Kitabı oku: «13 Jahre», sayfa 10

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Verlegung nach Bukarest-Jilava

Etwa Mitte April wurden wir neun mit unserem Gepäck aus unserem Zimmer geholt und in einen benachbarten Raum geführt. Zwei Rumänen, Banater Bauern, die wir bis dahin nicht gekannt hatten, kamen auch dazu, ebenso etwas später Andreas und Emmerich. Es war klar, wir sollten verlegt werden. Dann folgte das obligatorische Filzen, das wegen unseres ärmlichen Gepäcks schnell erledigt war. Unser Privatgepäck, das gesondert gelagert war, wurde uns zusammen mit unseren ebenfalls deponierten Wertsachen vorgezeigt, was wir anschließend mit unseren Unterschriften bestätigen mussten. Dann wurde noch einmal unsere Identität überprüft und wir erhielten unsere Essensrationen, was darauf hindeutete, dass wir erst gegen Abend – mit unbekanntem Ziel – abreisen würden. Die beiden Fremden, die uns angeschlossen worden waren, hatten schon mehr Gefängniserfahrung und meinten, dass wir voraussichtlich nach Bukarest in das Gefängnis Jilava gebracht würden. Sie meinten, dass Jilava eine Art Verteilungszentrum sei und dass wir anschließend entweder zum Donau-Schwarzmeer-Kanal oder als Schüler und Studenten in die Haftanstalt Gherla in Siebenbürgen zur Arbeit kämen. Am Nachmittag wurde ich allein aus dem Zimmer geholt und in einen kleinen Raum geführt, in dem ein Strafgefangener mir Schellen mit einer Kette über den Knöcheln vernietete. Dies war keine Überraschung, denn wir wussten von anderen, dass Häftlinge mit Haftstrafen ab 15 Jahren beim Transport üblicherweise in Ketten geschlagen wurden.

Es war schon halb dunkel, als wir mit unserem Gepäck in den Hof geführt wurden, wo zwei Gefangenentransporter (rumänisch: „Duba“) des Typs „Steagul Rosu“ („Rote Fahne“) auf uns warteten. Diese Kleinlaster besonderer Bauart hatten blinde Fenster und trugen zur Tarnung meistens die Aufschriften „Pâine“ (Brot) oder „Alimente“ (Lebensmittel). Wir 13 „Politischen“ wurden in eines der Fahrzeuge verfrachtet und fuhren alsbald los. Die Fahrt dauerte nur etwa zehn Minuten, und als der Wagen nach einem Wendemanöver hielt und die hintere Tür geöffnet wurde, standen wir mit dem Heck in Richtung eines Eisenbahnwagens. Ein kurzer Seitenblick ließ uns erkennen, dass wir uns am westlichen Ende des Josefstädter Bahnhofs befanden, als wir schon mit einem Hagel von Schimpfwörtern zum schnellen Umsteigen angetrieben wurden. In den Lärm und das Fluchen mischte sich das Gebell der Wachhunde, die bei den zahlreich anwesenden Securitate-Soldaten standen.

Der Wagen, den wir bestiegen, hatte nur eine Tür, denn eine zweite auf der Gegenseite war nur zum Schein angebracht und nur von außen zu sehen. Wir betraten einen Vorraum, von dem eine Tür nach rechts in das Abteil führte, in dem sich unsere Bewacher während der Fahrt aufhielten. Nach links gab es einen schmalen Gang, aus dem nach rechts und links je eine Tür in kleine Abteile führte, in denen es je fünf Sitzplätze für Häftlinge gab. Am Ende des Ganges gab es noch eine Tür, durch die man in ein größeres Abteil, etwa ein Drittel des Waggons, gelangte. In dem etwa sechs bis sieben Meter langen Abteil gab es vier Bänke in der Länge des Raumes. Die Bank entlang der Außenwand des Wagens war in der Mitte unterbrochen, weil sich dort ein Klosett ohne Spülwasser befand. Vor den beiden einzigen Fenstern des Raumes waren so viele Netze und Gitter angebracht, dass ein Blick nach draußen nicht möglich war und auch kaum Luft hereinkam. Die Freude über die geräumig erscheinende Unterkunft war freilich nur von kurzer Dauer, denn schon bald ging die Tür wieder auf und es wälzte sich eine Schar fremder Häftlinge ebenfalls mit „Sack und Pack“ in den Raum. Wir 13 wurden von diesen etwa 25 Mann, deren Schimpfen und ordinäres Fluchen uns sofort auffiel, buchstäblich in die Ecke gedrängt. Es wurde für uns eine unangenehme Überraschung, als wir erfuhren, dass die Neuen zum Großteil Schwerverbrecher waren, die man – teilweise wegen Mordes – zu hohen Strafen verurteilt hatte. Die meisten dieser Mörder, Räuber und Wegelagerer waren offensichtlich Zigeuner und es überraschte uns, dass die sonst so strikte Trennung zwischen politischen Häftlingen und Strafgefangenen diesmal nicht eingehalten worden war. Aus Angst, bestohlen zu werden, verstauten wir unser Gepäck in die linke hintere Ecke des Abteils. Weil das Gedränge so groß war, dass es für etwa ein halbes Dutzend Leute nur Stehplätze gab, vereinbarte Edi mit den neuen „Nachbarn“, dass uns etwa die Hälfte der linken Seite, wo sich auch das Klosett befand, zustehen sollte. Unsere Sorgen schienen jedoch unbegründet, denn unsere neuen Weggenossen zeigten sich uns gegenüber zumindest vorerst durchaus respektvoll. Die organisatorischen Fragen waren noch nicht restlos geklärt, als unser Wagen an einen Zug angekoppelt wurde, der sich alsbald in Bewegung setzte. Damit begann unsere Reise, die uns in fast 13 Jahren durch viele berüchtigte Gefängnisse und Lager des Landes führen sollte.

Die erste brennende Frage lautete: Wohin bringt man uns? Von Temeschburg aus kamen nur zwei Richtungen in Frage, und zwar entweder in Richtung Arad oder – was unser Gefühl vermuten ließ – nach Osten, möglicherweise nach Bukarest. Nach ungefähr zwei Fahrstunden hielt unser Zug in einem Bahnhof, es müsste Karansebesch gewesen sein, und es wurden zwei Gefangene abgeholt. Dies brachte uns freilich keine Erleichterung, denn die verbliebenen Strafgefangenen wollten nichts von ihrem gewonnenen Raum abtreten. So änderte sich bei uns vorerst räumlich nichts, vier von uns mussten abwechselnd stehen, die anderen saßen einigermaßen bequem und konnten auch schlafen. Ausgenommen von dieser Regel war natürlich Andreas.

Erst am nächsten Morgen wurde die Reise fortgesetzt, nachdem man vorher noch neue Häftlingen – darunter auch Frauen – in die kleinen Abteile unseres Waggons gesperrt hatte. Die Frauen schimpften und stritten mit den Wärtern, dass es eine Freude war, und den Geräuschen nach zu urteilen kam es auch zu Handgreiflichkeiten. Wir „Politischen“, die wir noch viel zu lernen hatten, waren durch solche Vorkommnisse damals noch zu beeindrucken. Mitten am Tag wurde unser Wagen irgendwo abgekoppelt. Die Sonne knallte ziemlich unbarmherzig auf unser Dach, und da während des Stillstandes die Lüftung nicht funktionierte, wurde es allmählich unerträglich heiß. Zuerst wurden die Strafgefangenen unruhig, klopften an die Tür und verlangten nach Wasser. Erst nach langem, immer aggressiver und ordinärer werdendem Dialog mit den Wärtern öffnete sich diese und ein Unteroffizier erschien mit zwei Papiersäcken, die unser Essen enthielten. Hinter ihm stand ein zweiter Wärter mit schussbereiter MPi. „Hier habt ihr euer Essen für heute. Wasser haben wir jetzt keines, das bekommt ihr später“, sagte er und schlug die Tür zu. Den größeren Sack bekamen die Strafgefangenen und den kleineren wir. Für jeden gab es etwa 600 Gramm Brot und etwa 50 Gramm stark gesalzenen und ranzigen Speck. Es war angeraten, nur wenig Brot zu essen und auf den Speck erst zuzugreifen, wenn es auch Wasser gab. Mehrere Stunden später, als unser Wagen endlich näher zu einem Bahnhof geschoben wurde, bekamen wir in zwei Blechkanistern Trinkwasser und einige Becher, mit denen das Wasser ausgeteilt wurde. Es gab bei dieser Gelegenheit eine lautstarke Auseinandersetzung unter den Strafgefangenen, durch welche wir erfuhren, dass zwei von ihnen an Syphilis erkrankt waren. Diese beiden bekamen gemeinsam einen Becher und es wurde streng darauf geachtet, dass den beiden das Wasser eingegossen wurde und sie den Becher nicht in die Kanister tauchten.

Auch bei den Frauen im Nebenabteil gab es im Zusammenhang mit der Wasserzuteilung wieder eine Auseinandersetzung. Dabei beschimpfte offenbar der Unteroffizier eine der Frauen, und diese konterte mit einer ordinären Schimpftirade von der Art, wie wir sie noch nie gehört hatten, obwohl wir diesbezüglich in Rumänien ziemlich abgehärtet waren. Wir vermuteten, dass unsere Nachbarinnen Prostituierte jener übelsten Sorte waren, wie sie nur im berüchtigten Stadtteil Bukarest-Colentina, welcher mehrheitlich von Zigeunern bewohnt wurde, anzutreffen waren. Gelegentlich des Aufenthaltes für die Aufnahmeprüfungen an der Sporthochschule hatte ich zusammen mit Fredi dieses Viertel einmal besucht. Nachdem alle Leute ihren Durst gestillt hatten, entspannte sich die Atmosphäre merklich, obwohl sich die Luft in unserem Wagen durch das Stehen in der prallen Sonne unerträglich aufheizt hatte. Die vergitterten Fenster ließen keinen Lufthauch nach drinnen, und die Lage wurde erst besser, als sich unser Zug gegen Mittag wieder in Bewegung setzte und so etwas frische Luft den Weg zu uns fand. Da wir, wie schon erwähnt, keine Möglichkeit hatten, nach draußen zu gucken, konnten wir immer nur vermuten, wo wir uns ungefähr befanden. So erkannten wir zum Beispiel an dem Echo der Pfiffe unserer Lokomotive, dass sich der Zug gerade zwischen Bergen befinden musste, also in südlicher Richtung unterwegs war. Und etwas später sagten uns die Sirenen der Schiffe, dass wir Turnu Severin passiert haben mussten und gerade die Donau entlangfuhren. Craiova, die Hauptstadt der Walachei, passierten wir nach kurzem Halt ohne Zwischenfall und hielten erst in der nächsten Nacht wieder, weil unser Waggon von der Garnitur gelöst wurde. Möglicherweise standen wir in der Nähe von Ocnele Mari oder Tîrgu Jiu, beides berüchtigte Internierungslager, vielen Rumäniendeutschen seit dem Herbst 1944 bekannt. Auch Herberts ältere Schwester Elisabeth war zusammen mit etwa 2000 anderen Menschen hier interniert. Zu den vielen, die dort elend zugrunde gegangen sind, gehört auch der Schriftsteller Otto Alscher.

Am nächsten Tag fuhren wir nur etwa eine Stunde, um dann schon wieder abgekoppelt und anscheinend weit außerhalb eines Bahnhofs liegen gelassen zu werden. Stundenlang hörten wir außer den Stimmen unserer Begleiter nur ab und an ein Geräusch aus der Ferne, während die Sonne unbarmherzig auf den stehenden Wagen niederbrannte. Wir hatten schon am Morgen unsere Verpflegungsration aus Brot, Speck und Wasser bekommen, doch leider vergaß man, uns zu sagen, dass wir für den Rest des Tages hier stehen würden und deshalb kein weiteres Wasser mehr verteilt würde. Das Wasser war bei den etwa 35 Grad, die im Abteil herrschten, schnell aufgebraucht, und als wir weiteres erbaten, bekamen wir zu hören, dass es in der Nähe keinen Brunnen gäbe und wir uns gedulden sollten. Ganz nebenbei ließ uns der Feldwebel wissen, dass das verteilte Wasser eigentlich die Ration für den ganzen Tag gewesen sei und wir sparsam damit umgehen hätten sollen. Dieser Tag wollte nicht enden. Wir standen alle mit nackten Oberkörpern herum, denn wenn man sich setzte, hatte man sofort das Gefühl, ersticken zu müssen. Der Schweiß rann in Strömen, und unsere ungewaschenen Kleider stanken zum Himmel. Dabei fühlten wir uns wie gerädert und waren todmüde. Wir hörten auch die Frauen klagen und um Wasser bitten. Ihnen gab man anscheinend etwas, denn sonst wäre es bestimmt wieder zum Konflikt mit der Wachmannschaft gekommen. Unser Klopfen und Rufen blieb freilich unbeantwortet. Zuletzt versanken wir alle in totale Apathie. Nur im halben Dämmerzustand bekamen wir mit, dass etwa gegen 23 Uhr unser Wagen wieder angekoppelt wurde und wir nach kurzer Zeit in einen Bahnhof einfuhren, wo endlich Wasser ausgegeben wurde. Auch bedingt durch die Abendkühle wurde es wieder etwas erträglicher im Wagen. Schon bald fuhren wir weiter, um gegen 3 Uhr morgens in einen großen Bahnhof einzulaufen. Das konnte nur Bukarest sein. Bald darauf gab es Bewegungen in den benachbarten Zellen, und als sich endlich auch unsere Türe öffnete, wurden als erste wir, die „Politischen“, aufgefordert, mit unserem Gepäck herauszukommen. Wir waren am Bahnhof Griviţa bei Bukarest.

Die Form der Aufforderung, auszusteigen, entsprach dem Naturell der Caralii und ist schwer wiederzugeben. Es handelte sich um ein einziges chaotisches Gebrüll, bestehend aus übelsten Schimpfwörtern sowie ordinärsten Flüchen und Drohungen aus dem diesbezüglich so reichen Wortschatz der rumänischen Sprache. Wir verließen den „Duba“-Wagen in Eile, bemüht, möglichst wenige der Fausthiebe und Fußtritte abzubekommen, die man uns zum Abschied zudachte. Behindert durch die Kette an meinen Füßen war ich natürlich ein besonders leichtes Ziel, was man weidlich zu nutzen wusste. Trotz meiner Kette musste ich aus dem Eisenbahnwagen direkt hinunter- und gleich darauf in den vorgefahrenen Gefangenentransporter hineinspringen. Unser Lkw trug die Aufschrift „Alimente“ (Lebensmittel). Das passte irgendwie, denn wir fühlten uns ohnehin, als wären wir zum Kannibalenfutter bestimmt worden. Der Transporter beherbergte ein kleines Abteil vorne, direkt hinter der Fahrerkabine, und ein größeres dahinter. Jedes dieser Abteile war mit einer gesonderten Außentür versehen. Ferner gab es hinten auf der Plattform zwei kleine Kabinen, in welchen während der Fahrt die bewaffneten Posten standen. Uns befahl man, in das kleine Abteil ganz vorne zu gehen, und zwar samt unserem Gepäck. Das Abteil war so lang wie die Breite der Ladeplattform des Fahrzeugs, also etwa 2,2 Meter, und etwa 1 Meter breit. Hier sollten wir 13 politischen Häftlinge mit Gepäck unterkommen. Als fünf oder sechs von uns drinnen waren, war der Raum eigentlich voll, was die Caralii freilich anders sahen. Unsere vorsichtige Anmerkung, dass es nicht weiter ginge, wurde ignoriert, und wie um den Gegenbeweis anzutreten stürzten sich die Wärter auf uns und schafften es tatsächlich, uns mit Flüchen, Stößen und Tritten hineinzupressen. Um die Tür zu schließen, mussten sie sich gegen unsere lebendige Mauer stemmen, aber auch das gelang. In das benachbarte Abteil wurden die Gemeinrechtler auf die gleiche Art gepfercht. In unserem kleinen Abteil standen einige von uns nur auf einem Bein, denn für den zweiten Fuß fehlte schlicht und einfach der Platz. Die größeren unter uns, wie Fredi, Herbert und ich, konnten sich nicht aufrichten, weil die Decke zu niedrig war. Es gab kein Fenster und kein Licht, und es herrschte schon nach Minuten ein akuter Luftmangel. Das Atmen fiel uns immer schwerer, und die Zeit bis zu unserer Abfahrt, eine gefühlte Ewigkeit, war die Hölle. Einige wurden bewusstlos und wären umgefallen, wenn es hierzu Platz gegeben hätte. Emmerich, der mit dem Gesicht zu mir stand, schrie einmal in Todesangst auf, bevor er verstummte und zusammensackt, ohne zu fallen. Andere bekamen noch kurze Schreikrämpfe, bis wir alle verstummten. Wie lange dieser Zustand dauerte, konnte anschließend keiner von uns sagen. Ich kam erst durch den kühlen Windhauch und das Summen eines Ventilators wieder etwas zu Bewusstsein und merkte, dass wir fuhren. Ein beachtlicher Luftzug wehte uns allen von dem in die Decke eingebauten Ventilator ins Gesicht, eine Belüftung, die freilich nur während der Fahrt funktionierte. Jetzt merkten wir erst, dass wir von Kopf bis Fuß schweißgebadet waren – unsere Hemden waren anschließend weiß vom Salz – und dass uns Speichel und Schaum aus den Mündern geflossen war. Diese Höllenreise quer durch Bukarest vom Bahnhof Griviţa im Nordwesten bis zur Haftanstalt Jilava südlich der Stadt betrug etwa 25 Kilometer und endete auf einem holprigen Weg. Obwohl es in den folgenden 13 Haftjahren viele bedrohliche und schreckliche Erlebnisse geben sollte, hat doch keines einen so nachhaltig schlimmen Eindruck bei mir hinterlassen wie diese Fahrt nach Jilava. Ähnlich ging es auch allen anderen Kameraden.

Als die Tür unseres Abteils aufgerissen wurde, erklangen auch schon die Kommandos: „Banditen, in Zweierreihe antreten!“ In der kurzen Zeit, die man brauchte, um uns zu zählen, hörte man nur die Stimme des diensthabenden Offiziers, aber gleich danach konnten die Caralii nach Herzenslust schimpfen und fluchen. Es mochte schon 3 Uhr morgens geworden sein. Der Platz vor dem Tor der Festungsmauer war von Scheinwerfern hell erleuchtet. Hoch über dem Tor, welches von zwei Postenhäuschen flankiert wurde, war ein Wachturm, an dem der Name der Einrichtung prangte: „Fort 13 Jilava“.

Fort 13 Jilava

Der Name der Einrichtung leitet sich von dem rumänischen Wort „jilav“ ab, welches „feucht“ bedeutet und damit die hervorstechendste Eigenschaft des Ortes beschreibt, welcher sich in einer tief liegenden, versumpften Gegend befindet. Wie zutreffend der Name dieser wohl berüchtigtsten Haftanstalt im kommunistischen Rumänien ist, sollten wir bald erfahren. Die Festung (rumänisch: „fort“) Nr. 13 ist eine der insgesamt 14 Festungen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Schutze der Hauptstadt Bukarest errichtet worden waren, ohne jedoch später in diesem Sinne Verwendung zu finden. Stattdessen diente Jilava aber schon während der Bauernaufstände im Jahre 1907 vorübergehend als Gefängnis und ebenso für kurze Zeit während der politischen Wirren der Jahre 1939/40. Endgültig zum Militär- und Zivilgefängnis wurde die Festung erst ab 1945, als viele der sogenannten Kriegsverbrecher von den neuen Machthabern dort inhaftiert und teilweise hingerichtet wurden. Ab dem 1. April 1948 erfolgte die Überstellung der Haftanstalt Jilava vom Ministerium der Verteidigung in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums des Inneren (Verordnung Nr. 699.592). Unter anderem veröffentlichte der ehemalige politische Häftling Ion Deboveanu nach der Wende im Ostblock einen sehr realistischen Bericht über die Bedingungen in der Haftanstalt Jilava.

Wir passierten nacheinander mehrere Tore, deren lautes Quietschen vom Geschrei der uns antreibenden Unteroffiziere noch übertönt wurde, sowie eine Brücke, die über einen tiefen Wassergraben führte. So erreichten wir die Sektion III, die „Redută“. Der größte Teil des Weges, den wir durchschritten, war in Form eines Tunnels, und es fiel mir sofort auf, dass überall Wasser von der Decke tropfte und von den Wänden herunterrann. Wir wurden noch am Korridor gefilzt, durften unser Gepäck abgeben, und mir wurden in einem kleinen Nebenraum von einem Zigeuner die Ketten abgenommen. Dann wurden wir in das Zimmer reingelassen. Ein beeindruckender Raum von etwa fünf Meter Breite, 15 Meter lang und mit einer etwa viereinhalb Meter hohen gewölbten Decke ausgestattet. Wir kamen gerade zur Zeit des Morgenappells an, zu welchem um die 50 Häftlinge angetreten waren. Noch während der scheidende und der neue Diensthabende samt Begleitung im Raum waren, hatte ich diesen genau zu mustern begonnen. Links der Tür, in der Ecke des Zimmers, stand ein kleiner Tisch und ein großer Holzkübel für Trinkwasser. Auf dem Tisch wurden, wie wir später erlebten, gewöhnlich die Brote oder Maisfladen für die Belegschaft aufgeteilt. Ebenfalls in der Nähe stand auch noch ein großer, runder gusseiserner Ofen. Die riesige Pritsche mit den zwei Etagen erstreckte sich über die ganze Länge des Zimmers, während rechts vom Eingang ein mächtiger Abortkübel, ausgelegt für die Bedürfnisse von über 80 Menschen, stand. Dieser Kübel wurde täglich, meistens bald nach dem Schichtwechsel der Wärter, von uns auf den Korridor gestellt und von dort durch andere Gefangene fortgebracht, entleert und ausgespült. An der abschließenden Wand, am anderen Ende des Zimmers, gab es ein für diesen großen Raum mit so vielen Leuten viel zu kleines Fenster, welches wegen eines Brettervorbaus einen Ausblick nur nach oben zuließ. Allein durch die schmalen Spalten zwischen den Brettern, die diesen Vorbau bildeten, konnte man mit Mühe auf die gegenüberliegende, mit Gras und Blumen bewachsene Festungsmauer sehen. Entlang der Wand, die über zwei Meter hoch mit Bitumen schwarz gestrichen war, verlief auf der ganzen Länge des Zimmers eine in den Betonfußboden eingetiefte Rinne bis zur Tür, in welcher sich das Sickerwasser, das durch Wand und Decke eindrang, sammelte und unter der Tür auf den Korridor floss, um dort in ein tieferes Kanalsystem zu münden, das letztendlich die ganze Anlage entwässerte. Jetzt, im Frühjahr, war die Erdschicht auf den Festungsbauten durch die Schneeschmelze wie ein Schwamm vollgesogen, und entsprechend heftig tropfte das Wasser in allen Räumen von den Gewölben und Wänden.

Unsere Ankunft im Zimmer war im grauen Gefängnisalltag der Leute, die wir hier vorfanden, ein erfreuliches Ereignis. Alle umringten uns und der Zimmerchef begrüßte uns in orientalisch-überschwänglicher Art, was bei mir ein gewisses Misstrauen weckte. Die Leute wollten natürlich als erstes wissen, woher wir kamen, weswegen und zu wie viel Jahren wir verurteilt worden waren. Ich stand schnell im Mittelpunkt des Interesses, was mir eigentlich gar nicht recht war. Auch wir stellten unseren neuen „Bekannten“ Fragen und erhielten so die ersten Einblicke in die Welt des rumänischen Gulags. Was uns auf den ersten Blick auffiel, war der schlechte Zustand der Kleidung dieser Menschen. Viele trugen Zivilkleidung, bei anderen konnte man mit viel Fantasie Mannschafts- oder Offiziersuniformen erahnen. Da gab es ehemalige Förster- und Eisenbahneruniformen, aber auch sehr fein gekleidete Herren, die anscheinend direkt aus einem Salon oder einem Theater hier hergebracht worden waren. Zwischen den Orten ihrer Herkunft und den Zeiten, die sie dort erlebt hatten, und der Gegenwart hier lagen jetzt Welten. Die Kleider waren fast ausnahmslos furchtbar schmutzig, zu Lumpen zerfetzt oder mit Flicken aller Art und Farben überdeckt. Die eingefallenen Gesichter der so entstellten Leute hatten die einheitliche graue Farbe angenommen, die charakteristisch ist für Menschen, die lange Zeit kaum mehr Licht und gute Luft genießen konnten. Die kurzgeschorenen Haare und der vernachlässigte Bartwuchs vervollständigten den jämmerlichen Anblick der Häftlinge. Das Aussehen dieser Leute war für uns ein Schock. So etwas hatten wir bis dahin noch nicht gesehen. In der Haftanstalt in Temeschburg hatte es nur Leute gegeben, die, wie auch wir, erst seit einigen Monaten in Haft waren und fast alle noch ihre leidlich saubere zivile Kleidung besaßen. Was wir hingegen hier sahen, war einfach unglaublich. Da war zum Beispiel einer, dessen Armeehose buchstäblich in Streifen herunterhing, und seine Jacke hatte anstelle von Knöpfen kleine Holzstückchen. Die einst aufgenähten Taschen der Uniform waren schon längst abgetrennt und als Flicken verwendet worden.

Der Zimmerchef ergriff irgendwann das Wort und ließ uns wissen, dass wir nun unsere Schlafplätze zugewiesen bekämen, wofür es gewisse Regeln gäbe, die bei einer Überbelegung des Zimmers angewandt würden. Da dies durch unsere Ankunft nun gegeben sei, müssten wir, die Neuankömmlinge, zuerst mit den Plätzen in der „Serpărie“ („Schlangennest“) vorliebnehmen, womit der Raum unter der Pritsche auf dem Betonfußboden gemeint war. Und zwar so lange, bis auf den oberen Rängen durch Abgänge neue Plätze frei würden. Im Zusammenhang mit dieser Regelung begann im Zimmer zu unserer Überraschung eine lebhafte Debatte, denn es gab Leute, die meinten, man solle angesichts der Tatsache, dass wir noch so jung waren, die Regel der Schlafplatzzuweisung übergehen und uns gleich auf der oberen Etage der Pritsche unterbringen. Es gab aber auch Gegenstimmen, woraus sich eine lebhaft geführte Konversation entwickelte. Die durchgeführte Abstimmung ergab letztendlich, dass wir nicht unter die Pritsche mussten, sondern oben nahe beim Fenster einquartiert wurden.

Obwohl wir alle durch die, gelinde gesagt, unbequeme und drei Tage dauernde Reise todmüde waren, kamen wir an diesem ersten Tag in Jilava erst lange nach der Abendzählung zum Schlafen. Durch unseren Zuzug war es eng geworden, und auf der Pritsche, sowohl unten als auch oben, waren die Leute gezwungen, nach entweder rechts oder links gewendet zu liegen. Nur die acht unter der Pritsche, im „Schlangennest“, verfügten über genügend Platz in ihrem feuchten, dunklen Verlies. Sie hatten zwar eine doppelte Lage Schilfmatten unter sich, die aber wegen der alles durchdringenden Nässe total feucht waren. Wir, die wir auf der Pritsche schliefen, lagen zwar auf trockenen Brettern, hatten aber nur noch klägliche Reste von zerfetzten Matten unter uns.

Die meisten unserer Zimmergenossen waren erpicht darauf, von uns Nachrichten über die politische Entwicklung zu hören. Wir, mit lediglich acht Monaten seit der Verhaftung, waren auf einem vergleichsweise aktuellen Wissensstand und konnten die Ereignisse bis zum Sommer 1951 ziemlich ausführlich schildern. Ein Hauptthema in diesem Zusammenhang war der zwischenzeitlich ausgebrochene Koreakrieg, von dem ausnahmslos alle hier glaubten, er sei der Anfang des unausweichlichen „Großen Weltkrieges“ zwischen Ost und West. Eine Einschätzung übrigens, die sie mit Stalin teilten (Siehe Courtois, „Schwarzbuch des Kommunismus“). Und dass in diesem bevorstehenden Krieg der Westen siegen würde, bezweifelte hier niemand. Freilich gab es auch allerlei „Latrinengerüchte“, die zumindest zum Teil ganz gezielt vom Innenministeriums gestreut wurden, um anschließend über das allgegenwärtige Spitzelsystem zu erfahren, wie die Häftlinge auf die Nachrichten reagierten, und vor allem, wer diese Nachrichten am gefährlichsten auslegte. Allmählich lernten wir unsere Zimmergenossen kennen. Da gab es Leute, die seit Jahren in diesen fürchterlichen Bedingungen schmachteten, darunter welche, ohne jemals verurteilt worden zu sein. So zum Beispiel Emilian Ionescu, gewesener Kommandant der königlichen Garde, der in den Jahren um 1944 Mitverschwörer in der Clique gegen Marschall Antonescu war und auch aktiv an dessen Verhaftung und Entführung teilgenommen hatte. Später, nachdem der König hatte abdanken müssen, wurde auch Ionescu überflüssig und den Kommunisten zum Ballast, weshalb er nach Jilava deportiert wurde, ohne dass dem eine rechtskräftige Verurteilung vorausgegangen wäre. Er sollte noch etliche Jahre im Gefängnis von Ocnele Mari verbringen, bevor er „gar gekocht“ aus der Haft entlassen wurde, um als Kollaborateur der kommunistischen Geschichtsschreibung zur Mystifizierung der Umstände im Zusammenhang mit dem Sturz des Marschalls Antonescu und der Machtübernahme durch die Kommunisten zu wirken. Zur Zeit unseres Eintreffens hoffte Ionescu immer noch, dass der König das ihm gegebene Versprechen, ihn herauszuholen, noch einlösen würde. Mag sein, dass der König dies tatsächlich beabsichtigt hatte, als er ins Ausland fliehen musste, und später keine Möglichkeit mehr hatte, seinem Gardeoffizier zu helfen. Ionescu erzählte auch oft die Geschichte von der Gefangennahme eines russischen Generals durch ihn und seinem Fahrer und davon, dass der Russe, nachdem er im August 1944 aus der Gefangenschaft entlassen worden war, sich bei ihm der fairen Behandlung wegen bedankte. Was den Umsturz vom 23. August 1944 anging, so rechtfertigte Ionescu diesen immer noch als notwendig und wegen der damals militärisch so dramatischen Lage im Interesse des rumänischen Volkes liegend. Übrigens waren etwa ein Drittel der Häftlinge in unserem Zimmer ehemalige Offiziere, die – nach Auslegung der neuen Machthaber – nun als Kriegsverbrecher hier einsaßen. Zu den „schrägen Vögeln“ im Zimmer gehörte ein gewisser Margulis, ehemaliger Kommunist, der während des Krieges die damals illegale „Rote Hilfe“ geleitet hatte und dem man vorwarf, Hilfsgelder veruntreut zu haben und darüber hinaus Spitzel der „Siguranta“, des rumänischen Staatssicherheitsdienstes, gewesen zu sein. Dies klingt nicht unwahrscheinlich, denn wie ich später von dem ehemaligen Offizier im Abwehrdienst SSI (Serviciul Special de Informatii) Nicolae Constantinescu erfuhr, den ich im Bergwerk von Cavnic kennenlernen sollte, waren ein Großteil der kommunistischen Illegalen zugleich Spitzel der Sicherheitspolizei.

Auch in Jilava gab es eine Talanga aus einem Stück frei hängender Eisenschiene, angebracht in der Nähe des Torpostens, die zum Zählappell oder bei Alarm mit einem Hammer geschlagen wurde. Wenn das Zeichen zum Appell ertönte, mussten normalerweise alle Häftlinge in ihren Zimmern antreten. Wegen der großen Zahl der Häftlinge in unserem Zimmer fand nur ein Teil der Leute vor der Pritsche stehend Platz, der Rest der Häftlinge musste sich in einer Reihe auf den Rand der oberen Etage der Pritsche setzen. Wie schon in Temeschburg erlebt musste auch hier der Zimmerchef dem scheidenden und dem antretenden diensthabenden Unteroffizier die Zahl der Häftlinge melden. Meistens war bei der Zählung auch der diensthabende Offizier der Anstalt zugegen.

Nachdem der Lärm der Morgenzählung vorbei war, hörte man üblicherweise erfreulichere Geräusche vom Korridor, nämlich das Schleifen der großen Holzkübel, die über den Betonfußboden der Korridore gezogen wurden. Der Frühstücks-Terci (Maisbrei) näherte sich! Wenn ein Kübel vor unserer Tür anlangte, wurde die Tür vom diensthabenden Unteroffizier unserer Sektion aufgeschlossen und wir erblickten den mit dem Austeilen des Essens betrauten Strafgefangenen, welcher zumeist nicht wagte, auch nur einen Blick auf uns zu werfen. Neben dem Kübel waren die eckigen, emaillierten Militär-Essgeschirre und runden Essnäpfe gestapelt, die wir ebenfalls schon in Temeschburg kennengelernt hatten. Die uns zustehende Portion Terci betrug etwa 400 Milliliter pro Kopf, für die ersten Männer gab es sogar je einen Löffel dazu. Schlimm war, dass der anwesende Unteroffizier uns dauernd anherrschte, schnell zu essen, weil nicht genügend Essgeschirre vorhanden waren. Also war jedermann gezwungen, den noch ziemlich heißen Brei hurtig auszulöffeln oder aus der Ecke des Geschirres zu schlürfen und sein Geschirr weiterzugeben. Von einem Spülen der Gefäße war natürlich keine Rede. Die Leute behalfen sich mit ihren Händen und Fingern, und ihr Schlürfen verursachte Geräusche, die an das Tierreich erinnerten. Es war uns also nicht einmal vergönnt, diesen elenden Brei in Ruhe zu essen. Der Caraliu schimpfte dauernd und drohte, mit dem Essen weiter zu gehen. Trotz der ganzen Hast dauerte die Prozedur ziemlich lange. Was die Essgeschirre betraf, so waren diese in einem erbärmlichen Zustand, oftmals an den Ecken durchgerostet, und die zum Teil fingerdicken Löcher waren mit schon übel riechenden Textilfetzen zugestopft. Einzige Genugtuung bei diesem Frühstück war, dass der Terci etwas dicker und anscheinend sogar etwas süßer war als jener in Temeschburg, vielleicht waren wir aber auch bloß hungriger als damals.

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