Kitabı oku: «Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik», sayfa 3
3.1.2 Die Gliederung der Dialekte
Es wurde bereits erwähnt, dass sich die oberdeutschenOberdeutsch Dialekte (AlemannischAlemannisch, Bairisch, FränkischFränkisch) durch die gemeinsame Teilnahme an der Zweiten LautverschiebungZweite Lautverschiebung von den anderen Dialekten absetzten. Bereits für die mittelhochdeutsche Zeit kann man allerdings erste Unterschiede zwischen diesen drei Großdialekten erkennen. Da sich Sprache in Raum und Zeit prinzipiell ändert, musste die unterschiedliche Besiedlung der germanischen Personengruppen zu einer Differenzierung führen, die sich in der frühen Neuzeit durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Verkehrslinien und Territorien noch verstärkte. Zu den wichtigsten lautlichen Neuerungen dieser Zeit gehört die im vorangegangenen Kapitel schon angesprochene sogenannte neuhochdeutsche Diphthongierung der mittelhochdeutschen Langvokale î, û und iu (als langes -ü- ausgesprochen!) in Wörtern wie mhd. zît „Zeit“, hûs „Haus“ und hiuser „Häuser“ zu einem Diphthong -ei-, -au- und -äu-, wobei diese Diphthonge im SchwäbischenSchwäbisch als Zeit (mit einem richtigen ei-Laut, nicht ai!), Hous (nicht mit -au-!) und Heiser (wieder mit -ei-!) zu sprechen sind. Durch diese lautliche Besonderheit spaltet sich das SchwäbischeSchwäbisch sowohl von den übrigen alemannischen Dialekten als auch vom FränkischenFränkisch und BairischenBairisch ab, wo man diese Diphthonge wie in der späteren Standardsprache als Zait und Haus spricht. Häuser ist ein Sonderfall, da hier das Wort in manche Gegenden auch entrundet als Haiser gesprochen wird.
In den Urkunden taucht die Diphthongierung, die sich dann später auch in der Schriftsprache durchsetzt, ab dem 12. Jahrhundert auf, zunächst in Kärnten, viel später, im 16. Jahrhundert, auch im FränkischenFränkisch und SchwäbischenSchwäbisch. Die alemannischenAlemannisch Dialekte haben sie nicht mitgemacht, so dass man dort in den Dialekten auch heute noch wie im Mittelalter die oben genannten Wörter als Huus, Zit/Ziit und Hiiser/Hüüser ausspricht. Da die Diphthongierung zuerst in Kärnten auftauchte, ging man lange davon aus, dass sie in Kärnten entstand und sich langsam von dort bis in den schwäbischSchwäbisch-fränkischen Sprachraum ausbreitete. Doch schließt man bei dieser Theorie zu einfach von der Schreibweise der Schreiber auf die gesprochene Sprache, was nicht zulässig ist. In der Sprachwissenschaft geht man heute vielmehr von einer Entwicklung aus, die an mehreren Stellen gleichzeitig geschah und sich lediglich zeitlich unterschiedlich in den schriftlichen Texten niederschlug.
Die folgende Tabelle zeigt noch einmal, wie sich allein durch die Teilnahme an der neuhochdeutschen Diphthongierung die süddeutschen Großdialekte unterscheiden lassen.
Mhd. | Alemannisch | Schwäbisch | Bairisch | Fränkisch |
hûs | Huus | Hous | Haus | Haus |
zît | Zit/Ziit | Zeit | Zait | Zait |
hiuser | Hiiser/Hüüser | Heiser | Haiser | Haiser/ Höüser |
Tab. 2: Die Aufteilung der süddeutschen Dialekte und die neuhochdeutsche Diphthongierung.
Jeder dieser Großräume wird dann mit Hilfe lautlicher Kriterien weiter unterteilt. Hier einige Hinweise zur weiteren Unterteilung:
AlemannischAlemannisch: Das Süd- oder Hochalemannisch genannte Gebiet, das ungefähr südlich einer Linie Freiburg-Konstanz beginnt und bis zum Alpenhauptkamm reicht, hebt sich durch die Verschiebung des k-Lautes in Chind „Kind“, Chalb „Kalb“ usw. von den übrigen alemannischen Dialekten ab. Das Oberrhein-Alemannische zeigt mit dem Wandel von -b- zwischen zwei Vokalen zu einem -w- in Wörtern wie „leben“, „Reben“, „sieben“ usw. und von -g- zwischen zwei Vokalen zu -ch- in Wörtern wie „sagen“, „Magen“, „Wagen“ einen stark fränkischenFränkisch Einfluss. Das Bodensee-Alemannische zeichnet sich seinerseits durch die Lautungen broat „breit“, Goaß „Geiß“, Soal „Seil“ usw. aus.
SchwäbischSchwäbisch: Das Schwäbische kann man durch die Lautungen der Wörter „breit“, „groß“ und „Schnee“ in vier Teilräume unterteilen: Westschwäbisch (broat, grauß, Schnai), Zentralschwäbisch (broit, grauß, Schnai), Ostschwäbisch (broit, groaß, Schnäa), Südschwäbisch (broit/brait, grooß, Schnee).
Bairisch: Das BairischeBairisch wird traditionell in Nordbairisch, Mittelbairisch und Südbairisch unterteilt. Typisch für das Nordbairische sind zum Beispiel die sogenannten gestürzten Diphthonge bei mhd. ou und mhd. öu, also die Aussprachen Kou „Kuh“ und Kei „Kühe“. Das Südbairische hat als Hauptmerkmal die binnendeutsche Konsonantenschwächung nicht mitgemacht, so dass dort die Laute b, d, g und p, t, k nach wie vor unterschieden werden. Es stehen sich dadurch südbairisches Kniä „Knie“ und mittel- und nordbairisches Gniä gegenüber. Für das gesamte BairischeBairisch typisch ist die „Verdumpfung“ eines alten mhd. a-Lautes zu einem o-haltigen Laut, den man als -å- wiedergeben könnte: Kåtz „Katze“. Als außerordentliche Besonderheit kennt das Gesamtbairische darüber hinaus auch noch Kennwörter, also Wörter, die es nur im bairischen Sprachraum gibt. Hierzu gehört zum Beispiel enk „euch“.
FränkischFränkisch: Hier gibt es verschiedene Unterteilungsmöglichkeiten, so zum Beispiel in Rheinfränkisch (Appel „Apfel“, Phaal „Pfahl“), Südfränkisch (Worscht „Wurst“, braait/breet „breit“, Schtuul „Stuhl“), Unterostfränkisch (Rachä „Rechen“, Kaas „Käse“, ass „essen“) und Oberostfränkisch (Woochä „Wagen“, braat „breit“, Schtual „Stuhl“).
Die soeben dargestellte Untergliederung war erst möglich, nachdem die Dialektatlanten fertiggestellt waren. Beim Durchblättern der Karten ergab sich dann, dass einige Karten immer die gleiche Raumverteilung zeigten. Dort, wo mehrere sprachliche Phänomene aufeinandertreffen, ergeben sich dann für die Dialektforschung die Dialektgrenzen. Wie aber kommt es zur Bildung solcher Dialektgrenzen?
3.1.3 Die Entstehung von Dialektgrenzen
Für die Entstehung von Dialektgrenzen gibt es mehrere Gründe. Einen ersten und für große Dialektgrenzen sehr wichtigen Grund bilden Siedlungsgrenzen. Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass in der Frühzeit verschiedene Siedlergruppen oft noch relativ weit voneinander getrennt waren und zwischen den beiden Sprachräumen Ödland lag. Dieses wurde dann von beiden Seiten her besiedelt, bis die beiden Siedlergruppen an einer Stelle aufeinanderstießen. Und wenn beide Siedlergruppen unterschiedlich sprachen, bildete sich an dieser Stelle eine Sprach- oder Dialektgrenze. Die soeben geschilderte Entwicklung hat zum Beispiel an der Außengrenze des SchwäbischenSchwäbisch drei Mal stattgefunden: am Kniebis, wo oberrhein-alemannische Siedler aus den Seitentälern des Rheintals auf schwäbische Siedler aus dem Neckarraum stießen, im Raum Ellwangen, wo alemannische Siedler nach der Gründung des Klosters Ellwangen den Wald nördlich des Klosters solange urbar machten, bis sie auf das fränkische Siedlungsgebiet bei Crailsheim stießen, und am unteren Lech zwischen Augsburg und Donau, wo der relativ unbewohnte Raum zwischen Alemannen und Baiern erst recht spät intensiver besiedelt wurde, bis beide Sprachräume schließlich heute am Lech aufeinandertreffen. In einem engen Zusammenhang mit den Siedlungsgrenzen stehen die natürlichen Grenzen, wie man am Beispiel des Schwarzwalds sehen kann. Die Bedeutung solcher Grenzen für die Entstehung von Sprachgrenzen wird aber oft überschätzt. Was für den Schwarzwald stimmt, muss für Rhein, Donau und Lech nicht auch stimmen. Gerade beim Rhein, der heute als breiter Strom durch die Landschaft fließt, müssen wir daran erinnern, dass er bis zur Rheinregulierung durch Tulla im 19. Jahrhundert mit seinen zahlreichen Inseln und Flussarmen kein großes Verkehrshindernis darstellte, was dazu führte, dass Bauern auf beiden Seiten des Flusses Gelände besaßen und der Dialekt auf beiden Seiten des Rheins fast derselbe ist. Ähnlich war es am unteren Lech, wo nicht der Fluss, sondern Sumpf und Ödland, die dahinterlagen, die Siedlungstätigkeit einschränkten.
Alte Siedlungsräume schlagen sich häufig in der Aufteilung der alten Bistumsgrenzen nieder. Aber die alten kirchlichen Verwaltungen können aufgrund des Einflusses der Pfarrer auch direkt auf die Sprache einwirken. Bei allem, was mit der Kirche zu tun hatte, und hierzu zählen auch die Wochentage, konnte diese auf die Sprache der ihr unterstehenden Bevölkerung einwirken. So können wir zum Beispiel nachweisen, dass bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts die ostschwäbischeSchwäbisch Bezeichnung Aftermontag „Dienstag“ nur im alten Bistum Augsburg üblich war. Dort müssen sie die Pfarrer gegen die alte heidnische Bezeichnung Zistag, in der der Kriegsgott Zio verehrt wurde, durchgesetzt haben. Die Bezeichnung Aftermontag ist dagegen ganz neutral und bedeutet ganz einfach den Tag – man vergleiche englisch after – nach dem Montag.
Eine weitere wichtige Rolle bei der sprachlichen Auseinanderentwicklung spielen dann die politischen Räume vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, die sogenannten „Territorien“. Ihre Außengrenzen galten jahrhundertelang und haben den Kommunikationsradius der Bevölkerung im Alltag enorm eingeschränkt, denn diese Grenzen waren kontrollierte Grenzen, was noch Friedrich Schiller bei seiner Flucht aus Württemberg ins ausländische Mannheim behindert hat. Es ist daher kein Wunder, wenn Territorialgrenzen immer wieder mit wichtigen sprachlichen Grenzen zusammenfallen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Territorium von Alt-Württemberg, innerhalb dessen sich offenbar die bereits oben erwähnte lautliche Entwicklung der alten langen i-, u- und ü-Laute zu den Zwielauten -ei- und -ou- in Wörtern wie Hous „Haus“, Zeit „Zeit“, Heiser „Häuser“ besonders gut ausbreiten konnte. Da die Territorien nach der Reformation für die Konfessionszugehörigkeit die entscheidende Rolle spielten, kommt als weiterer Faktor bei der Entwicklung und Abgrenzung von Dialekträumen die Religionszugehörigkeit hinzu. Dieser Faktor ist deswegen wichtig, weil er auch nach der Auflösung der Territorien noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bei der Partnerwahl eine bedeutende Rolle spielte. In den Familien wurde streng danach geschaut, dass keiner Partner aus der „falschen“ Religion nach Hause bringt.
Die Bedeutung der Siedlungsgrenzen und der Territorialgrenzen für die Auseinanderentwicklung und Grenzbildung der Dialekte erreichen die heutigen politischen Grenzen nicht. Die Aufteilung in Bundesländer und Landkreise ist zu jung, als dass sie sich auf große sprachliche Prozesse auswirken könnte. Man sieht dies deutlich allein schon an der Tatsache, dass sich das SchwäbischeSchwäbisch sowohl in einem anderen Bundesland, nämlich Bayern (Bayerisch-Schwaben), als auch in einem anderen Nationalstaat, nämlich Österreich (Gebiet um Reutte/Tirol) fortsetzt. Solche Grenzen spielen nur bei neueren Begriffen aus der Verwaltung eine Rolle. So kennt man nur in Bayern das Wort Schulaufgabe in der Bedeutung „Klassenarbeit“, und die Staatsgrenze zu Österreich wird dann Wortgrenze, wenn es um die Bezeichnung für den Bürgermeister geht, der dort weder Schultes noch Bürgermeister, sondern Vorsteher heißt.
Über alle Jahrhunderte hinweg spielt die Verkehrsanbindung für die sprachliche Entwicklung ebenfalls eine entscheidende Rolle. In der heutigen Dialektlandschaft sieht man das zum Beispiel im Raum Heilbronn, wo nach Norden die Verkehrsströme den Neckar entlang ziehen. Das Gebiet nördlich von Heilbronn, das in lautlicher Hinsicht und damit traditionell zum fränkischenFränkisch Sprachraum gehört, kennt aber auch zahlreiche schwäbische Wörter, deren Verbreitung eindeutig mit dem Neckar als Verkehrsachse zusammenhängt. Ein schönes Beispiel hierfür ist das typisch schwäbische Wort beigen „Holzscheiter aufschichten“, das erst außerhalb eines Keils um den Neckar herum auf das fränkische aufsetzen stößt. Eine andere wichtige Verkehrsachse bildet das Rheintal. Dort können sprachliche Besonderheiten, die eigentlich typisch für das Fränkische sind, bis weit nach Süden vordringen.1
Schließlich ist aber auch noch das Prestige einer Bevölkerungsgruppe und damit ihrer Sprachform für den SprachwandelSprachwandel ausschlaggebend. Wir sehen dies deutlich an einem Prozess, der sich gerade im oberschwäbischen Raum abspielt. Dort ersetzt die Bevölkerung heute jenseits der jahrhundertealten schwäbischenSchwäbisch Außengrenze die alten alemannischen Lautungen Huus und Ziit durch schwäbische Lautungen wie Hous und Zeit. Den Anfang machen hierbei die Städte, wo offenbar das Schwäbische ein höheres Prestige besitzt als das AlemannischeAlemannisch. Da die städtische Sprechweise dann ihrerseits gegenüber der ländlichen Sprachform höheres Prestige besitzt, wird sie auf dem Land übernommen. Auf diese Weise bewegt sich die alemannisch-schwäbische Grenze in Oberschwaben heute in Richtung Bodensee.
Große Dialektgrenzen bilden sich dann, wenn gleich mehrere der oben genannten Faktoren zusammenkommen. Und genau dies ist bei den drei starken Außengrenzen des SchwäbischenSchwäbisch am Kniebis, im Raum Ellwangen und am unteren Lech der Fall. Während aber die Kniebisgrenze aufgrund der neuen politischen Zugehörigkeit des gesamten Ortes Kniebis zum Raum Freudenstadt und der damit verbundenen Verkehrsanbindung heute eine völlig neue Orientierung nach Osten erfährt, die dazu führt, dass die schwäbisch-alemannische Grenze dort nach Westen verschoben wird, haben die beiden anderen genannten Außengrenzen nichts an ihrer Stärke und Bedeutung verloren. Dies hängt zweifellos mit einem Faktor zusammen, den wir als letztes in diesem Kapitel über Dialektgrenzen erwähnen wollen: Es ist das Bewusstsein, anders zu sein. Am Beispiel Ellwangen soll dies kurz illustriert werden. Die etwa 25000 Einwohner zählende Stadt Ellwangen liegt gleich weit von den vier Großstädten Stuttgart, Nürnberg, Ulm und Würzburg entfernt. Dennoch bevorzugen die Einwohner bei der Wahl des Ausbildungsortes, bei der Berufswahl, bei der Wahl der Einkaufsstadt eindeutig Stuttgart, gefolgt von Ulm. Beide Städte liegen im schwäbischen Sprachraum. Den Weg nach Würzburg oder Nürnberg findet kaum jemand. Auch die benachbarte Stadt Schwäbisch Hall, die ebenfalls im fränkischenFränkisch Sprachraum liegt und im Volksmund nach wie vor einfach nur Hall genannt wird, wird kaum beachtet. Für die Ellwanger und ihre Nachbarorte besteht offenbar nördlich und westlich der Stadt eine klare „Bewusstseinsgrenze“, die man nicht überschreitet. Und dass diese Bewusstseinsgrenze auch heute, in einer Zeit der großen Mobilität, immer noch lebendig ist, ist schon erstaunlich und zeigt aber auch, wie stark dieses Bewusstsein, zu welchem Raum man sich hingezogen fühlt, ist.
3.2 Die Entstehung der Standardsprache
Die Frage, wo und wie die deutsche Schriftsprache entstanden ist, hat die deutsche Sprachwissenschaft von Anfang an beschäftigt. Das Grundlagenwerk für diese ganze Thematik ist nach wie vor – und hier schließen wir uns ElspaßElspaß, Stephan 2005 an1 – Werner BeschsBesch, Werner „Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert“2 Lange Zeit waren drei Thesen im Umlauf, die Besch in seinem Werk widerlegte.
Die These von der Kontinuität der Schriftsprache seit althochdeutscher Zeit (K. MüllenhoffMüllenhoff, Karl). Müllenhoff nimmt eine kontinuierliche Entwicklung vom 9. bis zum 16. Jh. an, gebunden hauptsächlich an die Machtzentren. Für das 16. Jahrhundert sieht er die habsburgische und die sächsische Kanzlei als maßgebend. Dem Müllenhoffschen Erklärungsmodell stehen für BeschBesch, Werner die sich aus den Schriften ergebenden Raumstrukturen entgegen.
Die These von Prag als dem Ursprungsort der deutschen Schriftsprache (K. BurdachBurdach, Konrad). Für Burdach erweist sich das humanistische Kanzleideutsch in Prag als eine Sprache der Bildung und des höheren Lebens. Unsere Schriftsprache sei also eine Schöpfung der Gebildeten am Hofe und in der Kanzlei Karls IV. in Prag. – BeschBesch, Werner ist der Ansicht, dass Burdach durchaus richtig erkannt hat, dass eine Kultursprache nicht ohne Weiteres aus einer Mundart hervorgehen könne. Richtig sei auch, dass sich in der Kanzlei Karls IV. ein beachtlicher schreibsprachlicher Ausgleich vollzogen habe, der schon in einer Reihe von Fällen auf die Schriftsprache hintendiere. Insgesamt gesehen ist aber für Besch die Schriftsprache das Produkt eines Ausgleichs mehrerer Regionen, nicht das Werk einiger gelehrter Humanisten, geschaffen in der Kanzleistube.3
Die These von der ostmitteldeutscheOstmitteldeutschn Ausgleichsmundart (Th. Frings). Die Basis seiner Argumentation bildet die Tatsache, dass der ostmitteldeutsche Raum Obersachsen–Schlesien zwischen dem 11. und dem 13. Jh. kolonisiert wurde. Dort trafen sich Mundartsprecher aus dem Norden, dem Westen und dem Süden, was Frings zu der Annahme führte, dass es also zu einer Ausgleichssprache aus drei großen Sprachgebieten kommen musste. Mit dieser gesprochenen Ausgleichssprache der Siedler sei die Grundlage der deutschen Schriftsprache bereits geschaffen, lange vor den Humanisten in Prag und lange vor LutherLuther, Martin. Ab einer bestimmten Stufe hätten dann die Schreibtraditionen des Südens und Westens noch ihren Einfluss ausgeübt. – Zu Frings’ Ansatz weist BeschBesch, Werner lediglich darauf hin, dass eine dialektgeografische Rückführung von Mundartgegebenheiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf die Verhältnisse früherer Jahrhunderte methodisch nicht zulässig ist.4
Wenn man die Entstehung der deutschen Schriftsprache und damit auch der Standardsprache verstehen möchte, so muss man nach BeschBesch, Werner die drei Bezeichnungen Schreibsprache, Schriftsprache und Standardsprache und damit auch drei Phasen in der Entwicklung zur Standardsprache unterscheiden:
Die Phase der Schreibsprache: Diese ist areal gebunden und kommt nicht über eine mittlere Reichweite hinaus. Für sie galt die sogenannte Regionalmaxime: Schreibe so, dass du in deiner Region verstanden wirst. Für BeschBesch, Werner muss man „in den Schreibdialekten dieser Art die eigentlichen Träger unserer deutschen Schriftlichkeit von den Anfängen bis in das 15. Jh. sehen.“5
Die Phase der Schriftsprache: Sie hat für BeschBesch, Werner überregionalen Charakter, d. h. sie hat eine über den auslaufenden Schreibsprachen fixierte Norm. Das Stadium „Schriftsprache“ ordnet er dem Zeitraum zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zu. Die deutsche Schriftsprache hat sich also im Vergleich mit den Nachbarländern relativ spät herausgebildet. Dies liegt nach Besch an der plurizentrischen Struktur des deutschen Sprachgebiets, womit das Fehlen eines über die Jahrhunderte hin dominierenden Zentrums politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art gemeint ist. Die heutige Forschung begreift die grundlegenden Standardisierungsprozesse im 16. und teilweise im 17. Jahrhundert als überregionale Ausgleichsvorgänge auf der Schreibebene. Das heißt: Die großregionalen Schreibsprachen mussten zuerst einmal in eine überregionale Schriftsprache überführt werden.
Die Phase der Standardsprache: Von ihr spricht BeschBesch, Werner erst für die Zeit vom Beginn des 19. Jahrhunderts an. Ihr Hauptmerkmal ist die Polyvalenz, d. h. die Schriftsprache gewinnt weitere Verwendungsdomänen hinzu, sie wird zunehmend auch gesprochen. Polyvalenz ist das Kriterium für die Standardsprache in Abhebung von der Schriftsprache. Wenn die Schriftsprache polyvalent wird, so wird sie Standardsprache. Dieser Prozess beginnt nach Besch in etwa mit der allgemeinen Schulpflicht und ist bis heute nicht abgeschlossen. Schauen wir uns im Folgenden diese drei Phasen noch etwas näher an.
Bei der Phase der Schreibsprache muss natürlich gefragt werden, ob nicht schon das Mittelhochdeutsche eine Weiterentwicklung hin zur Schriftsprache gewesen sei. BeschBesch, Werner verneint dies. Zwar habe sich beim Mittelhochdeutschen der alemannischeAlemannisch Dialekt weit in die angrenzenden Gebiete ausgeweitet, doch sei dies nur für kurze Zeit geschehen und selbst in diesem Zeitraum seien die alten räumlichen Abgrenzungen nie ganz verschwunden: „So kommt es denn, dass in den Schreiblandschaften des 15. Jh. immer wieder einmal Altes und Älteres leben kann, das in altdeutscher Zeit sichtbar wird, in der mhd. Dichtersprache vorhanden oder auch nicht vorhanden ist und zu Beginn des 16. Jh. bzw. in der weiteren Entwicklung endgültig verlorengeht.“6 Beispiele hierfür wären Wörter und Wortformen wie hulfe „Hilfe“, sunne „Sonne“, gebachen „gebacken“, quam „kam“, werlt „Welt“ und viele andere. Trotz allem können wir festhalten, dass sich schon bei der Schreibsprache ein Prozess überlandschaftlicher Angleichung zu vollziehen scheint.
Für die Phase der Schriftsprache wird in der Literatur immer wieder die Rolle LuthersLuther, Martin hervorgehoben. Auf sie müssen wir hier kurz eingehen. Um es gleich vorwegzunehmen: Luther hat nicht die deutsche Schriftsprache geschaffen, aber er hat einen wichtigen Beitrag zur Vereinheitlichung geleistet. Entscheidend ist nämlich nach BeschsBesch, Werner Untersuchungen zahlreicher Handschriften aus dieser Zeit, dass der Südosten des deutschen Sprachraums eine erstaunliche Einheitlichkeit aufweist, die nicht von den Mundarten stammen kann, sondern vielleicht sowohl durch eine wachsende Mobilität als auch durch die historisch bedingte „Offenheit“ des ostmitteldeutschenOstmitteldeutsch Raumes begünstigt war. Diese Einheitlichkeit wurde von den ostmitteldeutschen Schreibern übernommen – und genau dort war auch Luthers Heimat. Besch hält fest: „Dieses Ineinanderfließen der Schreibtraditionen des Südostens und mitteldeutschenMitteldeutsch Ostens ist für mich der Haupteindruck, den mir das bearbeitete Material des 15. Jh. vermittelt. Es kann kein Zweifel sein, dass dabei der Süden mehr gegeben, der mitteldeutsche Osten mehr empfangen hat. Wer die nhd. Schriftsprache ohne entscheidenden Anteil der donauländischen Schreib- und Sprachtradition entstanden sieht, geht an der sprachlichen Wirklichkeit jener Zeit vorbei.“7
Für LuthersLuther, Martin Interesse, dass seine Schriften in einem möglichst weiten Raum gelesen werden können, war diese bereits vorhandene Einheitlichkeit optimal. Er hat damit das weitergeführt, was bereits seit Jahrhunderten im Gange war, nämlich dass die ostmitteldeutsche Schriftsprache noch näher an die südostdeutsche rückte. So konnten die einzelnen Schreibformen, Wortformen, Wörter und grammatikalischen Besonderheiten ein Geltungsareal erhalten, das meistens viel größer war als das der anderen Regionen. Dieses Geltungsareal ist zweifellos das wichtigste Kriterium bei der Variantenauswahl. Sind zwei Geltungsareale gleich groß, so hat sich bei Luther und den Druckern oft die oben genannte südostdeutsche-ostmitteldeutsche Variante durchgesetzt. Ein Beispiel für diese Landschaftskombinatorik ist die Durchsetzung von liebe gegenüber minne. Beide haben ein ähnlich weites Geltungsareal, doch setzt sich – wie wir wissen – liebe durch.
Abb. 3:
Verbreitung der Wörter minne, liebe/leve in den Handschriften des 15. Jhs. (nach Besch 1967: Karte 54, vereinfachte Darstellung durch Flächen statt einzelner Ortssymbole).
Auch die Durchsetzung des süddeutschen kam im Gegensatz zum nördlicheren quam lässt sich so erklären. Ein weiteres Kriterium bei der Auswahl von Varianten ist die etymologische Durchsichtigkeit. Steht ein Wort isoliert da und hat das Konkurrenzwort weitere Wörter um sich herum, so setzt sich das letztere durch. Schließlich können bei der Auswahl von Varianten auch noch die Frequenz, also die Häufigkeit einer Variante in den Texten, und das Prestige, also die Verwendung einer Variante von sozial hoch angesehen Personen, ausschlaggebend sein.
Der Übergang von der Phase der Schreibsprache zur Phase der Schriftsprache ist in den Handschriften sehr schön an den sogenannten Doppelformen zu erkennen. Standen in den Texten des 15. Jahrhunderts noch häufig Doppelformen in den Texten (Beispiel minne und liebe, dick und offt, oblate und hostie), so setzt mit LutherLuther, Martin ein Prozess ein, der diesen Doppelformen dadurch ein Ende bereitet, dass die oben genannten Auswahlkriterien wirken und sich am Ende nur noch eine der Varianten durchsetzt. In Luthers Texten kann BeschBesch, Werner alle die genannten Prozesse an einzelnen Beispielen genau nachweisen. So hält er bei den Doppelformen dick und offt fest: „Luther hat anfänglich noch dick, später nur in solchen Schriften, deren Herausgabe er nicht selbst besorgte […]. oft ist die bairisch-ostfränkischeFränkisch Form, sie setzt sich gegen das übrige Sprachgebiet durch, allerdings erst nach gut zwei Jahrhunderten. Im Niederländischen ist dick schriftsprachlich geworden.“8
Die Karte minne-liebe/leve (Abb. 3) sowie die Abb. 4 sind ein schönes Beispiel dafür, wie sich die ostmitteldeutscheOstmitteldeutsch-ostoberdeutsche Variante sowohl im Wortschatz als auch bei grammatischen Formen (als ein blinder, als ein siecher) durchgesetzt hat.
Halten wir für die zweite Phase zusammenfassend fest: LuthersLuther, Martin Einfluss auf die Entstehung der deutschen Schriftsprache besteht vor allem darin, dass er eine bereits vorhandene südostdeutsche (= südoberdeutsche) Einheitlichkeit ausgenutzt und verbreitet hat. Wenn das OstmitteldeutscheOstmitteldeutsch zu seiner Zeit gegenüber dem Südostdeutschen noch eine Abweichung zeigte, so entschied sich Luther nach anfänglichem Zögern schließlich für die südostdeutsche Variante und verhalf dieser damit zu einem enorm angewachsenen Geltungsareal, das für den weiteren Konkurrenzkampf gegen die anderen deutschen Varianten entscheidend werden konnte. Im weiteren Verlauf der Sprachgeschichte haben sich dann auch die anderen Regionen immer wieder einmal durchsetzen können, so dass BeschBesch, Werner abschließend festhält: „Unsere nhd. Schriftsprache ist demnach nicht das Werk einer von Anfang an dafür prädestinierten Landschaft, sondern in der Grundlegung eine ostmitteldeutsche-ostoberdeutsche Allianz, in der weiteren Entwicklung eine Angelegenheit fast aller bedeutenden Sprachlandschaften.“9
Für die Phase der Standardsprache sind verschiedene Faktoren von Bedeutung. Parallel zu den Bemühungen LuthersLuther, Martin und der Drucker, die Varianten zu reduzieren, um zu einer Einheitlichkeit zu gelangen, die einen größeren Absatz und eine umfangreichere Leserschaft verspricht, kommt es zu den ersten Grammatiken der deutschen Sprache. Waren es anfangs noch mehr oder weniger lediglich Anleitungen zum Lesenlernen, so erscheint 1648 mit Justus Georg SchottelsSchottel, Justis Georg „Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt Sprache“ die erste richtige Grammatik. Für das 18. Jahrhundert sind dann die Grammatiken von GottschedGottsched, Johann Christoph und AdelungAdelung, Johann Christoph die Vorbilder. Auch die großen Schriftsteller beriefen sich auf sie und diese wurden damit normativ. Die Grammatiker versuchten, das Phänomen Sprache genauso zu beschreiben wie dies die Naturwissenschaftler mit den Phänomenen der Natur taten. Sie suchten ganz im Sinne der Aufklärung nach logisch begründbaren Regeln. Der konkrete SprachgebrauchSprachgebrauch war für sie kein Anhaltspunkt. Ein weiterer wichtiger Faktor auf dem Weg zur Standardsprache ist schließlich die Schulpflicht. Man darf davon ausgehen, dass sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts die „Allgemeine Schulpflicht“ durchgesetzt hat. Die Schriftsprache wird dadurch fast allen Bewohnern der deutschsprachigen Länder bekannt und spätestens jetzt zur Standardsprache.
Abb. 4:
Verbreitung der Formen als ein siech(e), als ein blinde) gegenüber als ein blinder, als ein siecher in einem Satz wie Ich ging zu ihm als … in den Handschriften des 15. Jhs. (nach Besch 1967: Karte 87 vereinfachte Darstellung durch Flächen statt einzelner Ortssymbole).
Abb. 5:
In dieser Grafik stehen Standardsprache und Dialekte nicht untereinander, sondern nebeneinander. Damit soll verhindert werden, dass allein schon optisch die Standardsprache als höherwertig angesehen wird. Aus dem gleichen Grund sprechen wir auch von Standardsprache und nicht von Hochsprache oder Hochdeutsch.
Zunächst galt die Standardsprache nur für den schriftlichen Bereich (1. Phase). Ihre Umsetzung ins Lautliche führte zu regional unterschiedlichen Varianten. Dies galt auch noch für den Beginn des 20. Jahrhunderts. Im niederdeutschenNiederdeutsch Raum richtete man sich nach der Übernahme der einheitlichen Schriftsprache auch im Mündlichen nach dieser aus, man sprach also „nach der Schrift“. Da das Niederdeutsche wegen der Nicht-Teilnahme an der Zweiten LautverschiebungZweite Lautverschiebung lautlich sehr weit von der – wie wir gesehen haben – vorwiegend im ostoberdeutschen-ostmitteldeutschenOstmitteldeutsch Raum entstandenen Standardsprache entfernt war, konnten sich dort regionale Besonderheiten weniger „einschleichen“. Der Weg vom niederdeutschen Dialekt (= Platt) zur gesprochenen deutschen Standardsprache kam praktisch dem Erlernen einer Fremdsprache gleich.