Kitabı oku: «Danke Lena», sayfa 4

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Mit AC/DC nach Oberhof

Bei Bernhard Kröll kämpften Albert und Magdalena Neuner anfangs noch miteinander und gegeneinander, »Die Lena«, sagt Albert, »ist immer bei uns Buben mitgelaufen, wir haben uns schon zusammenreißen müssen, dass wir mitkommen mit ihr. Und wenn wir keinen ganz guten Tag gehabt haben, dann hat sie uns auch geputzt.« Von einem Mädchen geschlagen zu werden, für Buben in der Pubertät eher eine Demütigung, doch an Ärger deswegen kann sich Albert Neuner nicht erinnern, eher an die lustigen Ausflüge zu den Wettkämpfen, die hin und wieder weit weg waren und manchmal auch sehr weit weg. »Wenn wir fünf, sechs Stunden nach Oberhof gefahren sind«, sagt der Cousin, »da hatten wir die höchste Gaudi.« Herumgeblödelt hätten sie viel und natürlich auch viel Walkman gehört, da dann doch andere Musik als daheim im Trachtenverein oder bei der Heimatkapelle. Eher was Härteres. AC/DC und so.

Hart war es für Bernhard Kröll in seiner Trainerlaufbahn, viele Talente wegbrechen zu sehen. Kommt oft vor, wenn aus Kindern Jugendliche werden, wenn der spielerische Elan in der Pubertät einer dumpfen Lethargie weicht, wenn die Mädchen mehr mit den eigenen Hormonen kämpfen als mit den Konkurrentinnen im Biathlon, wenn es eh angesagter ist, abzuchillen statt auszupowern. Auch bei Magdalena hatte Kröll diese Sorge, glücklicherweise jedoch unberechtigt. »Diese Situation, dass ein junger Sportler sehr gut und vielversprechend ist und dann ein Knackpunkt kommt, das war bei der Lena zum Glück nicht.« Kontinuierlich sei sie ihren Weg gegangen, ohne Schwankung im so schwierigen frühen Teenager-Alter, wo die Athleten, wenn sie weitermachen wollen, danach wieder fast von vorne anfangen müssen oder es eben gleich bleiben lassen. Nein, Magdalena war anders, für Kröll war sie ein Traum.

»Sie war sehr leicht zu trainieren«, sagt er, »sie hat alles gut umgesetzt. Sie war lernbegierig, sie hat durchaus auch die Anweisungen hinterfragt, weil sie wissen wollte, warum etwas wie gemacht wird, aber dagegen aufgemuckt hat sie nie.« Weil sie eben Träume hatte und klare Ziele, klare Vorstellungen. Schon mit 13 Jahren sagte sie zu Kröll, dass sie nach dem Realschulabschluss in die Fördergruppe des Zoll-Sports wolle, als Basis für die weiteren Schritte, hin zur Weltmeisterin und zur Olympiasiegerin.

Diesen Traum hatte sie immer, und auch wenn sie zum Schluss ihrer Karriere meinte, sie habe nie richtig berühmt werden wollen, ein bisschen dachte sie natürlich schon daran, wie sie einmal zugab. »Ich wollte als Jugendliche eines dieser schönen roten Autos, das es vom Hauptsponsor immer gibt«, sagte sie, »und ich stellte mir vor, Autogrammkarten von mir zu verteilen.« Damit sollte es noch dauern, ins Fernsehen kam Magdalena Neuner aber schon recht bald.

Als 13-Jährige im ZDF. Im Kinderprogramm Tivi.

Fernseh-Premiere mit Zahnspange

Da gab es nämlich einmal einen Bericht über Biathlon, ein kurzer Bericht, keine zwei Minuten. Das war im März des Jahres 2000, zu sehen war ein Rennen beim deutschen Schülercup in der Altersklasse S13. Es gab eine kurze Einführung in die Sportart, weshalb die Reporterin erklärte: »Gute Chancen beim Biathlon zu siegen hat, wer schnell langlaufen kann und gut schießen. So wie Magdalena Neuner.« Man sah ein junges Mädchen mit einer dicken Mütze auf dem Kopf und einer Zahnspange im Mund, und dann sagte diese Magdalena Neuner: »Ja, das Schießen und das Laufen macht einfach voll Spaß, ich könnte einfach nicht mehr aufhören damit.« Und weil es der Tag der Entscheidung war, das finale Rennen der Saison, hoffte sie noch vor dem Start: »Ja, hoffentlich schmeißt’s mich nicht.« Tat es nicht, und als die Reporterin noch wissen wollte, welche Körperpartien denn am meisten beansprucht würden, sagte sie klug und schlagfertig: »Eigentlich das Gehirn. Weil beim Schießen, da muss man sich schon konzentrieren.«

An jenem Tag klappte das so halbwegs, zwei Fehler von zehn Versuchen, am Ende reichte der sechste Platz aber immerhin zum Sieg in der Cup-Gesamtwertung, und bei der Abmoderation meinte die Sprecherin: »Vielleicht erfüllt sich ja ihr Traum, irgendwann mal in der Nationalmannschaft zu laufen und zu siegen.« Tat er.

So wie damals bereits Martina Glagow, die heute Beck heißt. Acht Jahre älter war sie, und in der Jugend das große Vorbild der kleinen Magdalena, schon bald hatte sie auch so ein rotes Sponsoren-Auto, von dem die kleine Neuner träumte. Als Magdalena gerade bei ihrer Cousine Anneliese ins Biathlon hineingeschnuppert hatte, feierte Glagow ihre ersten großen Erfolge, wurde sie zwischen 1997 und 1999 viermal Junioren-Weltmeisterin. Daheim in Mittenwald hatte es schon Tradition, dass es für Glagow dafür einen großen Empfang gab, aber es war auch üblich, dass sie selbst nach ihren Erfolgen für einen Nachmittag den Biathlon-Nachwuchs zu sich nach Hause einlud und Kuchen und Kakao spendierte. Magdalena war da immer dabei.

Sie trafen sich auch oft am Olympiastützpunkt, beim Training in Kaltenbrunn an der B2 Richtung Garmisch, und auch da fiel Martina Glagow die junge Neuner bereits auf. »Zum einen wegen ihres lang geflochtenen Pferdeschwanzes«, sagt sie, »zum anderen wegen ihres Laufstils. Die Lena hatte schon immer eine verdammt schöne Technik, wie man sie in so einem Alter ganz selten sieht.«

Zu sehen war ihre Lauftechnik auch in dem erwähnten TV-Bericht, und der Stil sah schon da genauso aus wie später auch, als sie groß war. Elegant, leicht, effektiv. Noch nicht abzusehen war, dass genau zehn Jahre nach dem Fernsehbeitrag Martina Glagow vor Dankbarkeit in Tränen ausbrechen sollte, weil Neuner ihr zuliebe auf einen Einsatz bei der Olympia-Staffel verzichtete.

Erst einmal kämpfte sich Magdalena Neuner durch die Jugend, und das mit großem Erfolg, und sie gewann auch, wenn sie ohne Skier unterwegs war. Siege waren eine Selbstverständlichkeit, und wenn es nur der sommerliche Waldlauf des SSC Jachenau östlich des Walchensees war, wo sie im Sommer 2001 bei den 14-Jährigen triumphierte.

Auch im Biathlon holte sie in jeder Altersklasse bundesweit den Gesamttitel, bis Januar 2003, kurz vor ihrem 16. Geburtstag, gelang es ihr, in 36 Rennen am Stück zu triumphieren. Der Vorsprung auf die Konkurrenz war laut der statistischen Aufzeichnungen damals deutlich, bei den Rennen zum Deutschland-Pokal, den nationalen Jugendmeisterschaften, waren es manchmal drei Minuten, andere Male nur zweieinhalb, es war deutlich, dass hier ein Ausnahmetalent unterwegs war. Ihre Technik war vorbildlich, ihr Ehrgeiz auch. Vor allem aber ihre Physis.

»Die Magdalena«, sagt Bernhard Kröll und deutet in den Himmel über Kaltenbrunn, »hat von oben einfach was bekommen.« Kröll meinte das Organische, das Herz-Kreislauf-System, er sagt: »Die Lena hat einfach eine gute Pumpe. Die regeneriert viel schneller als andere. So einen Motor hat kaum eine.« Der Motor lief auf Hochtouren, auf der Straße nach oben war sie nicht mehr zu bremsen.

Elterliches Veto gegen das Weltcup-Debüt

Im Mai 2003 gab es die erste größere Ehrung, in Essen verlieh ihr ein großer Gaskonzern den mit 5000 Euro dotierten »Förderpreis Deutscher Jugendsport«, weil das den Talenten aber nicht in bar überreicht wird sondern in Sachwerten, ließ sie sich das mit einem Moutainbike und einem Straßenrennrad auszahlen. Im Sommer 2003, nach dem Realschul-Abschluss, kam sie dann auch in die Sportfördergruppe des Zolls, das erste Ziel war erreicht.

Und beinahe wäre sie im Januar 2004 dann auch schon im Weltcup gelaufen. In Ruhpolding. Mit 16. Mit den ganz Großen. Wilhelm, Disl, Henkel, Glagow. Ein Platz war nämlich noch frei geworden, Katja Beer fiel damals krankheitsbedingt aus, und darum wollte Frauentrainer Uwe Müssiggang das junge Talent aus Wallgau nominieren.

Müssiggang hatte die Dominanz der Magdalena Neuner im nationalen Juniorinnen-Bereich sehr wohl registriert, auch im Europacup hatte sie noch kurz zuvor gewonnen, im italienischen Brusson einen Doppelerfolg in Sprint und Verfolgung gefeiert, darum lag sie nahe, die Idee mit Ruhpolding. Acht Jahre später sagte Müssiggang im Rückblick: »Es war einfach ein Angebot von unserer Seite, sie einmal in den Weltcup hineinschmecken zu lassen.« Ein Angebot, das wohl viele in ihrer Situation angenommen hätten. Vermutlich würde es viele Eltern geben, die begeistert davon wären und stolz, ihr 16-Jähriges Kind schon im Kräftemessen mit den Weltbesten zu sehen. Und dann auch noch in Ruhpolding, der Hochburg des Biathlon, vor 20.000 im Stadion und Millionen am Fernsehbildschirm.

Auch im »Garmisch-Partenkirchener Tagblatt« hatten sie im Lokalsport bereits den Start der »Biathletin vom Skiclub Wallgau« kurz vermeldet und für den Tag darauf einen großen Vorbericht zum Welt-cup-Debüt angekündigt. Der Bericht kam auch. Allerdings stand darin, dass Neuner nicht startet.

Die Eltern Paul und Margit Neuner hatten das Angebot von Uwe Müssiggang nämlich abgelehnt. »Wir sind darauf bedacht, dass Magdalena behutsam aufgebaut wird«, sagte der Vater, »das war eine schöne Geste und gut gemeint, aber wir können das so nicht tragen.« Auch Helmut Heinrich, der Nachwuchsbeauftragte des Werdenfelser Skigaus, meinte, so etwas käme viel zu früh.

Heinrich kennt die Magdalena, seit sie acht war, und er sagte: »Wenn man so mit ihr umgeht, dann ist sie in zehn Jahren verhunzt.« Ihm war längst klar, dass es kein größeres Talent im ganzen Land gebe, aber genau darum müsse man sich einfach noch Zeit lassen mit einem Einsatz. »In so einem Alter kann man das noch nicht verarbeiten«, meinte er, er wolle später schließlich nicht sagen, er habe nur ein Sternchen ausgebildet, vielmehr solle die Magdalena ein Stern werden. Kein Komet, der frühzeitig verglüht.

»Sportlich hätte sie sicher mithalten können«, sagt Bernhard Kröll, »aber es war genau richtig, sich dagegen zu entscheiden.« Auch wenn es der Magdalena selbst natürlich schon schwer fiel, wie sie damals gestand. »Anfangs habe ich schon gedacht, es wäre cool, Weltcup zu laufen, letztendlich hat aber die Vernunft gesiegt.« Stattdessen lief sie zeitgleich zu Ruhpolding eben im französischen Meribel, feierte da wieder zwei Siege, Verfolgung und Staffel, wurde Zweite im Sprint.

In Frankreich durfte sie dann auch gleich bleiben, mit den Erfolgen im Europacup hatte sie sich für die Junioren-Weltmeisterschaft in Haute Morienne qualifiziert. Im Sprint gewann sie Gold, und das als jüngste der 57 Teilnehmerinnen, 40 Sekunden hatte sie Vorsprung auf ihre Teamgefährtin Kathrin Hitzer. In der Verfolgung holte sie Silber, was an drei Fehlern im Stehendschießen lag, zum Abschluss holte sie mit der Staffel noch ihr zweites Gold, da blieb sie ohne Strafrunde, der dritte Nachlader saß dann, und Neuner musste hinterher eingestehen: »Ich habe gezittert wie die Sau.« Bevor es heim ging, sagte Neuner noch: »Ich bin noch ganz durcheinander, ich habe mehr erreicht als ich mir eigentlich vorgenommen hatte.« Aber das sollte sie noch oft sagen in ihrer späteren Laufbahn, es war ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte, auch für die Eltern daheim in Wallgau.

Dort war das Telefon nach den Erfolgen in Frankreich nicht mehr stillgestanden und Vater Paul sagte: »Das nimmt ja gar kein Ende mehr.« Nein, warum auch, jetzt sollte es erst richtig los gehen.

Zurück in der Heimat gab es einen großen Empfang, und auch das war nicht der letzte. Hunderte Wallgauer kamen, es gab Ansprachen von Georg Jennewein, dem Bürgermeister, und von Sepp Feuerecker, dem Skiclub-Vorstand und es gab einen Eintrag ins Goldene Buch des Orts.

Crossfire – schon damals auf die falschen Scheiben

Vieles war damals schon so wie später auch. Wie in Haute Morienne holte Neuner auch sechs Jahre später bei Olympia in Vancouver zwei Gold und ein Silber. Und wie zum Ende der Karriere, im Januar 2012 in Nove Mesto, schoss Neuner auch im März 2004 schon einmal auf die falschen Scheiben. In Clausthal-Zellerfeld.

Dort fanden zum Abschluss der Saison 2003/2004 die deutschen Jugendmeisterschaften statt, im Sprint der Klasse »J17/18 weiblich« kam sie überlegen zum zweiten Schießen im Stehen, doch dann nahm sie die falschen Scheiben ins Visier. Zwar gingen alle fünf Schuss ins Schwarze, aber dummerweise eben auf der Nebenbahn, ein sogenanntes »Crossfire«. Neuner drehte fünf Strafrunden und holte Silber.

Und wie über die ganze Karriere verteilt begannen nun die Ehrungen. Im Juli 2004 durfte sie darum sogar zu Edmund Stoiber. Der war damals noch Bayerischer Ministerpräsident und hatte damit begonnen, jedes Jahr die verdientesten und erfolgreichsten Athleten des Freistaats mit einem eigenen Sportpreis zu ehren – in verschiedenen Kategorien, und in der Kategorie »herausragende Nachwuchssportlerin« siegte damals eben Magdalena Neuner. Neuner war gefragt, in der Heimat sowieso, bei verschiedenen Anlässen wurde sie als Ehrengast dazu gebeten, und sei es nur, um in Mittenwald den Startschuss zum 4. Karwendel-Berglauf zu geben. Dabei musste sie nur einmal schießen, nicht fünfmal, und gar nicht schießen musste sie bei einer Veranstaltung im Februar 2005. Beim traditionellen Wallgauer Schlittenhunderennen.

Dort trat sie spaßeshalber und zur Freude der 4000 Zuschauer gegen ein Schlittengespann mit zwei Hunden an. Am Ende gewann natürlich Magdalena Neuner, sie sagte, das sei eine Mordsgaudi gewesen. Die Huskies sagten nichts mehr, ihnen hing erschöpft die Zunge heraus.

So lustig war es freilich in dieser Saison nicht immer, gleich am Anfang, im Herbst 2004 musste Neuner zweimal zum Zahnarzt, die Weisheitszähne mussten raus. Und auch ihre zweite Junioren-WM im finnischen Kontiolahti im März 2005 begann entsetzlich. Beim Zwischenstopp am Flughafen von Kopenhagen ging das halbe Gepäck verloren, und als sie endlich am Ziel angekommen waren, entpuppte sich das Quartier als eine schlimme Absteige. Später sagte Neuner: »Das Hotel sah aus wie ein Bordell.« Verschmuddelte Zimmer mit roten Lampen an der Wand, überall der Geruch von altem Zigarettenrauch, dazu eine Disco im Erdgeschoss, die die ganze Nacht hindurch aufdrehte bis ultimo.

Am nächsten Tag zogen sie dann um in ein anderes Hotel, Neuner konnte wieder Kraft tanken und holte sich nach Platz vier im Einzelrennen mit dem Sieg im Sprint ihren insgesamt dritten WM-Titel, dazu kam noch Silber in der Verfolgung und mit der Staffel, es folgte das gleiche Prozedere, die Ehrung in Wallgau, noch gewaltiger aber war der Rummel dann im Februar 2006.

Da hatte sie bereits, wie später noch zu lesen sein wird, ihr Welt-cup-Debüt gefeiert, und bei der Junioren-WM in Presque Isle wieder zwei Titel und einen zweiten Platz geholt, und daheim in Wallgau brodelte es. Der Marktplatz war überfüllt, längst war Magdalena Neuner ihre Heldin. Weniger, weil sie ein Edelmetall nach dem anderen heimbrachte, vielmehr, weil sie noch eine der ihren war, weil sie zum Ort stand, zur Heimat, zur Herkunft.

Weil sie kurz vor der Junioren-WM noch bei der Vereinsmeisterschaft des SC Wallgau mitgelaufen war.

Es war Februar 2006, bei der Veranstaltung gab es einen Moderator, der stellte viele Fragen, etwa, wie es denn so gewesen sei in Amerika. Dann fragte er auch noch, ob es nicht denkbar gewesen wäre, auch nach Italien zu fahren, zu den Olympischen Winterspielen in Turin. Schließlich hatte Neuner mit einem 11. Platz beim Weltcup in Antholz ja schon die halbe Qualifikationsnorm geschafft gehabt, mit den nacholympischen Ergebnissen in Skandinavien und den Plätzen 4, 9 und 13 hätte sie leicht nominiert werden können. Aber auch da bremste Neuner ein, als sie sagte: »Das wäre überhaupt nicht in Frage gekommen für mich, dafür gibt es bei uns viel zu viele gute Läuferinnen in der Mannschaft. Und die nächsten Spiele sind ja schon in vier Jahren, Vancouver 2010, das ist mein Ziel.« Und das erreichte sie dann ja auch.

Turin, nein, das wäre wahrscheinlich nichts gewesen, das empfanden auch ihre Mitbürger so. Hier in Wallgau lassen sich die Menschen lieber Zeit. Lieber langsamer an etwas herangehen als etwas hektisch überstürzen. Vancouver später reichte ja immer noch. Turin wäre zu früh gewesen. Das hätte sie vermutlich nur verhunzt.

»Irgendwann verlierst du die Nerven«

Sie war die große Wegbereiterin des Booms. Wurde sie zu Beginn ihrer Karriere wie die übrigen Biathlon-Frauen noch abfällig als »Flintenweib« bezeichnet, sorgte Uschi Disl mit ihren Erfolgen und ihrer Ausstrahlung dafür, dass ihre Sportart ungeahnte Popularität erlangte. Nach acht WM-Titeln, sechs davon mit Staffel und Mannschaft, und zwei Olympiasiegen 1998 und 2002 mit der Staffel beendete Disl 2006 ihre Karriere. Hier erzählt sie über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen sich und Magdalena Neuner.

Frau Disl, als Sie von der Biathlon-Bühne abtraten, waren Sie 35 und damit zehn Jahre älter als Magdalena Neuner bei ihrem Rücktritt. Hat Sie Neuners frühes Karriereende überrascht?

USCHI DISL: Ja, durchaus. Aber ich denke, man muss das akzeptieren. Dennoch ist es schade, denn sie hätte das Zeug dazu gehabt, eine Legende zu werden, ein weiblicher Ole Einar Björndalen. Aber nur fünf Jahre im Weltcup, das ist für eine Legende meines Erachtens doch zu kurz. Magdalena hat eben andere Prioritäten, sie möchte Familie haben, bei mir kam das erst viel später.

Das war aber auch eine andere Zeit. Als Sie 25 waren, war Biathlon noch ein kaum beachteter Spartensport.

Das ist richtig. Wir waren auch erfolgreich, aber zu der Zeit hat uns kaum einer zugeschaut. Den Männern vielleicht, aber wenn die Männer fertig waren und wir Frauen an der Reihe waren, sind die Zuschauer heimgegangen. Viel Geld hast du mit unserem Sport am Anfang nicht verdient. Das ist bei der Magdalena natürlich anders, als sie 2007 ihren Durchbruch hatte, boomte Biathlon schon längst.

Neuner hatte schnell Sponsoren, aber auch bald keine Ruhe mehr. Vor Medienterminen, Werbeauftritten und vor allem nicht mehr vor zudringlichen Fans. Das haben Sie aber auch noch erlebt.

Ja, das ging 1998 los, nach Olympia in Nagano. Da explodierte plötzlich alles, das Interesse nahm zu. Es standen auch Leute bei mir daheim und klingelten an der Tür oder drückten sich die Nase am Küchenfenster platt. Damals hatte ich in Ruhpolding gewohnt, weil es einfach günstig war und ich nicht weit zum Training hatte. Aber das habe ich schnell geändert, ich bin dann umgezogen nach Kössen in Tirol. Da hatte ich meine Ruhe, da haben sie meine Haustür nicht gefunden.

Der Rummel war Ihnen also manchmal zu viel?

Wenn man den Sport macht und in der Öffentlichkeit steht, dann gehört das dazu. Bei mir waren es ein paar Jahre in der zweiten Hälfte meiner Karriere, wo ich damit auch gut Geld verdienen konnte, manche Dinge musst du dann eben in Kauf nehmen. Die meisten Fans waren auch immer nett, aber manchmal gab es auch Situationen, die nicht leicht zu ertragen waren. Keine Privatsphäre mehr zu haben, als Allgemeingut gesehen zu werden, das war sehr schwer.

Manche Fans haben wohl das kollektive Gefühl, Titel und Medaillen gehören allen. Das »WIR-haben-Gold-gewonnen«.

Und darum verlieren viele auch die Distanz. Wenn ich kurz vor einem Wettkampf Leuten gesagt habe, dass ich jetzt meine Ruhe brauche, weil in zehn Minuten mein Rennen beginnt, dann haben sie gemurrt, dass ich arrogant sei. Irgendwann verlierst du da die Nerven, das ging der Magdalena ja genauso. Und sie ist ja nicht nur erfolgreich gewesen, sondern auch jung, hübsch und hat ein nettes Lächeln. Nicht umsonst war und ist sie der Liebling des Publikums.

Sind Sie nach dem Karriereende erst einmal in ein psychisches Tief gefallen?

Ganz und gar nicht. Für mich war das eine unbeschreibliche Erleichterung. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich möchte keine Sekunde meiner Karriere missen, aber als ich aufhörte, ging es mir wesentlich besser. Ich konnte viel besser schlafen, mein seelisches Gleichgewicht war wieder viel stabiler. Im Nachhinein sah ich auch, warum ich die letzten Jahre so schlecht geschossen hatte. Der Druck – sowohl von außen als auch von mir selbst – war einfach zu groß. Diese Belastung war mir zu viel geworden.

Sie fürchten also nicht, dass Magdalena Neuner in ein Loch fällt und ihren Rücktritt bedauert.

Nein. Wenn ihr Bauch ihr sagt, dass es jetzt Zeit ist, aufzuhören, dann ist es für sie genau der richtige Moment, unabhängig davon, was alle anderen sagen. Dann gibt es auch keinen Grund mehr, nachzuweinen. Was sie wollte, hat sie erreicht. Ich glaube, sie möchte jetzt einfach in Ruhe und Frieden in Wallgau leben.

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