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Kitabı oku: «Die Grundlagen der Arithmetik», sayfa 6

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IV. Der Begriff der Anzahl

Jede einzelne Zahl ist ein selbständiger Gegenstand

§ 55. Nachdem wir erkannt haben, dass die Zahlangabe eine Aussage von einem Begriffe enthält, können wir versuchen, die leibnizischen Definitionen der einzelnen Zahlen durch die der 0 und der 1 zu ergänzen.

Es liegt nahe zu erklären: einem Begriffe kommt die Zahl 0 zu, wenn kein Gegenstand unter ihn fällt. Aber hier scheint an die Stelle der 0 das gleichbedeutende »kein« getreten zu sein; deshalb ist folgender Wortlaut vorzuziehen: einem Begriffe kommt die Zahl 0 zu, wenn allgemein, was auch a sei, der Satz gilt, dass a nicht unter diesen Begriff falle.

In ähnlicher Weise könnte man sagen: einem Begriffe F kommt die Zahl 1 zu, wenn nicht allgemein, was auch a sei, der Satz gilt, dass a nicht unter F falle, und wenn aus den

»a fällt unter F« und »b fällt unter F«

Sätzen allgemein folgt, dass a und b dasselbe sind.

Es bleibt noch übrig, den Uebergang von einer Zahl zur nächstfolgenden allgemein zu erklären. Wir versuchen folgenden Wortlaut: dem Begriffe F kommt die Zahl (n + 1) zu, wenn es einen Gegenstand a giebt, der unter F fällt und so beschaffen ist, dass dem Begriffe »unter F fallend, aber nicht a« die Zahl n zukommt.

§ 56. Diese Erklärungen bieten sich nach unsern bisherigen Ergebnissen so ungezwungen dar, dass es einer Darlegung bedarf, warum sie uns nicht genügen können.

Am ehesten wird die letzte Definition Bedenken erregen; denn genau genommen ist uns der Sinn des Ausdruckes »dem Begriffe G kommt die Zahl n zu« ebenso unbekannt wie der des Ausdruckes »dem Begriffe F kommt die Zahl (n + 1) zu.« Zwar können wir mittels dieser und der vorletzten Erklärung sagen, was es bedeute

»dem Begriffe F kommt die Zahl 1 + 1 zu,«

und dann, indem wir dies benutzen, den Sinn des Ausdruckes

»dem Begriffe F kommt die Zahl 1 + 1 + 1 zu«

angeben u. s. w.; aber wir können – um ein krasses Beispiel zu geben – durch unsere Definitionen nie entscheiden, ob einem Begriffe die Zahl Julius Caesar zukomme, ob dieser bekannte Eroberer Galliens eine Zahl ist oder nicht. Wir können ferner mit Hilfe unserer Erklärungsversuche nicht beweisen, dass a = b sein muss, wenn dem Begriffe F die Zahl a zukommt, und wenn demselben die Zahl b zukommt. Der Ausdruck »die Zahl, welche dem Begriffe F zukommt« wäre also nicht zu rechtfertigen und dadurch würde es überhaupt unmöglich, eine Zahlengleichheit zu beweisen, weil wir gar nicht eine bestimmte Zahl fassen könnten. Es ist nur Schein, dass wir die 0, die 1 erklärt haben; in Wahrheit haben wir nur den Sinn der Redensarten

»die Zahl 0 kommt zu,«
»die Zahl 1 kommt zu«

festgestellt; aber es nicht erlaubt, hierin die 0, die 1 als selbständige, wiedererkennbare Gegenstände zu unterscheiden.

§ 57. Es ist hier der Ort, unsern Ausdruck, dass die Zahlangabe eine Aussage von einem Begriffe enthalte, etwas genauer ins Auge zu fassen. In dem Satze »dem Begriffe F kommt die Zahl 0 zu« ist 0 nur ein Theil des Praedicates, wenn wir als sachliches Subject den Begriff F betrachten. Deshalb habe ich es vermieden, eine Zahl wie 0, 1, 2 Eigenschaft eines Begriffes zu nennen. Die einzelne Zahl erscheint eben dadurch, dass sie nur einen Theil der Aussage bildet, als selbständiger Gegenstand. Ich habe schon oben darauf aufmerksam gemacht, dass man »die 1« sagt und durch den bestimmten Artikel 1 als Gegenstand hinstellt. Diese Selbständigkeit zeigt sich überall in der Arithmetik, z. B. in der Gleichung 1 + 1 = 2. Da es uns hier darauf ankommt, den Zahlbegriff so zu fassen, wie er für die Wissenschaft brauchbar ist, so darf es uns nicht stören, dass im Sprachgebrauche des Lebens die Zahl auch attributiv erscheint. Dies lässt sich immer vermeiden. Z. B. kann man den Satz »Jupiter hat vier Monde« umsetzen in »die Zahl der Jupitersmonde ist vier«. Hier darf das »ist« nicht als blosse Copula betrachtet werden, wie in dem Satze »der Himmel ist blau«. Das zeigt sich darin, dass man sagen kann: »die Zahl der Jupitersmonde ist die vier« oder »ist die Zahl 4«. Hier hat »ist« den Sinn von »ist gleich,« »ist dasselbe wie«. Wir haben also eine Gleichung, die behauptet, dass der Ausdruck »die Zahl der Jupitersmonde« denselben Gegenstand bezeichne wie das Wort »vier.« Und die Form der Gleichung ist die herrschende in der Arithmetik. Gegen diese Auffassung streitet nicht, dass in dem Worte »vier« nichts von Jupiter oder von Mond enthalten ist. Auch in dem Namen »Columbus« liegt nichts von Entdecken oder von Amerika und dennoch wird derselbe Mann Columbus und der Entdecker Amerikas genannt.

§ 58. Man könnte einwenden, dass wir uns von dem Gegenstande, den wir Vier oder die Anzahl der Jupitersmonde nennen, als von etwas Selbständigem durchaus keine Vorstellung79 machen können. Aber die Selbständigkeit, die wir der Zahl gegeben haben, ist nicht Schuld daran. Zwar glaubt man leicht, dass in der Vorstellung von vier Augen eines Würfels etwas vorkomme, was dem Worte »vier« entspräche; aber das ist Täuschung. Man denke an eine grüne Wiese und versuche, ob sich die Vorstellung ändert, wenn man den unbestimmten Artikel durch das Zahlwort »Ein« ersetzt. Es kommt nichts hinzu, während doch dem Worte »grün« etwas in der Vorstellung entspricht. Wenn man sich das gedruckte Wort »Gold« vorstellt, wird man zunächst an keine Zahl dabei denken. Fragt man sich nun, aus wieviel Buchstaben es bestehe, so ergiebt sich die Zahl 4; aber die Vorstellung wird dadurch nicht etwa bestimmter, sondern kann ganz unverändert bleiben. Der hinzutretende Begriff »Buchstabe des Wortes Gold« ist eben das, woran wir die Zahl entdecken. Bei den vier Augen eines Würfels ist die Sache etwas versteckter, weil der Begriff sich uns durch die Aehnlichkeit der Augen so unmittelbar aufdrängt, dass wir sein Dazwischentreten kaum bemerken. Die Zahl kann weder als selbständiger Gegenstand noch als Eigenschaft an einem äussern Dinge vorgestellt werden, weil sie weder etwas Sinnliches noch Eigenschaft eines äussern Dinges ist. Am deutlichsten ist die Sache wohl bei der Zahl 0. Man wird vergebens versuchen, sich 0 sichtbare Sterne vorzustellen. Zwar kann man sich den Himmel ganz mit Wolken überzogen denken; aber hierin ist nichts, was dem Worte »Stern« oder der 0 entspräche. Man stellt sich nur eine Sachlage vor, die zu dem Urtheile veranlassen kann: es ist jetzt kein Stern zu sehen.

§ 59. Jedes Wort erweckt vielleicht irgendeine Vorstellung in uns, sogar ein solches wie »nur«; aber sie braucht nicht dem Inhalte des Wortes zu entsprechen; sie kann in andern Menschen eine ganz andere sein. Man wird sich dann wohl eine Sachlage vorstellen, die zu einem Satze auffordert, in welchem das Wort vorkommt; oder es ruft etwa das gesprochene Wort das geschriebene ins Gedächtniss zurück.

Dies findet nicht nur bei Partikeln statt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass wir keine Vorstellung unserer Entfernung von der Sonne haben. Denn, wenn wir auch die Regel kennen, wie oft wir einen Maasstab vervielfältigen müssen, so misslingt doch jeder Versuch, nach dieser Regel uns ein Bild zu entwerfen, das auch nur einigermaassen dem Gewollten nahe kommt. Das ist aber kein Grund, die Richtigkeit der Rechnung zu bezweifeln, durch welche die Entfernung gefunden ist, und hindert uns in keiner Weise, weitere Schlüsse auf das Bestehen dieser Entfernung zu gründen.

§ 60. Selbst ein so concretes Ding wie die Erde können wir uns nicht so vorstellen, wie wir erkannt haben, dass es ist; sondern wir begnügen uns mit einer Kugel von mässiger Grösse, die uns als Zeichen für die Erde gilt; aber wir wissen, dass diese sehr davon verschieden ist. Obwohl nun unsere Vorstellung das Gewollte oft gar nicht trifft, so urtheilen wir doch mit grosser Sicherheit über einen Gegenstand wie die Erde auch da, wo die Grösse in Betracht kommt.

Wir werden durch das Denken gar oft über das Vorstellbare hinausgeführt, ohne damit die Unterlage für unsere Schlüsse zu verlieren. Wenn auch, wie es scheint, uns Menschen Denken ohne Vorstellungen unmöglich ist, so kann doch deren Zusammenhang mit dem Gedachten ganz äusserlich, willkührlich und conventionell sein.

Es ist also die Unvorstellbarkeit des Inhaltes eines Wortes kein Grund, ihm jede Bedeutung abzusprechen oder es vom Gebrauche auszuschliessen. Der Schein des Gegentheils entsteht wohl dadurch, dass wir die Wörter vereinzelt betrachten und nach ihrer Bedeutung fragen, für welche wir dann eine Vorstellung nehmen. So scheint ein Wort keinen Inhalt zu haben, für welches uns ein entsprechendes inneres Bild fehlt. Man muss aber immer einen vollständigen Satz ins Auge fassen. Nur in ihm haben die Wörter eigentlich eine Bedeutung. Die innern Bilder, die uns dabei etwa vorschweben, brauchen nicht den logischen Bestandtheilen des Urtheils zu entsprechen. Es genügt, wenn der Satz als Ganzes einen Sinn hat; dadurch erhalten auch seine Theile ihren Inhalt.

Diese Bemerkung scheint mir geeignet, auf manche schwierige Begriffe wie den des Unendlichkleinen80 ein Licht zu werfen, und ihre Tragweite beschränkt sich wohl nicht auf die Mathematik.

Die Selbständigkeit, die ich für die Zahl in Anspruch nehme, soll nicht bedeuten, dass ein Zahlwort ausser dem Zusammenhange eines Satzes etwas bezeichne, sondern ich will damit nur dessen Gebrauch als Praedicat oder Attribut ausschliessen, wodurch seine Bedeutung etwas verändert wird.

§ 61. Aber, wendet man vielleicht ein, mag auch die Erde eigentlich unvorstellbar sein, so ist sie doch ein äusseres Ding, das einen bestimmten Ort hat; aber wo ist die Zahl 4? sie ist weder ausser uns noch in uns. Das ist in räumlichem Sinne verstanden richtig. Eine Ortsbestimmung der Zahl 4 hat keinen Sinn; aber daraus folgt nur, dass sie kein räumlicher Gegenstand ist, nicht, dass sie überhaupt keiner ist. Nicht jeder Gegenstand ist irgendwo. Auch unsere Vorstellungen81 sind in diesem Sinne nicht in uns (subcutan). Da sind Ganglienzellen, Blutkörperchen und dergl., aber keine Vorstellungen. Räumliche Praedicate sind auf sie nicht anwendbar: die eine ist weder rechts noch links von der andern; Vorstellungen haben keine in Millimetern angebbaren Entfernungen von einander. Wenn wir sie dennoch in uns nennen, so wollen wir sie damit als subjectiv bezeichnen.

Aber wenn auch das Subjective keinen Ort hat, wie ist es möglich, dass die objective Zahl 4 nirgendwo sei? Nun ich behaupte, dass darin gar kein Widerspruch liegt. Sie ist in der That genau dieselbe für jeden, der sich mit ihr beschäftigt; aber dies hat mit Räumlichkeit nichts zu schaffen. Nicht jeder objective Gegenstand hat einen Ort.

Um den Begriff der Anzahl zu gewinnen, muss man den Sinn einer Zahlengleichung feststellen

§ 62. Wie soll uns denn eine Zahl gegeben sein, wenn wir keine Vorstellung oder Anschauung von ihr haben können? Nur im Zusammenhange eines Satzes bedeuten die Wörter etwas. Es wird also darauf ankommen, den Sinn eines Satzes zu erklären, in dem ein Zahlwort vorkommt. Das giebt zunächst noch viel der Willkühr anheim. Aber wir haben schon festgestellt, dass unter den Zahlwörtern selbständige Gegenstände zu verstehen sind. Damit ist uns eine Gattung von Sätzen gegeben, die einen Sinn haben müssen, der Sätze, welche ein Wiedererkennen ausdrücken. Wenn uns das Zeichen a einen Gegenstand bezeichnen soll, so müssen wir ein Kennzeichen haben, welches überall entscheidet, ob b dasselbe sei wie a, wenn es auch nicht immer in unserer Macht steht, dies Kennzeichen anzuwenden. In unserm Falle müssen wir den Sinn des Satzes

»die Zahl, welche dem Begriffe F zukommt, ist dieselbe,
welche dem Begriffe G zukommt«

erklären; d. h. wir müssen den Inhalt dieses Satzes in anderer Weise wiedergeben, ohne den Ausdruck zu gebrauchen. Damit geben wir ein allgemeines Kennzeichen für die Gleichheit von Zahlen an. Nachdem wir so ein Mittel erlangt haben, eine bestimmte Zahl zu fassen und als dieselbe wiederzuerkennen, können wir ihr ein Zahlwort zum Eigennamen geben.

»die Anzahl, welche dem Begriffe F zukommt«

§ 63. Ein solches Mittel nennt schon Hume82: »Wenn zwei Zahlen so combinirt werden, dass die eine immer eine Einheit hat, die jeder Einheit der andern entspricht, so geben wir sie als gleich an.« Es scheint in neuerer Zeit die Meinung unter den Mathematikern83 vielfach Anklang gefunden zu haben, dass die Gleichheit der Zahlen mittels der eindeutigen Zuordnung definirt werden müsse. Aber es erheben sich zunächst logische Bedenken und Schwierigkeiten, an denen wir nicht ohne Prüfung vorbeigehen dürfen.

Das Verhältniss der Gleichheit kommt nicht nur bei Zahlen vor. Daraus scheint zu folgen, dass es nicht für diesen Fall besonders erklärt werden darf. Man sollte denken, dass der Begriff der Gleichheit schon vorher feststände, und dass dann aus ihm und dem Begriffe der Anzahl sich ergeben müsste, wann Anzahlen einander gleich wären, ohne dass es dazu noch einer besondern Definition bedürfte.

Hiergegen ist zu bemerken, dass für uns der Begriff der Anzahl noch nicht feststeht, sondern erst mittels unserer Erklärung bestimmt werden soll. Unsere Absicht ist, den Inhalt eines Urtheils zu bilden, der sich so als eine Gleichung auffassen lässt, dass jede Seite dieser Gleichung eine Zahl ist. Wir wollen also nicht die Gleichheit eigens für diesen Fall erklären, sondern mittels des schon bekannten Begriffes der Gleichheit, das gewinnen, was als gleich zu betrachten ist. Das scheint freilich eine sehr ungewöhnliche Art der Definition zu sein, welche wohl von den Logikern noch nicht genügend beachtet ist; dass sie aber nicht unerhört ist, mögen einige Beispiele zeigen.

§ 64. Das Urtheil: »die Gerade a ist parallel der Gerade b,« in Zeichen:

a ∥ b,

kann als Gleichung aufgefasst werden. Wenn wir dies thun, erhalten wir den Begriff der Richtung und sagen: »die Richtung der Gerade a ist gleich der Richtung der Gerade b«. Wir ersetzen also das Zeichen ∥ durch das allgemeinere =, indem wir den besondern Inhalt des ersteren an a und b vertheilen. Wir zerspalten den Inhalt in anderer als der ursprünglichen Weise und gewinnen dadurch einen neuen Begriff. Oft fasst man freilich die Sache umgekehrt auf, und manche Lehrer definiren: parallele Geraden sind solche von gleicher Richtung. Der Satz: »wenn zwei Geraden einer dritten parallel sind, so sind sie einander parallel« lässt sich dann mit Berufung auf den ähnlich lautenden Gleichheitssatz sehr bequem beweisen. Nur schade, dass der wahre Sachverhalt damit auf den Kopf gestellt wird! Denn alles Geometrische muss doch wohl ursprünglich anschaulich sein. Nun frage ich, ob jemand eine Anschauung von der Richtung einer Gerade hat. Von der Gerade wohl! aber unterscheidet man in der Anschauung von dieser Gerade noch ihre Richtung? Schwerlich! Dieser Begriff wird erst durch eine an die Anschauung anknüpfende geistige Thätigkeit gefunden. Dagegen hat man eine Vorstellung von parallelen Geraden. Jener Beweis kommt nur durch eine Erschleichung zu Stande, indem man durch den Gebrauch des Wortes »Richtung« das zu Beweisende voraussetzt; denn wäre der Satz: »wenn zwei Geraden einer dritten parallel sind, so sind sie einander parallel« unrichtig, so könnte man a ∥ b nicht in eine Gleichung verwandeln.

So kann man aus dem Parallelismus von Ebenen einen Begriff erhalten, der dem der Richtung bei Geraden entspricht. Ich habe dafür den Namen »Stellung« gelesen. Aus der geometrischen Aehnlichkeit geht der Begriff der Gestalt hervor, so dass man z. B. statt »die beiden Dreiecke sind ähnlich« sagt: »die beiden Dreiecke haben gleiche Gestalt« oder »die Gestalt des einen Dreiecks ist gleich der Gestalt des andern«. So kann man auch aus der collinearen Verwandtschaft geometrischer Gebilde einen Begriff gewinnen, für den ein Name wohl noch fehlt.

§ 65. Um nun z. B. vom Parallelismus84 auf den Begriff der Richtung zu kommen, versuchen wir folgende Definition:

»die Gerade a ist parallel der Gerade b«

der Satz sei gleichbedeutend mit

»die Richtung der Gerade a ist gleich der Richtung
der Gerade b«

Diese Erklärung weicht insofern von dem Gewohnten ab, als sie scheinbar die schon bekannte Beziehung der Gleichheit bestimmt, während sie in Wahrheit den Ausdruck »die Richtung der Gerade a« einführen soll, der nur nebensächlich vorkommt. Daraus entspringt ein zweites Bedenken, ob wir nicht durch eine solche Festsetzung in Widersprüche mit den bekannten Gesetzen der Gleichheit verwickelt werden könnten. Welches sind diese? Sie werden als analytische Wahrheiten aus dem Begriffe selbst entwickelt werden können. Nun definirt Leibniz85:

»Eadem sunt, quorum unum potest substitui alteri salva veritate«

Diese Erklärung eigne ich mir für die Gleichheit an. Ob man wie Leibniz »dasselbe« sagt oder »gleich«, ist unerheblich. »Dasselbe« scheint zwar eine vollkommene Uebereinstimmung, »gleich« nur eine in dieser oder jener Hinsicht auszudrücken; man kann aber eine solche Redeweise annehmen, dass dieser Unterschied wegfällt, indem man z. B. statt »die Strecken sind in der Länge gleich« sagt »die Länge der Strecken ist gleich« oder »dieselbe,« statt »die Flächen sind in der Farbe gleich« »die Farbe der Flächen ist gleich«. Und so haben wir das Wort oben in den Beispielen gebraucht. In der allgemeinen Ersetzbarkeit sind nun in der That alle Gesetze der Gleichheit enthalten.

Um unsern Definitionsversuch der Richtung einer Gerade zu rechtfertigen, müssten wir also zeigen, dass man

die Richtung von a

überall durch

die Richtung von b

ersetzen könne, wenn die Gerade a der Gerade b parallel ist. Dies wird dadurch vereinfacht, dass man zunächst von der Richtung einer Gerade keine andere Aussage kennt als die Uebereinstimmung mit der Richtung einer andern Gerade. Wir brauchten also nur die Ersetzbarkeit in einer solchen Gleichheit nachzuweisen oder in Inhalten, welche solche Gleichheiten als Bestandtheile86 enthalten würden. Alle andern Aussagen von Richtungen müssten erst erklärt werden und für diese Definitionen können wir die Regel aufstellen, dass die Ersetzbarkeit der Richtung einer Gerade durch die einer ihr parallelen gewahrt bleiben muss.

§ 66. Aber noch ein drittes Bedenken erhebt sich gegen unsern Definitionsversuch. In dem Satze

»die Richtung von a ist gleich der Richtung von b«

erscheint die Richtung von a als Gegenstand87 und wir haben in unserer Definition ein Mittel, diesen Gegenstand wiederzuerkennen, wenn er etwa in einer andern Verkleidung etwa als Richtung von b auftreten sollte. Aber dies Mittel reicht nicht für alle Fälle aus. Man kann z. B. danach nicht entscheiden, ob England dasselbe sei wie die Richtung der Erdaxe. Man verzeihe dies unsinnig scheinende Beispiel! Natürlich wird niemand England mit der Richtung der Erdaxe verwechseln; aber dies ist nicht das Verdienst unserer Erklärung. Diese sagt nichts darüber, ob der Satz

»die Richtung von a ist gleich q«

zu bejahen oder zu verneinen ist, wenn nicht q selbst in der Form »die Richtung von b« gegeben ist. Es fehlt uns der Begriff der Richtung; denn hätten wir diesen, so könnten wir festsetzen; wenn q keine Richtung ist, so ist unser Satz zu verneinen; wenn q eine Richtung ist, so entscheidet die frühere Erklärung. Es liegt nun nahe zu erklären:

q ist eine Richtung, wenn es eine Gerade b giebt,
deren Richtung q ist

Aber nun ist klar, dass wir uns im Kreise gedreht haben. Um diese Erklärung anwenden zu können, müssen wir schon in jedem Falle wissen, ob der Satz zu bejahen oder

»q ist gleich der Richtung von b«

zu verneinen wäre.

§ 67. Wenn man sagen wollte: q ist eine Richtung, wenn es durch die oben ausgesprochene Definition eingeführt ist, so würde man die Weise, wie der Gegenstand q eingeführt ist, als dessen Eigenschaft behandeln, was sie nicht ist. Die Definition eines Gegenstandes sagt als solche eigentlich nichts von ihm aus, sondern setzt die Bedeutung eines Zeichens fest. Nachdem das geschehen ist, verwandelt sie sich in ein Urtheil, das von dem Gegenstande handelt, aber führt ihn nun auch nicht mehr ein und steht mit andern Aussagen von ihm in gleicher Linie. Man würde, wenn man diesen Ausweg wählte, voraussetzen, dass ein Gegenstand nur auf eine einzige Weise gegeben werden könnte; denn sonst würde daraus, dass q nicht durch unsere Definition eingeführt ist, nicht folgen, dass es nicht so eingeführt werden könnte. Alle Gleichungen würden darauf hinauskommen, dass das als dasselbe anerkannt würde, was uns auf dieselbe Weise gegeben ist. Aber dies ist so selbstverständlich und so unfruchtbar, dass es nicht verlohnte, es auszusprechen. Man könnte in der That keinen Schluss daraus ziehen, der von jeder der Voraussetzungen verschieden wäre. Die vielseitige und bedeutsame Verwendbarkeit der Gleichungen beruht vielmehr darauf, dass man etwas wiedererkennen kann, obwohl es auf verschiedene Weise gegeben ist.

§ 68. Da wir so keinen scharf begrenzten Begriff der Richtung und aus denselben Gründen keinen solchen der Anzahl gewinnen können, versuchen wir einen andern Weg. Wenn die Gerade a der Gerade b parallel ist, so ist der Umfang des Begriffes »Gerade parallel der Gerade a« gleich dem Umfange des Begriffes »Gerade parallel der Gerade b«; und umgekehrt: wenn die Umfänge der genannten Begriffe gleich sind, so ist a parallel b. Versuchen wir also zu erklären:

die Richtung der Gerade a ist der Umfang des Begriffes »parallel der Gerade a«;

die Gestalt des Dreiecks d ist der Umfang des Begriffes »ähnlich dem Dreiecke d«!

Wenn wir dies auf unsern Fall anwenden wollen, so haben wir an die Stelle der Geraden oder der Dreiecke Begriffe zu setzen und an die Stelle des Parallelismus oder der Aehnlichkeit die Möglichkeit die unter den einen den unter den andern Begriff fallenden Gegenständen beiderseits eindeutig zuzuordnen. Ich will der Kürze wegen den Begriff F dem Begriffe G gleichzahlig nennen, wenn diese Möglichkeit vorliegt, muss aber bitten, dies Wort als eine willkührlich gewählte Bezeichnungsweise zu betrachten, deren Bedeutung nicht der sprachlichen Zusammensetzung, sondern dieser Festsetzung zu entnehmen ist.

Ich definire demnach:

die Anzahl, welche dem Begriffe F zukommt, ist der Umfang88 des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe F«

§ 69. Dass diese Erklärung zutreffe, wird zunächst vielleicht wenig einleuchten. Denkt man sich unter dem Umfange eines Begriffes nicht etwas Anderes? Was man sich darunter denkt, erhellt aus den ursprünglichen Aussagen, die von Begriffsumfängen gemacht werden können. Es sind folgende:

1. die Gleichheit,

2. dass der eine umfassender als der andere sei.

Nun ist der Satz:

der Umfang des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe F« ist gleich dem Umfange des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe G«

immer dann und nur dann wahr, wenn auch der Satz

»dem Begriffe F kommt dieselbe Zahl wie dem Begriffe G zu«

wahr ist. Hier ist also voller Einklang.

Man sagt zwar nicht, dass eine Zahl umfassender als eine andere sei in dem Sinne, wie der Umfang eines Begriffes umfassender als der eines andern ist; aber der Fall, dass

der Umfang des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe F«

umfassender sei als

der Umfang des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe G«

kann auch gar nicht vorkommen; sondern, wenn alle Begriffe, die dem G gleichzahlig sind, auch dem F gleichzahlig sind, so sind auch umgekehrt alle Begriffe, die dem F gleichzahlig sind, dem G gleichzahlig. Dies »umfassender« darf natürlich nicht mit dem »grösser« verwechselt werden, dass bei Zahlen vorkommt.

Freilich ist noch der Fall denkbar, dass der Umfang des Begriffes »gleichzahlig dem Begriffe F« umfassender oder weniger umfassend wäre als ein anderer Begriffsumfang, der dann nach unserer Erklärung keine Anzahl sein könnte; und es ist nicht üblich, eine Anzahl umfassender oder weniger umfassend als den Umfang eines Begriffes zu nennen; aber es steht auch nichts im Wege, eine solche Redeweise anzunehmen, falls solches einmal vorkommen sollte.

79.»Vorstellung« in dem Sinne von etwas Bildartigem genommen.
80.Es kommt darauf an, den Sinn einer Gleichung wie
  df(x) = g(x) dx
  zu definiren, nicht aber darauf, eine von zwei verschiedenen Punkten begrenzte Strecke aufzuweisen, deren Länge dx wäre.
81.Dies Wort rein psychologisch, nicht psychophysisch verstanden.
82.Baumann a. a. O. Bd. II. S. 565.
83.Vergl. E. Schröder a. a. O. S. 7 und 8. E. Kossak, die Elemente der Arithmetik, Programm des Friedrichs-Werder'schen Gymnasiums. Berlin, 1872. S. 16. G. Cantor, Grundlagen einer allgemeinen Mannichfaltigkeitslehre. Leipzig, 1883.
84.Um mich bequemer ausdrücken zu können und leichter verstanden zu werden, spreche ich hier vom Parallelismus. Das Wesentliche dieser Erörterungen wird leicht auf den Fall der Zahlengleichheit übertragen werden können.
85.Non inelegans specimen demonstrandi in abstractis. Erdm. S. 94.
86.In einem hypothetischen Urtheile könnte z. B. eine Gleichheit von Richtungen als Bedingung oder Folge vorkommen.
87.Der bestimmte Artikel deutet dies an. Begriff ist für mich ein mögliches Praedicat eines singulären beurtheilbaren Inhalts, Gegenstand ein mögliches Subject eines solchen. Wenn wir in dem Satze
  »die Richtung der Fernrohraxe ist gleich der Richtung der Erdaxe«
  die Richtung der Fernrohraxe als Subject ansehen, so ist das Praedicat »gleich der Richtung der Erdaxe«. Dies ist ein Begriff. Aber die Richtung der Erdaxe ist nur ein Theil des Praedicates; sie ist ein Gegenstand, da sie auch zum Subjecte gemacht werden kann.
88.Ich glaube, dass für »Umfang des Begriffes« einfach »Begriff« gesagt werden könnte. Aber man würde zweierlei einwenden:
  1. dies stehe im Widerspruche mit meiner früheren Behauptung, dass die einzelne Zahl ein Gegenstand sei, was durch den bestimmten Artikel in Ausdrücken wie »die Zwei« und durch die Unmöglichkeit angedeutet werde, von Einsen, Zweien u. s. w. im Plural zu sprechen, sowie dadurch, dass die Zahl nur einen Theil des Praedicats der Zahlangabe ausmache;
  2. dass Begriffe von gleichem Umfange sein können, ohne zusammenzufallen.
  Ich bin nun zwar der Meinung, dass beide Einwände gehoben werden können; aber das möchte hier zu weit führen. Ich setze voraus, dass man wisse, was der Umfang eines Begriffes sei.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
152 s. 4 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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