Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 72
EINUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Als der König beim Schein der Sterne das kleine Haus von Taginä erreichte, wo er sein Quartier aufgeschlagen, traf er im Hofe, auf dem Rand der Zisterne, einen Mann in dunklem Mantel sitzen, die Harfe auf den Knien, sie blitzte im Mondlicht; leise Akkorde griff er darauf.
»Du bist es, Teja? Hast du nichts zu tun auf deinem Flügel?«
»Ich habe dort alles geordnet. Hier hab’ ich zu tun — mit dir.«
»Tritt mit mir ins Haus. Ist Julius nicht darinnen?«
»Er ging noch in die Basilika Sankt Pauls, für deinen Sieg zu beten. Er kommt wohl bald zurück. Ich habe dir eine Rüstung mitgebracht, die ich dich bitte, morgen in der Schlacht — mir zuliebe — zu tragen, sie ist fest und sehr sicher.«
Totila blieb gerührt stehen: »Welche Sorgfalt echter Freundschaft!«
Hand in Hand schritten sie nun in das Mittelgemach des Hauses. Da lag, auf dem Marmortisch aufgerichtet, eine vollständige Rüstung, vom Helm bis zu den geschuppten Schuhen, von dem besten hispanischen Stahl, leicht und doch undurchdringlich; meisterhaft gearbeitet, aber ohne allen Schmuck, ohne Helmzier, mit dicht geschlossenem Visier, — alles von dunkelblauem Stahl.
»Welcher zauberkund’ge Schmied hat dieses Wunderwerk geschaffen?« frug Totila bewundernd.
»Ich«, sagte Teja. »Du weißt: ich habe von jeher Gefallen an Waffenarbeit gehabt. Und ich habe — ich schlafe wenig nachts — diese Schuppen für dich gefertigt. Du mußt sie annehmen.«
»Ja«, lächelte Totila — »für meine Bestattung, darin will ich meinen Leichenzug begleiten. Aber morgen, mein Teja, reit’ ich in vollem Königsschmuck ins Treffen. Italia soll nicht sagen, ihr König und Bräutigam habe sich an seinem Ehrentag versteckt. Nein, wer morgen den Gotenkönig sucht, soll nicht viel Mühe haben, ihn zu finden.«
»Ich hab’ es gefürchtet«, seufzte Teja. »So laß mich wenigstens morgen an deiner Seite fechten: nimm mir den Befehl des rechten Flügels ab.«
»Nein, er ist hochwichtig. Mich beschützen kann ich selbst. Die Berge aber mußt du mir decken und den Weg nach Rom. Im Fall eines Unglücks liegt auf deinem Flügel die einzige Rettung für den Abzug.«
Da trat Julius ein mit Graf Thorismut und Herzog Adalgoth und die Diener, — darunter auch Wachis, der nun Teja als Schildträger begleitet hatte — brachten das Nachtmahl: Fleisch, Früchte, Brot und Wein.
»Denke, Julius«, lächelte Totila diesem entgegen, »der kühnste Held im Gotenheer ist ängstlich geworden.«
»Nicht für mich«, sagte dieser. »Aber meine Träume treffen meistens ein. Und sie sind immer schwarz.«
»Eure Träume«, lächelte Totila dem jungen Adalgoth, der sich neben ihm niederließ, und Wachis zu, der dem König den Becher fällte — »eure Träume, ihr Frischvermählten, sind wohl nicht schwarz!«
»Kann nicht klagen darüber, Herr König«, schmunzelte Wachis. »Doch ich wünschte —«
»Was hast du noch zu wünschen außer Liuta?« meinte Totila.
»Ich wünschte, der Lange wäre da.«
»Welcher Lange?«
»Nun: der gar Lange: der noch deinen tapfern Bruder Hildebad um eines Hauptes Länge überragt haben würde, der mit dem Bärenfell und mit der Falken-Werferin: — wie hieß er doch?«
»Harald«, sagte Teja ernst.
»Ja, den meine ich. Der wäre gut mit seinen starken Riesen morgen.«
»Wir werden ihn nicht brauchen.«
»Aber besser ist immer besser, Herr König. Und wenn ich der Herr König gewesen wäre: — den hätt’ ich wieder kommen lassen, als der Krieg losbrach.«
»Wir brauchen ihn nicht«, wiederholte der König schärfer.
»Ich dachte wie mein Schildmann, o König«, sagte Teja, »und habe auf eigne Faust — an deiner Einwilligung zweifelnd — gesendet nach ihm: fortgeschickt hättest du ihn doch nicht, hätte ich ihn zur Stelle schaffen können. Auch mir hat dieser treue Nordlandsheld gefallen —: seine Leute wären gut gewesen wider die Langbärte —: leider war die Flotte von meinem kleinen Schiff nicht einzuholen.«
»Dank, Teja, das war wieder ganz deine Art. Aber mich freut, daß du ihn nicht beischaffen konntest. Wir schlagen und siegen allein. Mein Plan ist ganz unfehlbar, wenn nur... —« Hier flog eine Wolke über des Königs Stirn.
»Wenn der Korse seine Schuldigkeit tut«, sprach Teja.
»Sage, Thorismut — ich sandte dich noch vom Kloster aus, wo ich einen kleinen Streit mit ihm hatte, an Furius — ich fragte, ob alles beim alten bleibe zwischen uns: — was antwortete er?«
»Er gab mir diesen offenen Brief an dich.«
»Wo trafst du ihn?« forschte der König, die Wachstafel nehmend.
»Vor Taginä. Er wies seinen Reitern bereits die Stellung im Hinterhalt an. Er hat alles auf das genaueste erfüllt, was du vorschriebst.«
Totila las: »Morgen werd’ ich erfüllen, was du von mir erwartest. Du wirst mir nach der Schlacht nichts mehr vorwerfen.«
»Er fügte bei«, ergänzte Thorismut, »ein paar Hundert seiner Rosse, die, von der Seereise angegriffen, langsamer marschiert, kämen morgen früh sicher an. Sie sind auch schon gemeldet von Septempeda her: du möchtest, womöglich, die Entscheidung hinausziehen, bis zu ihrem Eintreffen.«
»Warum kommt er nicht selbst hierher?« zürnte Teja.
»Er bemüht sich auf das eifrigste«, sprach Thorismut — »ich hab’ es selbst gesehen — seinen Reitern genau die Örtlichkeit zu zeigen, wo die Entscheidung fällt. Er hat noch im Mondlicht Gefechtsübungen von den Hügeln herab auf die Straße gemacht.«
Totila aber schloß: »Ich weiß, warum er nicht zu meinem Nachtmahl kommt. Es hat nichts auf sich.«
Und sie setzten sich nun auf die Feldstühle und Truhen, die um den Tisch standen, und begannen das einfache Mahl.
»Der König«, hob Teja an, »läßt mich morgen nicht an seiner Seite fechten. So befehl’ ich ihn dir, mein tapferer Thorismut: behüte du sein Leben.«
»Das wird er nicht immer können«, lächelte Totila, trinkend. »Thorismut muß mir die Speerträger in Taginä befehligen.«
»Solang ich an des Königs Seite halte, geschieht ihm nichts«, sagte Thorismut ruhig. »Ich gehe, nochmal zu den Vorposten bei Caprä zu reiten.« Und er schritt aus dem Gemach.
»Ja«, rief Totila, »bei Neapolis, am capuanischen Tor, war er mein Retter.«
»Und zu Rom am Tiber der junge Harfenherzog hier«, sprach Teja, »wo ist er morgen? Er soll dich wieder decken.«
»Nein!« rief dieser: »Ich habe mir ausgebeten, in dem Reiterangriff voranzureiten und Domna Valerias neue Fahne zu tragen.«
»Nun, frommer Julius«, sprach Teja — »du sollst nicht fechten: — aber schirme du des Königs Leben. — Ich weiß, du liebst ihn, auf deine Art: und das wird wohl keine Sünde sein.«
»Ich will um ihn bleiben. Aber besser noch als mein schwacher Arm oder dein starker, Graf von Tarentum, wird mein Gebet zu Gott ihn schützen.«
»Gebet!« sagte Teja. »Noch ist kein Gebet durch die Wolken gedrungen. Und wenn es durchdrang, fand es den Himmel leer.«
ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
»Wie«, rief der Mönch, »du leugnest, finstrer Mann, wie — wie Cethegus, den Gott der Liebe aus seiner Welt hinaus? Den Gott, der allweise, allmächtig und alliebend vom Himmel aus der Menschen Pfade lenkt, den leugnest du?«
»Ja«, rief Teja und ließ die Hand an den Schwertgriff gleiten. »Den leugne ich! Und wäre ein Wesen da oben, lebendig und wissend, was es tut oder geschehen läßt —, man müßte, wie die Riesen unsrer Göttersage, Berg auf Berg und Fels auf Felsen türmen und seinen Himmel stürmen, und nicht ruhen und rasten, bis man das teuflisch grausame Gespenst von seinem blutigen Schädelthron gestoßen hätte oder selbst gefallen wäre von seinem Blitz.«
Entsetzt sprang Julius auf: »Hat denn der Geist der Gottesleugnung, der Gotteslästerung die gewaltigsten Männer der Welt ergriffen? Ich kann solche Worte nicht anhören.«
»Dann frag’ mich nicht!«
Mit Staunen sah auch der König auf den sonst so schweigsamen Freund, aus dessen tief verschlossener Brust plötzlich lang verhaltener, grimmiger Schmerz glühend hervorbrach.
»Ihr staunt«, fuhr dieser fort, »daß der grabesstille Teja noch so heiß empfindet. Ich staune selbst zuweilen darüber. Aber morgen ist der Tag der Sommersonnenwende; der Tag, da dereinst meine Sonne für immer sich gewandt. An jeder Wiederkehr des Tages bricht mir die alte Wunde schmerzend auf.«
»Ich begreife deine Düstre jetzt, unsel’ger Mann«, sprach Julius nach einer Pause. »Ja, ich fasse nicht, wie du leben kannst — ich könnte nicht atmen: ohne Gott.«
»Wer sagt dir, Mönch, Teja hat keinen Gott? Weil ich ihn nicht nach deinem Glauben sehe, nicht, wie du, vermenschlicht, von Liebe, Haß, Zorn, Eifersucht entstellt? Weil ich nicht denken kann, daß er, der Vorschauende, Wesen schafft, sich und andern zur Qual, sie zu verdammen und sie hintendrein, durch ein Mirakel, durch schuldloses Blut des Edelsten, wieder zu erlösen? Weil ich ihn nicht denken kann wie einen ungeschickten Zimmerer, der seine Baute schlecht gemacht hat und nun immer daran nachflicken muß mit mirakelnder Hand? Ich sage dir: die Majestät meines Gottes ist so furchtbar, daß dein armseliger Engelkönig vor seiner Größe verschwindet, vor seiner unerbittlichen Furchtbarkeit, wie das Gewölbe deiner Kirchen gegen das Gewölbe des Weltalls.
Nein, wäre wirklich ein Allvater in den Wolken, und könnte er dem grausamen Gang der Geschicke nicht steuern: — ihn selber müßte der Gram ergreifen. Er müßte furchtbar leiden unter diesen Schmerzen seiner Kinder wie euer sanfter Jesus litt — das hat mich immer tief gerührt! als er auf dem Ölberg der Menschheit ganzen Jammer trug.
Und weil ich dir, mein Totila, versprochen, dir noch einmal von meiner Harfen— und Liedkunst zu vernehmen zu geben: — so höre den Gesang, den ich dem Allvater Odin in den Mund gelegt.«
Und er griff in die Saiten der kleinen Harfe, die neben ihm bei seinen Waffen lag, und sang dazu mit tiefernster Stimme:
Allvaters Gesang
»Es seufzt meine Seele in unsäglichem Jammer
Um des Schmerzengeschlechts, um der Menschen Geschick.
Denn was in der Welt von wechselndem Wehe
Brandend sich bricht in jeglicher Brust, —
Mitempfinden, mitdurchkämpfen,
Mitdurchklagen muß ich es alles, —
Alles, alles: — denn geheißen
Bin ich ‘Allvater’:
Bald des besiegten, bessern Mannes,
Den ein Böser bezwungen,
Bitter beißenden Seelenbrand,
Wie er grollend in Todesgram
Flucht dem grausamen Schicksal: —
Bald des Liebenden tödlich Leid.
Der in leere Luft mit den Armen langt,
Dem langsam das Leben verlodert
An nie verlöschender Sehnsucht Licht:
Und der Witwe Wehklage, der Weisen Weinen
Und der versinkenden Seele
Letzten schrillen Verzweiflungsschrei —
All dies Elend, öd’ und endlos,
Es empfindet’s mit Allvater
Und wie wenig wollen dawider
Ach die winzigen Wonnen wiegen,
Die, wie verwehte Rosenblätter,
Wogen auf weiten, weiten Wellen,
Auf des Wehs unendlichem Ozean.
Traum, ein Trost nur tröstet die Trauer:
Ein Ziel ist gezeichnet den zahllosen Zähren,
Eine Endzeit.
Ich segne den Tag, da der sengende Surtur
Erbarmend der letzten Menschen Gebilde
Zugleich mit der müden Erde zermalmt,
Da endlich der Quell unerschöpflicher Qualen
Verquillt: das letzte menschliche Herz.
Willkommen der Tag! — und wären sie weise, —
Noch wärmer wünschten sie selbst ihn herbei.«
»So empfand ich früher in die Seele eines gütigen Gottes hinein. Aber seither —, ich habe viel gegrübelt und gesonnen — habe ich einen andern, meinen furchtbaren Gott gefunden. Doch freilich, diesen meinen Gott muß man erlebt haben in den Todesschmerzen des zuckenden Herzens.«
DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Julius schwieg kopfschüttelnd. Der König aber fragte: »Und wie hast du ihn erlebt, diesen furchtbaren Gott?«
»Die Stunde ist gekommen, Totila, mein König und mein Freund, da du vernehmen magst, was ich so lange auch dir verschwiegen; mein Schicksalsgeheimnis, den Schatten, der über mein Leben fiel, es verfinsternd für immerdar. Nein, bleibe nur, Christ. Auch du magst es hören und dir es dann zurechtlegen mit der Unerforschlichkeit der Wege Gottes, mit der Züchtigung dessen, den er liebt, und anderer Weisheit der Mönche. Solches magst du bei dir denken. Aber sprich es nicht aus; ich ertrage nicht — heute nicht — es zu hören. — Du kennst, Totila, meiner Eltern fluchbeladenes Geschick: denn wir beide wurden ja zusammen in König Theoderichs Waffenschule zu Regium von dem alten Hildebrand erzogen.«
»Ja, und wir liebten uns wie Brüder«, sprach der König.
»Anfangs scheu, verschlossen, niedergedrückt durch das Geschick meiner Eltern, lebte ich in deiner sonnigen Nähe allmählich wieder auf. Da überfielen, mitten im Frieden, Kriegsschiffe des Kaisers — er zürnte mit dem König wegen des Grenzstreits bei Sirmium — feindlich Regium und führten, außer andern Gefangenen, auch uns vierzig Jünglinge, auf ihre Trieren uns verteilend, fort, — nur du warst ihnen entgangen, denn der König hatte dich tags zuvor als seinen Becherwart nach Ravenna in das Palatium entboten.
Der alte Hildebrand und Graf Uliaris setzten, sobald sie es erfuhren, mit der sizilischen Flotte den Griechen nach, holten ihre Schiffe ein auf der Höhe von Catana, nahmen sie und befreiten alle Gefangenen. Nur ein Schiff entkam den Befreiern mit raschen Segeln: — die Triere ‘Naus Petrou’, in welcher ich mit zwei Genossen gebunden lag.
Der Trierarch Lykos, anstatt uns Kriegsgefangene nach Byzanz zu führen, zog es vor, uns als Sklaven zu verkaufen und den Kaufpreis einzustecken. Er lief ein in den Hafen der Insel Paros. Dort verschacherte er uns an seinen Gastfreund Dresos, den reichsten Kaufmann jener Eilande.
So war denn Teja, des Grafen Tagila Sohn, ein freier Gote — Sklave eines Griechen. — Ich beschloß, sobald ich meiner Ketten entledigt und meiner Glieder Herr würde, mich zu töten. Aber als wir, in kleinen Booten ausgeschifft, ans Land gebracht wurden, da — o mein Freund — da... Und er hielt inne und legte die Hand vor die Augen.
»Mein Teja«, sprach der König, die Hand auf des Seufzenden Schulter legend.
»Da fiel mein Blick auf die reichvergoldete, offene Sänfte, die neben Dresos hielt — und auf ein Mädchen — wunderbar schön! Bald kamen wir auf des Dresos Villa, nahe bei der Stadt, an. Dresos mißhandelte alle seine Sklaven mit Schlägen und übermäßiger Arbeit, ja er mißhandelte selbst seine Mündel Myrtia, das zarte, wundersame Bild.
Mich traf ein milderes Los.
Als er von mir erfuhr, daß ich Waffen zu schmieden und edles Geschmeide wohl verstand, — ich hatte es vom Knaben an geübt — da behandelte er mich besser, baute nahe seiner Villa mir eine Werkstätte und machte mich zum Vorstand der hier beschäftigten Sklaven.
Auch die Ketten nahm er mir — bei Tage — ab.
Nur bei Nacht ward ich mit meinen zwei gotischen Mitsklaven zusammengekettet an den Amboß in der Werkstatt.
Ich hätte die Flucht bei Tage wohl wagen können.
Aber ach — ich floh nicht! Myrtia hielt mich gefesselt! Sie sehen — sie sprechen: denn oft kam sie in die Werkstatt, Geschmeide, Schmuck zu bestellen, bessern zu lassen, bald auch, mir bei der Arbeit zuzuschauen oder meinem Gesang und Harfenspiel zu lauschen.
Und, o ihr ewigen Sterne, welche Wonne! Was anfangs nur Mitleid gewesen in des schönen Griechenkindes Brust, — ich sah es, ich konnte nicht mehr zweifeln, — sie gestand es in seligem Kuß, — das ward Liebe, volle, seltene Liebe.
Ich kann sie nicht schildern: golden ihr Haar, golden ihr Auge, golden ihr Herz. — —
Und auch Teja war einmal glücklich und glaubte an Glück und einen gütigen Gott über den Sternen.
Da kam die Geliebte eines Abends, verstört, in Verzweiflung, zu der leisen Zwiesprache in die Werkstätte. Ihr Vormund hatte sie verlobt: verschachert an denselben Trierarchen Lykos, der uns in die Sklaverei verkauft hatte. Bitten, Tränen, kniefälliges Flehen blieben umsonst; auf ihren sechzehnten Geburtstag ward ihr die Hochzeit angesagt. Das war in wenigen Wochen.
Der längst gehegte Plan zu gemeinsamer Flucht ward nun rasch gereift.
Ich hatte mir schon lange eine Feile zur Lösung unserer Ketten gefertigt: nun schmiedete ich noch einen Schlüssel zur Öffnung der Werkhaustür. Meine Mitgefangenen waren eingeweiht. Auf der kleinen Insel konnten wir uns nicht verborgen halten. Wir mußten zur See entfliehen.
Nahe dem Garten und der Werkstätte lag, in der Meeresbucht seitab von der Villa, ein kleines Segelschiff des Dresos, immer gerüstet für Lustfahrten, vor Anker.
Dies wollten wir benutzen, darauf nach Italien zu fliehen: Mundvorrat hatten wir an unseren Tagesrationen abgespart, Waffen fehlten ja nicht.
Der Geburtstag war — und die Hochzeit wurde anberaumt — an den Kalenden des Julius.
In der Nacht vorher sollte ich, nachdem die Kette durchfeilt, die Tür geöffnet, die Genossen nach rechts von dem Hauptgebäude der Villa in die Bucht und auf das Schiff geeilt, mich nach den links von der Villa gelegenen Frauengemächern schleichen, in welchen Myrtia schlief: eine kleine Strickleiter reichte aus, sie von den niederen Gelassen in meine Arme zu führen. Und ich sollte dann mit ihr auf das einstweilen segelfertig gestellte Fahrzeug eilen. Alles war sorgfältig bedacht und bereitet.
VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Aber schon zwei Wochen vor dem Hochzeitstag traf Lykos, der tief Verhaßte, ein; derselbe Mann, der mich als Sklaven verkauft, und der mir nun die Geliebte rauben wollte.
Mein Haß gegen ihn war grimmig. Kaum hielt ich mich zurück, ihn zu erschlagen, als er mit Dresos und andern Hochzeitsgästen an meinen Amboß trat und ich ihm meine Kunstfertigkeit zeigen mußte. Doch ich bezwang mich — um Myrtias willen.
Diese aber klagte, der verhaßte Bräutigam dränge immer ungestümer zur Hochzeit: kaum könne sie noch den Vormund abhalten, schon sofort sie ihm zu übergeben. Ihre Freiheit, ihr Kommen und Gehen werde immer strenger überwacht.
Da beschlossen wir, schon früher zu fliehen. Wir wählten die Nacht der Sommersonnenwende, wann, wie wir wußten, in der Villa mit großem Trinkgelage der Männer, das Lichterfest gefeiert werden sollte. Wir hofften, wann die Zecher in Wein und Schlaf versunken lägen, am sichersten zu entkommen. Sowie die Sterne in der Mitternacht standen, sollte ich Myrtia aus dem Frauengemach entführen.
Am Tag der Sonnenwende kam Lykos wieder in die Werkstatt mit Dresos und kaufte einen kostbaren Goldschmuck, den ich gefertigt. ‘Weißt du auch, Sklave, für wen?’ lachte er. ‘Für mein Weib Myrtia. Und das sage ich dir, Gotenhund: wenn du nochmal den Knechtesblick so frech auf ihr ruhen läßt, wie gestern, da sie hier eintrat — ihr saht mich nicht hinter den Taxusbüschen, aber ich sah dich, — dann bitte ich Dresos, dich mir zu schenken — und dann!’ Und er schlug mir mit dem Schaft des Speeres, den er in der Hand hielt, in das Antlitz.
Ich schrie auf und griff nach dem schweren Schmiedehammer: — aber Aligern, mein mitgefangener Vetter, fiel mir warnend in den Arm. Und mit einem Fluche schritt der Trierarch hinaus. Mit welchem Hasse blickte ich dem geschweiften Helm, mit dem silbernen Wolf auf dem Kamm, und dem gelben Mantel nach!
Endlich kam die Nacht, die Dunkelheit.
Wir hörten bis in unsere Werkstätte herab den wüsten Lärm des Trinkgelages aus der Villa dringen. Wir sahen die Lichter des Lichterfestes oben schimmern. Offenbar lagen Dresos, Lykos und die andern Gäste in taumelndem Schwelgen.
Noch war es nicht ganz Mitternacht —, aber ich hatte bereits die Genossen befreit —. Sie waren glücklich an das Schiff zur Rechten des Gartens gelangt —, der Schrei des wilden Schwans, das mit Aligern verabredete Zeichen, war dreimal erklungen —, und eben trat ich leise aus der Türe, nun nach links hin, nach dem Frauenhause, zu eilen —, da hörte ich deutlich die eiserne Gittertüre gehen, die von oben, von der Villa her, in den Garten führte. Argwöhnisch blieb ich stehen und spähte nach oben.
Wirklich: da schlich durch die Taxusbüsche, vorsichtig, tastend und lautlos auf den Zehen gleitend, ein Mann in Kriegertracht. Lykos war es —: deutlich erkannte ich im Mondlicht seinen silbernen Wolf auf dem visiergeschlossenen Helm, und den gelben Mantel, in der Rechten den Speer.
Lauernd, lauschend kam er näher, — sah sich um, ob ihm niemand folge, und schritt dann wieder gerade auf unsere Werkstätte zu, in deren Schatten ich versteckt stand.
Kein Zweifel: er hatte Verdacht geschöpft. Er wollte mich überwachen die Nacht: der Fluchtplan war verraten. Grimmig sprang ich ihm entgegen und stieß ihm das Schwert in die Brust.
Da tönte ein Aufschrei — mein Name —: das war nicht Lykos! Ich öffnete entsetzt das Helmvisier — Myrtia lag sterbend vor mir.«
Er schwieg und verhüllte das Haupt im Mantel.
»Armer, unseliger Freund«, sprach Totila, nach seiner Rechten langend. Julius aber sprach leise, unhörbar für beide:
»Mein ist die Rache, ich will dir vergelten: spricht der Herr.«
Teja erhob das Haupt und fuhr fort: »Ich fiel sinnlos, bewußtlos neben ihr nieder. Als ich zu mir kam, fühlte ich den frischen Hauch der Seeluft um mich wehen. Die Genossen, Aligern voran, waren besorgt über unser langes Ausbleiben, in den Garten nach der Werkstätte zurückgekehrt: dort fanden sie uns beide.
Bevor sie starb, erzählte die Geliebte kurz, wie Dresos und Lykos, beide berauscht, im Taumel des Festgelages plötzlich beschlossen, noch in dieser Nacht die Hochzeit zu vollziehen. Kurz vor Mitternacht hatte man die Widerstrebende aus dem Frauengemach geholt und in die Villa, in das wilde Zechgelage, geschleppt. Sogleich sollte die Hochzeitsfeier gehalten werden. Dresos legte ihre zitternde Hand in die des Lykos. Nur so viel Zeit sollte gelassen werden, daß dieser sich zu der auf seinem Schiff zu haltenden Feier umkleiden, Befehle dorthin entsenden konnte, das Brautgemach zu schmücken.
So ließ man die Vermählte — für kurze Zeit — allein.
Diese Zeit benutze sie, eilte in die Vorhalle, wo sie des Lykos Helm und Mantel hatte liegen sehen. Sie hüllte sich rasch in diese Verkleidung, schloß das Visier, barg ihr Frauengewand in dem langen, gelben Mantel und eilte an einigen der berauschten Gäste, unerkannt, vorüber, geradewegs zu mir in die Werkstätte, — denn im Frauenhause waren nun alle Sklaven und Sklavinnen wach — von dort aus mit uns zu fliehen. Und ihr letztes Wort war ein Segenswunsch für mich gewesen.
Sie mußten mich halten —, ich wollte mich ins Meer werfen. Ich verfiel in ein hitziges, schweres Fieber. Ich erwachte erst an Bord eines gotischen Kriegsschiffes, unter Herzog Thulun, das uns bei Kreta aufnahm.
Da entdeckte Aligern plötzlich, daß uns die Triere des Lykos, die entflohenen Sklaven verfolgend, nachgesetzt war und eben um die Spitze von Kydonia bog, als wir an Bord des Kriegsschiffes waren. Sofort setzte der Grieche alle Leinwand auf, zu entkommen, als er die gotische Kriegsflagge erkannte: aber Herzog Thulun und Aligern jagten nach, holten den Griechen ein, enterten und erschlugen Lykos, Dresos und die dreißig Mann des Schiffsvolks.
Ich aber war, da ich erwachte, der Teja, der ich bin.
Und glaubte nicht mehr an den Gott der Gnade und Liebe: und wie ein Hohn auf Myrtia klingt jedes Wort, das davon faselt. Was hatte sie, was hatte ich verschuldet? Weshalb ließ Gott, wenn er lebt, dies Grauenhafte zu?«