Kitabı oku: «Darwin schlägt Kant», sayfa 6
3Individuelle Persönlichkeitsprofile
Wir haben uns mit den erkenntnistheoretischen Grenzen des Verstandes beschäftigt. Auf einer zweiten Ebene wurden psychologische Mechanismen dargestellt, die Einfluss auf Wahrnehmung, Erkenntnisfähigkeit und Urteilsbildung haben und oft zu Fehlern und Verzerrungen führen. Nun wenden wir uns der dritten Ebene zu. Es handelt sich um Persönlichkeitsprofile, die bei bestimmten Menschen vorkommen können und dann auf individueller Ebene zusätzlich zu Verzerrungen in der Urteilsbildung und problematischen Verhaltensweisen disponieren. Wir beschäftigen uns also mit Eigenschaften, die jene Menschen von anderen Menschen unterscheiden.
Problematische Persönlichkeitsprofile können in Form eines oder einer Kombination mehrerer prägnanter Persönlichkeitsmerkmale vorkommen. Prägnante Persönlichkeitsmerkmale sind Eigenschaften eines Menschen, die als für diese Person charakteristisch gelten. Solche prägnanten Persönlichkeitsmerkmale gibt es bei einem Menschen nicht in beliebiger Zahl. Meist liegen eine bis fünf solcher charakteristischen Eigenschaften vor, die das individuelle Persönlichkeitsprofil einer Person in besonderer Weise bestimmen.
An anderer Stelle habe ich zu prägnanten Persönlichkeitsmerkmalen Folgendes ausgeführt:
»Es handelt sich also um Merkmale, die einerseits deutlich ausgeprägt sind. Andererseits sind es die Merkmale, die in der Persönlichkeit eines Menschen besonders hervorstechen. Um Eigenschaften als charakteristisch und für eine bestimmte Person als besonders aussagekräftig anzusehen, sind also zwei theoretische Vergleiche maßgebend. Es ist der Vergleich mit der durchschnittlichen Normalbevölkerung und der Vergleich mit eigenen Eigenschaften. Man wird also Eigenschaften dann als besonders prägend für eine Person wahrnehmen, wenn diese Eigenschaften (1) gegenüber anderen Eigenschaften der Person und (2) im Vergleich mit anderen Menschen besonders hervortreten.
Prägnante Persönlichkeitsmerkmale sind durch drei weitere wichtige Kriterien gekennzeichnet:
−Prägnante Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich im Verhalten!
Es kann sein, dass das Verhalten nicht direkt beobachtbar ist, weil eine Person sich mit dem entsprechenden Verhalten nicht in der Öffentlichkeit oder gegenüber Familienmitgliedern zeigt. Aber es ist das Wesen prägnanter Persönlichkeitsmerkmale, dass sie ins Verhalten ›durchdrücken‹. Würden sie sich nicht im Verhalten in prominenter Art und Weise zeigen, dann wären es keine prägnanten Persönlichkeitsmerkmale.
−Prägnante Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich im Verhalten eher früher als später!
Prägnante Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich aufgrund ihrer Prägnanz tendenziell früh im Verhalten, häufig bereits – zumindest ansatzweise – in der Kindheit und im Jugendalter.
−Prägnante Persönlichkeitsmerkmale haben eine hohe Konstanz und zeitliche Stabilität!
Menschen erfinden sich nicht jeden Tag aufs Neue. Wir alle leben in Kontinuitäten. Dabei sind gerade die prägnanten Persönlichkeitsmerkmale tendenziell schwer oder gar nicht veränderbar. Sie haben eine jahrzehntelange, häufig gar eine lebenslange Konstanz.
Das zuletzt genannte Phänomen kann jeder in seinem eigenen Umfeld bei Familienmitgliedern, Arbeitskollegen oder anlässlich von zehn-, zwanzig- oder dreißigjährigen Klassentreffen beobachten. Die prägnanten Persönlichkeitsmerkmale haben eine bemerkenswerte Konstanz. Das heißt nicht automatisch, dass sich die Lebenswirklichkeit einer Person nicht verändern kann. Sie kann sich sehr wohl verändern. Genau darauf zielen wir ja mit Therapien ab. Aber meist geht es nicht darum, dass sich die prägnanten Persönlichkeitsmerkmale komplett verändern. Vielmehr ist es bei diesen Veränderungen oft so, dass ein anderer Umgang mit diesen Merkmalen erfolgt, dass alternative Handlungsstrategien entwickelt oder andere Akzente gesetzt werden. Wir kennen aus der Lebenszeitforschung die Beispiele, bei denen Menschen mit ähnlichen Persönlichkeitsprofilen völlig unterschiedliche Biografien leben. Der überkritische, chronisch misstrauische und überall Verschwörungen witternde Charakter kann ein hervorragender investigativer Journalist werden. Er kann aber auch als Mittdreißiger in die Karriere eines Querulanten einbiegen und die Energie aus seinen prägnanten Persönlichkeitsmerkmalen in dieser Form zum Ausdruck bringen. Auch eine Person mit pädosexueller Präferenz ist nach einer Therapie noch pädosexuell. Wenn es ihr aber gelingt, sexuelle Übergriffe zu verhindern, dann hat diese Person ein komplett anderes Leben. Aber ein anderer Mensch ist die Person deswegen nicht geworden.« [11, S. 5–6]
Nachfolgend wird eine Auswahl von vier problematischen Persönlichkeitseigenschaften beispielhaft vorgestellt. Dies geschieht in Form einer jeweils kurzen Zusammenfassung wesentlicher Aspekte der entsprechenden Eigenschaft. Damit soll dem Leser ein Eindruck davon vermittelt werden, was konkret unter problematischen Persönlichkeitseigenschaften verstanden werden kann.
Die Auswahl der Eigenschaften erfolgt in Anlehnung an das Forensische Operationalisierte Therapie-Risiko-Evaluations-System (FOTRES). Es handelt sich um ein diagnostisches System, das ursprünglich entwickelt wurde, um Persönlichkeitsprofile von Straftätern abzubilden. Zu diesem Zweck sind in FOTRES mehr als hundert sogenannte Risikoeigenschaften verzeichnet. Viele dieser Eigenschaften können auch unabhängig von Straftaten vorkommen. Alle disponieren aber zu problematischen Wahrnehmungen, Einstellungen und insbesondere Verhaltensweisen.
Bei Personen mit solchen Eigenschaften ist daher mit Verzerrungen von Sichtweisen zu rechnen, die das übliche Ausmaß psychologischer Verzerrungen deutlich überschreiten. Vor allem disponieren diese Eigenschaften aber – auch unabhängig von Straftaten – im persönlichen oder beruflichen Bereich zu schädlichen und Leid verursachenden Verhaltensweisen. Nach Möglichkeit sollten Personen mit diesen Eigenschaften nicht eine Position innehaben, in der besonders viel Schaden für die Gesellschaft angerichtet werden kann. Das ist aber leider keineswegs gewährleistet.
3.1Die Kaltblütig manipulative Persönlichkeit (KmP)
Die Beispiele beginnen mit der Kaltblütig manipulativen Persönlichkeit (KmP). Das damit eng verwandte Phänomen der »Psychopathie« ist in den letzten Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Es wurde uns in TV-Serien wie »Dexter« vermeintlich nähergebracht. Außerdem meldeten sich viele Experten zu Wort. Überall, vor allem aber in Führungspositionen, glaubten sie Psychopathen zu entdecken. Wenn das geschieht, dann ist dies ein sicheres Anzeichen dafür, dass das zugrunde liegende Konzept trivialisiert, aufgeblasen und zu Profilierungszwecken missbraucht wird (einen ähnlichen Status hat übrigens traditionell auch die narzisstische Problematik, die selbst von Fachpersonen viel zu häufig diagnostiziert wird – mit all den stigmatisierenden Folgen). Diese Phase wurde spätestens mit der Erfindung der sogenannten »funktionellen Psychopathie« eingeläutet, die in vielen Medien als eine weit verbreitete – um nicht zu sagen notwendige – Pathologie vieler Führungspersonen in Wirtschaft und Politik behauptet wurde. Ein Unsinn, auf den sich Medien nur zu gerne stürzen. [U. a. 12]
Die KmP wird nachfolgend aber auch aus einem anderen Grund dargestellt. Sie repräsentiert in individuell stark übersteigerter Ausprägung einen der beiden evolutionären Pole der menschlichen Natur: die egoistische Selbstbehauptung bzw. den Willen zur Macht. Die KmP ist durch einen Emotionsmangel auf der einen und gesteigerte Egozentrik, Rücksichtslosigkeit und eine starke Manipulationstendenz auf der anderen Seite charakterisiert. Das »Weniger an Emotion« bedingt ein »Mehr an Ich« und ein »Mehr an Möglichkeiten«, weil Hemmungen fehlen.
Beim Emotionsmangel sind Intensität, Nachhaltigkeit und das Spektrum von Emotionen stark vermindert. Das eingeschränkte Spektrum zeigt sich dadurch, dass Emotionen wie Angst, Freude oder Trauer im Vergleich zu Wutempfinden deutlich unterrepräsentiert sind. »Vor allem werden Emotionen nicht tief, das heißt nicht in hoher Intensität und nicht nachhaltig, erlebt. Es handelt sich daher eher um kurzfristige, reaktive Gefühlsregungen. Aufgrund ihrer Kurzfristigkeit und Gebundenheit an konkrete Auslösesituationen erscheinen Emotionen eher flüchtig. Häufig erwecken sie aufgrund der fehlenden Nachhaltigkeit und der geringen Intensität den Eindruck des Oberflächlichen und Beliebigen.« [11, S. 99]
Der Emotionsmangel zeigt sich in vielen Verhaltensweisen. So ist die Bedeutung anderer Menschen gering und sie erinnern im Leben von Personen mit KmP »eher an austauschbare Statisten als an autonome Persönlichkeiten, zu denen eine bedeutungsvolle Beziehung besteht«. Das verminderte Angstempfinden führt zu riskantem, draufgängerischem Verhalten oder sogar zu Straftaten. Klar, dass solche Personen kaum Empathie empfinden.
Man kann sich den Emotionsmangel so vorstellen, dass die Bereiche, die im Gehirn für Emotionen zuständig sind, stark heruntergeregelt sind. Ein solcher Emotionsmangel ist ein Defizit. Es stellt sich aber die Frage, warum die Evolution eine solche Persönlichkeitsdisposition hervorgebracht hat. »Hier kann man sich viel vorstellen. Angstfreiheit hat Vorteile in Kampfsituationen oder wenn es darum geht, neue Territorien erobern und besetzen zu können.« Evolutionär ist es daher für Gemeinschaften von Tieren oder von Menschen in bestimmten Situationen vorteilhaft gewesen, solche »Individuen in ihren Reihen zu haben. Auch in der jüngeren Geschichte« kann man »manch großem Führer oder Eroberer einen gravierenden Emotionsmangel bescheinigen. Sicher ist, dass das Emotionsdefizit Raum für eine veränderte Balance in der Persönlichkeit eines Menschen schafft. Wer nicht durch Emotionen gebremst und gehemmt wird, dem eröffnet sich ein Raum von Möglichkeiten, der anderen Menschen nicht zur Verfügung steht.« Dieser Raum führt zu einer starken Egozentrik, zum rücksichtslosen Durchsetzen eigener Interessen und zu einer ausgeprägten Manipulationstendenz.
Die starke Egozentrik entspricht dem Prinzip: Ich, ich und nochmal ich. Die eigenen Bedürfnisse werden ohne jede kritische Distanz als legitim und als absoluter Maßstab eigenen Handelns erlebt. Bedürfnisse anderer Menschen sind gleichgültig. Die Tendenz, andere Menschen zu manipulieren, dient dazu, sich Vorteile zu verschaffen. Hemmungsloses Lügen, Instrumentalisierung von Beziehungen, intrigantes Verhalten und eine ausgeprägte Orientierung an eigener Nützlichkeit sind typisch. Das innere Koordinatensystem ist strikt an einem Prinzip orientiert: Nützt mir oder nützt mir nicht. Das eröffnet u. a. die Möglichkeit, hemmungslos zu lügen.
Jeder Mensch kann lügen. Normalerweise muss aber eine gewisse Schwelle überwunden werden, nicht die Wahrheit zu sagen. Denn innerlich gibt es ein Koordinatensystem, das zwischen Wahrheit (so wie sie subjektiv wahrgenommen wird) und Lüge unterscheidet. Bei Personen mit KmP existiert dieses an der Realität orientierte Koordinatensystem nicht. Es ist ersetzt durch ein Koordinatensystem, das ausschließlich an Nützlichkeit orientiert ist. In diesem Sinne fühlt sich etwas als »wahr« an, wenn es nützlich ist – mit der gleichen subjektiv erlebten emotionalen Evidenz. »Das macht hemmungslose Lügner erfolgreich. Denn normale Menschen rechnen nicht damit, dass ein Mensch so hemmungslos lügen kann. Der hemmungslose Lügner profitiert von der weit verbreiteten Annahme, dass die Wahrheit doch wohl in der Mitte liegen müsse. Die Mitte ist für den hemmungslosen Lügner aber immer ein großer Gewinn zu seinen eigenen Gunsten.« [11, S. 102]
Man sollte nicht übersehen, dass die beschriebenen Verhaltensweisen in der Geschichte der Menschheit seit jeher kulturell fest verankert sind. Hier eine vorwiegend »biologische Fehlfunktion« oder gar »eine Erkrankung« erkennen zu wollen, greift zu kurz. Nicht nur am Beispiel Machiavellis wird deutlich, dass diese Verhaltensweisen »lange Zeit in der Gesellschaft zum Beispiel im Sinne ›der Zweck heiligt die Mittel‹ als Ideal galten«. [11, S. 99]
Man darf durchaus folgende Frage stellen: Sind weniger Emotionen, mehr Eigeninteresse, mehr Manipulation nicht Verhaltensideale, die neben der Sonntagsrhetorik in vielen Bereichen von Politik und Wirtschaft anzutreffen sind? [Zusammenfassung nach 11, S. 96–103]
3.2Instabiler Realitätsbezug
Die Definition des Instabilen Realitätsbezugs lautet: »Grundlage des Instabilen Realitätsbezugs ist die Entkopplung von subjektiven Wirklichkeitswahrnehmungen, realitätsbezogenen Kognitionen und realitätsbezogenen Emotionen. Das zentrale Merkmal des Instabilen Realitätsbezugs ist somit die fehlende Verbindung eigener Wirklichkeitskonstruktionen zu realitätsbezogenen Parametern. Frei erfundene Geschichten können so beliebig anstelle realer Geschehnisse oder ergänzend zur Realität eingesetzt werden, wenn dies einem inneren Bedürfnis entspricht (wahr ist, was sich gut anfühlt). Aufgrund der Entkopplung entsteht kein störender kognitiver oder emotionaler Widerspruch im eigenen Erleben. Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen sind daher frei kombinierbar.« [11, S. 258–259]
Weiter wird zu dieser Risikoeigenschaft Folgendes ausgeführt: »Jeder Mensch hat eine eigene Sicht der ›Wirklichkeit‹. Normalerweise gibt es aber eine Verbindung zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Wirklichkeit, Gedanken, die sich auf reale Umstände oder Beobachtungen beziehen, und damit verbundenen Gefühlen. Nehmen wir an, jemand sieht einen Hasen auf einer Wiese. Er wird diesen Hasen zwar in einer subjektiven Weise wahrnehmen. Aber meist wird sich diese Wahrnehmung in einem gewissen Spektrum bewegen, wie Hasen von den meisten Menschen wahrgenommen werden können. Zu dieser Wahrnehmung wird es realitätsbezogene Gedanken geben, die mit dem Hasen zu tun haben. Vielleicht erinnert sich die Person an andere Hasen aus der Vergangenheit, sie erkennt Details oder Verhaltensweisen des Hasen, zu denen sie sich Gedanken macht. Die Gedanken beziehen sich in einer gewissen Weise auf die wahrgenommene Realität. Schließlich stellen sich auch noch Emotionen ein, die ebenfalls in einem Realitätsbezug zu den Wahrnehmungen und auch zu den Gedanken stehen. Vielleicht ist die Person berührt oder sie fühlt Sympathie für den Hasen. In jedem Fall werden sich die Wahrnehmungen und die Gedanken ›stimmig anfühlen‹. Das heißt, Wahrnehmungen und Gedanken werden durch ein Gefühl emotionaler Stimmigkeit bzw. Evidenz begleitet.
Zusammenfassend sind damit die Wirklichkeitswahrnehmung, realitätsbezogene Kognitionen und Emotionen miteinander verbunden. Man kann sich das so vorstellen: Drei Bälle sind mit Gummibändern untereinander verbunden. Das lässt einen – subjektiven – Spielraum dafür offen, wie die drei Bälle im Raum angeordnet werden. Der Spielraum ist aber nicht unendlich, weil doch eine gewisse, wenn auch flexible, Verbindung besteht. Beim Instabilen Realitätsbezug fehlt diese basale Verbindung. Es gibt eine vollständige Entkopplung.
Der instabile Bezug zur Realität hat verschiedene Konsequenzen. Er führt zunächst dazu, dass die Grenze zwischen Realität und subjektiver Realitätskonstruktion nicht durch eine stabile, evident erlebte Emotion gesichert ist. Vielmehr erscheinen unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen damit beliebig und austauschbar. Sie fühlen sich alle gleichermaßen stimmig an. Das eröffnet die Möglichkeit, in beliebig vielen Situationen die Realität anzupassen, indem unzutreffende Behauptungen aufgestellt oder Geschichten erfunden werden.
Betroffene mit Instabilem Realitätsbezug können darum Geschichten und Begebenheiten beliebig einsetzen und umformen, ohne dass sie durch einen festen Bezug zur Realität hieran innerlich gehindert wären.« [11, S. 259]
3.3Basale Wahrnehmungsmuster
Basale Wahrnehmungsmuster sind eine eigene Gruppe von Risikoeigenschaften. Es handelt sich um stereotype und tief in die Persönlichkeit integrierte »Grundmuster der Wahrnehmung«, die wie folgt beschrieben werden: »Sie betreffen die Art oder die ›Färbung‹, in der Ereignisse, Begebenheiten, andere Menschen, also die gesamte Welt und ihre Erscheinungen wahrgenommen werden. Es geht also darum, wie eine Person die Außenwelt wahrnimmt und wie sie diese Außenwelt interpretiert.
Da es sich um grundlegende Muster der Wahrnehmung handelt, ist mit dem Wahrnehmungsmuster auch eine vorherrschende Grundbefindlichkeit verbunden. Das heißt, das Basale Wahrnehmungsmuster prägt auch die Art, wie ein Mensch die Außenwelt erlebt, und damit auch, in welcher Grundbefindlichkeit er sich in dieser Welt bewegt. Es liegt auf der Hand, dass die Basalen Wahrnehmungsmuster damit einen großen Einfluss auf das Verhalten einer Person haben. Besonders groß ist der Einfluss dabei auf die Art, wie eine Person sich in sozialen Kontexten verhält und Beziehungen gestaltet.
Mit Außenwelt ist die Welt gemeint, so wie sie durch eine Person wahrgenommen und erlebt wird, also all ihre Erscheinungsformen. Es geht also nicht darum, wie sich eine Person selber erlebt, wie sie innere Prozesse, Gedanken oder Befindlichkeiten wahrnimmt. Gemeint ist das vorrangige Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster, mit dem Informationen aus der Außenwelt gesehen, gedacht, gefühlt und in diesem Sinne wahrgenommen, bewertet und erlebt werden.« [11, S. 330]
FOTRES kennt achtzehn Basale Wahrnehmungsmuster, von denen nachfolgend zwei beispielhaft dargestellt werden (»versagend« und »provozierend«).
3.3.1Basales Wahrnehmungsmuster: Versagend
Das Basale Wahrnehmungsmuster »versagend« wird wie folgt definiert: »Basale Wahrnehmung der Welt als ein Ort, an dem Betroffene nicht das bekommen, was ihnen eigentlich zusteht. Betroffene fühlen sich benachteiligt. Frustration, Neid und Ärger sind oft typische Gefühle.«
Weiter wird zu dieser Eigenschaft Folgendes ausgeführt: »Betroffene nehmen die Welt als einen Ort wahr, der ihnen etwas vorenthält. Ihr Grundgefühl entspricht folgender Überzeugung: ›Ich bekomme nicht das, was mir zusteht, nicht das, was ich eigentlich verdienen würde.‹ Man kann auch vom Syndrom der ›zu kurz Gekommenen‹ sprechen. Überall entdecken sie eigene Benachteiligung und umgekehrt ungerechtfertigte Bevorzugung anderer Personen. Aus dieser subjektiv empfundenen, sich in vielen Situationen fortsetzenden Ungerechtigkeit sehen sie sich oft in einer moralisch legitimen Position, sich mit allen Mitteln für ihr Recht einzusetzen, das man ihnen vorenthält. Nach dem Motto, der gute Zweck heiligt die Mittel, gehen sie dabei selber rücksichts-, hemmungslos und penetrant vor.
Der versagende Aspekt kommt dadurch zum Ausdruck, dass häufig eigene Leistungen oder Verdienste angenommen werden, die nicht die ihnen vermeintlich zustehende Anerkennung erfahren. Die versagende Qualität bezieht sich daher oft auf besondere Leistungen in Schule, Beruf oder in der Familie oder auf besondere Eigenschaften wie eigene Schönheit, Intelligenz, Kreativität, Geradlinigkeit etc., die von der Umwelt nicht gesehen und fälschlicherweise nicht gewürdigt werden. Häufig finden sich hierfür generelle Erklärungen wie z. B. Mobbing, rassistische Vorurteile, Benachteiligung wegen geringer Körpergröße, Geschlechterdiskriminierung, Neid auf die eigenen überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Qualitäten. Frustration, Neid und Ärger sind bei den Betroffenen typische Gefühle.« [11, S. 335]
3.3.2Basales Wahrnehmungsmuster: Provozierend
Das Basale Wahrnehmungsmuster »provozierend« wird wie folgt definiert: »Basale Wahrnehmung der Welt als provozierender Ort, an dem man stets mit Provokationen, Zumutungen, Unverschämtheiten rechnen muss. Eine permanente wut- und/oder ärgergeprägte Reaktionsbereitschaft ist häufig.« [11, S. 354]
Weiter wird zu dieser Eigenschaft Folgendes ausgeführt: »Bei Betroffenen liegt eine ausgeprägte Disposition dafür vor, das Verhalten anderer Menschen subjektiv als Provokation, Unverschämtheit oder Zumutung wahrzunehmen.
In der subjektiven Sicht ist die Welt damit ein Ort, an dem man ständig mit Provokationen, Unverschämtheiten und Zumutungen rechnen muss. Betroffene sehen den Grund dafür nicht in einer eigenen, besonderen Empfindlichkeit, die einer verzerrten Wahrnehmung entspricht. Vielmehr verorten sie die Ursache des Problems ausschließlich in der Umwelt. Dort wimmelt es von Menschen, die selbstverständlich auf der Hand liegende Regeln missachten, einen für dumm verkaufen, über den Tisch ziehen wollen oder die sich anderweitig unverschämt und provozierend verhalten. Dieses grundlegende Wahrnehmungsmuster führt oft dazu, dass Betroffene heftige Gefühle aus dem Spektrum Wut, Ärger und Empörung verspüren. Einige Betroffene engagieren sich in sozialen Medien, als Leserbriefschreiber, Online-Kommentatoren oder auf eigenen Plattformen, um ihrer Wut und Empörung über die allerorts gegenwärtigen Missstände und Skandale Ausdruck zu verleihen.
Weil die Welt und die Menschen so sind, ist es für Betroffene auch nicht verwunderlich, dass sie häufig in Konflikte geraten. Einem idealisierten Selbstbild entspricht es oft, für Schwächere einzutreten, die Rolle des ›Fels in der Brandung‹ zu übernehmen oder über ein besonderes Gerechtigkeitsempfinden zu verfügen.« [11, S. 354–355]