Kitabı oku: «Ein gefährliches Alter», sayfa 4

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17 Ich stand auf, stellte mich ans Fenster und sah hinaus. Es war nicht viel los; ein einzelner Polizist in Uniform schritt über den Kiesplatz.

«Gibt es hier drinnen einen Rauchmelder?» Ich wandte mich Koller zu.

Der schüttelte stumm den Kopf.

«Gut.» Ich zog ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten aus der Tasche, hielt es ihm hin. «Sie auch?»

Diesmal nickte er. Er trat zu mir, öffnete das Kippfenster einen Spalt. «Mehr geht nicht. Fluchtgefahr», erläuterte er knapp und griff nach den Zigaretten.

Wir befanden uns in der dritten Etage. Ich warf einen Blick nach unten. Nur Lebensmüde würden aus dieser Höhe einen Fluchtversuch wagen.

Wir rauchten und schwiegen. Ab und zu schnippte einer von uns die Asche aus dem Fenster. Ich wartete. Er wollte mir etwas mitteilen. Irgendwann würde er damit anfangen.

«Schlimme Sache das mit Luca.»

Ich gab einen zustimmenden Laut von mir, stiess Rauchwolken aus.

«Nina lügt», fügte Koller hinzu.

Wieder stimmte ich wortlos zu. Nina log. Aber warum log sie? Was war wahr an ihrem Geständnis und was nicht? War der Tod von Luca am Ende gar Absicht gewesen?

«Sie war es nicht.»

Ich verschluckte mich am Rauch und musste husten. Das überraschte mich nun doch.

«Geht es?» Koller sah mich besorgt an.

Ich nickte. Mir tränten die Augen. Ich zog noch einmal an meiner Zigarette, sah mich suchend nach einem Aschenbecher um.

«Einfach raus damit.» Er drückte seinen Stummel am äusseren Fensterrahmen aus, liess ihn fallen. Er landete auf dem Vordach über dem Haupteingang. «Geht ja nicht ins Grundwasser.»

War das seine Art von Humor? Äusserst trocken, sogar für meine Verhältnisse. Ich lächelte schwach und schnippte meine Kippe ebenfalls nach draussen, sah ihr nach. Dann sah ich Koller in die Augen. «Reden wir Klartext.»

«Ich will Ihnen etwas zeigen.» Koller trat zu seinem Schreibtisch, nahm einen Briefbeschwerer aus Glas zur Hand, ein massives Teil. Er hob den Arm nach oben, zielte auf meinen Kopf. «So ist Luca erschlagen worden, von schräg hinten gegen den Hinterkopf.» Koller beendete seine Demonstration, nahm ein Blatt Papier zur Hand, fasste sich mit der anderen Hand an den Hinterkopf knapp über dem Nacken. «Das ist das Hinterhauptbein, die Stelle über dem Nacken.» Dann sah er auf das Blatt. Es war vermutlich der Obduktionsbericht. Koller zitierte daraus. «Todesursache ist ein schweres Schädelhirntrauma im Kleinhirnbereich. Wahrscheinlich ist der Tod sofort eingetreten. Die Wunde wurde von einem einzigen, sehr heftigen Schlag verursacht. Bei der stumpfen Waffe handelt es sich vermutlich um einen abgerundeten Zylinder aus hartem Material, Metall oder Holz.» Er sah hoch. «Luca ist nicht gefallen. Und an der Tischtennisplatte ist kein Blut gefunden worden.»

«Es war kein Unfall.»

«Es war kein Unfall», wiederholte Koller. «Und Nina ist nicht die Täterin. Rein physisch ist das unmöglich. Sie ist um einiges kleiner als Luca. Der Täter hatte wohl etwa die gleiche Grösse.» Wieder hob er den Briefbeschwerer.

«Vielleicht stand sie auf einem Mäuerchen? Auf dem Tischtennistisch?»

Koller schüttelte den Kopf, setzte sich. «Da gibt es kein Mäuerchen. Der Tisch ist zu hoch. Ausserdem gibt es eine Reihe anderer Ungereimtheiten in Ninas Geschichte.» Er nahm seinen Kugelschreiber zur Hand, sah auf das Papier vor ihm. «Sie hat die WhatsApp angeblich gelöscht, sie weiss nicht mehr, wann sie mit Luca zusammen war, dabei ist Ostern gerade mal zwei Wochen her …»

«Und bei der Frage nach seinem Handy hat sie gelogen», warf ich ein. Ich erzählte Koller, was Nina am Tag zuvor zu Lucas Handy gesagt hatte. «Wurde es geortet?», fragte ich.

Koller verneinte.

«Also ausgeschaltet.»

«Und vermutlich Akku raus. Da weiss jemand Bescheid.»

«Auswertung der Handydaten von Luca?»

«Noch nicht da.»

Ich dachte über Nina nach. Ich war verwirrt. Weshalb sollte sie eine solche Story erfinden? Was hatte sie davon?

Koller klickte, wie schon bei Ninas Befragung, mit seinem Kugelschreiber. Das Geräusch war nervtötend. Plötzlich stoppte er, beugte sich in seinem Stuhl vor und sah mich mit seinen hellen Augen an. «Nina hat Luca nicht getötet. Aber sie hat ihn gehasst. Die Wut, die war nämlich echt.»

18 Koller musste Nina mit ihrem falschen Geständnis konfrontieren. Er wollte herausfinden, was der Grund dafür war. Schützte sie jemanden? Versuchte sie, die Ermittlungen zu sabotieren? Nicht, dass diese schon sehr weit gediehen wären. Koller gab zu, dass sie momentan auf der Stelle traten, die Befragung der engsten Freunde und Bekannten hatte nichts ergeben, die Auswertung der Handydaten und der kriminaltechnischen Untersuchung liess auf sich warten. Einzig der provisorische Obduktionsbericht lag vor. Bei Kindern arbeitet die Rechtsmedizin schneller. Und Luca war mit seinen fünfzehn Jahren noch immer ein Kind.

Ich wollte kurz mit Nina allein sprechen. Koller verliess das Büro und schickte sie herein. Ich sagte ihr auf den Kopf zu, dass sie gelogen hatte. Ich war nicht wütend, aber ich war auch nicht besonders freundlich. Etwas in Ninas Gesicht verschloss sich. Sie sprach nicht mit mir. Koller verweigerte sie anschliessend ebenfalls jegliche Antworten, so sehr er versuchte, sie zum Reden zu bringen. Schliesslich ordnete Koller seufzend an, dass Ninas Fingerabdrücke genommen wurden. Vielleicht war sie ja doch am Tatort gewesen, hatte aber den Schlag nicht ausgeführt. Auch ihre Handydaten würden ausgewertet werden. Danach entliess man uns – fürs Erste.

Die ganze Zeit über blieb Nina stumm wie ein Fisch. Erst als wir auf ihre Mutter zugingen, sagte sie etwas. Sie sagte: «Reden Sie mit ihr? Bitte.»

«Was? Gelogen?» Frau Behrens war ausser sich. Sie packte Nina an den Oberarmen und schüttelte sie. «Du hast mich belogen? Du hast Luca nicht umgebracht?»

Ich legte ihr beruhigend die Hand auf die Schultern. «Frau Behrens. Wir sind nicht allein.»

Tatsächlich wurden wir angestarrt; Frau Behrens Stimme war auf dem ganzen Stockwerk zu hören.

«Weshalb hast du das getan?», schrie sie. «Weshalb? Bekommst du dermassen wenig Aufmerksamkeit?» Sie versuchte Nina zu schlagen, aber es war keine gewalttätige Geste, vielmehr Ausdruck äusserster Hilflosigkeit. «Weisst du, was du mir angetan hast? Weisst du das?»

Tränen liefen über Ninas Gesicht. Sie sagte kein Wort. Irgendwie gelang es mir, die beiden nach draussen zu lotsen, die eine links, die andere rechts. Ich steuerte auf einen der wenig genutzten Rundbänke zu, die auf dem Kiesplatz vor dem Gebäude der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft stehen.

«Jetzt wird erst einmal geraucht», verkündete ich. Rauchen war immer gut. Ich zündete eine Zigarette an, reichte sie Nina, dann tat ich das gleiche für Frau Behrens und schliesslich kam ich selbst zum Zug. Die Gemüter schienen sich etwas zu beruhigen. Ich inhalierte und sah in den blauen Himmel hinauf. Ein hübsches Lüftchen wehte. Ich schloss kurz die Augen und stellte mir vor, was für ein Leben ich führen könnte. Ein Leben ohne Mandanten, ohne Verbrechen, ohne Abgründe. Ich öffnete die Augen wieder. In der Ferne türmten sich dunkle Wolken auf. Bald würde es wieder regnen.

«Mama, ich habe dich noch nie rauchen sehen», sagte Nina. Frau Behrens liess den Oberkörper nach vorne fallen und brach in Tränen aus.

19 Ich kontrollierte mit der Hand die Temperatur des Badewassers, liess mehr heisses Wasser hineinfliessen. Im Bademantel ging ich in die Küche, nahm eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank und goss mir ein Glas ein. Ein einsamer Sonnenstrahl fiel durch das Fenster und liess den Wein hellgelb leuchten.

Zurück im Bad stellte ich das Glas auf den Wannenrand, liess den Bademantel zu Boden fallen und glitt vorsichtig ins Wasser. Es war wohlig warm und roch zart nach Lavendel. Ich streckte die Hand nach meinem Glas aus, trank einen ersten Schluck. Den hatte ich mir wahrlich verdient.

Der Nachmittag mit Nina, Koller und Frau Behrens war kein Zuckerschlecken gewesen. Erst die Einvernahme, dann hatte ich Nina und ihre Mutter nach Hause begleitet; ich hatte sie nicht gleich allein lassen wollen. Frau Behrens hatte abwechselnd geweint oder auf Nina eingeschrien und wirkte alles in allem wie eine Frau kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Nina, stumm und blass, zeigte keine Reaktion, sondern liess die Mutter auflaufen. Teenager. Mich schauderte.

Ich lehnte mich entspannt zurück, nahm noch einen Schluck, behielt den kühlen Wein einen Moment im Mund. Im Wohnzimmer klingelte mein Handy. Ich entschied, dass der Anruf nicht wichtig sein konnte. Auf jeden Fall nicht wichtig genug, um meine Wohlfühloase zu verlassen. Das Handy verstummte.

«Na, wer sagt’s denn», flüsterte ich vor mich hin.

Kaum ausgesprochen, klingelte es von Neuem. Und nach einiger Zeit ein drittes Mal. Ich seufzte missmutig. Widerwillig hievte ich mich aus der Badewanne. Mit dem Fuss stiess ich gegen das Weinglas, es fiel zu Boden, Scherben und Wein verteilten sich auf den weissen Steinplatten. Ich fluchte laut. Im Gehen schlüpfte ich in meinen Bademantel.

«Das hat ja gedauert», sagte Béjart anstelle einer Begrüssung.

Danke, du mich auch, dachte ich.

«Warst du unter der Dusche?», fuhr Béjart fort.

Ich ignorierte die Frage. «Ich hoffe, es ist wichtig», schnauzte ich stattdessen.

«Es geht um heute Abend. Ich fürchte, wir müssen die Pizza verschieben.»

«Du fürchtest?», ahmte ich ihn nach.

«Ich habe Lily. Aimée muss für einen kranken Kollegen die Nachtschicht übernehmen.»

Lily ist Béjarts fünfjährige Tochter. Sie ist an zwei Tagen pro Woche bei Béjart, den Rest bei der Mutter. Wenn einer der beiden verhindert ist, springt der andere ein. So wie an diesem Abend.

«Es tut mir leid, Moira.»

«Kein Problem.» Ich überschlug im Kopf den Inhalt meines Kühlschranks. Es würde wohl wieder bei Pasta mit gekauftem Pesto bleiben. Beim Gedanken daran seufzte ich.

«So schlimm?», fragte Béjart spöttisch.

Ich errötete. «Ich seufze nicht wegen dir. Ich hab nichts zu essen hier.» Meine Rechtfertigung klang ziemlich lahm.

«Komm zu mir», lud Béjart mich spontan ein. «Ich koche uns was, bringe Lily zu Bett, und dann können wir uns unterhalten.»

«Ich weiss nicht.» Ich wollte mich nicht aufdrängen.

«Ich bin ein guter Koch.»

Das war er tatsächlich; ich hatte auch schon das Vergnügen gehabt.

«Und du hast Lily noch nicht kennengelernt. Komm schon. Sie wird sich freuen.»

Ich hatte Lily kennengelernt. Béjart hatte es vergessen. Im Zusammenhang mit dem Verschwinden meiner Schwester hatte ich im letzten Jahr Aimée, die Mutter von Lily, befragt. Sie ist Polizistin, spezialisiert auf verschwundene Personen. Leider hatte sie mir nicht weiterhelfen können. Bei unserem Gespräch hatte sie Lily dabeigehabt.

«Ich kanns nicht gut mit Kindern», sagte ich.

«Woher willst du das wissen?», fragte Béjart. «Hattest du jemals mit einem zu tun?»

Ehrlicherweise musste ich diese Frage verneinen. Ich habe mit Kindern nicht viel am Hut.

«Ausserdem ist Lily nicht irgendein Kind», sagte er voll Vaterstolz.

Nein, natürlich nicht. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Ich unterdrückte einen weiteren Seufzer.

«Also gut», kürzte ich diese Unterhaltung ab, «wann soll ich bei euch sein?»

Nach dem Telefonat liess ich das Bad Bad sein. Stattdessen kehrte ich die Scherben zusammen, wischte den Boden. Dann zog ich schnell einen Pulli und eine Jeans über, kämmte meine Haare und legte einen Spritzer Parfum auf. Ich musste, bevor ich zu Béjart fuhr, kurz in die Stadt. Ich musste etwas für Lily kaufen. Kinder waren mir unbekannte Wesen. Ich begegnete ihnen lieber nicht mit leeren Händen.

20 «Los, kommt.» Nina stürmt aufgeregt voraus. «Lasst uns da drüben läuten.» Sie deutet auf die alleinstehenden Häuser auf der anderen Strassenseite.

Mathilda bleibt stehen, wirft einen unruhigen Blick auf ihre Uhr. Es ist kurz vor zehn. «Ich muss nach Hause, Nina. Ich bekomme sonst Ärger.»

«Nur noch da. Komm schon, Matti.»

«Geht ihr allein. Ich hab mehr als genug Süssigkeiten.» Mathilda hebt die volle Tüte hoch.

«Nina, lass es. Wir waren lange genug unterwegs.» Alisar ist wie immer die Stimme der Vernunft.

«Nur noch an einer Tür. Bitte. Es macht solchen Spass.»

Mathilda seufzt. Wenn Nina sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bringen sie keine zehn Pferde davon ab. Aber für sie läuft die Uhr. Ihre Mutter versteht überhaupt keinen Spass, was Unpünktlichkeit anbelangt. «Wisst ihr was? Ich gehe nach Hause, und ihr bleibt noch.»

«Aber es ist dunkel.» Nina schaut sie an.

Mathilda muss grinsen. «Es ist Ende Oktober und beinahe zehn Uhr abends. Da ist es üblicherweise dunkel.»

«Hast du keine Angst, allein zurückzugehen?» Alisar schaut von Mathilda zu Nina. «Ich weiss nicht, Nina. Sie ist erst vierzehn.»

Widerstand regt sich in Mathilda. «Vierzehneinhalb», sagt sie kühl. «Ich bin kein Baby, Alisar. Ich schaffe das. Ich wohne fünf Minuten von hier.» Alisar benimmt sich immer, als sei sie, Matti, völlig unfähig. Sie geht zu Nina, küsst sie auf die Wange, macht dasselbe bei Alisar. «Viel Spass noch ihr beiden.» Sie dreht sich resolut um, geht los.

«Bist du sicher?», ruft Nina ihr hinterher. Mathilda hebt im Gehen die Hand, winkt. Sie muss nur die nächste Querstrasse nach links und dann alles die Museumstrasse entlang. Sie biegt ab, wirft einen Blick zurück. Nina und Alisar sind nicht mehr zu sehen. Mathilda beschleunigt ihre Schritte. Etwas unheimlich ist es schon, so allein unterwegs in der Nacht. Und hat sie nicht gerade ein Geräusch gehört?

«Süsses oder Saures!» Eine Gestalt im blutbefleckten weissen Hemd und Zombiemaske kommt aus dem Nichts, schneidet ihr den Weg ab. Matti stösst einen erstickten Schrei aus, die Tüte mit Süssigkeiten fällt zu Boden.

Der Zombie krümmt sich vor Lachen. «Heute ein bisschen schreckhaft unterwegs, Mathilda?»

Er kennt ihren Namen. Sie muss keine Angst haben. Sie will nach ihrer Tüte greifen, aber der andere ist schneller.

«Besten Dank, schöne … Was bist du überhaupt?» Er mustert ihr Kostüm durch die Augenhöhlen seiner Maske.

«Lass sie in Ruhe.» Ein Sensenmann hat sich von links genähert. Er nimmt dem Zombie die Süssigkeiten aus der Hand, hält sie Mathilda hin. «Hier.»

«Danke», flüstert Mathilda. Ihr ist noch immer unbehaglich zumute.

«Mann, was soll das?», fragt der Zombie. «Die Beute habe ich mir verdient.» Er will wieder nach der Tüte greifen.

Der Sensenmann schüttelt den Kopf. «Lass sie in Ruhe.»

«Stehst du etwa auf die Braut, Kevin? Ich mein, die Haare sind ja ganz geil, aber der Rest …»

Mathilda schiesst die Schamröte ins Gesicht. Sie macht einen Bogen um die beiden.

«Mathilda», sagt der Sensenmann, «ich …»

Mathilda lässt ihn nicht ausreden. «Ich muss los», sagt sie und stürmt davon.

21 «Schläft sie?», fragte ich Béjart, als er auf den Balkon trat. Ich hatte hier draussen eine Zigarette geraucht, während er Lily zu Bett gebracht hatte. Béjart bewohnte eine hübsche Wohnung in einem alten Bauernhaus am Stadtrand. Von seinem Balkon aus sah man über die Felder und weiter hinten ein Stück Wald.

Er nickte.

«Sie ist süss», sagte ich. Ich musste nicht einmal lügen. Lily war süss; sie hatte langes, seidiges Haar, dunkle Augen und ein glückliches Lächeln.

«Sie sieht aus wie du», sagte ich.

Béjart schwoll die Brust vor Stolz.

«Abgesehen von ihrem Lächeln», fügte ich hinzu. Ich zündete mir noch eine Zigarette an, reichte ihm die Packung. Er nahm sich eine, ich gab ihm Feuer. Mein Gesicht war nah an seinem.

«Was stimmt an meinem Lächeln nicht?», fragte er.

«Du lächelst nie», erwiderte ich. Ich sah Béjart an. Er sah immer ein wenig müde aus, ein wenig traurig und von Sorgen zerfurcht. Ich verspürte plötzlich den Drang, ihn an der Wange zu berühren. Béjart war mein Freund. Vielleicht war er mehr als mein Freund. Aber ich wollte nichts riskieren. Und sowieso: Schwang nicht in den meisten Freundschaften eine Spur körperlicher Anziehung mit?

Ein Geschrei, halb Mensch, halb Tier, liess mich zusammenzucken.

«Schon wieder diese Katzen!» Béjart war ungehalten. «Jeden Abend veranstalten sie ihre Kämpfe.»

Der Moment war vorbei. Ich trat einen Schritt zurück, drehte mich um und spähte über das Geländer in die Dunkelheit. Ich konnte keine Katzen sehen, aber das Geschrei hörte nicht auf.

«Lass uns rein gehen.» Béjart berührte mich am Arm. «Es ist kalt.»

Im Wohnzimmer setzte ich mich auf die dunkle Ledercouch, Béjart sich in einen Sessel mir gegenüber. Zwischen uns auf einer zum Beistelltisch umfunktionierten alten Truhe standen eine Flasche Wein und unsere Gläser. Ich beugte mich vor, griff nach meinem.

«Frau Behrens hat mich gebeten, Nachforschungen anzustellen. Sie will, dass ich herausfinde, wer Luca tatsächlich getötet hat. Sie will wissen, weshalb Nina die Schuld auf sich nehmen wollte.» Ich hatte Béjart, während Lily am Fernsehen das Sandmännchen geguckt hatte, bereits von meinem ereignisreichen Nachmittag erzählt.

«Wie ich dich kenne, hast du eingewilligt.» Béjart griff ebenfalls nach seinem Glas.

Ich zuckte mit den Schultern, nippte am Wein. «Ich musste.»

«Du musstest?», fragte Béjart mit einem ungläubigen Unterton.

Ich fuhr mit dem Finger über den Rand meines Weinglases, versuchte, ihm einen Ton zu entlocken. Ich dachte an Luca und an Nina. Irgendetwas musste vorgefallen sein zwischen ihnen. Wie Koller bemerkt hatte: Ninas Wut war echt. Ich fragte mich, wozu Nina gezwungen worden war. Und von wem.

Ich sah auf. Béjarts Blick ruhte auf mir; seine dunklen, tiefliegenden Augen verrieten nichts über seine Gedanken.

«Du vergisst, dass du Anwältin bist, keine Detektivin, Moira», sagte er sanft.

«Ist das nicht manchmal fast dasselbe?», entgegnete ich.

«Du weisst genau, weswegen du diesen Fall angenommen hast. Aber egal, wie sehr du dich anstrengst, du kannst deine Schwester nicht mehr retten.»

«Meine Schwester nicht. Aber eine andere Fünfzehnjährige.»

Ein Weinen aus Lilys Zimmer unterbrach unsere Unterhaltung. Béjart eilte zu ihr.

Ich trank mein Glas aus und fing dann an, die Küche zu machen. Ich war gerade dabei, die Pfannen abzuwaschen, als Béjart zurückkam. «Alles gut?»

Er nickte. «Nur ein schlechter Traum.» Er nahm ein Küchentuch und begann abzutrocknen. Ich betrachtete ihn. Ich fragte mich, was für eine Art Mann er vor Lily gewesen war. Manchmal wünschte ich, ich hätte, was er hatte. Manchmal wünschte ich, ich hätte etwas zu verlieren.

«Du guckst traurig, Moira.»

Unbewusst hatte ich beim Abwaschen innegehalten. Schnell machte ich weiter. «Alles gut», sagte ich. «Ich habe nur nachgedacht.»

Schweigend machten wir weiter, setzten uns danach zurück ins Wohnzimmer.

Béjart schenkte uns beiden Wein nach.

«Wie geht’s Asim?», fragte Béjart aus heiterem Himmel.

Asim war seit Jahren ein guter Freund von mir. Manchmal half er mir bei meinen Fällen; so hatten Béjart und er sich kennengelernt.

«Er ist für einen Monat in Pakistan bei seiner Familie.»

«Und das «Alibaba»?» Das «Alibaba» war Asims Restaurant, sein Baby.

«Bilal, sein Hilfskoch übernimmt in dieser Zeit. Ich hoffe, er enttäuscht Asim nicht.» Asim nahm es sehr genau, was die Zubereitung seiner Gerichte betraf. Deswegen lief das «Alibaba» seit Jahren gut.

«Vermisst du ihn?»

«Was?» Die Frage überraschte mich.

«Ob du Asim vermisst?» Béjarts Gesichtsausdruck war unergründlich.

Jetzt, wo ich darüber nachdachte, vermisste ich Asim tatsächlich. Ich war es gewohnt, ihn mindestens einmal pro Woche zu sehen, mich im «Alibaba» verköstigen zu lassen oder eine Flasche Wein mit ihm zu trinken. «Ja», antwortete ich.

Béjart sah mich nicht an. Bildete ich mir das ein, oder hatte sich seine Miene verdüstert? Ich nahm die Flasche vom Couchtisch, verteilte den Rest Wein auf unsere Gläser. Er nahm seines, trank einen grossen Schluck.

«Eifersüchtig?», fragte ich Béjart.

Seine Augen bohrten sich in meine. «Habe ich Grund dazu?», fragte er.

Ich erwiderte den Blick und schüttelte wortlos den Kopf.

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