Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 68
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
»Willkommen, Licinius, in Italien und im Siege«, rief Cethegus im Eintreten. »Wo hast du die Langobarden?«
»Salve, Flottenzerstörer«, antwortete der Tribun. »Die Langobarden kommen zwanzigtausend Mann.«
»Das sind sehr viel!« sprach Cethegus, plötzlich sehr ernst. »Ich hatte nur siebentausend gewünscht: — ich weiß kaum, woher das Gold für die fast dreifache Zahl aufzubringen. Denn wohl gemerkt: in meinem, nicht in des Kaisers Sold, will ich sie haben.«
Freudestrahlend, stolzen Auges aber sprach der junge Ritter: »Ich hoffe auf deine Zufriedenheit, Magister Militum. Unentgeltlich kommen die Langobarden nach Italien.«
»Wie das? Und so viele?«
»Ja: der Sohn ihres Königs Audoin, — Alboin ist sein Name, den schon weithin das Heldenlied der Germanen preist bis zu den Bajuvaren am Önus und den Saxonen an dem Wisurgis, — ein sehr tapfrer und für einen Germanen erstaunlich kluger Jüngling... —«
»Ich weiß von ihm — er diente lang unter Narses«, meinte Cethegus mißtrauisch
»Dieser kühne und schlaue Barbar hat sich im vorigen Jahre, als Roßhändler verkleidet, nach Italien geschlichen und unerkannt das ganze Land bis Rom und Neapolis durchwandert, die Wege erforscht und die Waffenplätze der Goten. Er wäre noch länger geblieben, hätte ihn nicht derselbe Gote, der meinen armen Bruder erschlagen... —«
»Der schwarze Teja?«
»Derselbe — mit Argwohn verfolgt und ihn zuletzt als Späher festzunehmen gedroht. Da floh Alboin zurück nach Pannonien. Aber Wein und köstliche Edelfrüchte unseres Landes brachte er mit nach Hause und zeigte sie seinem Vater und seinem Volk: und seither brennen alle Langobarden, dieses Wunderland zu betreten. Alboin verlangt nur alle Beute, die seine Langobarden machen werden, und verzichtet auf Sold: es sind prachtvolle Barbaren, diese Langbärte, viel wilder und rauher als die Goten. ‘Ja’, meinte Alboin lachend, als ich ihm dies sagte, ‘wir haben ein Sprichwort: der Gote der Hirsch, der Langobarde der Wolf.’ Er trinkt aus dem Schädel des Gepidenkönigs, den er im Kampf erschlug. Du wirst deine Freude haben an ihm und seinen Reitern — die sind mehr wert als Isaurier und Abasgen.«
»Ich danke deinem Eifer«, sagte Cethegus zögernd, »er ist mir fast allzugroß. Es sind so viele.«
»Ja, auf geringere Zahl ließ sich Alboin nicht ein: ‘rudelweise rennen die Wölfe!’ lachte er.«
»Nun«, schloß Cethegus, »ich vertraue: an der Spitze von zwei kaiserlichen Heeren und von Italien halt’ ich auch diese große Zahl von Raubtieren in Gehorsam. Zu den Goten werden sie sich doch nicht schlagen?«
»Nein, mein Feldherr. Es geht ein alter Haß durch die Geschichte beider Völker: aus einem jener unfaßlichen Gründe, die nur diese Germanen zum Hasse finden. In grauer Vorzeit hat einmal eine langobardische Königin einen Gotenfürsten ermorden lassen oder umgekehrt: — wer kann sich diese Dinge merken! — und seither ist es Ehrenpflicht von Geschlecht zu Geschlecht, sich zu hassen und zu morden. ‘Wir sind die Totengräber und die Erben dieser Goten’, sagte mir Alboin.«
»Wohl: ihr Unglück sollen sie erben«, drohte Cethegus, »sonst haben die Goten nichts zu hinterlassen: sie sterben in der Fremde auf italischer Scholle! Und wann kommen sie, diese pannonischen Wölfe? Ich brauche sie bald.«
»Das hat Alboin noch nicht bestimmen können. Sie haben einen Bund mit den noch wilderen Awaren — das sind keine Germanen! — geschlossen, gemeinsam das arme Volk der germanischen Gepiden noch vollends auszumorden und deren Land zu teilen.«
»Ein grimmiges, gefährliches Geschlecht«, sprach Cethegus kopfschüttelnd.
»’Ja’, lachte Alboin, ‘Wolf und Geier jagen gemeinsam und teilen das Reh. — Ist diese Arbeit getan, dann geht’s über Dravus, Savus und Sontius nach Venetia: ich kenne die Wege.’«
»Er kennt sie so gut«, sagte Cethegus halb zu sich, »daß man diesen Wolfs-Jüngling sie gar nicht mehr zurückschreiten lassen darf. Licinius, ich brauche rasche und starke Verstärkung. Der Angang war gut: aber nun gehts nicht recht vorwärts. Die Italier, schmählich zu sagen, stehn nicht auf: sie halten zu den Barbaren«, lächelte er zornig, »aus ähnlichen Gründen wie mein zu Tod gefressener Freund Balbus. Gewiß rückt der Gotenkönig schon vor Rom heran, mit starkem Heer, seine Flotte zu rächen. Ich kenne ihn: er greift an! So schicke ich denn Eilboten nach Eilboten an Areobindos, der wirklich ein Prinz der Schnecken ist, rasch das ‘zweite Heer’ heranzuführen: er soll die versprengten Goten in Epirus an der eignen Tollkühnheit ihrer Stellung zugrunde gehen lassen. Aber kein Areobindos kommt. Und mit meinen Byzantinern kann ich im offenen Feld diesen Totila nicht schlagen, wenn er die Übermacht hat.«
»Und Ravenna? Wird es sich noch halten können, wenn du nicht eilig Entsatz bringst?«
»Ravenna ist befreit. Nach Zerstörung der gotischen Flotte schickte ich auf die Reede von Classis dreißig meiner Trieren unter dem Nauarchen Justinus: sie drangen in den Hafen Classis und versahen die Stadt mit neuen Vorräten. Und vor einigen Tagen vernehme ich, daß der alte Hildebrand die Belagerung auch auf der Landseite aufgehoben und sich in Eilmärschen, westlich um uns herum, mit seinen wenigen Tausendschaften nach Florentina und Perusia gezogen hat. Angeblich, aber das ist eine handgreifliche Unmöglichkeit! weil ein ungeheures Heer des Kaisers auf dem Landweg von Dalmatien, von Salona her, durch Venetien in Eilmärschen gegen Ravenna heranrücke.
Wäre dem doch so! Aber leider weiß ich besser, daß das ‘zweite Heer’, das übrigens kleiner als das meine, nicht in Dalmatien steht und nicht in Salona, welche Stadt die Goten haben und nicht der Kaiser, sondern drüben in Epidamnus sich sammelt, unglaublich langsam. Denn Prinz Areobindos, dem man sehr mit Unrecht Eilmärsche zutraut, pflückt lieber noch wohlfeile Lorbeern in Epirus.
Und deine schöne Gönnerin, mein Licinius, die Kaiserin, ist mir zwar gewogen: aber mich sehr geschwinde siegen zu sehen ist weder ihr noch dem Kaiser der Romäer erwünscht. So muß ich denn harren und harren, bis der Schneckenprinz heranschleicht. Aber da oben bei Senogallia war unseres Bleibens nicht.
Mich zog’s gen Rom!
Auch sind die Stellungen da oben zu schwach, sie gegen Übermacht zu halten. Diese treffliche Stellung hier bei Setinum, Caprä und Taginä habe ich mir schon lang einmal ausgewählt.
Und so eilte ich hierher — schnell! Aber doch nicht schnell genug. Denn Setinum zwar gelang es noch zu erreichen.
Aber nicht mehr Caprä und Taginä, die notwendige Deckung.
Und doch ist Taginä der Schlüssel der Stellung: — ohne Caprä und Taginä ist mein Lager eine Festung zwar mit Wall, aber ohne Graben: die drei Flüßchen bei Caprä und Taginä sind deren natürliche Gräben. Sofort sprengte ich selbst von Setinum aus gegen Taginä mit den sarazenischen Reitern: aber zu spät.
Graf Teja — er muß auf den Schwingen des Sturmwindes von Rom herangebraust sein! — Graf Teja hatte Taginä kurz vor mir erreicht mit einer fliegenden, dem Hauptheer vorangeworfenen Schar: und obwohl die Sarazenen sieben gegen drei waren, hat er sie mit seinen gotischen Beilreitern blutig zurückgeworfen: es war kein Halten mehr, nachdem er den Sarazenenkönig Abocharabus den Jüngeren mit dem Beil vom Turban bis zum Gurt durchspalten, heulend rissen meine Sarazenen die Renner herum und jagten davon, über Caprä zurück, mich mit fortreißend.
Heute suchte ich nun die Stärke der Besatzung von Taginä zu erkunden — denn gern möchte ich den Verhaßten erdrücken, ehe das gotische Hauptheer eintrifft — aber die Stellung von Caprä war heute schon nicht mehr zu durchdringen. Und bereits soll der Barbarenkönig selbst im Anzug sein: die Nachhut führe der Herzog Guntharis heran.
Und wo bleibt, wann kommt mein ‘zweites Heer’?«
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Am Tage darauf traf König Totila mit einem Teil des Heeres wirklich in Taginä ein: Valeria, die jetzt am sichersten geborgen war im Lager des Königs, begleitete ihn: auch Julius, der sich wieder in seine Klosterstiftung nach Avenio in Gallien begeben wollte, und Cassiodor, der diese prüfen sollte.
Die Hauptmacht des Heeres sollten Herzog Guntharis und Wisand, der Bandalarius, auf der flaminischen Straße von Süden heranführen, während von Westen, von Florentia her, der alte Hildebrand im Anzug war. Erst nach dem Eintreffen dieser Truppen konnte der Angriff auf die sehr feste Stellung des Präfekten unternommen werden.
Und auch Cethegus wies das Drängen der jungen Ritter zum Angriff ab. »Ich bin nicht gekommen, Schlachten zu gewinnen, sondern Italien. Demnächst haben wir die Übermacht: — dann hat es Sinn, zu schlagen.«
Eines Morgens trat Julius in des Königs Zelt und reichte ihm schweigend einen Brief.
Totila furchte die Stirn, da er die Handschrift erkannte und las: »An Julius Manilius Cethegus, der Präfekt von Rom und Magister Militum per Italiam. Ich höre, du weilst im Lager der Barbaren. Licinius sah dich reiten neben dem Tyrannen. Soll das Unerhörte geschehen, daß Julius gegen Cethegus die Waffen führt, der Sohn gegen den Vater?
Gewähre mir heute, um Sonnenuntergang, eine Unterredung bei dem zerfallenen Tempel des Silvanus, der zwischen unsern und der Barbaren Vorposten liegt.
Der Tyrann hat mir Italien, Rom und deine Seele geraubt. Ich werde ihm alle drei wieder entreißen — und dich zuerst. Komm: ich befehle es als dein Vater und Erzieher.«
»Ich muß ihm gehorchen — ich verdanke ihm so viel.«
»Ja«, sagte Totila, ihm den Brief zurückgebend.
»Aber die Stelldichein des Präfekten sind gefährlich.
Du hast mich gebeten, nie mehr über deinen ‘väterlichen Wohltäter’ mit dir zu sprechen. Ich hab’ mein Wort gegeben und hab’s gehalten. Aber warnen darf ich, muß ich.«
»Er wird mein Leben nicht bedrohen.«
»Aber vielleicht deine Freiheit! Nimm fünfzig Reiter mit. Ohne solches Geleit lasse ich dich nicht aus dem Lager.«
Gegen Sonnenuntergang erreichte Julius mit seiner Bedeckung das zerfallene Gemäuer. Nur wenige Säulen des alten Fanum standen noch aufrecht, die Mehrzahl lag umgestürzt an den Seiten des Hügels, auf welchem sich der schlichte Monopteros erhob: auch das Dach des Gewölbes war zum Teil herabgestürzt. Üppig wuchernder Efeu umkleidete die Säulenschäfte, Steinbrech und allerlei Unkraut überwucherte die zahlreichen Marmorstufen, die hinanführten zu dem ringsum offnen Bau.
Diesmal hatte Totila dem Präfekten ohne Grund mißtraut. Denn als Julius am Fuße des Hügels angelangt war mit fünfzig Reitern, — fünfzig folgten auf des Königs Befehl ihm später noch aus dem Lager und näherten sich nun ebenfalls — sah man Cethegus allein in dem Innenraum des Tempels wartend auf und nieder schreiten.
Julius war vom Pferde gestiegen und schritt die Stufen hinan. Cethegus empfing ihn mit vorwurfsvollem Blick. »Du lässest dich erwarten: der Sohn vom Vater. Beim ersten Wiedersehn, nach so langer Zeit.
Ist das Mönchs-Moral? Und wohl gehütet kommst du! Wer hat dich gelehret, mir mißtrauen? Wie? Folgen uns deine Barbaren bis hierher?«
Und er wies auf einen Anführer der zuletzt gekommenen in braunem Mantel und übergeschlagner Kapuze, der, mit zwölf seiner Begleiter, vom Rosse sprang und sich mit den Seinen die Stufen herauf lagerte bis an die oberste Staffel.
Julius wollte sie entfernen, aber ein zweiter Anführer, Graf Thorismut, antwortete kurz: »Befehl des Königs!« und lagerte sich auf die zweite Stufe.
»So sprich griechisch«, sagte Julius. »Das verstehn sie nicht.«
Cethegus streckte ihm beide Hände entgegen. »So sieht Odysseus, der Weitumwandernde, seinen Telemachos wieder.«
Aber Julius trat zurück von ihm. »Schwarze Gerüchte gehen über dich, Cethegus. Hat diese Hand nur im Kampfe Blut vergossen?«
Cethegus ballte die zurückgewiesene Hand grimmig zur Faust. »Haben deines Busenfreundes Lügen mir ganz dein Herz vergiftet?«
»König Totila lügt nicht. Er hat seit Monden nicht mehr deinen Namen genannt. Ich bat ihn darum. Denn ich konnte dich nicht verteidigen gegen seine furchtbaren Anklagen. Ist es denn wahr, daß du seinen Bruder Hildebad...?«
»Ich bin nicht gekommen, Entschuldigungen zu geben, sondern sie zu heischen. Seit Jahren tobt der Kampf um Rom mit Priestern, Griechen, Barbaren. Und ich stehe allein. Müde, wund, halb verzweifelnd, von den Wogen des Geschicks bald emporgetragen, bald tief in den Abgrund geschleudert. Aber immer allein. Und wo ist Julius, mein Sohn, der Sohn meiner Seele, mich zu erquicken mit seiner Liebe? In Gallien unter den Mönchen, in Byzanz oder in Rom als Werkzeug oder als Gast des Barbarenkönigs. Fern von mir und meinem Wege.«
»Ich warnte dich vor diesem Wege: rote und schwarze Flecken liegen darauf: ich kann ihn nicht mit dir gehn.«
»Nun: und wenn du so weise bist und so eifrig im Dienste deines Glaubens — wo warst du, mich zu erleuchten und zu retten?« und nun entsandte Cethegus ein lang und sorgfältig gezieltes Geschoß der Überredung, das er bis zuletzt sich aufgespart. »Wenn meine Seele sich der Liebe, der Wärme immer mehr verschloß, wenn sie versteinte und vereiste, — wo war Julius, mich zu erweichen und zu erwärmen? Hast du deine Pflicht als Sohn, als Christ, als Priester an mir erfüllt?«
Diese Worte machten erschütternden Eindruck auf den frommen Sinn und das sanfte Gemüt des jungen Mönches. »Vergib«, sagte er, »ich erkenne: ich habe gefehlt gegen dich.«
Cethegus ersah blitzschnell seinen Vorteil. »Wohlan: so mach’ es gut. Ich verlange nicht, daß du Partei ergreifst in diesem Kampf. Erwarte den Ausgang. Aber erwarte ihn bei mir, an meiner Seite, in meinem Lager: nicht bei den Barbaren und nicht in Gallien. Bin ich Saul, der Gottes Gnade verwirkt hat, — wohlan, sei du David und erhelle meine Seele, die oft verdüsterte. Deine heiligste Gewissenspflicht zwingt dich an meine Seite. Sonst: — auf dein Haupt die Verantwortung! Ja, du bist der gute Genius meines Lebens. Ich brauche dich und deine Liebe, soll ich nicht ganz jenen Mächten verfallen, die du hassest. Gibt es eine Stimme, die mich dem Glauben gewinnen mag, der da, wie du lehrst, allein selig macht, — so ist es deine Stimme, Julius. Nun entscheide dich: — nach Gewissenspflicht.«
Der eifrige und pflichttreue Christ vermochte nicht zu widerstehen: »Du hast gesiegt! — Ich folge dir, mein Vater!« und er war im Begriff, sich an des Überwinders Brust zu werfen.
»Verfluchter Heuchler!« scholl da eine helle, starke Stimme. Der Reiterführer, der auf der obersten Tempelstufe sich gelagert hatte, sprang auf die Plattform im Innenraum und schlug die Mantel-Kapuze zurück. Es war König Totila, das nackte Schwert in der Hand.
»Ha, der Barbar hier!« schrie Cethegus in tiefstem Grimm des Hasses.
Auch sein Schwert blitzte: und in tödlichem Hasse trafen die Feinde zusammen: die Klingen kreuzten sich klirrend. Aber Julius warf sich zwischen die Kämpfer, mit beiden Händen ihre Arme hemmend. Es gelang ihm, sie für den Augenblick zu trennen.
Jedoch drohend standen die beiden, die Schwerter fest in der Faust, einander gegenüber.
»Hast du gehorcht, König der Barbaren?« knirschte der Präfekt. »Das ist ja echt königlich und heldenhaft.«
Allein Totila gab ihm keine Antwort. Zu Julius gewendet sprach er: »Nicht nur um deine äußere Freiheit und Sicherheit war ich besorgt. Ich kannte, ich ahnte seine Anschläge auf deine Seele. Ich habe versprochen, ihn nie mehr, den Abwesenden, zu verklagen. Aber nun steht er mir und dir gegenüber. Er soll mich hören bis zu Ende und sich verteidigen, wenn er kann. Aufdecken will ich dir, daß seine Seele und jeder Gedanke seines Geistes schwarz und falsch sind wie der Satan.
Siehe, selbst diese Worte, die der Augenblick, das warme Gefühl erzeugt zu haben schien, die dich schon für ihn gewonnen hatten, — sie sind falsch, erheuchelt, ausgesonnen seit Jahren. Sich her, Julius, kennst du diese Schrift?«
Und er wies dem Erstaunten eine beschriebene Papyrusrolle.
»Die Barbaren stehlen sonst nur Gold«, sprach grimmig Cethegus. »Briefe stehlen macht infam, ist ehrlos.« Und er griff nach der Rolle.
Aber Totila fuhr fort: »In seinem Hause, an geheimer Stätte hat Graf Teja sie erbeutet. In welchen Abgrund ließen sie mich schauen, seine Tagebücher! Ich schweige von den Verbrechen gegen andre. Hier aber schreibt er, was dich betrifft: ‘Julius geb’ ich noch nicht verloren. Laß sehen, ob den Schwärmer nicht die Pflicht der Seelenrettung gewinnt. Er wird meine Hand fassen zu müssen wähnen, um mich zum Kreuz empor zu ziehn. Aber mein Arm ist der stärkere: und ich reiße ihn herüber in meine Welt. Schwer wird mir nur der erforderliche Ton der Zerknirschung werden. Ich muß dafür in Cassiodor lesen’.«
»Cethegus«, rief Julius jammernd, »hast du das geschrieben?«
»Ich dächte, du kennst den Stil. Aber oh, er wird leugnen. — Alles leugnen, was ich weiß oder ahne. Leugnen wird er, daß er den Baltenherzog Alarich mit Fälschungen verleumdet, daß er für Athalarich und Kamilla Gift gemischt, daß er durch Amalaswintha die drei andern Baltenherzöge gemordet, daß er Mörder gegen mich geschickt, daß er Amalaswintha an Petros, Petros an die Kaiserin, Witichis an Belisar, Belisar an Justinian verraten: leugnen, daß er den Sohn des Boëthius in den Tod geschickt, daß er meinen Bruder gemordet, daß er im Waffenstillstand unsre Schiffe friedschändend überfallen: er wird all dies leugnen — denn Lüge ist der Hauch seines Mundes.«
»Cethegus«, flehte Julius, »sprich ‘Nein’, und ich glaube dir.«
Aber der Präfekt, der anfangs die Worte Totilas mit halb geschlossenen Augen wie Keulenschläge schweigend hingenommen, stieß jetzt das Schwert in die Scheide, richtete sich hoch auf, kreuzte die Arme über die Brust und sprach: »Ja, ich habe das getan. Und andres mehr. Ich habe hinweggeräumt, was mir den Weg versperrte, mit Kraft und Klugheit. Denn der Weg führt zum höchsten Ziel, zum Heil des Römerreichs. Und zugleich zum Thron der Welt. Aber mein Erbe in dieser Weltherrschaft — solltest du sein, Julius. Für Rom und für dich — am wenigsten für mich selber! — hab’ ich meine Taten getan. Warum für dich? Weil ich dich liebe, dich allein auf Erden. Nicht mit deiner christlichen Nächstenliebe, welche die ganze Menschheit gleichmäßig umspannen soll. Diese lauwarme Schwäche habe ich immer verachtet. Nein, heiß, mit Schmerz und Leidenschaft. Statt der Menschheit lieb’ ich dich. Ja, mein Herz ist versteint in Verachtung der Kleinheit der Menschen. Nur ein Gefühl sprießt noch aus diesem Granitfels: die Liebe zu dir.
Du hast sie nie verdient, diese Liebe.
Aber ein Wesen, dessen Züge du trägst, dessen Bild mir dein Anblick emporführt aus dem Grabe, aus der Jugendvergangenheit, webt ein geheimnisvoll zwingendes Band zwischen mir und dir. Erfahre denn jetzt vor meinem Feinde das heilige Geheimnis, das du erst zu der Stunde erfahren solltest, da du ganz mein Sohn geworden.
Es gab eine Zeit, da des jungen Cethegus Cäsarius Herz weich war und zart, wie das deine. Und darin lebte eine Liebe, heilig und rein wie die Sterne, zu einem, ach, unvergleichlichen Geschöpf Und sie liebte mich wie ich sie. Aber alter Haß trennte das Geschlecht der Cethegi und der Manilier seit Jahrhunderten.«
Da erbleichte Julius; Totila warf das Schwert in die Scheide und hörte, mit beiden Armen auf den Griff gestützt, nun aufmerksamer zu.
»Sie mit dem Senat — wir mit den Gracchen. Sie mit Sulla — wir mit Marius. Sie mit Cicero — wir mit Catilina. Sie mit Pompejus, wir mit Cäsar. Und doch war mir’s endlich gelungen, den harten Sinn des Vaters zu erweichen: er schien bereit, zögernd sein Ja zu sprechen. Denn er sah, wie wir uns liebten. Sie folgte mir willenlos, wie Eisen dem Magnet, und ich fühlte, daß sie mein guter Genius war. Da kam ein Gotenherzog, dessen Seele den Furien geweiht sei, der mich langher kannte und haßte. Er warnte Manilius, der anvertrauend zu ihm aufblickte, weil er bei dem ersten Andrang der Barbaren in Italien ihn und sein Haus vor Bedrückung beschützt. Er warnte den Vater vor dem Mann Cethegus mit dem bösen Blick, wie er sagte, und er weckte den alten Groll: und er ruhte nicht, bis der Vater sein Kind, das widerstrebende, einem gallischen Senator, einem Freunde des Baltenherzogs, verlobte.
Umsonst flehte Manilia um Erbarmen. Da beschlossen wir die Flucht. Im Landhaus am Tiber vor der Porta Aurelia wohnten sie. Jedoch argwöhnisch beschleunigte der Vater die Vermählung. Als ich zur verabredeten Nacht die Gartenmauer überstieg und in ihr Schlafgemach schlich, fand ich es leer. Aber vorn im Atrium scholl Hymenäen-Gesang und Flötenspiel. Atemlos schleiche ich an die Vorhänge und spähe hinein. Da ruht meine Manilia, in der Neuvermählten Tracht, an ihres Vaters Seite, der Bräutigam bei ihr — und ungezählte Gäste, Manilias bleiches Antlitz, ihre tränenfeuchten Augen seh’ ich — ich sehe, wie Montanus den Arm um ihren Nacken spannt. — Da ergreift mich wahnsinnige Verzweiflung: ich stürme in den Saal und umschlinge sie und reiße sie mit mir mit hochgeschwungenem Schwert.
Aber sie waren zu neunzig, die Tapfern: lang erwehrte ich mich ihrer, da traf mich des Balten Alarich Schwert —: und sie rissen mir die Schreiende aus dem Arm und warfen mich blutend, für tot, über die Gartenmauer nah an den Tiber.
Allein damals, vor bald sechs Lustra — wie vor Jahr und Tag! — hat mich der Hauch des Flußgottes aus der Betäubung des Todes geweckt.
Fischer fanden mich, pflegten mich: ich genas.
Aber das Herz war mir aus der Brust gerissen worden jene Nacht.
Und viele, viele Jahre vergingen. Ich haßte die Welt und ihren Gott, wenn einer lebte.
Und das Geschlecht der Manilier und der Balte Alarich haben es verspürt, daß ich nicht tot war. Geächtet flohen sie alle aus dem Lande, schwer getroffen von meiner Rache. Nur ein Bild blieb unvergleichlich, rührend schön in meiner Seele. —
Und abermals nach Jahren kam ich reisend nach Gallien an den Rhodanus. Da war Krieg entbrannt zwischen den Barbaren. Franken und Burgunden waren eingefallen in das Gallien der Goten und hatten eine Villa am Rhodanus zerstört. Und als ich die gestürzten Säulen des Atriums und den zertretenen Garten betrachtete, lief ein kleiner Knabe aus dem Innenhause und weinte und rief mich an: ‘Hilf, o Herr, denn meine Mutter stirbt!’«
»O Cethegus«, rief Julius mit schmerzerstickter Stimme.
»Und ich drang in das Haus, das noch dampfte von kaum erloschenem Feuer. Da lag im Frauengemach ein bleiches Weib, einen Pfeil in der Brust. Und sonst war das Haus leer: die Sklaven waren geflohen oder fortgeschleppt. Und ich kannte die sterbende Frau: und ihr Kind hieß Julius. Ihr Gatte war bald nach deiner Geburt gestorben. Und die Sterbende schlug die Augen auf, da sie meine Stimme vernahm.
Denn sie liebte mich noch immer.
Und ich gab ihr Wein und Wasser aus meinem Helm zu trinken. Und sie trank und dankte und küßte mich auf die Stirn und sprach: ‘Habe Dank, Geliebter! Sei du meines Knaben Vater: versprich es mir.’
Und ich versprach es ihr in die erkältende Hand. Und küßte sie und schloß ihr die gebrochenen Augen.
Und ob ich mein Wort gehalten an dem Knaben: — du magst entscheiden.«
Und der eiserne Mann drückte mit Gewalt die Brust, die mächtig atmende, zusammen.
Julius brach in einen Strom von Tränen aus: »O meine Mutter!« rief er.
Totila aber schritt bewegt in der Rotunde auf und nieder.
Cethegus fuhr fort: »Und nun: — wähle!
Wähle zwischen mir und deinem ‘unbefleckten’ Freund.
Aber wisse: die Taten, die dir nicht gefallen, hab’ ich zumeist für dich getan. Laß mich denn einsam — wende dich von mir: — geh’ zu ihm, ich halte dich nicht mehr.
Jedoch wenn mich Manilias Schatte nach dir fragt, werde ich wahrheitstreu antworten: ‘Ein Vater war ich ihm: — er mir kein Sohn’.«
Julius verhüllte sein Haupt im Mantel.
Totila aber machte halt vor dem Präfekten und sprach: »Unväterlich zerfleischest du sein Herz. Du siehst ihn hin und her gezerrt von widerstreitenden Gefühlen. Auf, ich weiß ein Mittel, die Wahl ihm zu sparen. Auf, Cethegus, enden wir allein den drohenden Krieg. Ein zweiter Gotenkönig ladet dich zum Zweikampf.
Hier, im Antlitz deines Lieblings, schelt’ ich dich: Lügner, Fälscher, Verräter, Mörder, ehrloser Neiding.
Des Bruders Blut bluträchend heisch’ ich von dir.
Heraus dein Schwert, wenn du ein Mann. Laß uns, um Leben, Rom und Julius fechtend, in kurzem Kampf den langen Haß vollenden. Verteidige dich!«
Und in wild aufloderndem Haß rissen beide die Schwerter aus den Scheiden: zum zweitenmal kreuzten sich die Klingen.
Und abermals warf sich Julius zwischen die Ergrimmten mit ausgebreiteten Armen.
»Haltet ein, ihr grausamen Männer der Hasses und der Welt. Jeder Streich trifft in mein blutend Herz. Hört mich an: gefaßt ist mein Entschluß. Ich fühl’s: der Geist meiner Mutter gab ihn mir ein.«
Grollend senkten die beiden Feinde die Schwerter, ohne sie einzustecken.
»Cethegus, ein Vater bist du mir gewesen mehr als zwei Jahrzehnte. Was du gefrevelt und getan, — nicht dem Sohne ziemt zu richten. Ich fasse deine Hand liebevoll: — und wäre sie noch tiefer in Mord getaucht meine Tränen, mein Gebet sollen sie reinigen.«
Totila trat zürnend einen Schritt zurück, und des Präfekten Auge leuchtete auf in Siegesfreude.
»Aber nicht ertragen kann ich«, fuhr der Mönch fort, »dein furchtbares Wort: um meinetwillen, für mich habest du getan, was du verbrochen. Wisse, nie, niemals, selbst wenn es sonst mich lockte, — mich aber lockt die Dornenkrone von Golgatha, nicht die blutbefleckte Krone Roms — könnt’ ich dein Erbe antreten, an welchem solche Flüche hangen. Ich bin dein: — aber sei du auch meines Gottes: sei mein, nicht der Welt und der Hölle eigen. Wenn du mich wirklich liebst, — entsage deinen verbrecherischen Plänen. Aber mehr — mehr: du mußt bereuen. Ohne Reue und Buße keine Erlösung.
Und ich will mit Gott ringen im Gebet, bis er dir vergibt. Widerrufe in Gedanken deine Taten.«
»Halt an«, sprach Cethegus, sich hoch aufrichtend. »Was sprichst du da von Reue, der Knabe zum Mann, zum Vater der Sohn? Laß du ruhig meine Taten auf meinem Haupt: ich habe sie zu tragen, nicht du.«
»Nein, Cethegus, nimmermehr. Wenn du beharrst, kann ich dir nicht folgen. Bereue, — beuge dich, — nicht vor mir, wahrlich: vor Gott dem Herrn.«
»Ha«, lachte Cethegus, »sprichst du zu einem Kinde?
Alles, was ich getan, — wär’s ungeschehn: — ich würd’ es alles, alles noch mal tun.«
»Cethegus«, rief Julius entsetzt, »welch schrecklich Wort! Glaubst du denn wirklich nicht an einen Gott?«
Aber gereizt fuhr Cethegus fort: »Bereuen! Bereut das Feuer, daß es brennt? Du kannst es nur ersticken: nicht hemmen, daß es brennt, solang es lebt. Lob’ es, schilt es, wie du willst: doch laß es Feuer sein! So muß Cethegus den Gedanken folgen, die wie der Lauf des Blutes durch sein Haupt rinnen. Ich will nicht, ich muß wollen. Und, wie der Gießbach niederschäumt von Bergeshöhn, bald durch blumige Wiesen, bald durch schroffes Gezack, bald segnend befruchtend, bald tödlich zerstörend, ohne Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dankrecht: — so reißt mich das Geschick dahin den Weg, den Eigenart und die gegebene Zeit und Welt um mich her vorzeichnen. Soll ich bereuen, was ich auf meinem Weg zerstört, zerstören mußte? Ich tät’ es immer wieder.«
»Entsetzlicher! In diesen Worten weht der Hauch der Hölle! Wie kannst du erlöst werden, wenn du nicht erkennst, daß du gesündigt? Des Menschen Wille ist frei.«
»Ja, so frei wie der geworfene Stein, der sich einbildet, er könne fliegen.«
»O fürchte, Cethegus, fürchte den lebendigen Gott!«
Aber, grimmiger als zuvor, lachte Cethegus. »Ha, wo ist er denn, dieser lebendige Gott?
Ich habe, den Himmel entlang, den Gang der Gestirne, ich habe die grausame Natur, ich habe die grausamere Geschichte der Menschen durchforscht und keinen Gott gefunden als das Recht des Stärkeren, die Notwendigkeit, die furchtbar erhabene Göttin, deren Anblick versteint wie der der Meduse.
Du birgst dich, Knabe, in die Mantelfalten deines geträumten Gottes, du steckst dein Haupt in seinen Vaterschoß, starrt dich des Schicksals Walten mit den Gorgonenblicken an. Wohl, es sei: aber schilt nicht den Mann, der, den Blick erwidernd, spricht: ‘Es ist kein Gott’ und würd’ er drob zu Stein.
Ja, das Lächeln und das Weinen sind zwei holde Genüsse. Prometheus aber hat nicht gelächelt, als ihm Pandora die betörende Büchse bot. Aber er hat auch nicht geweint, als ihm Gewalt und Kraft die Glieder an die Felsen schmiedeten. Und an den Geier, der ihm das Herz zerfleischt — nun, an den Geier — hat er sich gewöhnt. Und eher ermüdete das Schicksal, den Titanen zu quälen, als daß sich der Titane gebeugt.«
»Cethegus«, flehte Julius, »sprich nicht so! Ich sage dir: es ist ein Gott.«
»So? wo war er denn, als man Manilia mit Gewalt zu verhaßter Ehe zwang, als man für ewig des Cethegus Herz vergiftete? Wo war er denn, als ihr der blinde Zufall einen Frankenpfeil in das Herz gejagt?
Ha, auch ich habe an ihn geglaubt: genauso lang war ich der Spielball der andern.
Später aber hab’ ich gehandelt unter der Voraussetzung, die mich mein eignes Schicksal gelehrt: ‘Es ist kein Gott’. Und siehe da: seither treffen alle meine Schlüsse zu!
Wo war er denn, dein gerechter, allmächtiger, allweiser, allgütiger Gott, als die schuldlose Kamilla den nicht für sie gemischten Becher trank? Wo blieben da seine Wunder und Engel? Als Calpurnius den Knaben des Witichis von den Felsen warf, warum haben die Engel Gottes nicht das Kind aufgefangen — fällt ja doch kein Sperling vom Dache ohne Gottes Wille! — und den Mörder zerrissen? Wo war er denn, dein rettender Gott, als ich den Massagetenpfeil auf jene wackre Rauthgundis entsandte? Ha, lebte ein Gott im Himmel: — rückprallen mußte der Pfeil von dem treuen Weibe und des Cethegus Brust durchbohren! Aber der Pfeil war scharf und gut gezielt: und darum starb Rauthgundis, wie wenn sie die Möwe des Padus gewesen. Drum rede mir nicht vom lebendigen Gott, du lallender Knabe.«