Kitabı oku: «Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik», sayfa 4

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Mit der Entstehung der Tragödie um 1800 bemühte man sich schließlich, eine über allen RegionalsprachenRegionalsprache stehende einheitliche Lautung zu finden. Am Ende setzten sich zwei Auffassungen durch: 1. Das beste Hochdeutsch wird im norddeutschen Raum gesprochen. 2. Das beste Hochdeutsch wird im ernsten Drama gesprochen. 1898 erschien dann die „Deutsche Bühnenaussprache“ von Theodor SiebsSiebs, Theodor. Sie wurde zur Richtlinie für die korrekte Aussprache der deutschen Sprache weit bis in das 20. Jahrhundert hinein. Für den einen oder anderen Sprachtrainer gilt sie noch immer.

Mit der Übernahme der zunächst nur schriftlichen Standardsprache in den mündlichen Bereich (2. Phase) ist eine völlig neue sprachliche Aufteilung entstanden, die je nach Region ganz anders aussieht. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein hatte nämlich die Standardsprache nur einen geringen Einfluss auf die Dialekte. Dies zeigte sich besonders im lautlichen Bereich, wo die Dialekte konsequent auf ihre mittelhochdeutschen Lautungen zurückzuführen waren. Nun mischte sich aber mehr und mehr die Standardsprache in die lautliche Entwicklung der Dialekte ein, so dass sich neue Dialekte, regional weiter verbreitete Dialekte, entwickelten. Dies hängt damit zusammen, dass die Standardsprache immer mehr in den Alltag der Menschen eindrang und sich Dialekt und Standardsprache die verschiedenen Bereiche aufteilten. Im süddeutschen Raum (Saarland, Rheinland-Pfalz, südliches Hessen, Bayern, Baden-Württemberg) kommt es in der Folgezeit zu einer mehrschichtigen Aufteilung zwischen dem alten Basisdialekt, der jahrhundertelang für viele die einzige Sprachform war, und der Standardsprache (3. Phase). Im norddeutschen Raum mit seiner großen Distanz zwischen Dialekt und Standardsprache sieht die Situation dagegen anders aus.

In der Schweiz liegt wiederum eine ganz andere Situation vor. Dort beherrschen die Ortsdialekte nahezu den kompletten mündlichen Bereich, also in allen Situationen, während man im schriftlichen Bereich an der deutschen Standardsprache festhält. Man spricht daher hier auch von einer medialen DiglossieDiglossie, d.h. die Aufteilung von Dialekt und Standardsprache richtet sich nach dem Medium. In Österreich scheint die Situation ähnlich wie in Süddeutschland zu sein, wobei die Verwendung der regionalen Varietät allerdings in weit mehr offiziellen Bereichen möglich ist als im süddeutschen Raum.

3.3 Die Verteilung von Dialekt, RegionalspracheRegionalsprache und Standardsprache im süddeutschen Raum

KönigsKönig, Werner Abbildung im „dtv-Atlas Deutsche Sprache“1 zeigt, dass es im süddeutschen Raum eine Art Kontinuum vom Dialekt bis zur Standardsprache gibt. Andere Sprachwissenschaftler sprechen auch von Zwischenstufen. Die Zahl dieser Zwischenstufen ist im süddeutschen Raum aber nicht immer gleich. In vielen Fällen des Alltagswortschatzes gibt es keine regionale Alternative zur Standardsprache, so etwa bei Wörtern wie Haus, Wand, Tisch, Stuhl usw., in manchen Fällen aber gleich mehrere Alternativen, so dass es zu einer fünffachen Abstufung kommen kann. In Anlehnung an den Tübinger Sprachforscher Arno RuoffRuoff, Arno werden am Beispiel von „ich habe“ für das SchwäbischeSchwäbisch einmal diese fünf Möglichkeiten illustriert werden: (s. Abb. 6).2

Wann wechseln die Süddeutschen nun eigentlich von Stufe zu Stufe oder innerhalb des Kontinuums auf der Skala vom bodenständigen Ortsdialekt zur Standardsprache? Um diese Frage für Baden-Württemberg zu beantworten, wurde in den Jahren 2010–2012 am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen eine Umfrage durchgeführt, bei der über das ganze Bundesland verteilt Rathäuser mit der Bitte angeschrieben wurden, auf einer Skala von A bis G anzukreuzen, in welcher Situation man im jeweiligen Ort mehr Ortsdialekt (A) oder mehr „Hochdeutsch“ (G) spricht. 136 Ortschaften beteiligten sich. Wenn man die beiden Extreme A und B sowie F und G jeweils zusammenfasst, kommt man zu folgendem Ergebnis: Der Anwendungsbereich der bodenständigen Ortsmundart (Stufen A, B) ist in Baden-Württemberg zunächst einmal überall die Familie, wobei mit den Großeltern noch „stärker“ Dialekt gesprochen wird als mit den Geschwistern, und mit den Geschwistern wiederum noch „stärker“ Dialekt gesprochen wird als mit den eigenen Kindern. Des Weiteren wird der Ortsdialekt noch relativ häufig mit den Freunden, guten Bekannten und im Verein gesprochen. Die Stufen C und D, die man mit einer Art RegionalspracheRegionalsprache und regionaler UmgangsspracheUmgangssprache gleichsetzen kann, werden nach Angaben unserer Gewährspersonen in den Ortschaften Baden-Württembergs im Gespräch mit dem Briefträger, mit dem Metzger und Bäcker sowie auf dem Rathaus eingesetzt, insofern dieses noch im Ort ist. Die Stufen E, F und G, die zunehmend in Richtung Standard gehen, findet man bei uns in den Schulen, wobei man in der Grundschule noch etwas dialektaler spricht (Stufe E) als im Gymnasium (Stufe F). Die Stufe F ist dann auch die sprachliche Ebene, auf der man Fremden, Norddeutschen wie Ausländern, begegnet. Sie ist aber auch auf den Ämtern in der Stadt angebracht. Die letzte Stufe auf dem Weg zur HochspracheHochsprache (Ebene G) ist schließlich für einen Anruf bei einer Mitmachsendung im Radio reserviert.

Abb. 6:

Beispiel für Zwischenstufen im Schwäbischen.

Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, wie differenziert die sprachliche Situation in Baden-Württemberg ist, und wir können davon ausgehen, dass eine Umfrage zum Beispiel in Bayern zu ähnlichen Ergebnissen, vermutlich sogar mit noch stärkerer Dialektverwendung, kommen würde.

Welche sprachliche Ebene wählt man in Baden-Württemberg im Gespräch …? (Angaben in %)

Abb. 7:

Verwendung von Dialekt und Standard im Alltag in Baden-Württemberg: Freizeit.

Welche sprachliche Ebene wählt man in Baden-Württemberg im Gespräch …? (Angaben in %)

Abb. 8:

Verwendung von Dialekt und Standard im Alltag in Baden-Württemberg: Schule.

3.4 Die Zukunft der Dialekte

Die Entwicklung einer Sprache vorherzusagen, ist eigentlich unmöglich. Wie oft wurde schon der Untergang der Dialekte beklagt – und dennoch existieren sie weiterhin. Sogar in der Schweiz war diese Befürchtung einmal vorhanden und heute ist dort das Gegenteil eingetroffen. Dennoch soll an dieser Stelle auf die voraussichtliche Entwicklung der Dialekte in Süddeutschland kurz eingegangen werden.

Der Sprachalltag in Süddeutschland spielt sich heute weitgehend auf der Ebene der überregionalen Sprachform ab. Der alte Ortsdialekt lebt zwar noch auf dem Land, aber auch dort hat er in den überregionalen Formen eine mächtige Konkurrenz. Für viele Einheimische sind diese überregionalen Ausformungen kein Dialekt mehr, doch ist dies letztendlich auch wieder ein Dialekt, wenn auch nicht mehr der alte Basisdialekt der Großeltern. In dieser Zwischenposition zwischen dem alten Basisdialekt und der im ländlichen Raum unter Einheimischen nicht angebrachten Standardsprache dürften sich die überregionalen Formen (RegionalspracheRegionalsprache, regionale UmgangsspracheUmgangssprache) gut halten können. Dies sieht auch der langjährige Direktor des Bayerischen Wörterbuchs für Bayern, Anthony RowleyRowley, Anthony, so:

„Ich persönlich bin nicht überzeugt, dass sich gegenwärtig bayernweit ein dramatischer Rückgang des Dialektsprechens vollzieht. Ich glaube aber, außerhalb der städtischen Ballungsräume einen gewissen Umbau erkennen zu können, eine kontinuierliche Anpassung an überregionale PrestigevariantePrestigevarianten, aber eher an eigene, innerbayerische Prestigevarianten.“1

In ländlichen Regionen entstehen zwar überörtliche UmgangsspracheUmgangssprachen, aber die können so dialektnah sein, dass sie selbst als Dialekt empfunden werden – und auch die Ortsmundarten sind daneben teilweise recht gut erhalten. Zusätzlich braucht und gebraucht man allerdings die Schriftsprache wie nie zuvor. Vor hundert Jahren hatte man in Süddeutschland außerhalb von Kirche und Schule kaum Gelegenheit, gesprochenes Schriftdeutsch zu hören, geschweige denn selbst zu sprechen. Heute ist die Standardsprache allgegenwärtig.

3.5 Regionale Varianten in der mündlichen Standardsprache

Im Jahr 1989 veröffentlichte Werner KönigKönig, Werner seinen „Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland“.1 Darin erbrachte er nach einer Untersuchung mit Studierenden aus den verschiedensten Regionen, die in einer offiziellen Situation verschiedene Texte sprechen sollten, als Erster den Nachweis, dass das angeblich allgemein gültige Hochdeutsch eine Fiktion und auch in öffentlichen Situationen eine geografisch bedingte Variation vorhanden ist. Zu den von ihm beobachteten regionalen Varianten gehören zum Beispiel:

(a) die stimmhafte Aussprache des -s- in Base: Hier liegt der bekannte Fall vor, dass die normgerechte stimmhafte Aussprache nur im Norden und in der Mitte vorkommt.

(b) die Aussprache des Ch- in Fremdwörtern wie China, Chemie: Diese Wörter haben im Norden den normgerechten Ch-Laut (auszusprechen wie im Wort ich), während sie im Süden mit einem k-Laut gesprochen werden.

(c) die Aussprache von anlautendem Pf- in Pferd: Personen aus dem Nordosten sprachen das Wort mit dem nicht normgerechten F- im Anlaut: Ferd.

(d) die Aussprache von -ig in der Nebensilbe in Wörtern wie Pfennig: KönigsKönig, Werner Untersuchung zeigte sehr deutlich, dass der Süden und die westliche Mitte das -ig mit einem Explosivlaut sprechen, während der Norden den normgerechten ich-Laut hat.

(e) die Aussprache des -g in der Endsilbe -ung in Täuschung: Personen aus dem Norden sprachen die Endung mit einem nicht normgerechten -g bzw. sogar als -k aus, besonders im Osten (bis in die Mitte hinein), also Täuschunk, ebenso Hoffnunk.

Nach seiner Untersuchung schlägt KönigKönig, Werner folgende Regelung vor: Erlaubt soll alles sein, was in einer größeren Region den Aussprachegewohnheiten der Gebildeten in formal hochstehenden Situationen entspricht oder was in der gleichen Sprechweise in hinreichender Häufigkeit ohne spezifische regionale Verteilung vorkommt.2

Nina BerendBerend, Nina hat KönigsKönig, Werner Ansatz ausgebaut:3 Auch für sie gibt es im Deutschen regionale Gebrauchsstandards, d.h. geografisch definierte Varietäten und SprachgebrauchsmusterSprachgebrauch. Sie haben im jeweiligen regionalen Kontext hohes Prestige und sind sowohl im informellen wie auch im formellen Gebrauch angemessen. Sie weisen auf allen Ebenen Unterschiede sowohl zur Standardsprache als auch zu den Dialekten auf. Für Berend ist Deutsch daher eine pluriareale Sprache. Sie plädiert „für einen erweiterten Standardbegriff, der es erlaubt, auch verbreiteten bzw. gängigen sogenannten umgangssprachlichen Phänomenen eine normative Geltung, d. h. eine Standardqualität zuzuschreiben.“4

BerendBerend, Nina spricht sich auch für eine Unterscheidung zwischen formellen und informellen Standards aus. Im Weiteren unterscheidet sie zwischen sprechsprachlichen und regionaltypischen Merkmalen.

(1) Sprechsprachliche Merkmale

Bsp.: ne für eine, jetz für jetzt, ma für man, scho für schon, erinner für erinnere usw.

(2) Regionaltypische Merkmale

Bsp.: Fandflasche für Pfandflasche, mansche für manche, Marburch für Marburg, liecht für liegt, zumindescht für zumindest.

Auf verschiedenen Karten zeigt BerendBerend, Nina die Regionen für die jeweiligen Merkmale auf.

So hat Bayern z.B. nicht das norddeutsche nich übernommen, sondern bleibt bei der eigenen regionaltypischen Variante net. BerendBerend, Nina fordert gerade für den Deutschunterricht im Ausland eine Beschreibung des sprechsprachlichen schriftfernen Standards. Dieser Standard ist regional geprägt, was allerdings nicht gleichzusetzen ist mit Dialekt. Berend nimmt folgende Raumaufteilung an:

a) einen großen norddeutschen Raum, der relativ einheitlich ist und dem Schriftdeutschen allgemein recht nahesteht.

b) einen süddeutschen Raum, der nicht einheitlich ist, sondern aufgeteilt ist in

 den Südosten (Bayern) mit starkem Sprachkonservatismus.

 den Südwesten (Baden-Württemberg). Die Besonderheit dieses Raumes liegt ihrer Ansicht nach in der spezifischen Mischung von Neuem, von außen (dem Norden) übernommenen Besonderheiten, und Altem, also bewahrten Besonderheiten. Insgesamt erscheint der Südwesten daher variantenreicher als der Südosten.

 einen mitteldeutschenMitteldeutsch Raum, der besonders schwierig zu beschreiben ist, da von Fall zu Fall einmal die nördliche, einmal die südliche Variante zum Zug kommt. Große Teile des traditionell Mitteldeutschen gehören zum Norden (Mainz, Koblenz, Köln). Nach Süden reicht dieser Interferenzraum bis ins OberdeutscheOberdeutsch hinein (Buchen, Würzburg, Nürnberg, Bayreuth).

Lange vor BerendBerend, Nina und KönigKönig, Werner hatte sich bereits Jürgen EichhoffEichhoff, Jürgen mit den regionalen UmgangsspracheUmgangssprachen beschäftigt, die, wie wir im vorangegangenen Kapitel gezeigt haben, zwischen den Dialekten und der Standardsprache stehen und damit zwischen beiden Registern eine Art „Zwischenstadium“ bilden.5 Eichhoff war aufgefallen, dass seine amerikanischen Studierenden bei einem Aufenthalt im deutschsprachigen Raum mit Wörtern konfrontiert werden, die sie nicht im Unterricht gelernt haben. Ab 1971 begann er in 402 Städten Gewährspersonen danach zu befragen, wie man in ihrer Stadt zu diesem oder jenem sagt. Zwischen 1977 und 2000 erschienen so vier Bände des „Wortatlas der deutschen UmgangssprachenUmgangssprache“ (WdU). Im Vergleich zu den Karten der Dialektatlanten zeigen die Karten des WdU großräumigere Flächen, d.h., dass kleinräumige Bezeichnungen der Mundartebene zugunsten von Bezeichnungen mit größerer Verbreitung aufgegeben werden. Dieses Auswahlkriterium hatten wir bereits bei der Entstehung der deutschen Schriftsprache kennengelernt. Insgesamt zeigen die Eichhoffschen Karten eine deutliche Nord-Süd-Gliederung, wobei die Trennlinie ungefähr auf der Höhe von Mannheim-Frankfurt-Leipzig liegt.

Unsere Abbildung 10 „fegen“ aus dem WdU zeigt eine typische Raumstruktur für die Ebene der deutschen UmgangssprachenUmgangssprache: Es stehen sich eine nördliche (fegen) und eine südliche (kehren) Variante gegenüber, wobei der Süden mit wischen noch eine zusätzliche Variante kennt. Dieses Phänomen, dass der Süden mehr Variation aufweist, zeigt sich auf EichhoffsEichhoff, Jürgen Karten oft. Die auf der Ebene der Mundarten ebenfalls im Südwesten angesiedelten Bezeichnungen schweifen und fürben sind auf der Ebene der UmgangssprachenUmgangssprache dagegen aufgegeben worden.

Stefan ElspaßElspaß, Stephan und Robert MöllerMöller, Robert haben EichhoffsEichhoff, Jürgen Ansatz aufgegriffen, seine Karten aktualisiert und durch zahlreiche weitere Karten ergänzt. Sie werden seit 2003 durch eine Internet-Befragung publiziert, bei der jeder mitmachen kann. An den Online-Befragungen zum „Atlas der deutschen Alltagssprache“ (AdA) nehmen heute schon über 10000 Personen teil. Der jeweilige Fragebogen, der online beantwortet wird, und alle daraus entstandenen Karten sind unter http://www.atlas-alltagssprache.de abrufbar. Vergleicht man die Karten des AdA mit Eichhoffs WdU, so kann man den SprachwandelSprachwandel auf der Ebene der deutschen UmgangssprachenUmgangssprache beobachten.

Abb. 9:

Beispiel für eine Karte aus dem „Wortatlas der deutschen Umgangssprachen“ von Jürgen Eichhoff. Die Ortsnamen lassen sich über das Ortsregister aus der Kombination von Buchstaben und Zahlen erschließen.

3.6 Regionale Varianten in der schriftlichen Standardsprache

Die soeben beschriebene regionale Besonderheit im mündlichen Standard fand dann Ulrich AmmonAmmon, Ulrich auch im schriftlichen Bereich, wobei er sein Interesse statt auf die Regionen auf die deutschsprachigen Nationen richtete.1 Ammon machte damit der Vorstellung ein Ende, dass es ein richtiges Deutsch gibt, nämlich das der Bundesrepublik Deutschland, und dass alle anderen Nationen mit ihren Besonderheiten davon abweichen. Für Ammon stehen alle deutschsprachigen Nationen gleichwertig nebeneinander. Die jeweiligen Besonderheiten – und zwar auf allen sprachlichen Ebenen – bezeichnet er als Teutonismen, Austriazismen, Helvetismen usw. Bei der Einstufung zum Beispiel eines Wortes als Standardvariante helfen nach Ammon folgende Fragen, die dann alle mit „ja“ beantwortet werden müssten:

 Ist das Wort schriftlich gebräuchlich?

 Ist seine Verwendung in einer Regionalzeitung möglich?

 Ist seine Verwendung im Schulaufsatz akzeptabel?

Beispiel für Teutonismen wären im Wortschatz – und darauf wollen wir uns hier beschränken – Frikadelle, Kopfsalat, Plätzchen, Abitur. Zu den Austriazismen zählt er u.a. Faschiertes „Hackfleisch“, Fisolen „grüne Bohnen“, Germ „Hefe“, Marillen „Aprikosen“ und Palatschinken „Pfannenkuchen“. Einige dieser Beispielwörter finden sich auch in einer Liste, die sich Österreich bei der EU als offizielle Austriazismen genehmigen ließ. Zu den Helvetismen gehören Kartoffelstock „Kartoffelbrei“, Konfitüre „Marmelade“, Poulet „Huhn“, Trottoir „Gehweg“ oder Estrich „Dachboden“.

AmmonsAmmon, Ulrich Ausgliederung der deutschen Standardsprache in nationale Standardsprachen wurde u.a. von Peter von PolenzPolenz, Peter von und Werner KollerKoller, Werner kritisiert.2 Von Polenz weist darauf hin, dass die Bezeichnung „deutsch“ in Bezug auf die Sprache unbedingt vermieden werden sollte. Stattdessen sollte man stets von „deutschsprachig“ sprechen, z.B. von der deutschsprachigen Literatur. Da für ihn die Bezeichnung „Teutonismus“ polemisch und damit zu negativ besetzt ist, spricht er sich in Anlehnung an „münsterländisch und „saarländisch für die Bezeichnung „deutschländisch aus. Zum Hauptbestand des deutschländischen Deutsch gehören nach von Polenz in einer weiteren sprachhistorischen Perspektive vor allem der neuere Wortschatz des öffentlichen Lebens (Politik, Verwaltung, Schule, Rechtswesen) bis zum privaten Bereich (Konsum, Freizeit), also Tausende von Wörtern, die in den vergangenen Jahrzehnten gebildet oder entlehnt wurden, aber von den Lexikographen unmarkiert blieben, als seien sie auch in Österreich oder der Schweiz gültig.

Für Werner KollerKoller, Werner sind die Unterschiede im schriftlichen SprachgebrauchSprachgebrauch zwischen Deutschland und der Deutschschweiz nicht als „national“, sondern als regional zu definieren, und dies selbst dann, wenn die regionalen Grenzen mit staatlichen zusammenfallen. „National“ bzw. „staatlich“ könnten höchstens jene lexikalischen Besonderheiten genannt werden, die es mit den unterschiedlichen politischen und sozialen Systemen in Deutschland und der Schweiz zu tun haben. Ausdrücke wie Bundeskanzler, Bundesländer, Kultusminister oder Ständerat, Initiative und Nationalbank reichen für ihn nicht aus, um verschiedene nationale Varietäten des Deutschen zu begründen. Auch sei es wichtig zu wissen, dass viele Helvetismen Dubletten neben sich haben, die auch zur Standardsprache der Deutschschweizer gehören. Wörter wie Krankenhaus (statt Spital), Reifen (statt Pneu), Pferdeapfel (statt Rossbollen) gehören nach Koller (mindestens passiv) auch zur Lexik der Deutschschweizer. Und schließlich brauche es in der Schweiz kein Schweizerhochdeutsch als „nationale Varietät“ des Deutschen, weil die nationalsprachliche Funktion bereits durch das Schweizerdeutsche in seiner dialektalen Vielfalt besetzt sei. Untersucht man alle bei AmmonAmmon, Ulrich aufgelisteten Teutonismen, Helvetismen und Austriazismen genauer, so muss man Koller Recht geben: Die Helvetismen und Austriazismen sind in der Regel regionale Besonderheiten, denn man verwendet sie auch auf der deutschen Seite der Grenze, und die Teutonismen sind oft nur in einer Region der Bundesrepublik bekannt. Lediglich offizielle Bezeichnungen wie Bundeskanzler oder Wörter der Verwaltung enden an der Staatsgrenze.

Wichtig für unseren Zusammenhang ist an AmmonsAmmon, Ulrich Ansatz aber, dass er darauf aufmerksam gemacht hat, dass die deutsche Standardsprache kein Monolith ist, der für den ganzen deutschen Sprachraum Gültigkeit hat, sondern dass man das Regionale mitberücksichtigen muss, wenn man die Sprachwirklichkeit erfassen möchte. 2004 veröffentlichte Ammon zusammen mit zahlreichen anderen Kollegen „Das Variantenwörterbuch des Deutschen“. Es enthält ca. 12000 Wörter und Wendungen der Standardsprache mit national oder regional eingeschränkter Verbreitung oder Differenzen im Gebrauch. Für dieses Wörterbuch wurde im ganzen deutschsprachigen Raum ein umfangreiches Korpus an Texten ausgewertet. Im Grunde genommen müsste es für Übersetzer, Lehrer und Deutschlernende das Nachschlagewerk sein, doch ist es außerhalb der germanistischen Fachwelt kaum bekannt.

Die oben angeführten Arbeiten von EichhoffEichhoff, Jürgen, ElspaßElspaß, Stephan und MöllerMöller, Robert sind bei der Suche nach dem regionalen Charakter der schriftlichen Standardsprache deswegen wichtig, weil sie den Übergang zwischen den mündlichen Dialekten und der schriftlichen Standardsprache bilden. Ihre Karten bieten sich auch als Quelle an, wenn man in Untersuchungen die Akzeptanz von RegionalismenRegionalismen im Schriftlichen testen möchte. 2014 hat Hubert KlausmannKlausmann, Hubert für Baden-Württemberg eine solche Untersuchung zu Regionalismen im schriftlichen Standard veröffentlicht, die im Folgenden vorgestellt werden soll.3 Drei Jahre zuvor hatte er 250 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern an Gymnasien in Baden-Württemberg, verteilt über das ganze Bundesland, 40 Sätze mit Regionalismen aus dem WdU vorgelegt und sie gebeten, diese Regionalismen im Schriftlichen zu bewerten. Zur Auswahl standen drei Möglichkeiten: a) akzeptieren, b) unterkringeln, c) anstreichen. Die 40 Regionalismen sind in der folgenden Abbildung zusammengestellt.

Liste der 40 in Beispielsätzen abgefragten Wörter:


Abendbrot gelbe Rübe Laugenwecken Schwammerl
aufklauben Geldbeutel Marillen Schweinshaxe
Blaukraut Hacke „Ferse“ mit Fleiß Stadel
Brosamen Harke Nachtessen Stiege
Bub Hausaufgabe Putzlumpen Teppich „Decke“
Bulldog Kaminfeger Radler Trottoir
Christbaum kehren „fegen“ Ross Watsche
Fleischer Krapfen Schlotfeger Zahnweh
Gang Kutterschaufel Schnake Zusperren
Geiß laufen „gehen“ schnäuzen zwicken

Nach den Angaben im WdU setzt sich die Gruppe der abgefragten Varianten folgendermaßen zusammen:

 17 süddeutsche Wörter (Bub, Bulldog, Christbaum, Gang, Geiß, gelbe Rübe, Geldbeutel, Hausaufgabe, kehren, laufen „gehen“, Putzlumpen, Radler, schnäuzen, Schnake, Schweinshaxe, Stiege, Zahnweh)

 8 im Südwesten kleinräumig verbreitete Wörter (aufklauben, Brosamen, Kaminfeger, Kutterschaufel, Laugenwecken, Nachtessen, Ross, Trottoir)

 3 südöstliche Wörter (Blaukraut, mit Fleiß „absichtlich“, zwicken)

 1 fränkischesFränkisch Wort (Schlotfeger)

 6 bayerisch-österreichische Wörter (Krapfen, Marillen, Schwammerl, Stadel, Watsche, zusperren)

 4 norddeutsche Wörter (Abendbrot, Fleischer, Harke, Hacke „Ferse“)

 Die räumliche Verbreitung von Teppich „Wolldecke“ ist im WdU nicht belegt. Es handelt sich hier wohl um eine „südwestdeutsche“ semantische Besonderheit.

Da in den Schulen nach wie vor die beiden Rechtschreibungs-Wörterbücher DudenDuden und WahrigWahrig4 als Ratgeber bei der Korrektur dienen und das Variantenwörterbuch kaum bekannt ist, wurden zunächst die Eintragungen der 40 RegionalismenRegionalismen in den beiden genannten Wörterbüchern untersucht. Vergleicht man die beiden Wörterbücher, so kann man schnell erkennen, dass der Duden dem Wahrig hinsichtlich der räumlichen Einschränkung von Standardvarianten überlegen ist. Folgende Unterschiede machen dies deutlich:

Abendbrot, Blaukraut und Zahnweh finden im Gegensatz zum DudenDuden im WahrigWahrig keine Erwähnung.

Wörter, die der DudenDuden wenigstens mit der vagen Einschränkung „landschaftlich“ versieht, so bei Christbaum, Putzlumpen, Schlotfeger und Schnake, bekommen im WahrigWahrig gar keine Einschränkung. Demnach wäre für den Benutzer des Wörterbuchs das Wort Schlotfeger gemeindeutscher Standard, was sich kaum nachweisen lassen dürfte.

Unter den Varianten, die der DudenDuden als „süddeutsch“ markiert, gibt es Wörter, die bei WahrigWahrig keine räumliche Einschränkung erfahren, so bei aufklauben, gelbe Rübe, Kaminfeger, kehren „fegen“ und Nachtessen.

Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei den Eintragungen für Ross und Trottoir. Ross erfährt im DudenDuden eine räumliche Einschränkung (süddeutsch, Schweiz, Österreich), im WahrigWahrig eine stilistische (umgangssprachlich), und Trottoir ist für den Wahrig „schweizerisch“, ansonsten „veraltet“, für den Duden einfach nur „schweizerisch“.

Da der DudenDuden nach diesem Vergleich das eindeutig bessere Nachschlagewerk bei der Diskussion von RegionalismenRegionalismen ist, kann der WahrigWahrig für die weitere Untersuchung vernachlässigt werden. Konzentrieren wir uns also auf den Duden und schauen nach, wie er die 40 Regionalismen einordnet.

Ohne landschaftliche Einschränkung sind im DudenDuden belegt (in Klammern die Seitenangaben der 25. Auflage): Abendbrot (168), Brosamen (296), Bulldog (300), Fleischer (441), Geldbeutel (475), Hacke „Ferse“ (513), Hausaufgabe (524), Krapfen (651), schnäuzen (951), Zahnweh (1191), zwicken (1214).

Mit der Einschränkung „landschaftlich“ sind versehen: Christbaum (313), Putzlumpen (869), Schlotfeger (947), Schnake (951).

Als „süddeutsch“, „bayerisch-österreichisch“ oder „schweizerisch“ markiert der DudenDuden: aufklauben (225), Blaukraut (282), Bub (298), Geiß (473), gelbe Rübe (474), Kaminfeger (597), kehren „fegen“ (611), Marillen (713), Nachtessen (761), Radler (877), Ross (911), Schwammerl (963), Schweinshaxe (siehe Haxe 525), Stadel (1012f.), Stiege (1024), Trottoir (1079), Watsche (1161), Laugenwecken (siehe Wecken 1162), zusperren (1210).

Für „norddeutsch“ hält der DudenDuden lediglich Harke „Rechen“ (521).

Überhaupt nicht belegt sind im DudenDuden der Ausdruck mit Fleiß (442), die regionalen Varianten Kutterschaufel, Gang (464) in der Bedeutung „Hausgang“, laufen (675) in der Bedeutung „gehen“ und Teppich (1056) in der Bedeutung „Wolldecke“. Diese Nicht-Erwähnung muss damit zusammenhängen, dass der Duden nur Varianten in sein Wörterbuch aufnimmt, die allgemein gebräuchlich sind (Duden, 10).

Wenn der DudenDuden Recht hat, dann müssten bei unserer Untersuchung die Wörter der Gruppe 1 (Hacke usw.) einen sehr hohen Prozentsatz bezüglich ihrer Akzeptanz im Schriftlichen erreichen, während die Wörter der Gruppen 4 (Harke) und 5 (Kutterschaufel usw.) in genauso starker Weise abgelehnt werden müssten. Bei den Wörtern der Gruppen 2 und 3 müsste die Akzeptanz von der jeweiligen Duden-Einschränkung abhängig sein. Wörter, die der Duden als schweizerisch oder als bayerisch-österreichisch markiert, dürften dann in unserer Untersuchung, die sich auf Baden-Württemberg beschränkt, keine hohe Akzeptanz finden. Dies wäre der Fall bei Watsche, Stadel, Trottoir, Schwammerl und Marillen.

Im Folgenden soll lediglich auf den Vergleich der Umfrage mit dem DudenDuden eingegangen werden. Die „Hitparaden“ bezüglich der stärksten Akzeptanz und bezüglich der schwächsten Ablehnung sind nahezu identisch, sodass wir sagen können, dass nach unserer Untersuchung 23 der abgefragten 40 Wörter in Baden-Württemberg eine Akzeptanz von über 50 % erreichen und damit in dieser Region zum Standard zu rechnen sind.

Von den im DudenDuden landschaftlich nicht eingeschränkten Wörtern erreichten bei unserer Untersuchung erwartungsgemäß Hausaufgaben (93 %), Geldbeutel (89 %), Abendbrot (89 %) und zwicken (82 %) eine hohe Zustimmung. Schon mit stärkeren Abstrichen gilt dies nur noch für Fleischer (77 %), Krapfen (76 %), Zahnweh (66 %), schnäuzen (62 %) und Brosamen (59 %). Die laut Duden uneingeschränkt zum Standard gehörenden Wörter Hacke „Ferse“ (21 % Zustimmung – 43 % Ablehnung) und Bulldog (26 % – 37 %) gehören hingegen für die Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer der baden-württembergischen Gymnasien nicht in diese Gruppe.

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