf ihrem Telefon die Schnellwahltaste und schaltete den Lautsprecher ein, damit sie während des Telefonats mit ihrem Mann einige Unterlagen sortieren konnte. Nach dreimaligem Signalton meldete er sich:

»Was gibt es denn?« Seine Stimme klang deprimiert. Susanne hoffte, mit ihrem Telefonat seine Stimmung ein wenig aufzubessern:

»Schatz, Frau Krüger hat mich gerade daran erinnert, dass wir ja eigentlich wieder nach Usedom fahren wollten. Was meinst du? Wenn das Hotel ein Zimmer frei hat, könnten wir doch morgen Mittag losfahren, oder?« Susanne hörte, wie Dirk tief einatmete und dann sehr ungehalten in den Hörer brüllte: »Glaubst du, ich kann in der Situation, in der ich mich befinde, in Urlaub fahren? Mir steht das Wasser bis zum Hals. Ich habe andere Sorgen. Ich fahre heute Abend noch in die Schweiz. Wenn du nicht so unsensibel wärst, würdest du so etwas nicht vorschlagen.« Sie hörte nur noch ein Klicken, er hatte aufgelegt.

9

In der Bahnhofshalle war es etwas kühler als auf der Straße. Frank Hattinger sah sich um. Menschen aller Herren Länder waren an diesem Ort versammelt. Reisende, die noch einen Kaffee trinken wollten, bevor sie mit ihrem Koffer zum Zug eilten, Büroangestellte mit ihrem Aktenkoffer in der Hand. Roma-Mädchen liefen mit Leidensmiene von Passant zu Passant, um ein paar Euro zu erbetteln. An den Tischen einer bekannten Fast-Food-Kette sah sich eine alte Frau mit abgewetzter, aber sauberer Kleidung auf den Tischen um, ob vielleicht jemand eine Pfandflasche oder auch etwas zu essen hatte liegen lassen. Die Welt hier draußen war eine andere geworden. Glaubte er es nur, oder war es tatsächlich so, dass es viele arme Menschen in Frankfurt gab? Sein Kaffeebecher war leer, und er suchte mit seinem Smartphone die Adresse eines Internet-Cafés in der Nähe. Nach kurzer Zeit hatte er eines in der Speyerstraße gefunden. Das war gleich um die Ecke. Er zog sich das Basecap von Thomas Enders tiefer ins Gesicht und verließ den Bahnhof. Mit dieser hässlichen Kappe würde ihn so schnell niemand erkennen. Seine Laune konnte nicht besser sein, als plötzlich sein Handy klingelte. Auf dem Display erschien der Name seines Rechtsanwalts Doktor Kriebel.

»Guten Morgen, Herr Hattinger, gut, dass Sie ans Telefon können. Wie ist der erste Tag in der Schule?« Kriebels sonore Stimme klang freundlich.

Frank Hattinger fühlte sich ertappt. Er spürte, wie sein Gesicht rot wurde. Schnell sagte er: »Gut ist die Schule. Gut. Ich bin mir sicher, das schaffe ich.« War es die Hitze oder schwitzte er aus Angst plötzlich so.

»Weshalb ich Sie anrufe: Falls es irgendwo Schwierigkeiten gibt, melden Sie sich bitte sofort bei mir. Sie wissen, ich habe gute Beziehungen zur Vollstreckungskammer. In der Anstalt ist man ja nicht ganz so glücklich darüber, dass Sie täglich den geschlossenen Vollzug verlassen. Also bitte, wenn was sein sollte, rufen Sie umgehend an.«

Hattinger vernahm noch ein Räuspern und sagte dann schnell: »Geht klar, Herr Kriebel. Ich melde mich.« Er sah auf sein Handy. Kriebel hatte aufgelegt. Hattinger war einigermaßen durcheinander. Mit einem Anruf seines Anwalts hatte er am wenigsten gerechnet.

Im Internet-Café angekommen, fing er an, in den einschlägigen Kontaktbörsen nach einer Bekanntschaft für schnellen Sex zu suchen. Seine frühere Suche auf dem Straßenstrich konnte er vergessen. Die Gefahr, in eine Polizeikontrolle zu kommen, war zu groß.

Er suchte nach einem zarten Jungen, der für alles offen war. Schon beim Öffnen mancher Profile wurde er ganz geil. Viele hübsche Gesichter sahen ihn an, die Boys waren mit nacktem Oberkörper zu sehen, manche hatten ihre geilen Hintern fotografieren lassen. Er sah auf die Uhr, die Zeit verging im Netz viel zu schnell. Die Chance, noch einen Lover zu finden, der sich mit ihm sofort in einem Hotel für einen schnellen Fick traf, war gering. »Das muss man auch wieder vorbereiten, vielleicht doch besser unauffällig im Bahnhof nach einem Jungen Ausschau halten«, murmelte er vor sich hin. Er wechselte die Internetseite und sah sich die aktuellen Social Media Seiten an. Facebook gefiel ihm, und er meldete sich unter einem Nickname an. Als Foto nahm er das eines Pferdes, welches er sich vorher aus dem Netz heruntergeladen hatte. Er versuchte sein Glück bei den Foren der Fans von Eintracht Frankfurt und anderen Fußballvereinen. In diesen Foren findet man bestimmt geile Jungs, dachte er. Beim Blick auf die Uhr erschrak er. In wenigen Minuten musste er sich schon wieder auf den Weg nach Dieburg machen. Keinesfalls durfte er zu spät kommen. Er schloss alle Seiten im Computer, setzte sein Basecap wieder auf, ging zum Tresen und bezahlte. Vor der Tür war die Stadt voller Leben, und die Innenstadt von Frankfurt hatte sich enorm aufgeheizt. Die Sportjacke lässig über die Schulter geworfen, ließ er die Sonne auf seine muskulösen Arme scheinen. Unterwegs schrieb er Thomas Enders eine SMS. Nach einigen Minuten antwortete dieser, dass alles glatt gelaufen sei. Jeder hielte ihn für Frank Hattinger, kein Problem. Und die Schule sei ein Witz.

10

Marias Ehrgeiz war geweckt. Wem gehörten diese Sportschuhe? Es ließ ihr keine Ruhe. Sie schloss Zelle für Zelle auf und sah nach.

Hausarbeiter Savic, der Maria immer genau bei ihrer Arbeit beobachtete, wunderte sich: »Frau Saletti, heute übertreiben Sie es aber mit den Zellenkontrollen. Lassen Sie noch ein paar für Ihre Kollegen übrig.« Er stand im Türrahmen und zwinkerte ihr zu.

»Sag mal, Savic, du kannst mir bestimmt sagen, wer hier drin Nike Sportschuhe hat, oder?« Maria sah ihn fragend an.

»Wieso interessieren Sie sich für die Sportschuhe von den Idioten hier drin?«, dann sah er sich um, kam näher und sagte ganz leise: »Die Schuhe, die sie bei Kurz in der Zelle gefunden haben, sind nagelneu. Der Hattinger ist vor Kurzem mit den Dingern hier zum Sport. Aber von mir haben Sie das nicht.« Savic drehte sich um, nahm seinen Schrubber und wickelte den Putzlappen darum. Er sah sie bedeutungsvoll an und wischte dann weiter den Stationsflur.

Jan Gerber stand wenige Minuten später in Marias Büro: »Der Kollege vom Werkbetrieb hat angerufen. Der Kurz hat gerade gesagt, er hätte Angst vor Frank Hattinger.«

»Das passt. Savic hat mir gesteckt, dass die Schuhe Hattinger gehören. Aber was hat der mit Heroin am Hut? Der hat doch gar nichts mit Drogen zu tun?« Maria setzte sich kurz auf den Stuhl.

»Der Hattinger ist bekanntermaßen schwul. Er hat all die Jahre, in denen er im Knast saß, sicherlich nicht keusch gelebt, oder? Irgendeiner wird hier drin mit ihm schon Sex haben. Wer könnte das sein?« Gerber hatte sich mit seinem Stuhl umgedreht und sah Maria fragend an.

»Da kommt eigentlich nur der Ribeiro infrage.«

Jan öffnete im Computer eine Seite. »Und bei der letzten Urinkontrolle war Ribeiro auch positiv auf Heroin.«

Maria schnappte sich ihren Rucksack. »Dann wird er den Ribeiro ab sofort gut mit Stoff versorgen können. Er ist ja seit Kurzem fast täglich im Ausgang.«

11

Pünktlich um 17 Uhr betrat Frank Hattinger die Anstalt. Er gab dem Pfortenbeamten sein Handy, aus dem er zuvor alle SMS und WhatsApp-Nachrichten gelöscht hatte. Die Schweizer Nummer hatte er sich auf einem Geldschein notiert, den er zwischen die anderen in sein Portemonnaie gesteckt hatte. Aus der Schweiz hatte sich niemand mehr gemeldet. Und die Nachricht, die er im Darknet auf einem Marktplatz hinterlassen hatte, war unbeantwortet geblieben. Man brachte ihn in den Nebenraum, damit ein anderer Kollege ihn abtasten konnte. Er war zufrieden, für den ersten Freigang war alles nach seinem Geschmack gelaufen. Dank Thomas Enders hatte er nun wirklich Freigang.

Er setzte sich auf eine Bank und wartete. Am nächsten Tag wollte er gleich richtig loslegen. In den Chatrooms wäre es für ihn ein Leichtes, einen süßen Kerl zu finden, mit dem er die nun gewonnene Freiheit feiern konnte. Obwohl er vor seiner Inhaftierung ab und an Sex mit Frauen gehabt hatte, war dies nach seiner Tat für ihn kein Thema mehr. In seinem Kopf arbeitete es. Was hatte die SMS zu bedeuten? Die Minuten schlichen dahin. Endlich kam ein Beamter und holte ihn ab. Er durchsuchte ihn nur oberflächlich, weder durchsuchte er die Taschen der Jeans noch tastete er ihn ordentlich im Schritt ab. In der Kammer erhielt er seine Knastklamotten, und um 17.30 Uhr war er wieder auf der Station II5. Langsam und ängstlich schlich Carlos Ribeiro sichtlich nervös auf ihn zu. Er knetete seine Hände, und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Vorsichtig sah er sich um und flüsterte:

»Das Dope wurde heute gefunden.«

»Scheiße, dann hast du nun nichts zum Drücken.« Hattingers Miene blieb wie versteinert.

»Ja, aber hoffentlich finden die nicht raus, wem das Zeug gehört.« Ribeiro fing hektisch an, seinen Oberkörper zu kratzen, und fuhr sich durch seine lockigen schmierigen Haare.

»War das Zeug in meinen Schuhen bei dem Kurz in der Hütte?«

»Ja, klar. So, wie du gesagt hast.«

»Dann gibt es kein Problem. Ich melde meine Schuhe als geklaut. Die wurden mir nach dem letzten Sport aus meiner Tasche genommen, als ich unter der Dusche stand. Der Kurz geht nicht zum Sport und hat nichts mit Drogen am Hut. Ich bin kein Junkie. Da dürfen die erst mal Rätselraten. Jedoch wenn du hier weiter so ’nen Affen schiebst, dann können die drei und drei zusammenzählen und nehmen dich in die Mangel. Halte dann ja die Fresse, du weißt, was sonst passiert.« Hattinger sah Ribeiro durchdringend an.

»Mach dir keine Sorgen. Ich kann schweigen.« Ribeiro schleppte sich mit hängenden Schultern zu seiner Zelle. Als Hattinger sich umdrehte, entdeckte er Hausarbeiter Savic, der etwa drei Meter entfernt bewegungslos auf einem Stuhl saß und zwar in eine andere Richtung blickte, aber garantiert das Gespräch mitverfolgt hatte.

»Und du hältst schön das Maul, sonst wird es hier ungemütlich für dich.« Hattinger ging zwei Schritte auf ihn zu und baute sich vor ihm auf.

»Ich weiß nicht, von was du redest. Was willst du von mir?« Savic setzte seine Unschuldsmiene auf.

»Du hast mich schon verstanden.« Hattingers Blick durchbohrte ihn.

»Jaja, alles klar.« Savic konnte drei und drei zusammenzählen. Er war Hattinger ganz klar körperlich unterlegen und trollte sich.

Als Hattinger seine Zelle betrat, sah er auf den ersten Blick, dass jemand den Raum durchsucht hatte. Siegessicher setzte er sich hin und nahm sich ein Formular. Wie es für ihn üblich war, richtete er seine Anliegen stets an den für ihn zuständigen Beamten in der JVA, Anstaltsleiter Richard Meurer. Hiermit melde ich meine Nike Turnschuhe Gr. 43 als gestohlen. Frank Hattinger. – Die Schweizer SMS ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Mittwoch, 5. September

1

Er war zu weit gegangen, verdammt noch mal. Dirk Herzberg saß zusammengesunken hinter seinem Schreibtisch. So fühlte es sich also an, wenn die Welt unter einem zusammenbrach. Die Fahrt in die Schweiz hatte bisher auch nicht das Ergebnis gebracht, das er sich erhofft hatte. Vor diesem Augenblick hatte er sich immer gefürchtet. Alles zu verlieren, für das er jahrelang gekämpft hatte. Dabei sah bis vor einem Jahr alles noch so gut aus. Er hatte mit Investments ein stattliches Vermögen aufgebaut. Es schien wie von selbst zu laufen, und so wurde er immer mutiger und leider auch leichtsinniger. Der Spruch Gier frisst Hirn traf leider auch auf ihn zu. Anstatt mit sicheren Investitionen weiter langsam voranzukommen, wollte er den ganz großen Wurf auf einmal. Eine Rendite von 20 Prozent lockte ihn, einen großen Teil seines Vermögens in Aktien zu investieren, die ihm ein guter Freund und angeblicher Insider an der Börse empfohlen hatte. Es kam, wie es kommen musste, die Insiderinformationen erwiesen sich als falsch, und die Aktie stürzte ins Bodenlose. Er verlor innerhalb weniger Tage fast sein gesamtes Vermögen. Die Schmach, diesen Verlust vor seiner Frau, die zeitgleich ihrem unternehmerischen Höhepunkt entgegenstrebte, zuzugeben, kostete ihn eine Menge Überwindung. Aber er musste es tun, die Leasingfirma seines Mercedes hatte die überfälligen Raten bereits dreimal angemahnt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann der Wagen abgeholt wurde.

Susanne hatte den Ernst der Lage nicht erkannt, denn sonst hätte sie ihn nicht mit Urlaubsplänen behelligt, aber wie sollte sie auch verstehen, wie das war, wenn man am Abgrund stand. Der Schweiß lief ihm in Bächen den Rücken runter. Seinen Angestellten hatte er bereits vor Wochen gekündigt, jedoch rief der eine oder andere noch an und erinnerten ihn an die offene Lohnzahlung. Freunde aus seiner Studentenzeit, darunter sein Freund Michael, hatten ihm vertraut. Es war zum Verzweifeln. Sie alle hatten viel Geld verloren. Zum Golfplatz nach Groß-Zimmern traute er sich nicht mehr. Der heiße Tipp seines »Insiders« hatte auch den einen oder anderen Golffreund schmerzlich getroffen. Irgendwie musste er schleunigst an Geld kommen.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
312 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783839269206
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