Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 78
ELFTES KAPITEL
Des Präfekten altes Glück schien auch das Wetter nach seinen Wünschen rasch zu ändern.
Prachtvoll leuchtete am Morgen nach der letzten Unterredung mit Narses die Sonne auf den blauschimmernden Golf von Bajä; und Hunderte von Fischerbooten eilten hinaus, die günstige Witterung zu nutzen.
Syphax war mit dem ersten Morgengrauen, nachdem er seinen Platz auf der Schwelle des Zeltes seines Herrn den vier allein zurückgebliebenen Isauriern überwiesen, verschwunden.
Als Cethegus das Morgenbad im Nebenzelt vollendet hatte und zum Frühmahl in sein Hauptzelt zurückkehrte, hörte er Syphax laut lärmend durch die Lagergassen schreien. »Nein!« rief er, »diesen Fisch dem Präfekten! Ich habe ihn bar bezahlt. Der große Narses wird doch nicht andrer Leute Fisch essen wollen.« Und mit diesen Worten riß er sich los von Alboin und einigen Langobarden sowie von einem Sklaven des Narses.
Cethegus blieb stehen. Er erkannte den Sklaven: es war der Koch des meist kranken und immer sehr mäßigen Mannes, der fast nur für des Narses Gäste sich zu mühen hatte.
»Herr«, sprach der feingebildete Grieche, sich entschuldigend, in seiner Muttersprache zu dem Präfekten: »nicht mich schilt um diese Ungebühr. Was liegt mir an einer Meeräsche! Aber diese langbärtigen Barbaren zwangen mich, um jeden Preis den Fischkorb für Narses in Anspruch zu nehmen, den dein Sklave aus der See zurückbringen würde.«
Ein zwischen Syphax und Cethegus gewechselter Blick genügte.
Die Langobarden hatten das Griechische nicht verstanden.
Cethegus gab Syphax einen Schlag auf die Wange und rief auf lateinisch:
»Unnützer, frecher Sklave, kannst du denn niemals Sitte lernen? Soll nicht der kranke Feldherr das Beste haben?« Und unsanft entriß er den Korb dem Mauren und reichte ihn dem Sklaven: »Hier der Korb. Mögen die Fische Narses munden.« Der Sklave, der die Gabe deutlich genug abgelehnt zu haben glaubte, nahm den Korb kopfschüttelnd.
»Was bedeutet das?« sagte er im Abgehn lateinisch.
»Das bedeutet«, antwortete, ihm folgend, Alboin, »daß der beste Fisch nicht in dem Korbe geborgen ist, sondern anderswo.«
Im Zelte angelangt, griff Syphax eifrig in seinen Gürtel von Krokodilhaut, der, wasserdicht, ein Bündel von Papyrusrollen barg, und reichte sie rasch seinem Herrn.
»Du blutest, Syphax?«
»Nur wenig! Die Langbärte stellten sich, da sie mich im Wasser schwimmen sahen, als hielten sie mich für einen Delphin, und schossen mit ihren Pfeilen um die Wette auf mich.«
»Pflege dich — ein Solidus für jeden Tropfen deines Blutes: — der Brief ist goldes— und bluteswert, wie es scheint. Pflege dich! Und die Isaurier sollen niemand einlassen.«
Und nun allein im Zelt hob der Präfekt an zu lesen. Seine Züge verfinsterten sich: tiefer, immer tiefer ward die Mittelfurche der gewaltigen Stirn, immer fester und herber schlossen sich die Lippen.
»An Cornelius Cethegus Cäsarius, den gewesenen Präfekten und gewesenen Freund zum letztenmal Prokopius von Cäsarea.
Das ist das traurigste Schreibgeschäft, zu welchem ich je meine ehemalige und meine jetzige Schreibhand gebraucht. Und ich gäbe gern auch diese meine Linke, wie für Belisar meine Rechte, dahin, müßte ich diesen Brief nicht schreiben.
Den Absagebrief, den Aufkündungsbrief unserer bald dreißigjährigen Freundschaft!
An zwei Helden hatte ich geglaubt in dieser heldenlosen Zeit: an den Schwerthelden Belisar, an den Geisteshelden Cethegus. Den letzten muß ich fortan hassen, fast verachten... —«
Der Leser warf den Brief auf den Lectus, darauf er lag: dann nahm er ihn mit gefurchten Brauen wieder auf und las weiter: »Nun fehlte nur noch, daß Belisar der Verräter wirklich gewesen wäre, als den du ihn darstellen wolltest.
Aber Belisars Unschuld ist so leuchtend aufgedeckt worden wie deine schwarze Falschheit. Längst ward mir unheimlich bei deinen krummen Pfaden, auf welchen du auch mich ein gut Stück mitgeführt. Aber ich glaubte an dein selbstlos hohes Ziel: Italiens Befreiung. Nun aber durchschaue ich, als deine letzte Triebfeder, die maßlose, schrankenlose, scheulose Herrschsucht. Ein Ziel, eine Leidenschaft, die solche Mittel brauchen, sie sind entweiht für immer. Du hast den tapfersten Mann mit der treuen Kindesseele verderben wollen durch sein eignes, eben gebessertes Weib, deiner schändlichen Freundin Theodora und deiner eignen Herrschgier zum Opfer. Das ist teuflisch: und für immer wend’ ich mich von dir.«
Cethegus drückte die Augen zusammen.
»Es darf mich nicht wundern« — sprach er dann vor sich hin. »Auch er hat seinen Abgott: Belisar! Wer dem klugen Manne den antastet, der ist ihm so greulich wie dem Christen, wer in dem Kreuz nur ein Stück Holz erblickt. Es darf mich also nicht wundern —: aber es schmerzt!
Das ist die Macht dreißigjähriger Gewohnheit.
Solang hüpfte etwas wärmer da unterm Harnisch bei dem Klang des Namens: ‘Prokopius’.
Wie schwach doch die Gewohnheit macht! Julius nahm mir der Gote: — Prokop nahm mir Belisar: — wer wird mir den Cethegus nehmen, meinen ältesten, letzten Freund? Niemand: auch Narses nicht: und nicht das Schicksal. Hinweg mir dir, Prokopius, aus meinem Lebenskreise. Du bist tot. Fast zu weinerlich, jedenfalls zu lang, ward die Grabrede, die ich dir gehalten. Was spricht er weiter, der Verstorbene?«
»Ich aber schreibe dir dies, weil ich die lange Freundschaft, die du mit tückischem Angriff auf mein Sternbild Belisar geschlossen, meinerseits schließen will mit einem letzten Liebeszeichen: ich will dich warnen und retten, bist anders du zu warnen und zu retten.
Sieben meiner früheren Briefe haben dich offenbar nicht erreicht — sonst weiltest du nicht mehr in des Narses Lager, wie dessen Kriegsberichte melden.
So vertraue ich diesen achten meinem klugen Agnellus an, einem Fischersohn aus Stabiä, wo ihr ja nun lagert: ich schenke ihm die Freiheit und lege ihm diesen Brief als letzten Auftrag ans Herz. Denn, obwohl ich dich nur hassen sollte —: noch immer lieb’ ich dich, Cethegus —. Man kann — weiß nicht warum, aber man kann nicht von dir lassen! —: und gern möcht’ ich dich retten.
Als ich, bald nach deiner Abreise, nach Byzanz kam — schon unterwegs hatte mich wie ein Donnerschlag die Kunde von Belisars Verhaftung (in einer Verschwörung wider Justinian!) erreicht — glaubte ich zuerst, du müssest getäuscht worden sein wie der Kaiser.
Vergebens bemühte ich mich um Gehör bei dem Imperator: er wütete gegen alle Namen, die mit Belisar durch Freundschaft verknüpft waren. Vergebens versuchte ich, mit allen Mitteln, zu Antonina zu dringen: vortrefflich wurde sie — dank deinen Weisungen! — bewacht im roten Hause. Vergebens bewies ich Tribonian die Unmöglichkeit einer Verratsschuld Belisars: er zuckte die Achseln und sprach: ‘Begreifen kann ich’s nicht! Aber die Überführung ist schlagend: dies unsinnige Ableugnen der Besuche des Anicius! Er ist verloren!’
Und verloren war er.
Gefällt war der Spruch: Belisar zum Tode verurteilt. Antonina zur Verbannung. Des Kaisers Gnade hatte das in Blendung, Verbannung, fern von dem Exil Antoninas, und Vermögenseinzug verwandelt.
Furchtbar lag dieses Wort auf Byzanz.
Niemand glaubte an seine Schuld: ausgenommen der Kaiser und die Richter. — Aber niemand vermochte seine Unschuld zu beweisen, sein Schicksal zu wenden. Ich war entschlossen, mit ihm zu gehen: der Einarmige mit dem Blinden. Da hat ihn — und gesegnet soll er dafür sein! — gerettet: — — sein großer Feind Narses, den ich dir schon einmal den größten Mann des Jahrhunderts genannt habe.«
»Natürlich«, grollte Cethegus, »nun vollends ist er auch der Edelste.«
»Aus den Bädern von Nikomedia, wo der Kranke weilte, war er, als ihn die Nachricht traf, sofort nach Byzanz geeilt. Er ließ mich rufen und sprach: Du weißt es: meine Wonne war es, Belisar in offner Feldschlacht gründlich zu schlagen. Aber so elend soll nicht, durch Lügen, untergehn, wer des Narses großer Feind gewesen. Komm mit mir, du, sein erster Freund, ich: sein erster Feind —: wir beide zusammen wollen ihn retten, den törichten Mann des Ungestüms.«
ZWÖLFTES KAPITEL
»Und er verlangte Audienz beim Kaiser, die der Gegner Belisars sofort erhielt. Da sprach er zu Justinian:
‘Es ist unmöglich, daß Belisar ein Verräter. Seine blinde Treue gegen deinen Undank ist ja sein einziger Fehler.’
Aber Justinian blieb taub.
Narses jedoch legte seinen Feldherrnstab vor den Kaiser nieder und sprach: Wohlan: entweder du vernichtest den Spruch der Richter und bewilligst Neuaufnahme des Verfahrens, oder du verlierst an einem Tage deine beiden Feldherren. Denn an dem gleichen Tage mit Belisar geht Narses in Verbannung. Dann siehe zu, wer deinen Thron behütet vor Goten, Persern und Sarazenen.’
Und der Kaiser schwankte und verlangte drei Tage Bedenkzeit: und inzwischen sollte Narses das Recht haben, mit mir die Akten einzusehen, Antonina und alle Angeschuldigten zu sprechen.
Bald ersah ich aus den Akten, daß der schlimmste Beweis wider Belisar — denn jene Zusage auf der Wachstafel, die man bei Photius gefunden, hoffte ich hinwegdeuten zu können — der geheime nächtliche Verkehr des Anicius in seinem Hause war, den Belisar, Antonina, Anicius selbst wider allen Verstand hartnäckig leugneten.
Als ich Antonina, die Verzweifelte, allein sprach, sagte ich ihr: ‘Dieser Verkehr und dies euer Lügen wird sein Verderben.’ — ‘Wohlan’, rief sie leuchtenden Auges, ‘dann bin nur ich verloren, und Belisar gerettet. Belisar wußte wirklich nichts von jenen Besuchen, denn Anicius kam nicht zu ihm, er kam zu mir. Alle Welt soll es wissen —: auch Belisar —. Er soll mich töten —: aber gerettet sein.’ Und sie gab mir eine Sammlung von Briefen des Anicius, die freilich, wenn dem Kaiser vorgelegt, alles erklären, aber auch — die Kaiserin furchtbar anklagen mußten.
Und wie fest stand Theodora bei Justinian!
Ich eilte mit den Briefen zu Narses. Dieser las und sprach: ‘Wohlan, jetzt gilt es nicht nur Belisars, jetzt gilt es unser aller Untergang: — oder den Fall der schönen Teufelin. Es gilt auf Tod und Leben! Komm erst noch mal zu Antonina.’ Und mit Antonina, von Wachen begleitet, eilten wir zu dem im Kerker langsam genesenden Anicius.« —
Cethegus stampfte mit dem Fuß. —
»Und dann wir alle vier zu Justinian. Die hochherzige Sünderin gestand, auf den Knien vor dem Kaiser, den nächtlichen Verkehr mit Anicius, der aber nur bezweckt habe, den Jüngling aus den Schlingen der Kaiserin zu lösen —: sie gab ihm des Anicius Briefe, die von der Verführerin, von ihren namenlosen Künsten, von dem geheimen Gang in ihr Gemach, von der drehbaren Justinianusstatue sprachen.
Furchtbar loderte der arme Gatte empor. Er wollte uns alle wegen Majestätsbeleidigung, wegen maßloser Verleumdung auf dem Fleck verhaften lassen. Narses aber sprach: ‘Tu’ das: morgen! Heute aber, wenn die Kaiserin schläft, laß dich von Anicius und mir durch den drehbaren Justinianus in das Gemach deiner Gemahlin führen, ergreife ihre Briefe, stelle sie Anicius und Antonina gegenüber, laß die alte Hexe Galatea foltern: — und gib acht, ob du nicht viel mehr erfährst, als dir lieb sein wird zu hören. Und haben wir uns getäuscht, so strafe uns morgen wie du willst.’
Der drehbare Justinianus! — das war so handgreiflich, die Beteuerung des Anicius, diese Geheimpforte oft durchschritten zu haben, so herausfordernd: — man konnte dergleichen doch kaum lügen. Justinianus nahm unsern Vorschlag an.
In der Nacht führte Anicius den Kaiser und uns drei in die Gärten der Kaiserin. Ein hohler Platanenbaum barg die Mündung des unterirdischen Ganges, der unter dem Mosaik des Vorplatzes von Theodoras Grab endete.
Bis dahin noch hatte Justinian seinen Glauben an die Kaiserin gewahrt. Als aber Anicius wirklich eine Marmorplatte beiseite schob, mit geheimem, aus seinem Hause geholtem Schlüssel ein Geheimschloß öffnete, und nun die Statue sichtbar ward — da sank der Kaiser, halb ohnmächtig, in meine Arme. Endlich raffte er sich auf und drang, an der Statue vorbei, er allein, in das Gemach.
Dämmerlicht erfüllte den Raum. Die matt leuchtende Ampel zeigte das Pfühl Theodoras. Leise, wankenden Schrittes eilte der Betrogene an das Lager.
Da lag Theodora, vollangekleidet, in kaiserlichem Schmuck. Ein greller Aufschrei Justinians rief uns alle an seine Seite. Und aus dem Vorgemach Galatea, deren ich mich sofort bemächtigte.
Justinian wies, starr vor Entsetzen, auf die ruhende Kaiserin. — Wir traten hinzu — sie war tot. Galatea, nicht minder überrascht hiervon als wir, verfiel in Krämpfe.
Wir untersuchten einstweilen das Gemach, und fanden auf goldnem Dreifuß die Asche zahlreicher verbrannter Papyrusrollen. Antonina rief Sklavinnen mit Licht herbei. Da erholte sich Galatea und erzählte, händeringend, die Kaiserin habe gegen Abend — das war die Zeit unserer Audienz gewesen — ohne Gefolge das Gartenviertel verlassen, den Kaiser, wie sie oft pflegte zu dieser Stunde, in seinem Schreibgemach aufzusuchen.
Sehr rasch sei sie zurückgekommen: ruhig, jedoch auffallend bleich. Sie habe den Dreifuß mit glühenden Kohlen füllen lassen und darauf sich eingeschlossen. Auf Galateas Pochen habe sie am Abend geantwortet, sie sei schon zur Ruhe gegangen und bedürfe nichts weiter.
Da warf sich der Kaiser wieder über die geliebte Leiche: und nun, im Glanz der Lichter, entdeckte er, daß an dem Schlangenring, einst Kleopatra eigen, den sie am kleinen Finger trug, die Rubinkapsel mit dem tödlichen Gift geöffnet war —: die Kaiserin hatte sich selbst getötet. Auf dem Citrustisch lag ein Streifen Pergament, darauf stand ihr alter Wahlspruch: ‘Leben ist herrschen durch Schönheit’.
Wir zweifelten noch, ob etwa die Qualen ihrer Krankheit oder die Entdeckung ihres drohenden Sturzes sie zur verzweifelten Tat getrieben. Aber bald ward unser Zweifel gelöst. Als die Kunde von dem Tod der Kaiserin den Palast durchdrang, eilte Theophilos, der Velarius, der Türwächter des Kaisers, halb verzweifelt, in das Sterbegemach, warf sich vor Justinianus nieder und gestand: er ahne den Zusammenhang.
Seit Jahren im geheimen Solde der Kaiserin habe er dieser jedesmal zu wissen getan, wann der Kaiser solche Audienzen erteilte, bei welchen er auch der Kaiserin, falls sie komme, den Zutritt im voraus versagte —. Sie habe dann fast immer aus einem Seitengemach die geheimsten Verhandlungen mit angehört.
So habe er auch gestern getan, als wir, mit so ganz besondrer Einschärfung der Fernhaltung der Kaiserin, Audienz erhielten. Alsbald sei die Kaiserin erschienen, aber kaum habe sie von Anicius und Antonina einige Worte vernommen, als sie, mit leis ersticktem Schrei, in den Vorhängen zusammengesunken sei. Rasch gefaßt habe sie sich dann erhoben und sich, ihm Schweigen zuwinkend, entfernt. — —
Narses drang in den Kaiser, Galatea auf der Folter nach weiteren Geheimnissen zu befragen, aber Justinian sprach: ‘Ich will nicht weiter forschen’.
Tag und Nacht blieb er allein, eingeriegelt, bei der Leiche der immer noch Geliebten, die er darauf mit höchsten kaiserlichen Ehren beisetzen ließ in der Sophienkirche. Amtlich wurde verkündet: die Kaiserin sei an Kohlendunst im Schlaf erstickt, und der Dreifuß mit den Kohlen ward öffentlich ausgestellt.
Justinian aber war in jener Nacht ein Greis geworden. —
Die nunmehr völlig übereinstimmenden Aussagen von Antonina, Anicius, Belisar, Photius, den Sklavinnen Antoninas, den Sänftenträgern, die dich kurz vor der Verhaftung Belisars an sein Haus getragen, deckten nun schlagend auf, daß du, im Bunde mit der Kaiserin, Belisar durch Antonina beredet habest, sich zum Schein an die Spitze der Verschworenen zu stellen: und ich beschwor, daß schon Wochen vorher Belisar mir seinen heiligen Zorn über das Ansinnen des Photius geäußert.
Justinian eilte in Belisars Kerker, umarmte ihn unter Tränen, erbat Verzeihung für sich — und Antonina, die all ihre unschuldigen Liebeständeleien reuig beichtete und volle Vergebung erhielt.
Der Kaiser bat Belisar, zur Sühne, den Oberbefehl in Italien anzunehmen. Belisar aber sprach: ‘Nein, Justinianus: meine Arbeit auf Erden ist getan! Ich gehe mit Antonina auf meine fernste Villa in Mesopotamien und begrabe dort mich und meine Vergangenheit. Ich bin geheilt von der Krankheit, dir dienen zu wollen. Willst du mir eine letzte Gnade erweisen, so gib meinem großen Freund und Erretter, gib Narses den Heerbefehl in Italien: er soll mich rächen an den Goten und an dem Satan, der Cethegus heißt.’ Und vor unsern gerührten Augen umarmten sich die beiden großen Feinde.
Dies alles ist in tiefstes Geheimnis gehüllt, um das Andenken der Kaiserin zu schonen. Denn Justinian liebt sie noch immer. Es wurde verkündet: Belisars Unschuld sei von Narses, Tribonian und mir durch neu gefundene Briefe der Verschwornen aufgedeckt. Und Justinian begnadigte alle Verurteilten: auch Scävola und Albinus, die dereinst von dir Gestürzten.
Ich aber schreibe dir die Wahrheit, dich zu warnen und zu retten.
Denn, obzwar ich nicht weiß, in welcher Art und Weise, steht mir doch fest, daß Justinian deinen Untergang geschworen und Narses deine Vernichtung übertragen hat.
Flieh —: rette dich! Dein Ziel: ein freies, verjüngtes, von dir allein beherrschtes Rom war ein Wahn. Ihm hast du alles, auch unsre schöne Freundschaft geopfert.
Ich begleite Belisar und Antonina: und ich will suchen, in ihrer Nähe, an dem Anblick der vollversöhnten Gatten und ihres Glücks, den Ekel, Zweifel und Verdruß über alles Menschliche zu verwinden.«
DREIZEHNTES KAPITEL
Cethegus sprang auf vom Lager, warf den Brief nieder und machte einen hastigen Gang durch das Zelt.
»Schwächling Prokop! Und Schwächling Cethegus —: sich um eine dir verlorene Seele mehr zu ereifern! Hast du nicht Julius verloren, lang bevor du ihn getötet? Und lebst und ringst doch fort! Und dieser Narses, den sie alle fürchten, als sei er Gott Vater und der Teufel in einer Person: — soll er denn wirklich so gefährlich sein? Unmöglich! Er hat ja mir und den Meinigen blindlings Rom anvertraut! Nicht sein Verdienst, daß ich nicht in diesem Augenblick, unerreichbar seinen Händen, vom Kapitol herab Rom beherrsche und ihm Trotz biete. Bah: ich lerne es nicht mehr, mich zu fürchten auf meine alten Tage. Ich vertraue meinem Stern! Ist das Tollkühnheit? Ist’s ruhigste Klugheit? Ich weiß es nicht. Aber mir ist: die gleiche Zuversicht hat Cäsar von Sieg zu Sieg geführt. Indes: hier habe ich kaum noch mehr zu erfahren aus den Badegesprächen des Narses, als ich aus diesem wortreichen Brief erfuhr.«
Und er zerriß die Papyrusrollen in kleine Stückchen.
»Ich breche auf, noch heute, auch wenn Syphax nichts weiter erlauscht in diesem Augenblick —: denn jetzt ist ja wohl die Badestunde.«
Da ward von den Isauriern Johannes der Archon gemeldet und, auf des Cethegus Wink, hereingeführt.
»Präfekt von Rom«, sprach ihn dieser an, »ich habe dir ein altes Unrecht noch abzubitten. Der Schmerz um meinen Bruder Perseus hat mich damals argwöhnisch gemacht.«
»Laß das ruhn«, sprach Cethegus, »es ist vergessen.«
»Aber unvergessen«, fuhr jener fort, »ist mir deine heldenkühne Tapferkeit. Diese zu ehren und zu nützen zugleich komme ich mit einem Vorschlag zu dir. Ich und meine Kameraden, an Belisars frisches Drauflosgehen gewohnt, — wir finden diese vorsichtige Weise des großen Narses äußerst langweilig. Liegen wir nun doch bald zwei Monate vor jenem Paß, verlieren Leute und gewinnen wahrlich keinen Ruhm dabei. Aushungern will der Oberfeldherr die Barbaren! Wer weiß, wie lange das noch währt. Und dann wird es ein hübsches Gemetzel, wann sie endlich vorbrechen, von der Verzweiflung getrieben, jeden Tropfen Bluts teuer verkaufend. Es ist nun klar, wenn wir nun die Mündung des verfluchten Engpasses hätten... —«
»Ja, wenn!« lächelte Cethegus. »Er ist nicht schlecht gehütet von diesem Teja.«
»Eben deshalb muß er fallen. Er, der König, hält offenbar den ganzen Bündel lockerer Speere noch allein zusammen. Darum habe ich mit einer Schar — mehr als ein Dutzend etwa — der besten Klingen im Lager einen Bund geschlossen. Wir wollen — es kann ja immer nur einer zum Nahekampf heran, so schmal ist der Felsensteig — sooft den König die Wache trifft, einer nach dem andern — das Los entscheidet den Vortritt — den König bestehen. Die andern halten sich so nahe als möglich hinter dem Vorkämpfer, retten den Verwundeten, oder treten an des Gefallenen Stelle oder dringen mit dem Sieger nach des Goten Erlegung in den Paß. Außer mir sind dabei die Langobarden Alboin, Gisulf und Autharis, die Heruler Rodulf und Suartua, Ardarich der Gepide, Gundebad der Burgunde, Clothachar und Bertchramm, die Franken, Vadomar und Epurulf, die Alamannen, Garizo, der lange Bajuvare, Kabades der Perser, Althlas der Armenier, Taulantius der Illyrier.
Wir möchten auch gern dein gefürchtet Schwert dabei haben. Du hassest diesen schwarzlockigen Helden. Willst du, Cethegus, mit im Bunde sein?«
»Gern«, sprach dieser, »solang’ ich noch hier bin.
Aber ich werde das Lager hier bald mit dem Kapitol vertauschen.«
Ein seltsames, spöttisches Lächeln flog über des Archonten Antlitz, das Cethegus nicht entging. Aber er deutete es nicht richtig. »An meinem Mut kannst du, nach deinen eignen Worten, nicht wohl zweifeln«, sagte er. »Aber es gibt für mich noch Wichtigeres, als hier die letzten glimmenden Kohlen des Gotenkrieges auszutreten. Die verwaiste Stadt verlangt ihren Präfekten. Mich ruft das Kapitol.«
»Das Kapitol!« — — wiederholte Johannes. »Ich dächte, Cethegus, ein frischer, schöner Heldentod ist auch was wert.«
»Ja, nachdem des Lebens Ziele erreicht sind.«
»Keiner aber von uns weiß, o Cethegus, wie nah ihm dieses Ziel gerückt ist. — Aber noch eins.
Es kommt mir vor, als ob sich bei den Barbaren etwas vorbereite auf ihrem verfluchten Feuerberg. Von dem Hügel auf meiner Lagerseite kann man ein klein wenig durch eine Spalte über die Lavaspitzen gucken. Dein geübtes Auge möchte ich dahin richten. Sie sollen uns doch mit ihrem Hervorbrechen wenigstens nicht überraschen. Folge mir dorthin. Aber schweige von jenem Bund vor Narses: — er liebt das nicht —. Ich wählte die Stunde seines Bades zu diesem Besuch bei dir.«
»Ich folge«, sagte Cethegus, vollendete seine Bewaffnung und ging, nachdem er vergeblich bei der isaurischen Schildwache nach Syphax gefragt, mit Johannes quer durch sein eignes, dann durch des Narses Mittellager und bog endlich in das äußerste rechte, das Lager des Johannes ein.
Auf der Krone des von diesem erwähnten Hügels standen bereits mehrere Heerführer, die eifrig über eine kleine Senkung der Lavawälle hinweg in den hier sichtbaren schmalen Teil der gotischen Lagerungen spähten.
Nachdem Cethegus einige Zeit hinübergeblickt, rief er: »Kein Zweifel! Sie räumen diesen Teil, den östlichsten, ihres Lagers: sie fahren die ineinandergeschobenen Wagen auseinander und ziehen sie weiter nach rechts, nach Westen: das deutet auf Zusammendrängung, vielleicht auf ein Hervorbrechen.«
»Was meinst du«, — fragte da rasch den Johannes ein junger, offenbar eben erst aus Byzanz angelangter Heerführer, den Cethegus nicht kannte »was meinst du? Könnten die neuen Ballisten nicht von jener Felsennase aus die Barbaren erreichen? Weißt du, des Martinus letzte Erfindung, — die mein Bruder nach Rom schaffen mußte?«
»Nach Rom?« rief Cethegus und warf einen blitzenden Blick auf den Frager und auf Johannes.
Heiße und kalte Schrecken jagten urplötzlich ihm durch Herz und Mark —: erschütternder, als da er die Nachricht von Belisars Landung, von Totilas Erhebung, von Totilas Abschwenkung nach Rom bei Pons padi, von Totilas Eindringen auf dem Tiber, von Narses’ Ankunft in Italien erfahren. Ihm war, als kralle sich eine zerdrückende Hand ihm um Herz und Hirn. Scharf erkannte er, daß Johannes mit einem grimmigen Furchen der Brauen dem jungen Frager Schweigen gewinkt.
»Nach Rom?« wiederholte Cethegus tonlos, bald den Fremden, bald Johannes mit seinem Auge durchbohrend.
»Nun ja, freilich nach Rom!« rief endlich Johannes. »Zenon, dieser Mann ist Cethegus, der Präfekt von Rom.« Der junge Byzantiner neigte sich mit dem Ausdruck, mit welchem man etwa ein vielgenanntes Ungetüm zum erstenmal vor sich sieht. »Cethegus, Zenon hier, der Archon, der bisher am Euphrates gefochten, ist erst gestern abend mit persischen Bogenschützen aus Byzanz angekommen.«
»Und sein Bruder?« fragte Cethegus, »ist nach Rom!«
»Mein Bruder Megas«, antwortete, nun gefaßt, der Byzantiner, »hat den Auftrag, dem Präfekten von Rom« — und hier neigte er abermals das Haupt — »die neu erfundenen Doppelballisten für die Wälle Roms zur Verfügung zu stellen. Er hat sich lange vor mir eingeschifft: — so glaubt’ ich ihn schon vor mir eingetroffen und mit dir nach Rom abgezogen. Aber seine Fracht ist schwer.
Und ich freue mich, den gewaltigsten Mann des Abendlandes, den glorreichen Verteidiger des Hadrianusgrabes von Angesicht kennen zu lernen.«
Aber Cethegus warf noch Johannes einen scharfen Blick zu und wandte sich dann, mit kurzem Abschiedsgruß an alle Versammelten, zum Gehen. Nach einigen Schritten sah er sich rasch, plötzlich sich wendend, um und bemerkte, wie Johannes mit beiden Fäusten drohend auf den geschwätzigen jungen Archonten vom Euphrat hineinschalt.
Ein kalter Schauer rüttelte den Präfekten. Er wollte auf dem kürzesten Wege nach seinem Zelt zurückgehn und unverzüglich, ohne Syphax und dessen Entdeckungen abzuwarten, zu Pferde steigen und, sonder Abschied, nach Rom eilen. Um jenen kürzesten Weg zu erreichen, wollte er aus des Johannes Lager heraustreten und auf der Sehne des großen Lagerbogens seine eignen Zelte gewinnen.
Vor ihm ritten einige persische Schützen aus dem Lager: auch Bauern, die Wein verkauft hatten, ließen die Wachen unbehindert hindurch. Es waren Langobarden, denen, wie überall, auch in diesem Lagerteil Narses die Lagerausgänge übertragen. Sie hielten ihn an mit gefällten Speeren, als er den Landleuten folgen wollte. Er griff zornig in die Lanzen, rasch sie teilend.
Da stieß der eine der Langobarden ins Horn: die andern schlossen sich wieder fest vor Cethegus. »Befehl des Narses!« sprach Autharis, der Führer. »Und jene?« fragte der Präfekt, auf die Bauern und die Perser deutend. »Sind nicht du«, sprach der Langobarde.
Eine Schar Lagerwachen war noch herbeigeeilt auf jenen Hornruf. Sie spannten die Bogen. Cethegus wandte ihnen schweigend den Rücken und ging auf dem gleichen Wege, der ihn hergeführt, zurück nach seinem Zelt.
Vielleicht war es nur sein plötzlich erregtes Mißtrauen, das ihm vorspiegelte, alle Byzantiner und Langobarden, durch die er dahin schritt, wichen ihm mit halb spöttischen, halb mitleidigen Blicken aus.
Vor seinem Zelt befragte er die isaurische Schildwache: »Syphax zurück?« — »Ja, Herr, längst. Er harrt deiner sehnlich im Zelt. Er ist verwundet.« Rasch schlug Cethegus die Vorhänge zurück und trat ein.
Da flog ihm Syphax, bleich unter seiner Bronzehaut, entgegen, umklammerte seine Knie und flüsterte mit leidenschaftlicher, verzweifelter Erregung:
»O mein Herr, mein großer Löwe! Du bist umgarnt — verloren — nichts kann dich mehr retten.«
»Mäßige dich, Sklave!« gebot Cethegus. »Du blutest... —« — »Es ist nichts! Sie wollten mich nicht in dein Lager zurücklassen — sie fingen in scheinbarem Scherz Streit mit mir an, aber ihre Messerstiche waren bitterer Ernst... —« — »Wer? Wessen Messerstiche?« — »Der Langobarden, Herr, die seit einer halben Stunde alle Ausgänge deines Lagers doppelt besetzt haben.« — »Ich werde Narses um den Grund fragen«, drohte Cethegus. — »Der Grund, das heißt der Vorwand — er sandte Kabades, dir das zu melden — ist ein Ausfall der Goten. — Aber, o mein Löwe — mein Adler — mein Palmbaum — mein Brunnquell — mein Morgenstern — du bist verloren!« Und wieder warf sich der Numider auf das Antlitz vor seinen Herrn und bedeckte dessen Füße mit glühenden Tränen und Küssen.
»Erzähle — der Ordnung nach«, sprach Cethegus, sich an den Mittelpfahl des Zeltes lehnend, mit auf den Rücken gekreuzten Armen und hoch das Haupt emporgerichtet: nicht auf Syphax’ verzweifeltes Antlitz, in die leere Ferne schien er zu schauen.
»O Herr — ich werd’s nicht können in klarer Folge. — Also — ich erreichte das Schilfversteck — ich brauchte kaum zu tauchen — mich barg das Geröhricht — das Badezelt ist von dünnem Holz und von Leinwand neu errichtet, nach den letzten Stürmen — Narses kam in seinem kleinen Boot, Alboin, Basiliskos und noch drei Männer als Langobarden verkleidet — aber ich erkannte Scävola, Alinus...« — »Ungefährlich«, unterbrach Cethegus. — »Und — Anicius!« — »Irrst du dich nicht?« fuhr Cethegus auf. — »Herr, ich kenne das Auge und die Stimme! Aus dem Gespräch — ich verstand nicht alle Worte, — aber den Sinn ganz klar« — »Ei, hättest du mir doch die Worte sagen können!« — »Sie sprachen griechisch, Herr: ich verstehe das doch nicht so gut, wie deine Sprache, und die Wellen machten Geräusch, und der Wind war nicht günstig.« — »Nun, was sagten sie?« — »Die drei sind erst gestern abend aus Byzanz eingetroffen: sie forderten sofort deinen Kopf.
Narses aber sprach: ‘Nicht Mord: Richterspruch, nach voll durchgeführtem Prozeß: und Richterstrafe.’
‘Wann endlich?’ drängte Anicius. ‘Sobald es an der Zeit.’ — ‘Und Rom?’ fragte Basiliskos. ‘Rom sieht er niemals wieder.’«
»Halt«, rief Cethegus, »halt inne! Einen Augenblick! Klar muß ich hierin sein.« Er schrieb ein paar Zeilen auf ein Wachstäfelchen. »Ist Narses zurück aus dem Bade?« — »Längst.« — »Gut.« Er gab einem der vor dem Zelte wachenden Isaurier die Wachstafel. »Augenblicklich bringst du Antwort. — Fahre fort!« Aber Cethegus vermochte nicht mehr still zu stehen, hastig ging er im Zelte auf und nieder.
»O Herr, in Rom muß ein Ungeheures geschehen sein: — ich konnte nicht genau verstehen, was. Anicius stellte eine Frage: darin nannte er deine Isaurier. ‘Den Führer Sandil bin ich losgeworden’, sagte Narses. ‘Und der Rest ist ja in Rom gut aufgehoben durch Aulus und die Brüder Macer, meine Lockvögel’, fügte er lachend bei.« — »Nannte er diese Namen?« forschte Cethegus ernst, »braucht’ er dies Wort?« — »Ja, Herr. Dann sprach Alboin: ‘Gut ist’s, daß die jungen Tribunen fort: es hätte scharf Gefecht gekostet.’ Und Narses schloß: ‘Alle Isaurier mußten fort. Sollten wir eine blutige Schlacht im eignen Lager schlagen und König Teja plötzlich dazwischenfahren?’ — O Herr, ich fürchte, sie haben deine Treuesten von dir hinweggelockt.«