Kitabı oku: «Der Geldkomplex», sayfa 2
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Du — ich fange an, wieder an Wunder zu glauben. Lach nur nicht, man findet ja im Lauf der Zeit manchen alten Glauben wieder, zum Beispiel den an ein zweites Leben, in dem man entweder Geld haben oder keines mehr brauchen wird. Ja, ich könnte mich sogar mit dem Tod aussöhnen, der mir früher so unsympathisch war — denn, selbst wenn nichts anderes mehr käme, so wird‘s doch wenigstens keine Gläubiger und keine Rechnungen mehr geben. Wie gut, daß man nicht fromm ist, sonst würde ich mir vorstellen, die ewige Verdammnis bestände darin, daß sie einem auch dorthin nachfolgen. Also Eure Gebete sind sichtlich erhört worden, laß Dir nur erzählen. Vorgestern ging ich wieder einmal mit dem Atheisten und der Baulöwenwitwe, die sich uns manchmal anschließt, ins Dorf hinunter. Wir haben aus lauter Verzweiflung angefangen, dort nachmittags Kegel zu schieben. Alle drei fühlten wir uns etwas unglücklich und jammerten rechtschaffen über unser elendes Dasein und über unsere Nerven. Als wir dann zwischen dem Kegeln eine Erholungspause machten, sah ich im Wirtsgarten einen Herrn sitzen, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Ja nun, es war tatsächlich Henry — wir hatten uns jahrelang nicht gesehen, und ich war sehr überrascht, ihn so unverändert wiederzufinden. Damals, als er nach drüben ging, dachten alle, er würde Karriere machen, als Millionär mit Bauch und Berlocks wiederkommen und uns alle finanzieren. Als er dann nie mehr schrieb, gab man ihn wehmütig auf. Aber er ist wieder da, ist immer noch derselbe, gründet immer noch, es geht auch immer noch schief, und dann hat er gleich wieder eine neue und fabelhafte Chance an der Hand.
Sein Erstaunen, mich hier mit den beiden beim Kegelschieben zu finden, war ebenso groß wie meines und wuchs noch, als ich ihm erzählte, daß wir droben in das Sanatorium gehörten. Wohl oder übel mußte ich dann die anderen an den Tisch holen. Es ging auch ganz gut, die Witwe schloß ihn gleich ins Herz und erzählte von ihrem Baulöwen. Henry überlegte sofort, wie man die Gläubiger überlisten und das verkrachte Vermögen retten könne. Später gingen die anderen voran, um ihre Abendbehandlung nicht zu versäumen, ich blieb noch eine Weile und ließ mir erzählen. Er ist hergekommen, um Terrains für eine Fabrik anzukaufen, und will noch eine Weile bleiben, weil ihm der Ort gefällt und er dringend etwas Erholung braucht. Im Laufe des Gesprächs fiel mir auf, daß er sich doch verändert hat, er ist schweigsamer geworden, und manchmal schaut er so merkwürdig vor sich hin in die Luft und sein Blick wird ganz starr.
«Woran denkst du denn, Henry?»
«Ich rechne.»
«Immer?»
«Immer.»
«Dann hast du auch einen Geldkomplex.»
«Was hab ich?» — Er wußte nur von Häuserkomplexen, Baukomplexen, Terrainkomplexen. Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte, und fürchtete beinahe, er möchte es übelnehmen, aber er stürzte sich förmlich darauf wie auf eine neue Spekulation. Vielleicht berührte es ihn auch wie ein heimatlicher Klang, eben weil er beständig mit seinen Häuser-, Bau- usw. Komplexen zu tun hat. Aber dieser Mann hat viel mehr Illusionsfähigkeit als ich, er fand die Möglichkeit einer Heilung durch Analyse ganz einleuchtend und will meinen Freudianer unbedingt kennenlernen, sobald er kommt. Das ist mir ganz recht, so kann ich mich vielleicht um die Behandlung drücken, zu der ich schon längst keine Lust mehr habe.
An dem Abend verspätete ich mich arg, und der Professor machte mir einen richtigen Krach. Er hat von unseren Ausflügen Wind bekommen, warf mir vor, daß ich den Atheisten zum Weintrinken verführt habe, auch die Witwe sei heute abend ganz außer Rand und Band, und meine eigene Behandlung lasse ich überhaupt völlig außer acht.
Ach, mir wäre bald die Geduld gerissen, und ich war nahe daran, in offene Rebellion auszubrechen, zu sagen, daß mir ja absolut nichts fehle und man mich um Gottes willen in Ruhe lassen solle. Es ist wirklich hart genug, sich auf Schlaflosigkeit und dergleichen behandeln zu lassen, wenn man einen so gesunden Schlaf hat wie ich, und überhaupt...
Aber seit der letzten wirtschaftlichen Krisis bin ich völlig charakterlos geworden, ich habe nicht mehr den Mut, den Ast abzusägen, auf dem ich sitze... das wohlbekannte Gefühl, wenn er plötzlich kracht und man drunten liegt... nein, das kann ich nicht mehr. Jedesmal, wenn ich aufbegehren möchte, sehe ich wieder wie in einer Vision den Professor als Gläubiger vor mir und werde sanft wie ein Lamm.
Die Kegelausflüge haben wir also aufgeben müssen, dafür habe ich Henry bewogen, als Neurastheniker ebenfalls in das Sanatorium zu ziehen. Er findet sich ganz gut hinein, und man macht sich gegenseitig das Leben so angenehm wie möglich. Jetzt im Sommer ist es überhaupt erträglicher, man hat den großen Speisesaal mit der deprimierenden langen Tafel verlassen und nimmt die Mahlzeiten auf der Terrasse an einzelnen Tischen. Henry, Doktor Lukas, der Knabe Gottfried und ich haben einen Tisch am oberen Ende, wo man alles übersehen kann und doch etwas für sich ist. Die Witwe wollte sich anschließen, aber es war zum Glück kein Platz mehr. So gastiert sie nur bei uns, und damit sie nicht allzu störend wird, erziehen wir sie zu unserer Anschauungsweise. Kurz, wir haben hier mitten in dieser fremden Welt eine Art eigenes Milieu gegründet.
Du kannst Dir denken, daß Henry und ich uns viel zu erzählen haben und endlos von alten Zeiten reden. Wir rechneten aus, wie lange wir uns jetzt schon kennen. Es sind ungefähr acht Jahre, und die Bekanntschaft begann mit einer sehr schönen, sehr langen und sehr kostspieligen Reise, von der wir ohne einen Heller zurückkehrten. Er gab dann seine bisherige wissenschaftliche Tätigkeit auf und verlegte sich auf Unternehmungen. Der erste Anlaß dazu war ein Exfreund, dem er ein beträchtliches Kapital ins Geschäft gesteckt hatte und der es nicht wieder herausrücken wollte. Der Exfreund wurde verklagt, gepfändet, jedoch umsonst. Er hatte vorgesorgt und alles rechtzeitig seiner Tante zediert. Aber er hatte irgendeine vielversprechende Erfindung gemacht, das Patent auf diese Erfindung konnte er wohl nicht gut der Tante zedieren, und Henry ließ es beschlagnahmen. Damals lernten wir, seine näheren Bekannten, ihn bewundern; er hatte uns vorher wohl allerlei Pläne entwickelt, aber wir verstanden wenig von solchen Dingen und hielten sie deshalb für phantastisch. Ich sehe ihn noch, wie er dann eines Tages plötzlich auf den Tisch schlug und sagte: «Jetzt hab ich‘s.»
Acht Tage später hatte er auf die Erfindung des Exfreundes eine GmbH gegründet, hatte ein elegantes Bureau mit zahllosen Plänen, Grundrissen und Gipsmodellen und telefonierte den ganzen Tag. Wenn ich mich recht erinnere, handelte es sich um einen feuersicheren Kinemasaal, brach aber doch einmal Feuer aus, so würde wenigstens keine Panik entstehen, weil er in einer halben Minute geräumt werden konnte. Wie die Geschichte ausging, bringe ich nicht mehr zusammen, und es tut auch nichts zur Sache. Jedenfalls begann er damit seine Laufbahn als Gründer. Übrigens hat Henry ebenso wie ich einen rätselhaften Unstern in finanziellen Dingen gehabt, er konnte wohl auch nicht die richtige persönliche Beziehung zum Geld finden. Mich hat es dann schließlich ernst genommen, ihn foppte es auf unqualifizierbare Weise. Böse Zungen behaupten heute noch, es sei bei all seinen Unternehmungen nie etwas herausgekommen, aber das kennt man ja und soll kein Gewicht darauf legen. Einerlei, er blieb unbeugsam, fragte man ihn, wie steht es denn mit der oder jener Geschichte?, so hieß es: Schlecht, gerade im entscheidenden Moment kam etwas dazwischen, aber ich habe jetzt eine neue Sache an der Hand, und wenn die nicht einschlägt, soll mich der Teufel holen. Manchmal verschwand er auch für eine Weile, und man hatte Angst, er sei verkracht, aber er war nur rasch in Südamerika oder sonstwo gewesen, um irgendein Unternehmen «in die Wege zu leiten». Dann tauchte er wieder auf und mit ihm ein neues Bureau, ein imponierendes Türschild, das wieder eine neue GmbH verkündete, Modelle, Telefongespräche und Aktionäre.
Du siehst, Maria, er ist auch diesmal wiedergekommen und hat sich drunten in unserem Städtchen ein Bureau eingerichtet, wo er täglich ein paar Stunden mit seinen Aktionären telefoniert. Wir schwelgen in alten Erinnerungen:... wie ich einmal Geld hatte... wie du einmal Geld hattest... oder: als es mir damals ernstlich an den Hals ging...
Unsere Schicksale hatten immer eine gewisse Ähnlichkeit miteinander, so mußte es wohl auch kommen, daß wir uns hier im Sanatorium mit unseren beiderseitigen Geldkomplexen wiederfanden und doch beide nach altem Brauch auf eine günstige Lösung warten... ich auf meine Erbschaft, er auf einen großen Coup, der seiner Meinung nach dieses Mal nicht fehlschlagen kann.
Beklag Dich, bitte, nicht wieder über meine Briefe, Maria. Aber ich interessiere mich momentan so grenzenlos für meine eigene Existenz, daß nichts anderes übrigbleibt. Auch darin verhext einen die ewige Geldfrage, möchtest Du‘s nur nie an Dir selbst erfahren. Alle schönen Eigenschaften des Herzens, alles Eingehen auf andere geht dabei zum Henker...
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Ich fürchte, wir haben den armen Privatdozenten angesteckt. Anfangs pflegte er nur friedlich von wirtschaftlichen Fragen zu sprechen, während er sich jetzt auf das lebhafteste für Gründungen und Spekulationen, kurz für alle direkten und indirekten Geldfragen interessiert. An unserem Tisch ist von nichts anderem mehr die Rede, die Neurosen und Psychosen haben alle Anziehungskraft verloren. Selbst Gottfried denkt nicht mehr über seine Weltanschauung nach, sondern hört andächtig zu. Ich glaube, der Verkehr mit uns wird ihn noch völlig heilen. Heut saß ich längere Zeit mit Doktor Lukas allein. Wir gaben uns alle Mühe, zur Abwechslung einmal ein anderes Thema anzuschlagen... die Hitze... die Persönlichkeit des Professors... wie schön es sein müßte, jetzt für ein paar Wochen an die Nordsee zu fahren... und wurden dabei aber immer einsilbiger und langweiliger. Dann kam die Witwe einen Augenblick heran und stimmte ihr gewohntes Klagelied an. Tag und Nacht habe ihr verstorbener Mann gearbeitet, bis er ein kleines Vermögen auf der Bank liegen hatte, und all das sauer verdiente Geld sei nun in der Konkursmasse — mein Gott, mein Gott!
Die gute Dame ist etwas ermüdend, aber ihre Neurose besteht nun einmal in dem beständigen Repetieren ihrer Leidensgeschichte, und als Mitpatient muß man Geduld haben.
«Eigentlich hat sie ja auch recht», sagte Lukas, als sie wieder fort war.
«Nein, sie ist vollständig auf dem Holzweg, weil sie an dem Geld gerade das Sauerverdiente so schätzt und hervorhebt. Es ist ein widerwärtiger Ausdruck und ein widerwärtiger Begriff. Es kann auch auf sauerverdientem Geld kein Segen ruhen, es muß uns hassen, weil wir es an den Haaren herbeigezogen haben, wo es vielleicht gar nicht hinwollte, und wir müssen es hassen, weil wir uns dafür geschunden haben und im Gedanken an diese Schinderei noch voller Ressentiments sind. Es rächt sich auch immer, denn entweder warten schon andere Leute darauf, oder man gibt es in der ersten Reaktion für sinnlose Dinge aus.»
«Der Baulöwe hatte es aber anscheinend doch auf die Bank gelegt, um sich später einmal gute Tage zu machen...»
«Um so schlimmer, dann wird es gar noch zum sauer Ersparten, was die Leute bekanntlich immer auf tragische Weise einbüßen. Ich begreife auch, daß das Geld sich solche Bezeichnungen nicht gefallen läßt. Sauer erspart... sagen Sie es sich nur ein paarmal vor, womöglich mit knarrender Stimme.»
Er tat es und mußte mir recht geben: «Wie Krähen im Herbst», sagte er.
Inzwischen war Henry unbemerkt durch die Gartentür hereingekommen und stand mit einemmal hinter uns.
«Was macht ihr denn da?» sagte er aufrichtig erschrocken. «Mein Gott, Herr Doktor, jetzt hat es Sie auch schon... Kommen Sie lieber mit hinunter in mein Bureau, ich möchte Ihnen etwas zeigen.»
Im Bureau war ein Arbeiter damit beschäftigt, eine große Holzkiste aufzubrechen, und wir waren sehr neugierig auf den Inhalt. Henry erzählte uns derweil ausführlich die Geschichte der südafrikanischen Goldminen, um derenthalben er damals fortging. Man hatte ihm die Leitung des ganzen Unternehmens übertragen, aber wie gewöhnlich, wenn alles einmal glattgehen konnte, machte das Geld eine förmliche Verschwörung gegen ihn. Er hatte einfach keines, konnte das aber den Aktionären nicht gut unter die Nase reiben, und die Abreise verzögerte sich, verschob sich bis ins Aschgraue. Wiederum regten sich die bösen Zungen und behaupteten, er sei monatelang mit einem falschen Bart herumgegangen, um zu verbergen, daß er immer noch da war. Ich weiß auch nicht mehr, hat es ein halbes oder ein ganzes Jahr gedauert, bis er endlich an seiner Geschäftsstelle anlangte. Von dort aus hatte inzwischen ein Herr Alramseder aus Nürnberg, der an der Sache beteiligt war, gegen ihn intrigiert, und Henry erfuhr gleich bei seiner Ankunft, daß die Gesellschaft ihn schon lange seiner Stellung enthoben und eben jenen Herrn Alramseder zu seinem Nachfolger gemacht hatte. Dieser liebenswürdige Mann mit dem heimatlichen Namen hatte einen ausgesprochenen Tropenkoller und schickte ihm ohne weiteres einen Trupp von sechzehn Kaffern entgegen, die ihn verhaften sollten.
Die Witwe hörte in größter Spannung zu und fragte fast atemlos: «Ja... und was taten Sie da?»
«Zuerst fotografierte ich die Kaffern», sagte Henry schlicht und ohne Pose.
«Fotografierten die Kaffern?...»
«Ja, um Beweismaterial gegen den Alramseder in der Hand zu haben.» — Pause.
Tatsächlich ist es ihm dann auch gelungen, ich weiß nicht, ob die Fotografie der sechzehn Kaffern dabei ausschlaggebend wirkte — die leitende Stellung wieder an sich zu bringen und zu behaupten. Die Witwe war ganz begeistert und ist jetzt überzeugt, daß es Henry gelingt, mit ihren Gläubigern fertig zu werden und das Andenken des unverbesserlichen Baulöwen reinzuwaschen.
Inzwischen war die Kiste endlich aufgebrochen, und Henry hob eine sonderbare, unförmliche Gipsgeschichte heraus, die das Minenterrain darstellte. Quer durch geht ein blau angestrichener Fluß. Er erklärte uns die geographische Lage und daß die Goldlager sich unter dem Flußbett befänden.
«Und wie bekommt man das Gold da heraus?» fragten wir.
«Das ist ganz einfach», antwortete er und hob ohne weiteres den blau angestrichenen Fluß heraus, mit einer so überzeugenden Geste, daß wir einen Moment das Gefühl hatten, wenn es darauf ankäme, würde er es auch in Wirklichkeit so machen.
Nun, er hat es uns dann ausdrücklich erklärt, wie es gemacht wird, aber ich habe weder aufgepaßt noch möchte es von besonderem Interesse für Dich sein. Schließlich kann einen Gold doch nur lebhaft interessieren, wenn es schon wirklich Zwanzigmarkstücke sind und sie einem gehören.
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So, nun habe ich endlich einmal eine Sensation zu verkündigen, die Sensation... der alte Herr ist sanft entschlafen, wie mir gestern ein Telegramm meines Miterben meldete. Ich war ihm dankbar, daß er sich so taktvoll ausdrückte, und gebe mir alle Mühe, dem Entschlafenen gegenüber ebenfalls taktvoll zu empfinden. In dem Moment, wo jemand tot ist, wird einem das ja auch immer relativ leicht. Also erwartet jetzt, bitte, kein ordinäres Freudengeheul von mir, mir ist vielmehr zumut, als ob ich vorläufig sehr viel Haltung bewahren müßte.
Erstens wissen wir über das Testament und vor allem über den Besitzstand des Verstorbenen noch nichts Genaueres, und da er Ausländer war, kann sich das alles noch etwas hinziehen. Zweitens habe ich den Glauben an das Geld, an alles Geld verloren und kann ihn nicht von heute auf morgen wiederfinden. Bis es nicht tatsächlich vor mir auf dem Tisch liegt... und wer weiß, ob es mich jetzt für hinlänglich geläutert hält, um sich wirklich auf meinen Tisch zu legen. Wie oft habe ich erlebt, daß es schon auf dem Wege zu mir war und unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand wieder umkehrte. Selbst dadurch, daß es einem gehört, hat man es noch nicht... so halte ich es für geboten, es vorläufig möglichst zu ignorieren und um keinen Preis kopfscheu zu machen.
Bitte, verhaltet auch Ihr Euch in diesem Sinne, sprecht nicht davon, freut Euch nicht, schlagt keinen Lärm und gratuliert mir nicht.
... Nein, diese Botschaft an sich kann mich noch nicht von meinem Geldkomplex erlösen, es kommt nur allmählich wieder ein Gefühl von Daseinsberechtigung über mich, das ich mittlerweile ganz verloren hatte. Laß Dir sagen, liebe Maria, es sind nur zwei Dinge, die einem dies Gefühl geben... Geld und Liebe. Soll es ganz richtig sein, so sind es beide zusammen, aber wann ist wohl das Leben einmal ganz richtig? Und fehlt eines von den beiden, so kann man sich immerhin mit dem anderen trösten. Fehlen aber beide, wie jetzt, wie hier... nun, alles in allem ist es doch ein etwas trüber Aufenthalt. Mit Geld könnte ich fortgehen, aber es ist keines da; mit Liebe könnte ich hierbleiben, aber es fehlt jedes geeignete Objekt. Der Atheist ist mir zu jung, Lukas zu seriös, und mit Henry bin ich allmählich zu gut befreundet. In den Arzt verliebt man sich nur, wenn man hysterisch ist, und unser würdiger Professor eignet sich wenig dazu.
... Ich fahre erst heute fort. Der Miterbe war hier, man hat sich ernst und korrekt die Hand geschüttelt, und doch ein wenig wie zwei Überlebende nach einem Schiffbruch, die nun nähere Bekanntschaft miteinander machen. Man widmete dem Verstorbenen einige geziemende Worte, und das war wirklich anständig, denn er hat bei seinen Lebzeiten wenig Sympathie für uns an den Tag gelegt und unser beider Treiben, soweit es ihm bekannt wurde, meistens gemißbilligt. Aber wir waren jetzt einig, ihm das nicht mehr nachzutragen. Dann war vom Begräbnis die Rede. Der alte Herr will in seiner Familiengruft beigesetzt werden, und das ist ungemein schwierig, weil wir, die beiden einzigen Nachkommen, im Moment nicht über die Mittel verfügen, ihn dorthin zu geleiten. Diese Frage bleibt also noch ungelöst. Dagegen wird morgen am Sterbeort eine Einsegnung stattfinden. Ich sollte durchaus mitfahren, habe mich aber geweigert. Nie in meinem Leben habe ich solche Sachen mitgemacht, ich habe einen pathologischen Horror davor. Gott weiß, ob der Alte sich nicht auch darüber ärgern würde. Ich habe Angst davor, ihn noch nachträglich zu verstimmen und üble Folgen über mein Haupt heraufzubeschwören.
Allmählich kamen wir dann auch auf die Erbschaft selbst zu sprechen. Er hat das Testament vor einigen Jahren selbst eingesehen, und nach dem, was er sagt, käme eine Summe in Betracht, die uns beiden das Herz höher schlagen läßt. Nun machte aber der alte Herr vor anderthalb Jahren, nachdem er unglücklicherweise von unserem Kontrakt erfahren (vermutlich durch den schnöden Advokaten, der ihn gemacht hat und den wir nicht zahlen konnten), eine verdächtige Reise in seine Heimat, um «seine Angelegenheiten zu ordnen». Der Miterbe, der eigentlich Bescheid wissen müßte, behauptet zwar, nach dem dortigen Gesetz könne man ihn als den einzigen direkten Nachkommen, falls er nur verheiratet sei, nicht verkürzen. So hat man sich darüber wieder beruhigt. Natürlich muß er sich gründlich um die Sache bekümmern, meint aber, in wenigen Monaten könne alles erledigt sein.
Monate — Maria —, in Monaten kann alles mögliche passieren, man kann krank werden, sterben, verunglücken oder den Verstand verlieren. In Monaten hat das Geld alle Muße, die ausgefallensten Schikanen zu ersinnen. Monate sind eine schreckliche Zeit, wenn man sie mit Warten zubringt. Ich male mir alle schlimmen Möglichkeiten aus, das ist immer das beste, um ihnen vorzubeugen. Ängstigt man sich zum Beispiel, es sei jemand ertrunken oder abgestürzt, so kommt er sicher heil zurück, erwartet man ihn aber unbefangen zum Abendessen, so wird er womöglich vom Blitz erschlagen.
Du siehst, ich habe mein System vollständig geändert und wehre mich ebenso verzweifelt gegen jeden Optimismus, wie ich ihm früher huldigte. Und doch, wenn ich morgens aufwache und mich noch nicht genügend beherrsche, denke ich mit scheuer Verliebtheit an dies ferne Geld, das, so Gott will, über kurz oder lang zu mir in Beziehung treten wird.
Natürlich habe ich nur den männlichen Tischgenossen davon erzählt, vor der Witwe hatte ich Angst, sie möchte mich an ihr Herz ziehen, Tränen vergießen und wieder von ihrem Baulöwen anfangen.
Henry nahm es mit derselben Seelenruhe auf wie die sechzehn Kaffern des Herrn Alramseder, und der gottlose Pfarrerssohn meinte, sein Vater würde in solchem Fall sicher sagen: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.
«Oder, was kann der Mensch geben, daß er seine Seele wieder löse», vollendete Lukas.
«Ach, wie gerne wollte ich Schaden an meiner Seele nehmen, wenn ich Reichtümer damit gewinnen könnte.»
«Und ich bin fest überzeugt», sagte Henry, «daß man mit Geld seine Seele ohne weiteres wieder auslösen könnte.»
Gottfried lächelte fröhlich, seine neue Weltanschauung befestigt sich immer mehr. Henry hat nämlich vor, ihn in Afrika bei den Goldminen unterzubringen, so braucht er nicht mehr unter das väterliche Dach zurückzukehren und könnte seine Psychose ruhig aufgeben. Doktor Lukas aber wollte ganz genau wissen, wie mir jetzt zumute sei. Er ist etwas enttäuscht, denn er hat es sich wohl so vorgestellt, wie in den Zeitungsgeschichten von Flickschustern, die das große Los gewinnen und dann vor freudigem Schrecken die Treppe hinunterfallen oder vom Schlag gerührt werden. Und wie ich mir nun die Zukunft denke?
Ich denke nach... die Zukunft ist noch nicht da, und die Vergangenheit wirkt noch zu stark in mir nach. Mir ist, als sei ich mein halbes Leben Jongleur in einem Zirkus gewesen, wollten die Kugeln nicht mehr richtig fliegen, so warf man mit Flaschen, Tellern oder Messern. Wollte es mit den Händen nicht mehr gehen, so stellte man sich auf den Kopf und jonglierte mit den Füßen weiter. Dabei immer die verdammte Unsicherheit, ob man Herr der Situation bleiben wird oder nicht, bis dann eines schönen Tages die Dinge wirklich streikten, Kugeln, Flaschen, Teller, Messer herunterrasselten und die Zuschauer mich auspfiffen — unter den Zuschauern stellte ich mir meine Gläubiger vor, die bei der Vorführung durchaus auf ihre Kosten kommen wollten.
Nein, ich wollte lieber gar nicht über das Geld reden, ehe es da ist. Aber Lukas ließ nicht locker. Wie alle Privatdozenten hat er natürlich ein kleines Vermögen, von dem er bescheiden und sicher leben kann. Der Umgang mit uns hat nun zwar in letzter Zeit seine Begriffe etwas verwirrt, aber manchmal wird er wieder rückfällig und ist nun geradezu besorgt, ob ich mich zu der veränderten Sachlage richtig einstellen werde. So macht er alle möglichen Pläne, wie ich das Geld am besten anlegen solle.
«Anlegen...?»
«In Goldshares», rät Henry, «in wenigen Jahren gibt es vermutlich enorme Dividenden.»
«Ja, um Gottes willen, Sie Phantast... wenn Sie Ihren Fluß herausgehoben haben?»
«Und dem Alramseder einmal definitiv auf den Kopf spucken kann... denn damit steht und fällt die ganze Sache», sagte Henry ernst.
Der Privatdozent rang die Hände: «Nein, ich bitte Sie, machen Sie mir die gnädige Frau nur nicht wieder vollends...»
«Sprechen Sie ruhig aus», sagte ich melancholisch..., «es hat jetzt wirklich keine Gefahr mit mir. Wenn das Geld nur erst da ist, werde ich sicher wieder normal.»
«So normal, daß Sie vernünftig damit umgehen? Sagen wir zum Beispiel, das Kapital nicht angreifen, falls Sie mit den Zinsen auskommen können... und daß Sie sich nicht auf Spekulationen einlassen, die davon abhängen, ob Ihr Freund Henry dem Herrn Alramseder oder sonst jemandem auf den Kopf spuckt...?»
«Sie, Lukas, haben heute wieder einen schrecklichen Rückfall in Ihre nationalökonomischen Komplexe. Leute, die von ihren Zinsen leben, sind viel anormaler. Denken Sie nur, plötzlich sterben zu müssen, was jedem passieren kann, und das ganze Kapital liegt noch da, mit dem man sich unendliches Pläsier hätte verschaffen können. Mir würde dieser Gedanke alle Seelenruhe nehmen. Man sollte vielleicht taxieren, wie lange man ungefähr noch zu leben wünscht, und danach die Summe einteilen. Bedenken Sie doch auch meinen Geldkomplex, wie soll ich den jemals loswerden, wenn ich mir nicht eine ausgiebige Revanche für alle bisher erlittene pekuniäre Unbill leisten darf?»
«Bitte, hören Sie auf», bat Lukas, «ich möchte sonst noch Ihrer eigenen Auffassung vom weiblichen Gehirn beistimmen und Sie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus völlig aufgeben...»
«Vor allem ist das Geld ja wirklich noch nicht da», bemerkte Henry mit unerschütterlicher Miene.
«Erlauben Sie mir wenigstens noch die Frage, wie der Herr... nun, Ihr Herr Miterbe darüber denkt... seinen Namen haben Sie uns übrigens immer noch vorenthalten.»
«Er trägt denselben Namen wie ich auch, da wir miteinander verheiratet sind...»
Hätte ich nur lieber geschwiegen, aber es fuhr mir so heraus, und nun mußte ich natürlich eine Flut von Aufklärungen geben. Worauf der arme Lukas so angegriffen war, daß er sich für den Rest des Abends zurückzog.
Du weißt, ich rede nicht gern von dieser Heirat, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, weil es mich gar so langweilt, immer wieder den Zusammenhang erläutern zu müssen. Wir leben nicht zusammen, wir kennen uns kaum, wir sind keine Ehe, sondern nur ein Kontrakt, und unser einziges gemeinsames Interesse ist eben diese Erbschaft. Manche begreifen das nicht, andere nehmen Ärgernis daran, und ich selber vergesse inzwischen manchmal vollständig, daß ich eigentlich verheiratet bin.
Der Professor erwartet einen neuen Patienten — es ist ein russischer Fürst, und wir sind sehr gespannt auf ihn. Russischer Fürst klingt so angenehm nach Geld und Spleen.