Kitabı oku: «Kreuz Teufels Luder», sayfa 2

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Liliths Mutter

Die Mutter spaltete Holz für den kleinen Ofen im Häuschen. Ein Bauer hatte das Holz für sie aus seinem eigenen Wald geholt. Es war die Bezahlung für die Liebesdienste, die Lilith ihm geboten hatte. Mit Geld konnte er sie nicht bezahlen, denn seine Frau durfte von seinem lustvollen Treiben natürlich nichts wissen. Aber die beiden Frauen in dem kleinen Häuschen mussten schliesslich auch über die Runden kommen. Und da sie keinen Zuhälter hatten, war das Geschäft mit der Liebe für sie nicht ganz einfach.

Genau genommen war die Mutter die Zuhälterin, denn ­Lilith musste ihr das Geld, das sie verdiente, abgeben. Die Mutter sah nicht mehr so frisch aus wie Lilith, die Tochter war für die Männerwelt noch reizvoll. Lilith machte sich hübsch zurecht für die Männer. Sie wusch sich mit einer süsslich riechenden Seife, deren Duft die Männer mehr liebten als Parfüm. Lilith wählte ihre Aufmachung je nach Freier.

An diesem Tag war hoher Besuch angesagt, und dafür putzte Lilith sich richtig heraus. Sie benutzte sogar Puder und schminkte sich ganz dezent. Ihr langes, blondes Haar band sie zu einem Pferdeschwanz. Sie benutzte rosa Lippenstift, den sie besonders liebte, denn das Rosa passte zu ihrem Gesicht. Sie zog fleischfarbene Strümpfe an, einen hellblauen Mini und eine rosarote Bluse. Und zum Schluss schlüpfte sie in die hellblauen, spitzen Stöckelschuhe. Lilith gefiel sich sehr.

Während sie sich entzückt im Spiegel betrachtete, schweiften ihre Gedanken zu Jakob, der seit jener Nacht immer wieder in ihre Welt hineindrängte. Sie fragte sich, ob sie Jakob so wohl auch gefallen würde. Denn sie wusste über diesen Mann nur, dass er sich ihretwegen prügelte, was noch keiner für sie getan hatte. Dieser Gedanke weckte in ihr die Sehnsucht nach Jakob und den Wunsch, ihn wiederzusehen.

Sie öffnete den Pferdeschwanz wieder, sodass die blonden Locken ihr Gesicht einrahmten und sie aussah wie in der Nacht, als sie Jakob getroffen hatte. Sie sehe aus wie ein Engel, hatte er zu ihr gesagt, und das gefiel ihr. Sie träumte davon, der Muttergottes auf dem Bild ähnlich zu sehen.

Das laute Rufen ihrer Mutter riss sie aus ihren Träumen. Der hohe Besuch war da und verlangte nach ihr.

Lilith vergass, ihr Haar wieder zusammenzubinden. Das gefiel der Mutter gar nicht, sie wetterte vor dem Besucher und jagte Lilith mit einem Holzscheit ins Haus zurück. Lilith machten die Ausbrüche der Mutter nichts aus, denn sie kannte von ihr nichts anderes. Jeder Kunde hatte seine Vorlieben, die man beachten musste, um ihn nicht zu verärgern. Und es war wichtig, dass jeder Kunde wiederkam. Dieser liebte es, wenn Lilith für ihn das kleine Mädchen spielte, und er bezahlte viel Geld für dieses Kinderspiel. Andere Kunden waren mit weniger zufrieden und nahmen Liliths Dienste auch nicht so ausgiebig in Anspruch wie dieser.

Seit sie Jakob getroffen hatte, war Lilith oft in Gedanken versunken. Manchmal vergass sie, dass sie sich nicht für Jakob herausputzte, sondern für ihre Männerkundschaft.

Lilith zog noch schnell die Lippen nach und trat wieder vor das Haus zu ihrem Besucher. Heute hatte der nicht allzu viel Zeit, und Lilith musste sich beeilen, um ihn zufriedenzustellen. Die Mutter ermahnte sie, ihn nicht zu verärgern, denn er zahle heute eine volle Stunde, obwohl er nur die halbe in Anspruch nehme.

Lilith gefiel es gar nicht, wenn dieser Kunde mit wenig Zeit kam, denn dann war er besonders brutal. Sie mochte es viel lieber, wenn ihre Kunden Zeit hatten, dann waren sie meist liebevoll und redeten mit ihr. Dieser Kunde aber schlug dann so heftig zu, dass sie manchmal blutete am Ende. Sein Wunsch war, dass sie nicht schrie, obwohl ihr zum Schreien war. Sogar von draussen konnte man die Schläge hören, doch die Mutter verschwand dann immer im Häuschen und braute sich einen starken Kaffee mit einem grossen Schuss Kirsch.

Lilith verschwand also mit dem Kunden im Wohnwagen, und die Mutter rief ihm noch nach, er solle nicht zu fest zuschlagen, da Lilith noch andere Arbeit vor sich habe. Nach einer halben Stunde ging der Mann wieder, doch Lilith kam erst nach einer Stunde aus dem Wohnwagen. Ihre Augen waren matt, der rosa Lippenstift verschmiert, ihr Haar durcheinander und ihr Körper gekrümmt. An ihrer rosaroten Bluse fehlten die Knöpfe, Laufmaschen liefen über ihre Strümpfe.

Lilith wusste, dass sie sich nach getaner Arbeit nicht bei der Mutter ausheulen konnte, sie müsste gleich nochmals Schläge einstecken. Langsam ging sie ins Haus und wusch sich mit viel Seife. Manche Stellen an ihrem Körper taten so weh, dass sie zusammenzuckte und leise winselte. Die Mutter gab ihr einen stark gekochten Kaffee mit viel Kirsch und sagte: «Stell dich nicht so an, du bist keine Prinzessin. Eine Hure zu sein ist harte Arbeit und ehrlich verdientes Geld.»

Der heisse Kaffee tat Liliths Lippen weh, doch der Kirsch nahm ihr bald die Schmerzen. Lilith dachte an Jakob, der nicht zugelassen hätte, dass man so schlecht mit ihr umging. Er hätte sich vor sie gestellt und sich mit dem Kunden geschlagen. Sie musste Jakob unbedingt wiederfinden.

Der Mann, der sie so unmenschlich behandelte, war der Wirt und Veranstalter des Fasnachtsballs. Er hatte der Mutter von Lilith und Jakob erzählt, und sie freute sich gar nicht darüber. Lilith musste sich von der Mutter anhören, diesen Jakob könne sie gleich vergessen, da er ihr Geschäft ruinieren werde. Als Mutter bestimme sie, mit welchem Mann Lilith zusammen sein dürfe. Sie sei für ein Leben mit vielen Männern bestimmt, nicht für einen einzigen Mann, denn ihre Schönheit sei ihr nicht umsonst gegeben worden. Wäre das nicht Liliths Bestimmung, dann hätte sie bestimmt keine Tochter, sondern einen Sohn geboren.

Lilith wusste selber nicht so recht, was sie mit Jakob und ihren Gedanken an ihn anfangen sollte. Sie kannte das schöne Gefühl, verliebt zu sein, nicht. In ihrer Welt sprach man nicht über solche Dinge, das passte nicht hinein. Liebe, das war nur eine Erfindung, um die Menschen einzuschränken in ihrer Lust. In Liliths Welt gab es nur Frauen, die mit sich tun und machen lassen mussten, was der Mann haben wollte. Die eigene Lust kannte sie nicht. Lilith wusste nichts von der Welt und kannte ausser einem Haufen Männer eigentlich nur ihre Mutter, ihr Häuschen, den Wohnwagen und die paar Kneipen, in denen sie verkehrte und wiederum nur Männer traf. Diese Männer erzählten ihr allerhand über ihre Frauen, doch waren es immer dieselben Geschichten. Sie gaben Lilith das Gefühl, nur sie sei eine richtige Frau, weil sie alles mit sich machen liess. Sie machte sich nicht viele Gedanken darüber, dass sie der Macht und Gewalt dieser Männer ausgesetzt war. Doch seit Jakob in ihre Welt getreten war, begann sie sanft, sich gegen die Mutter aufzulehnen. Und je mehr sich Jakob in ihren Kopf, ihr Herz und ihren Bauch schlich, desto stärker wurde ihre Rebellion.

Lilith wurde immer wütender auf ihre Mutter, weil sie, ­Lilith, die Männerarbeit erledigen musste. Ihre Mutter hatte nur noch selten Kunden, und wenn einmal einer für die Mutter kam, dann musste sie mit in den in den Wohnwagen, um die Hauptarbeit zu erledigen und den Kunden samt Mutter zu ­befriedigen. Das Geld, das sie so verdiente, steckte die Mutter ein. Um jeden Rappen musste sie betteln. Die Mutter kaufte mit dem Geld Alkohol und grosse Mengen Kaffee. Auch Lilith war sich das Trinken gewohnt, es liess sie ihre Arbeit mit den Männern leichter ertragen.

Liliths Herz sehnte sich sehr nach Jakob und Jakobs Herz nach Lilith, und beide wussten es nicht voneinander. Doch ihre Herzen wussten es. An einem Samstag machten Lilith und Jakob sich schön füreinander, in der Hoffnung, ihre Wege würden sich in der Stadt zufällig kreuzen oder sie könnten sich in einer Kneipe wiederfinden. Jakob hatte sich am Geld seiner Eltern vergriffen, um sich, wenn das Schicksal es wollte, grosszügig zu zeigen. Lilith hatte sich heimlich einen letzten Rest Geld aus der Dose genommen. Der Mutter sagte sie, sie gehe auf Werbetour für ihre Geschäfte. Sie glaubte ihr, weil Lilith sich besonders schön gemacht hatte.

Jakob und Lilith gingen beide gleichzeitig los. Das Städtchen war klein, und die Zahl der Kneipen war es auch. Doch Glück mussten die beiden trotzdem haben. Sie wussten, sie sollten die Finger voneinander lassen. Jakobs Familie war ebenso bekannt wie die stadtbekannte Hure. Jakob und Lilith gingen in Kneipen und tranken im Glauben, ihre Sehnsucht bringe sie einander mit jedem Schluck einen Schritt näher. Es blieb nicht bei einem Glas.

Lilith war in jeder Kneipe bekannt für ihre Dienste, und man zahlte kräftig, um sie vielleicht einmal etwas günstiger in Anspruch zu nehmen. Wenn Lilith schnelles Geld verdienen konnte, so hatte sie nichts dagegen. Um einen ihrer Freier auf die Schnelle zu bedienen, gab es immer wieder Gelegenheit. So musste sie der Mutter auch keine Rechenschaft ablegen und ihr das Geld nicht geben. Hatte Lilith einmal genug getrunken, konnte sie viele Männer auf die Schnelle befriedigen.

Lilith und Jakob hatten beide bis spät in die Nacht getrunken, ohne sich zu begegnen. Die Polizeistunde nahte, die Stühle wurden auf die Tische gestellt und die übrig gebliebenen Gäste gebeten, sich auf den Heimweg zu machen. Vereinzelt bewegten sich dunkle Gestalten durch die Schatten der Nacht, nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Manche pinkelten an die Strassenlaternen wie Hunde auf ihrer Nachtrunde. Doch in dieser Nacht konnte man zwei singende Stimmen hören. Die eine war ein bisschen höher als die andere, und beide tönten nicht ganz klar. Die höhere Stimme sang: «Er stand im Tor im Tor und ich dahinter!» Die tiefere sang: «Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da!»

Hin und wieder verstummten die Stimmen, wenn ein Auto vorbeisauste oder ein Hund zu bellen begann. Und dann war plötzlich Ruhe, kein «Er stand im Tor im Tor» mehr, keine «roten Lippen». Die zwei standen unter einer Laterne, Lilith und Jakob. Sie sahen sich an, und vier Sterne funkelten in diesem Augenblick so hell, dass man die Laterne getrost hätte löschen dürfen. Sie standen da und glaubten an ein Wunder. Ihre Hände bewegten sich aufeinander zu, berührten sich und hielten sich fest. Sie wollten sich nicht mehr loslassen, um den anderen nie mehr zu verlieren. Dann verschwanden Lilith und Jakob Arm in Arm glücklich schwankend in die Nacht, bis die Dunkelheit die beiden verschlang. Nach dieser glückseligen Nacht waren sie für immer verstossen.

Jakob und Lilith

Ohne Familienbande, versuchten Jakob und Lilith, einander Familie zu sein, so gut es ging. Lilith ohne ihre Mutter, die ihre Lebensbahn bestimmt hatte, und Jakob ohne seine Eltern und die jüdische Gemeinde, die für ihn stets die Kohlen aus dem Feuer geholt hatten. Beide waren nach dieser einen Nacht ganz auf sich selbst gestellt. Jakob und Lilith fanden ein kleines Zimmer mit Platz für ein Ehebett und einen Tisch mit vier Stühlen. Dusche und Toilette waren im Treppenhaus, ein Stockwerk höher. Warmes Essen gab es nicht, da eine Kochgelegenheit fehlte. Man ging für warmes Essen in eine Wirtschaft, was Jakob und Lilith nur recht war, hatten sie doch ausser ihren Saufkumpanen keine Freunde.

Jakob hatte als Tagelöhner nur wenig Geld zur Verfügung, und manchmal gab es für ihn keine Arbeit. Doch er wollte Lilith beweisen, dass er als Mann für sie sorgen konnte. Lilith gefiel es, dass sie nun keiner Arbeit nachgehen musste, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Am Tag schlief sie, und die Nacht schlug sie sich mit Trinken um die Ohren. Damit sie beide genug zu trinken hatten, musste aber auch genügend Geld durch ihre Hände fliessen. Sie sparten beim Essen, weil sie beim Alkohol nicht sparen konnten, da er ihnen das Leben erträglicher machte.

Es kam der Zeitpunkt, da Jakob nicht mehr für Lilith sorgen wollte und sie bedrängte, sich eine Arbeit zu suchen. Er verbot ihr jedoch, sich zu prostituieren. Lilith versuchte, mit Putzen Geld zu verdienen. Doch sie hatte bald keine Lust mehr, diese Arbeit für andere zu verrichten. Sie sah auch nicht ein, weshalb die Menschen es so sauber haben wollten, und verlor immer wieder ihre Arbeit. Lilith trieb sich lieber in den Kneipen herum und liess sich von anderen aushalten. Das war nicht anstrengend und an keine Zeit gebunden. Sie konnte zu Bett gehen und aufstehen, wann sie wollte. Und ausserdem war Lilith zum ersten Mal schwanger und sollte sich schonen, nicht arbeiten.

Je runder Lilith wurde, desto mehr musste sie an so manches denken. Aber Denken und Nachdenken war für Lilith und Jakob eine anstrengende Sache und gehörte nicht in ihre Welt. Jakob und Lilith tranken lieber Bier, und je mehr sie tranken, desto ausgelassener und entspannter waren sie. Nur so konnten sie vergessen, was am Tag zuvor gewesen war. Und nur so liess es sich einigermassen miteinander leben. Lilith und Jakob wurden abhängig voneinander, denn sie hatten beide ihre Familien verloren. Sie glaubten, zusammen zu sein sei nun ihr Schicksal für den Rest ihres Lebens.

Jakob wusste, dass man den Bund der Ehe eingehen sollte, wenn man Kinder in die Welt setzte. Lilith brauchte keinen Altar, denn ihr genügte ein Gebet vor der schwarzen Madonna, die ihre Schutzpatronin war. Jakob war dieser Schutz zu wenig. Am liebsten wollte er eine jüdische Hochzeit, die ihm jedoch verwehrt blieb. So beschlossen Lilith und Jakob, katholisch zu heiraten. Nur – mit welchem Geld und welchen Gästen? Das Geld, das sie hatten, reichte ja kaum bis zum Ende des Monats.

Sie begannen am Stammtisch über ihren Heiratswunsch zu reden und hofften auf einen Weg, damit die Hochzeit doch stattfinden könnte. Sie versuchten es mit Lotto und anderen Spielen, bei denen sie auch das wenige Geld, das Jakob verdiente, verloren. Schulden wurden gemacht und häuften sich an. Und weil der Schuldenberg immer höher wurde, schauten Lilith und Jakob immer tiefer in ihre Gläser.

Lilith und Jakob sahen bald nicht mehr über den Berg hinaus. Sie hatten keine Ahnung mehr, wem sie was schuldeten, und lange Zeit war es ihnen auch egal. Doch unter den Stammtischfreunden regte sich Unmut, sie wollten ihr Geld zurück und übten Druck aus auf Jakob und Lilith. Jakob sah, dass er auf dem Weg ins Verderben war, wenn er sich nicht um eine feste Arbeit bemühte. Er suchte wie ein Verrückter. Doch man konnte seine Neigung zum Alkohol meilenweit riechen und wollte ihn nicht haben.

Da Lilith schwanger war und Jakob der Überzeugung, für sie sorgen zu müssen, koste es, was es wolle, schloss er einen Pakt mit dem Teufel. Er wusste, dass Lilith nichts dagegen haben würde, denn sie war glücklich, bei ihm zu sein. Sie sah in Jakob ihren Befreier, der ihr ein kleines Haus bot, ohne dass sie einen Finger krümmen musste. Als Gegenleistung dafür hätte er ihren Körper also ganz für sich allein haben können.

Lilith wusste nicht, dass Jakob einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Und Jakob wusste nicht, dass Lilith mit dem Teufel schon längst einen Pakt hatte. Wenn er allein auf Kneipentour ging, traf er nicht selten ihre ehemaligen Freier. Lilith lachte oft mit ihnen und Jakob glaubte, sie hätten einfach noch immer ein gutes Verhältnis. Zudem offerierten sie Lilith laufend Getränke. Und so machte Jakob sich zu Liliths Zuhälter, weil er dachte, so könnte man einige Probleme lösen. Jakob machte nun die Preise und versprach, der Meistbietende dürfe nach der Geburt der Erste sein, noch bevor er, Jakob, Lilith wieder anrühre. Die Freier gingen auf sein Angebot ein. Jene, bei denen er keine Schulden hatte, mussten im Voraus bezahlen. Bei den anderen bezahlte er seine Schulden ab, indem er seine Lilith vergab.

Was Jakob nicht wusste, war, dass Lilith wegen der Geldsorgen schon seit einiger Zeit ihre Dienste wieder zur Verfügung stellte. Sie erlebte, wie sehr es die Männer reizte, dass sie sich ihnen schwanger anbot, und das brachte ihr viel Geld ein. Lilith hielt es gut versteckt, damit sie am Ende doch noch vor den Traualtar kämen. Denn wenn Jakob sich dies so sehr wünschte, wollte sie, Lilith, auch etwas beitragen. Ihre Freier hatte sie gebeten, Jakob nichts zu verraten, denn sie wolle ihn überraschen. Wenn sie den Mund halten konnten, würde sie dafür mit dem Preis heruntergehen, oder ihre Dienste durften dann ein wenig länger dauern.

Am Stammtisch machte man sich lustig darüber, dass Jakob so blauäugig war. Diejenigen, die im Voraus bezahlten, machten zur Bedingung, dass sie zum Hochzeitsfest eingeladen würden. Das war Jakob nur recht, da sonst kaum jemand kommen würde, und feiern tat man ja in Gesellschaft. Auch Lilith hatte ihren Freiern eine Einladung versprochen.

Jakob dachte, er hätte einen guten Handel gemacht. Er hatte im Sinn, nach der Heirat umzuziehen, in eine andere Stadt, wo er einer Arbeit nachgehen konnte. Auch hatte er den Wunsch, viele Kinder zu haben. Und wenn Lilith immer schwanger wäre, dann hätte keiner mehr Lust auf ihre Dienste. Doch Jakob hatte nicht bedacht, dass Lilith über das Kinderkriegen anderer Ansicht war. Lilith und Jakob redeten nicht viel über die Zukunft, und so träumten sie ihren Traum vom Leben zu zweit in verschiedene Richtungen. Nur in einem trafen sie sich genau und gleichermassen ausschweifend: in ihrem Durst nach Sex und Alkohol. Was sie ebenso verband, war die Einsamkeit, die sie auch in der Zweisamkeit fast nicht aushalten konnten, denn beide hatten Sehnsucht nach ihren Familien.

Lilith wusste, dass ihre Mutter kleine Mädchen liebte, weil sie in ihnen eine Geldquelle sah. Würde sie ein Mädchen gebären, dachte sie sich, könnte die Mutter ihren Ungehorsam vergessen. Doch bevor die Geburt anstand, musste sich Lilith nun um die Hochzeit kümmern. Sie bat Jakob darum, die Vorbereitungen dafür allein treffen zu dürfen. So fiel ihm nicht auf, wie viel Geld sie dafür beiseitegelegt hatte.

Geheiratet wurde in einer grossen Kirche, und die geladenen Gäste waren ihre Stammtischfreunde. Es waren nur wenige, aber sie tranken viel und assen gerne. Lilith trug ein weisses Kleid, das sie eigens für sich zugeschnitten hatte. Nach dem Trinken hatte sie sich in der Kneipe oft an den Tisch gesetzt und noch daran genäht. Als Lilith hochschwanger an dem grossen Tag neben Jakob vor dem Altar stand und gerade ihr Jawort «bis dass der Tod euch scheidet» geben wollte, platzte die Fruchtblase.

Lilith schrie vor Schreck, sodass alle, die versammelt waren, erschraken. Der Pfarrer staunte über die grosse, nasse Pfütze, die er auf seinem heiligen Boden erblickte. Plötzlich redeten alle durcheinander, und jeder wollte etwas tun, nur Jakob behielt die Ruhe und meinte, nun sei es an der Zeit, ins Spital zu fahren, damit Lilith gebären könne. Doch Lilith wusste, dass sie ihr Kind in der Kirche zur Welt bringen würde.

Liliths Mutter war während der Hochzeit vor der Kirche ge­standen. Sie hörte Liliths Schrei und eilte mit heftigen Schritten herbei, denn sie war die Einzige, die wusste, was zu machen war. Der Pfarrer hatte keine Freude, dass ein Kind in seiner Kirche zur Welt kommen sollte. Wie angewurzelt stand er auf dem nassen, heiligen Boden. Lilith spreizte ihre Beine im Stehen und schrie ihren Schmerz in die kirchliche Stille hinaus. Die geladenen Gäste standen rund um Lilith, stützten sie oder hielten ihre Hände zwischen Liliths Beine, um das Kind aufzufangen, wenn es denn kommen sollte.

Andächtig wartete man auf den Kopf des Kindes. Alle halfen Lilith beim Atmen, als beteten sie gemeinsam. Auch gepresst wurde gemeinsam, bis das Kind in ihre Mitte kam, aufgefangen von Jakobs Händen. Alle waren erleichtert und erstaunt, wie schnell es doch gegangen war. Nur Lilith war noch nicht am Ende und schrie noch einmal laut. Mit Zwillingen hatten Jakob und Lilith nicht gerechnet. Der Zweite kam fast noch schneller als der Erste. Fast wäre er auf dem harten Steinboden aufgeschlagen, wäre da nicht Liliths Mutter gewesen, die schnell und flink zur Stelle war.

Da der Krankenwagen auf sich warten liess, wollte Lilith die Kinder gleich taufen. Und obwohl das dem Pfarrer gar nicht passte, hob sie den Holzdeckel vom Taufbecken und bat Jakob, die Kinder ins geweihte Wasser zu tauchen. Die von der Käseschmiere noch glitschigen Wesen hatten keine Wahl. Sie mussten aus der Wärme direkt ins kalte Nass und wurden so für diese Welt abgehärtet. Namen gab man ihnen nicht. Das war wohl zu hart für die Kleinen, denn ihnen war nur ein ganz kurzes irdisches Leben beschieden.

Lilith erholte sich schnell und war bald nicht mehr müde und erschöpft. Jakob hingegen war es sehr. Ihn plagte der Gedanke an seinen teuflischen Handel, dass er Lilith, die ihm das Jawort am Ende nicht hatte geben können, an andere Männer verkauft hatte. Jakob suchte nach einer neuen Bleibe und nach Arbeit. Lilith war damit einverstanden, denn ihrer Arbeit konnte sie noch nicht wieder nachkommen.

Jakob fand schliesslich Arbeit auf einem Bauernhof, nicht allzu weit weg von der Stadt. Die Bleibe war ein Stöckli mit mehreren Räumen, Toilette, Dusche und einer Küche. Für Lilith war das ein Luxus, und am Anfang lief alles sehr gut. Jakob ging regelmässig zur Arbeit, und Lilith half der Bauersfrau im Garten, wenn sie Lust dazu verspürte. Doch schon nach einer Weile hatte der Alkohol die beiden wieder fest im Griff. Man vertrieb sie vom Hof und aus dem Stöckli. Sie fanden abermals eine neue Bleibe, die aber mehr schlecht als recht war.

Lilith nahm ihre Arbeit wieder auf, und die Herren lösten nun bei Lilith ein, was sie schon im Voraus bezahlt hatten. Lilith und Jakob feierten immer verruchtere Feste. Würde und Moral gab es in ihrem Leben nicht mehr. Die Liebe oder das, was Liebe hätte sein können, hatten sie beide vergessen. Lilith wurde wieder schwanger, und wieder zogen sie um, diesmal mit Kind. Arabat hiess es.

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