Kitabı oku: «Neubayern», sayfa 3
Das Bild
Bericht von Joseph Kiener. Fortsetzung
Ich träumte von einem Wald, über den ich hinwegflog. Dann über Hügel, dann über Berge. Ich landete im Traum auf einem Gipfel. Oder eher auf einem sehr hohen Grat. Auf der höchsten Stelle eines Grates. Dort stand schon jemand und schien auf mich gewartet zu haben. Ich ging auf ihn zu. Er drehte sich um und ich sah, dass es ein Perchtl war. Klein, lederfarben und verschrumpelt. Mit zusammengekniffenen Augen, hohen Wangenknochen und einer langen geraden Nase. Aber er schaute nicht so grimmig wie die Masken beim Perchtllauf oder die Figuren der Andreasspieße. Der Perchtl lachte. Dann sagte er meinen Namen. »Kiener.« Woher kannte der Perchtl meinen Namen? Und warum konnte er sprechen wie wir? Und seit wann gab es die Perchtln wirklich?
Ich öffnete die Augen. Der Schwarzbub stand an meinem Bett. Er war so bleich vor Angst, dass ich sein Gesicht trotz der Dunkelheit sehen konnte.
»Der Benno ist weg.«
Der Perchtl auch. Mir tat es fast leid.
»Was ist?«
»Der Benno ist gestern Abend noch bei mir gewesen und wir wollten uns in der Nacht treffen, um auf den Wachten zu gehen. Der ist fast verrückt geworden, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, was er da oben gesehen hat. Ich wollte ihn abholen, aber der Alois, sein Bruder, hat gesagt, dass der Benno seit gestern Abend weg ist. Ich hab Angst, dass die ihn nach München gebracht haben.«
»Hansi, es ist mitten in der Nacht. Warte bis morgen. Da ist der Benno bestimmt wieder da. Der schläft im Schober oder ist von seinem Vater verhauen worden und ist beleidigt.«
In den Augen vom Schwarzbuben konnte man die Furcht sehen.
»Der geht doch nicht alleine mitten in der Nacht raus und kommt morgen früh einfach so wieder. Wir wollten miteinander rausfinden, was da auf dem Wachten passiert ist, an das er sich nicht mehr erinnern kann. Da geht der doch nicht alleine los.«
Da hatte der Schwarzbub recht.
»Warum bist du ausgerechnet zu mir gekommen?«
»Soll ich etwa zu meinen Eltern gehen? Das einzige, was ich von denen krieg, ist ein paar auf die Ohren. Oder zu den Bauerndimpfkindern vom Traublinger? Oder zum Alois? Was soll der machen? Mir mit seinem Stoffhasi helfen? Ich habe zu viel Angst.«
»Hansi, beruhig dich. Was soll ich denn deiner Meinung nach machen?«
»Du sollst mit mir auf den Wachten gehen. Auf den oberen Goaßweg. Um sieben sind wir droben und um neun zurück vor der Kirche. Dann merkt keiner, dass wir überhaupt weg waren. Und wenn wir da droben irgendwas finden, wissen wir, dass mit dem Benno alles stimmt und der nicht spinnt vom Viechfieber oder sonst was, und dass die den mit Sicherheit geholt haben. Und dass der sich an irgendwas erinnert, das so wichtig ist, dass die den nach München mitnehmen mussten. Und wenn wir nichts finden, sehen wir weiter.«
»Und dass der weggelaufen ist vor Angst?«
»Und mir vorher erzählen, dass wir das alles zusammen machen? Kiener, red keinen Schmarrn.«
Ich setzte mich auf und blinzelte. Was blieb mir übrig? Schlafen konnte ich eh nicht mehr. Außerdem musste ich die ganze Zeit, die der Schwarzbub neben meinem Bett stand und mir von seinem besten Freund erzählte, an meinen toten Bruder denken. Gestorben mit meiner ganzen Familie. Im Feuer. Der einzige Freund, den ich je gehabt habe. Was würde ich darum geben, noch einmal die Möglichkeit zu haben, den Bruder zu retten. Auf wie viele Wachten würde ich steigen und wie viele Kieners würde ich wecken, nur dass der Bruder noch da wäre.
Der Goaßweg war zweigeteilt. Es gab den unteren, offiziellen, der auf die untere Goaßwiese führt und es gab den oberen, den es eigentlich nicht gab. Den benutzten die Dörfler, wenn sie heimlich Holz schlugen oder wilderten. Jeder wusste davon und jeder nutzte ihn.
Der Schwarzbub und ich gingen schnell. An der Pfaffl entlang, am Schleifbachhäusl abbiegen und den Einstieg zum oberen Goaßweg finden.
Unterwegs redeten wir zum ersten Mal wirklich miteinander. Der Bub erzählte mir von dem, was er eine Woche zuvor belauscht hatte. Von der Angst um seinen Freund, von dem Mann, den der Voigt gefangen hielt und dem ruhig gestellten Benno beim Doktor und dessen veränderter, ängstlicher Art nach seiner Rückkehr. Ich erzählte dem Hansi, dass ich das Gespräch zwischen ihm und dem Saillerbuben belauscht hatte. Aber meine Beobachtungen aus Rieding behielt ich für mich. Vorerst. Obwohl ich nur der faule und ein bisschen einfältige Erbe zweier Fischteiche war, war mir klar, dass es da eine Verbindung gab.
Als wir das erste Mal den Grat sehen konnten, rasteten wir kurz, tranken Wasser und aßen die Räucherforellen, die ich auf die Schnelle eingepackt hatte. Es war schon fast ganz hell. Wir gingen weiter. Der mauerartige Grat über uns. Unter uns die Pfaffl und die Häuser von Oberpfaffing. Irgendwann zeigte der Schwarzbub zur Wachtenwand. An einer Stelle konnte man erkennen, dass ein Stück Fels herabgefallen war und eine kleine Schneise in die Grasnarbe gerissen hatte. Wir gingen zu dem Stück Felsen, das vor den Bäumen zum Liegen gekommen war. Dort war das Gras immer noch heruntergetreten und es lagen zwei leere Bierflaschen auf dem Boden. Eher Amtmänner oder der Voigt als der Benno. Sonst sahen wir nichts. Nichts Rotes, das von selber rot ist und kein seidiges, perfektes Material.
Der Schwarzbub ging gleich zielstrebig weiter die Spur, die der Fels im Gras hinterlassen hatte, entlang. Von oben winkte er mir zu, kam aber gleich wieder zurück gerannt. Er hielt etwas in den Händen und war sehr aufgeregt.
Es war ein Bild. Hinter einer Art Glas. Aber man konnte es trotzdem biegen. Es war zerknittert und an manchen Stellen verwischt und man konnte nicht immer sehr gut sehen, was darauf abgebildet war. Vielleicht hatte auch der Regen, der irgendwann in der letzten Woche gefallen war, einige Details weggewaschen. Was man erkennen konnte, war trotzdem unglaublich präzise gemalt worden. Besonders bei der kleinen Größe des Bildes. Es zeigte einen Mann mit zotteligem schwarzen Bart und schwarzen Haaren, die im Wind zu flattern schienen. Neben ihm eine Frau mit ebenso fliegenden offenen Haaren und ein Kind. Alle drei lachten und blickten uns direkt an. Vielleicht war es auch keine Frau sondern ein bartloser Mann mit langen Haaren, denn die Kleidung wirkte eher wie die eines Mannes. Aber viel war davon eh nicht mehr zu erkennen.
Hinter den drei Menschen war eine Art Haus oder Baracke oder Eisenbahnwaggon zu sehen. Mit einer Aufschrift. Ein Teil war verdeckt, ein Teil verwaschen. Was man erkennen konnte war: LAN dann der Kopf des Mannes und dann IL, dann ein Stück, wo die Farbe abgeblättert war. Die Schrift war glatt und schnörkellos und schräg. Ich schaute zum Schwarzbuben. Der schaute zurück.
»Wer sind die?«, frage er.
»Das wenn ich wüsste«, antwortete ich.
»Das kann doch unmöglich einer gemalt haben. So genau wie das ist. Das sieht nicht aus wie ein Bild oder eine Fotografie. Das sieht aus wie echt. Als würden wir die vor uns stehen haben.«
»Ich hab mal einen Kunden gehabt, der Andachtsbildchen zeichnet. Mit Lupe und einer spitzen Nadel hat der das in eine Platte geritzt und dann ist das gedruckt worden. Das war schon auch sehr genau.«
»Aber das schaut nicht aus wie ein Druck. Schau dir nur die Farben an. Ob das die Farben sind, die der Benno gesehen hat?«
An einer Stelle sah man ein Stück Kleidung des Mannes in einem leuchtenden Rot.
»Kann schon sein«, sagte ich.
»Man kann fast den Wind in seinen Haaren spüren. So echt schaut das aus.« Der Schwarzbub war ganz gefangen.
»Meinst du, dass einer davon der rote Teufel ist, den der Benno gesehen hat?«, fragte ich ihn.
»Da schaut keiner wie ein Teufel aus. Die lachen ja alle. Mit denen auf dem Bild würde ich sofort mitgehen. Weg von meinem Scheißvater und Geschwistern. Seit die Oma tot ist, ist mir das eh alles wurscht.«
»Aber warum liegt das Bild da oben auf dem Wachten? Der Voigt hat das da nicht verloren. So was hat der nicht.«
»Und das Haus da hinten. Mit den kleinen Fenstern. Was steht da drüber? So große Buchstaben und so sauber geschrieben.«
»LAN. Land vielleicht.«
Wir schwiegen beide lange.
Bis ich wieder anfing: »Gestern in Rieding …«
Der Schwarzbub schwieg.
»Da hab ich vier Stunden auf dich und deine Mutter gewartet. Ich weiß auch nicht, warum ich mitgefahren bin. Wahrscheinlich, weil ich mit dir reden wollte. Aber dann hab ich geschlafen und deine Mutter war immer dabei.«
»Ich wollte dir eh alles erzählen auf der Fahrt. Wenn du nicht gleich eingeschlafen wärst …«
»Also, in Rieding, habe ich mich vor den Metzger gesetzt und gewartet. Da kommen am Markttag ganz schön viele Leute vorbei, die Würstl kaufen. Aber nicht nur die. Da sind auch viele Schandi und Amtmänner vorbeigelaufen. Einmal mit einem am Kopf verletzten Schandi und später mit einem Gefangenen. Dem Schandi hat ein Stock im Kopf gesteckt.«
»Ohne Schmarrn? Und der Gefangene?«
»Dem haben sie einen Sack über den Kopf gezogen und der war voller Blut. Aber irgendwas war seltsam an dem Gefangenen. Ich kann nicht beschreiben was.«
»War das der Teufel vom Benno?«
»Ich weiß nicht. Da war nichts rot. Nackte Beine. Aber alles normal. Kein Pferdefuß oder sonst was.« Ich versuchte über meinen eigenen Witz zu lachen. »Aber so viele Schandi für einen einzelnen … Das muss schon ein besonderer Gefangener gewesen sein.«
Wieder schwiegen wir lange. Bis der Schwarzbub erneut anfing: »Wir müssen den Benno suchen. Ich scheiß mir in die Hosen wegen dem. Der ist mein bester Spezi und ich muss auf ihn aufpassen. Der hat eine Scheißfamilie, ich hab eine Scheißfamilie. Wir haben immer gesagt, dass wir aufeinander achtgeben. Meinst du, dass meine Mutter sich jemals einen Dreck um mich geschert hat oder die vom Benno um ihn? Was meinst du, blüht mir, wenn ich auch nur eine Minute zu spät in die Messe komme? Meinst du, meine Mutter oder mein Vater fragen: ›Bub, wo warst du. Wir haben uns solche Sorgen gemacht.‹ Da heißt es ›Komm noch einmal zu spät und du brauchst nie mehr zum Zahnbader‹. Benno und ich, wir sind Spezln für immer und passen aufeinander auf.«
Wie bei mir und meinem Bruder. Brüder und Freunde für immer. Zumindest bis zum Feuer sind wir das gewesen. Unsere Eltern sind nicht so kalt gewesen, wie die der beiden anderen Buben. Trotzdem hatte mich mit dem Bruder besonders viel verbunden. Ich konnte verstehen, dass der Schwarz seinen Freund brauchte. Ich hätte meinen Bruder auch nach seinem Tod noch sehr oft gebraucht. Ich konnte den Schwarzbub und seine Angst um den Freund verstehen und wollte ihm helfen.
»Wir müssen den Benno finden, Kiener«, holte mich der Schwarzbub aus dem Nachdenken heraus.
»Scheißdreck«, dachte ich.
Um neun war ich in der Kirche. Der Schwarzbub ist mit rotgewatschter linker Backe ein bisschen später gekommen.
Die Perchtln
Bericht von Roswitha Walmgruber (84) aus Russlach. Redigiert und umgeschrieben von Joseph Kiener
Die Perchtln haben in unserer Gegend schon immer eine große Rolle gespielt. Das ist quasi die große Tradition bei uns im Tal. Und Russlach ist sozusagen das Zentrum der ganzen Perchtlsachen. Woanders glauben sie an Wetterhexen oder sind Himmelskreuzler, bei uns sind es halt die Perchtln.
Es gibt Perchtlfiguren in den Häusern und Perchtlaltare an den Wegkreuzungen. Man kann in der Kirche eine Kerze gegen die Perchtln aufstellen und für den Schutz vor den Perchtln beten. Es gibt sogar eine Perchtlmesse in den Rauhnächten rund um Weihnachten. Aber nur bei uns im Dorf. Und es gibt natürlich den großen Perchtllauf. Wie in allen Pfaffltaldörfern. Im Herbst, so um Allerheiligen, laufen die jungen Männer und Mädchen den kleineren hinterher. Verkleidet in den grausligen Masken und Kleidern der Perchtln. Sie versuchen die Kinder zu erwischen und in den Perchtlsack zu stecken. Wenn alle erwischt sind bis auf eines, ist es der Perchtlkönig und darf das kleine Perchtlfeuer anzünden. Darin werden Perchtlpuppen aus Fetzen und Stroh verbrannt. Alle Kinder setzen sich rundherum und essen Perchtlmänner aus süßem Nussteig. Das älteste Kind erzählt den jüngeren gruselige Perchtlgeschichten. Das ist der Lieblingstag aller Kinder im Dorf. Halb gruselig, halb schön. Lieber noch als der Nikolotag. So ist das halt bei uns.
Hinter all den Perchtltraditionen steckt aber mehr als nur die Kinderspiele: Die Perchtln, so heißt es in unseren Geschichten und Sagen, sind bösartige Zwergengestalten oder Gnome. Seit jeher leben sie in den Bergen hinter dem Wachten und warten auf ihre Gelegenheit, herunter zu den Menschen zu steigen, um Unglück und Krankheiten zu bringen. Sie wollen den Bauern im Pfaffltal mit ihrem Fieberzauber die Tiere und die Kinder wegtöten und sie schänden die jungen Mädchen. Nur durch unseren Glauben, die große Vorsicht und den Zusammenhalt in den Dörfern konnten wir so lange vor ihnen sicher sein.
Aber wir mussten immer auf der Hut sein. Ich durfte als Kind nie alleine auf die oberen Weiden gehen, um die Viecher zu hüten. Immer musste der Bruder oder der Vetter mitgehen. Da haben die Eltern immer aufgepasst. Ich habe aber als Kind niemals erlebt, dass ein Tier von einem Perchtl getötet worden ist oder ein Kind verschwunden ist. Wir Kinder hatten immer den Verdacht, dass die Eltern uns nur Angst machen wollten mit den Perchtlgeschichten. Und wir haben eigentlich darauf gewartet, dass wir eines Tages herausfinden, dass das nur Geschichten sind und nicht die Wahrheit. Damit wir freiwillig ins Bett gehen und unsere Feldarbeit machen. Wie das Christkindl, das uns nichts bringt, wenn wir nicht brav sind oder der Krampus, der uns in den Sack steckt. Ein Aberglaube wie das sich Bekreuzigen, wenn es donnert oder das dreimal Ausspucken, wenn der Name des Preußenkönigs genannt wird. Weniger echt als der liebe Gott, die Jungfrau Maria und die Heiligen, aber trotzdem haben da alle mitgemacht.
Bis ich fünfzehn war, habe ich immer gedacht, dass das alles nur ein großer Spaß ist, mit den Perchtln. Doch dann gab es einmal einen echten Perchtleinfall in unserem Dorf. Der erste seit Ewigkeiten, haben die alten Leute gesagt. Da habe ich sie plötzlich mit eigenen Augen gesehen. Damals haben die Männer im Dorf alle Perchtln, die den Berg herunterkamen, getötet. Dabei sind auch zwei Männer aus dem Dorf umgekommen. Wir Kinder durften erst dazu, als es das große Andreasfeuer gab. Ein großer Holzhaufen mit einem Pfahl in der Mitte. Drumherum die Perchtln. Im Feuer haben wir gesehen, wie sich die Perchtln noch bewegt haben. Wir haben ihre Lederhaut gesehen, die Haare wie schwarzes Stroh. Statt Augen hatten sie runzelige Löcher. Aber so zwergenhaft klein, wie ich sie mir als Kind immer vorgestellt hatte, waren sie nicht. Sie haben gekreischt und gezischt im Feuer. Ich glaube, das war das schrecklichste an den Perchtln. Ihr fürchterliches Geschrei. Es heißt, die haben Worte, mit denen sie töten können. Zaubergeschrei. Wie Untote. Seitdem hat es im Dorf in meiner Lebenszeit noch zweimal ein Andreasfeuer gegeben. Aber nie mehr so groß. Es soll plötzlich wieder mehr Perchtln in den Bergen über unserem Tal gegeben haben, haben die Älteren gesagt. Oder frechere.
Der Perchtllauf war danach nie wieder so schön wie vorher. Vielleicht war ich auch einfach zu erwachsen dafür geworden.
In den auf meinen ersten Einfall folgenden Jahren hatten wir Kinder und Halbwüchsige viel Angst vor den Perchtln und konnten nicht einschlafen in unseren Stuben. Obwohl wir immer viele waren. Den Eltern konnten wir nichts sagen, denen war das gleich. Da haben wir uns gegenseitig die Geschichte vom heiligen Andreas von Rieding erzählt. Das hat uns beruhigt und geholfen. Es nahm uns die Angst vor der ganzen Grausligkeit der Perchtln. Einer von uns, stärker als alle Perchtln der Welt zusammen.
Die Geschichte vom heiligen Andreas ging so: Andreas Gumpner, so hieß er, bevor er zum Heiligen wurde, lebte vor vielen Jahren. Wahrscheinlich mehr als tausend. So erzählte es mir die Großmutter und ich den Geschwistern in der dunklen Schlafstube. Er war einer der ersten, der das Pfaffltal bewohnbar gemacht, die Wiesen trockengelegt, das Ackerland gepflügt und die Straßen angelegt hat. Die Legende sagt, dass Andreas und seine Leute das Land im Pfaffltal aber auch das im Tal der Reisach vom Grafen Bartholomäus zugesprochen bekommen haben sollen, um dort zu siedeln. Zuvor waren er und seine Leute in seiner alten Heimat durch Ernteausfälle und Kriege landlos und mittellos geworden. Der Baron schenkte ihnen die leeren Täler aus Mitleid und Menschlichkeit, damit Andreas sie rodet und besiedelt. Bartholomäus unterwarf sich der Wittelsbacher Krone und nahm für das Land an der Pfaffl und an der Reisach den bayerischen König als Lehnsherrn an. Doch Andreas fand, entgegen aller Versprechungen, kein leeres Land vor. Er traf auf das Zwergenvolk der Perchtln, das in den Tälern hauste und dort unter den Siedlern Angst und Schrecken verbreitete. Wenn sie die neuen Menschen nicht töteten, so verhexten sie sie und machten deren Vieh und deren Kinder krank. So krank, dass das Vieh auf der Weide tot umfiel und die Kinder nur noch dumm geworden in den Betten liegen konnten. Doch Andreas war ein sehr mutiger Mann. Trotz der Übermacht der Zwergenwesen, stellte er sich ihnen im Kampf und besiegte sie immer wieder und immer öfter. So dass nach nur wenigen Monaten ein gewisser Frieden in den Orten in den Tälern einkehrte, weil sich die Perchtln immer weiter in die Berge zurückzogen und bald auf der anderen Wachtenseite verschwanden.
Eine der Geschichten, die es über Andreas gab und die ihn in den Augen der Pfaffltalbewohner zum Heiligen machte, war die Folgende. Wahrscheinlich war sie der Grund für die großen Perchtlläufe in unserer Gegend. Das Ganze soll sich in Russlach zugetragen haben. Es gab aber auch fast die gleiche Geschichte aus Irchenbrunn:
Nach Jahren der Ruhe läuteten eines Tages die Kirchenglocken von St. Bartholomä zur Unzeit. Das Dorf war noch nicht fertig gebaut und viele der Menschen in Russlach lebten in Holzhütten neben den unfertigen Mauern ihrer Höfe. Die Menschen liefen in Angst auf dem Anger zusammen. Die Älteren wussten genau, was das Geläut um diese Zeit zu bedeuten hatte. Einige junge Frauen sammelten die Kinder ein und wollten sie in den schon fertigen Gumpnerhof bringen. Auf der anderen Pfafflseite. Dazu mussten sie über den Steg, der einige hundert Fuß entfernt war, denn die eigentliche Holzbrücke war vom Hochwasser weggespült worden. Die Kinder gingen brav über den Steg, während die Männer und die erwachsenen Frauen auf den Sturm der Perchtln auf der großen Wiese warteten. Bewaffnet mit Mistgabeln und Spaten und großen Prügeln. Doch die Perchtln waren raffiniert und schlichen sich damals von der anderen Seite an. Einige der Perchtln waren sogar zum Steg geschlichen und hatten ihn niederträchtig in die reißende Pfaffl gestoßen. Es gab kein Zurück für die jungen Frauen und die Kinder. Sie saßen in der Falle. Die Perchtln stürmten auf sie zu und fingen in einer wilden Jagd ein Kind nach dem anderen ein, steckten sie in große Säcke und banden diese zu. Die Männer und Frauen standen am anderen Ufer und konnten dem Treiben nur zusehen. Die Kinder schrien und die Eltern waren verzweifelt. Die Perchtln fletschten ihre Zähne und drohten den Männern und Frauen am anderen Ufer mit ihren großen Messern. Sie vollführten einen wilden unheimlichen Tanz. Da fasste sich der schon alte Andreas Gumpner ein Herz, riss einem der Männer seinen Spieß aus der Hand, lief auf die wild strömende Pfaffl zu, stach den Spieß in den Bachgrund und flog über das Wasser hinweg. Auf der anderen Seite waren die Perchtln so erschrocken, dass sie sich erst zu wehren begannen, als Andreas bereits drei von ihnen auf einmal mit dem Spieß durchbohrt hatte. Mit übermenschlichen Kräften rammte der den Stab mit den durchbohrten Perchtln in den Boden. Dann nahm er die umstehenden Perchtln, einen nach dem anderen und brach ihnen das Genick. Alles war voller Perchtlblut. Andreas riss sich das Hemd vom Leib und stand mit nacktem Oberkörper im Regen. Als alle Perchtln tot in einem Kreis um den Spieß lagen, befreite Andreas die gefangenen Kinder.
Ein Mann, schon alt, hatte nur mit der Kraft des Zorns ein Wunder vollbracht und alle Kinder des Dorfes gerettet. Langsam kamen die anderen Männer und die Frauen über die Pfaffl herüber und bejubelten die Tat. Andreas ging in seinen Hof und brachte Holz, Brennalkohol und Feuer. Das zuletzt gefangene Kind, das den Perchtln am längsten Widerstand geleistet hatte, ließ er ein riesiges Feuer entfachen, das alle Perchtln verbrannte. Alle Russlacher ließ Andreas beim Blut der Perchtln den Schwur leisten, dass sie sich stets gegen die Perchtln wehren sollten und ihren Kindern immer Schutz vor den Zwergenungeheuern bieten wollten.