Kitabı oku: «Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe», sayfa 15
170. An Goethe.
Jena den 20. Juni 1796.
Voß ist noch nicht gekommen; er schrieb nur kurz, daß unangenehme Störer die Reise rückgängig machten. Es thut mir wirklich leid, seine persönliche Bekanntschaft nicht gemacht zu haben, indessen wäre sie mit einem sehr unangenehmen Auftritt erkauft worden, weil Reichardt, wie ich heute von Hallischen Fremden erfuhr, ihn wirklich hat begleiten wollen. Die unvermeidliche Grobheit, die ich gegen diesen Gast hätte beweisen müssen, würde Voßen in große Verlegenheit gesetzt, und wahrscheinlich ganz und gar verstimmt haben.
Zu den Progressen die der Roman macht wünsche ich von Herzen Glück. Der Tag der mir den Rest bringt, soll auch mir ein Fest sein.
Die neue Lieferung Cellini hat mich wieder sehr unterhalten. Die Krankheitsgeschichte ist ganz prächtig: auch die Begebenheiten in Florenz interessiren sehr und schließen sich schön an die Geschichte dieses Hauses. Die närrische Mixtur von Galanterie und Grobheit in dem Freund Benvenuto ist gar amüsant.
Die Xenien kann ich heute noch nicht mitschicken. Mein Abschreiber ist ausgeblieben.
Leben Sie recht wohl. Alle Neune seien mit Ihnen!
Meine Frau grüßt schön. Den Zwieback haben Sie wohl , nebst meinem Briefe vom Sonnabend erhalten .
Sch.
171. An Schiller.
Ihre zwei lieben und werthen Briefe, nebst dem Zwieback, habe ich erhalten und da heute früh das Pensum am Romane geschrieben ist, will ich dieses Blatt für morgen voraus dictiren.
Noch rückt das achte Buch ununterbrochen fort, und wenn ich die zusammentreffenden Umstände bedenke, wodurch etwas beinahe unmögliches, auf einem ganz natürlichen Wege, noch endlich wirklich wird, so möchte man beinahe abergläubisch werden. So viel ist gewiß, daß mir gegenwärtig die lange Gewohnheit, Kräfte, zufällige Ereignisse, Stimmungen und wie sich uns angenehmes und unangenehmes aufdringen mag, im Augenblicke zu nutzen, sehr zu statten kommt: doch scheint meine Hoffnung es schon künftigen Sonnabend zu schicken voreilig gewesen zu sein.
Ihr Gedicht, die Klage der Ceres, hat mich wieder an verschiedene Versuche erinnert, die ich mir vorgenommen hatte, um jene Idee, die Sie so freundlich aufgenommen und behandelt haben, noch weiter zu begründen. Einige sind mir auch ganz unvermuthet geglückt, und da ich eben voraussehen kann in diesen schönen Sommermonaten einige Zeit zu Hause zu bleiben, so habe ich gleich Anstalt gemacht eine Anzahl Pflanzen im Finstern zu erziehen, und alsdann meine Erfahrungen mit denen, die schon bekannt sind, zu vergleichen.
Daß Voß nicht gekommen ist, gefällt mir nicht an ihm, besonders da Sie sich, wie ich erst aus Ihrem Briefe sehe, noch einander nicht persönlich kennen. Es ist das eine Art von Schinderei und Unattention, deren man sich wohl in jungem Jahren leider schuldig macht, vor der man sich aber, wenn man einmal Menschen schätzen lernt, so sehr als möglich hüten sollte. Am Ende hat ihn doch Reichardt abgehalten; denn daß diesem bei seinem Halbverhältniß zu uns nicht wohl sein kann ist nur zu deutlich.
Zelter in Berlin ist präparirt. Es wäre gut, wenn Sie nun auch gleich an ihn schrieben. Ich habe ein Lied Mignons das ich gerne in Ihren Almanach setzen möchte! im Roman wird es nur erwähnt. Es wäre die Frage ob man Ungern selbst darüber nicht ein vertraulich Wort sagen sollte; wenn auch eine solche Erklärung auskäme, so wäre doch die Kriegserklärung geschehen, zu der wir je eher je lieber schreiten sollten.
Xenien habe ich wieder einige Dutzend, nur gerade nicht von der nothwendigsten Gattung.
Daß die Idylle bei näherer Betrachtung Stand und Stich hält, freut mich sehr. Für die Eifersucht am Ende habe ich zwei Gründe. Einen aus der Natur: weil wirklich jedes unerwartete und unverdiente Liebesglück die Furcht des Verlustes unmittelbar auf der Ferse nach sich führt ! und einen aus der Kunst, weil die Idylle durchaus einen pathetischen Gang hat und also das leidenschaftliche bis gegen das Ende gesteigert werden mußte, da sie denn durch die Abschiedsverbeugung des Dichters wieder ins leidliche und heitere zurückgeführt wird. Soviel zur Rechtfertigung des unerklärlichen Instinctes, durch welchen solche Dinge hervorgebracht werden.
Richter ist ein so complicirtes Wesen, daß ich mir die Zeit nicht nehmen kann Ihnen meine Meinung über ihn zu sagen; Sie müssen und werden ihn sehen und wir werden uns gern über ihn unterhalten. Hier scheint es ihm übrigens wie seinen Schriften zu gehn; man schätzt ihn bald zu hoch, bald zu tief und niemand weiß das wunderliche Wesen recht anzufassen.
Mit Cellini glückt es uns durchaus und da es auch unsere Convenienz ist, so lassen Sie uns das Eisen schmieden, so lange es warm bleibt. Sagen Sie mir wann Sie wieder eine Lieferung brauchen.
Hier lege ich Ihnen ein Pasquill bei, das Sie in eine ganz eigene Welt führen wird, und das, ob es schon sehr ungleich ist, doch einige Capitalspässe enthält und gewisse Hasenfüße, Heuchler, Philister und Pedanten toll genug durchnimmt. Lassen Sie es niemand sehen und schicken es gleich wieder zurück.
Abgeschickt den 22. Juni 1796.
G.
172. An Goethe.
Jena den 24. Juni 1796.
Sie haben wohl recht, daß die Broschüre mich in eine eigene Welt führen werde. Mein Lebenlang hätte ich in mir selbst so eine Fratzensammlung nicht zusammenbringen können, und jeder Strich trägt den Stempel daß man aus der Natur geschöpft hat. Es ist wirklich kein unmerkwürdiges Machwerk, so grob und plump es auch ist, und hat mich recht divertirt. Auch das gefällt mir, daß die politischen Feindschaften doch auch einen humoristischen Ausdruck zu nehmen anfangen. Es sollte wirklich Nachahmer finden.
Meyers Lebhaftigkeit hat mich recht belustigt, und daß er mitten in seinem Italien die deutschen Affen und Esel sich so herzlich angelegen sein läßt. Schreiben Sie ihm nur, daß es ganz von ihm abhänge, wann er sich in dieses Gefecht der Trojer und Achäer mischen wolle. Er kann es gleich in dem ersten Brief thun, den er an Sie schreibt, und den wir drucken lassen können.
Humboldt schrieb mir vorigen Mittwoch nur zwei Zeilen, um sein Nichtschreiben zu entschuldigen, auch bei Ihnen. Er wird Ihnen morgen die Idylle zurücksenden, auf die er gerne ausführlich antworten wollte. Seine Mutter wird bald sterben und das hält ihn denn wahrscheinlich länger in B. fest.
An Zelter schreibe ich, sobald ich ihm etwas zu senden weiß. Riethen Sie mir, meine Ceres componiren zu lassen? Für den Gesang wär’ sie wohl ein gutes Thema, wenn sie nicht zu groß ist. Indeß haben wir, außer dem was von Ihnen ist, wenig anderes für die Musik zu hoffen.
Daß Sie ein Lied aus dem Meister in den Almanach geben können, ist köstlich. Nun wahrhaftig, wir wollen auf den dießjährigen Almanach uns etwas einbilden.
Die Xenien erhalten Sie Montag früh ganz gewiß. Es sind, nach Abzug der weggebliebenen, noch sechshundert dreißig bis vierzig, und ich denke nicht, daß mehr als fünfzehn oder zwanzig von diesen werden ausgemustert werden. Da der Zusammenhang und die Vollständigkeit wohl noch achtzig neue nöthig machen, so wird die Zahl wohl auf siebenhundert bleiben.
Montag ein mehreres. Leben Sie recht wohl.
Sch.
173. An Schiller.
Es ist mir sehr lieb, daß Ihnen das Fastnachtsspiel aus der andern Welt den gehörigen Spaß gemacht hat. Ich will doch nach den neuesten Reichstagssachen fragen, und besonders nach einigen Broschüren, die in dieser angeführt sind; es wäre lustig wenn wir auch ein Dutzend Xenien in jene Weltgegend werfen könnten.
Schicken Sie mir diese lustigen Brüder nicht eher, als bis Sie den Roman haben; er kommt zu Anfang künftiger Woche, durch einen eigenen Boten, der die Genien, wenn Sie solche parat halten, alsdann mit zurücknehmen kann. Lesen Sie das Manuscript erst mit freundschaftlichem Genuß und dann mit Prüfung und sprechen Sie mich los, wenn Sie können. Manche Stellen verlangen noch mehr Ausführung, manche fordern sie, und doch weiß ich kaum was zu thun ist; denn die Ansprüche, die dieses Buch an mich macht, sind unendlich und dürfen, der Natur der Sache nach, nicht ganz befriedigt werden, obgleich alles gewissermaßen aufgelöst werden muß. Meine ganze Zuversicht ruht auf Ihren Forderungen und Ihrer Absolution. Das Manuscript ist mir unter den Händen gewachsen, und überhaupt hätte ich, wenn ich in der Darstellung hätte wollen weitläufiger sein, und mehr Wasser des Raisonnements hätte zugießen wollen, ganz bequem aus dem letzten Bande zwei Bände machen können; so mag er denn aber doch in seiner concentrirten Gestalt besser und nachhaltiger wirken.
Grüßen Sie Humboldt wenn Sie ihm schreiben. An Zelter wollen wir ehestens etwas zusammenmachen, alsdann können Sie ja auch die Ceres zum Versuche mitschicken. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie die liebe Frau, und schreiben Sie mir bald etwas von Ihrem beiderseitigen Befinden.
Weimar den 25. Juni 1796.
G.
174. An Schiller.
Hier schicke ich endlich das große Werk und kann mich kaum freuen daß es so weit ist; denn von einem so langen Wege kommt man immer ermüdet an. Ich habe es auch nur einmal durchsehen können, und Sie werden also noch manches nach der Intention zu suppliren haben. Es muß auf alle Fälle noch einmal durchgearbeitet und abgeschrieben werden.
Wenn Sie dem Boten die Genien mit zurückgeben können, so soll es mir angenehm sein.
Ich habe in den nächsten zehn bis zwölf Tagen manches in allerlei Geschäften nachzuholen, mit denen ich wenigstens in Connexion bleiben muß; alsdann hoffe ich die Horen und den Almanach am besten zu bedenken.
Das Lied von Mignon habe ich, wie Sie sehen werden, des Effects wegen, doch einschalten müssen; es giebt aber vielleicht ein anderes das im Almanach nachzubringen ist.
Leben Sie recht wohl; möge Sie diese Sendung recht gesund antreffen. Ich wünsche dieses Buch nicht eher zurück als bis ich ganz bei mir aufgeräumt habe. Ich hoffe bald von Ihnen zu hören.
Weimar den 26. Juni 1796.
G.
175. An Goethe.
Jena den 27. Juni 1796.
Herzlichen Dank für die Sendung. Sie trifft mich bei heiterm Sinne, und ich hoffe, sie mit ganzer Seele zu genießen.
Der Abschied von einer langen und wichtigen Arbeit ist immer mehr traurig als erfreulich. Das ausgespannte Gemüth sinkt zu schnell zusammen, und die Kraft kann sich nicht sogleich zu einem neuen Gegenstand wenden. Eigentlich sollten Sie jetzt etwas zu handeln bekommen, und einen lebendigen Stoff bearbeiten.
Von den Xenien sende ich durch den Boten was fertig ist. Noch achtzig sind ohngefähr zurück , die das Botenmädchen bringen soll. Ich bin eben daran, diese, es sind gerade die freundlichen, mit einigen neuen zu vermehren, die eine glückliche Stimmung mir dargeboten hat. Ueberhaupt hoffe ich, daß der Schluß sehr gut ausfallen soll. Sie werden unter den hier folgenden gegen hundert neue Bekannte finden, und einige ältere vermissen. Warum ich diese wegließ, läßt sich mündlich sagen. Streichen Sie nun ohne Schonung alles, was Ihnen aus irgend einer Rücksicht anstößig ist, weg. Unser Vorrath leidet eine strenge Wahl.
In das Manuscript lassen Sie Ihren Spiritus nichts schreiben. Ich schickte dasselbe gern an Humboldt, der durch die Verschiedenheit der Handschrift dem Verfasser nicht auf die Spur geführt werden soll. Fallen Ihnen Ueberschriften ein, so bitte ich sie mit dem Bleistift zu bemerken.
Um die Zahl der poetischen und gefälligen Xenien zu vermehren, wünschte ich Sie zu veranlassen, daß Sie durch die wichtigsten Antiken und die schönern italienischen Malerwerke eine Wanderung anstellten. Diese Gestalten leben in Ihrer Seele, und eine gute Stimmung wird Ihnen über jede einen schönen Einfall darbieten. Sie sind um so passendere Stoffe, da es lauter Individua sind.
Leben Sie recht wohl, freuen Sie sich des Lebens und Ihres Werks. Wer hätte denn in der Welt sonst Ursache zur Freude?
Meine Frau grüßt Sie herzlich und schmachtet recht nach dem achten Buche.
Sch.
176. An Goethe.
Erwarten Sie heute noch nichts Bestimmtes von mir über den Eindruck den das achte Buch auf mich gemacht. Ich bin beunruhigt und bin befriedigt, Verlangen und Ruhe sind wunderbar vermischt . Aus der Masse der Eindrücke, die ich empfangen, ragt mir in diesem Augenblick Mignons Bild am stärksten hervor. Ob die so stark interessirte Empfindung hier noch mehr fordert, als ihr gegeben worden , weiß ich jetzt noch nicht zu sagen. Es könnte auch zufällig sein, denn beim Aufschlagen des Manuscripts fiel mein Blick zuerst auf das Lied, und dieß bewegte mich so tief, daß ich den Eindruck nachher nicht mehr auslöschen konnte.
Das Merkwürdigste an dem Totaleindruck scheint mir dieses zu sein, daß Ernst und Schmerz durchaus wie ein Schattenspiel versinken und der leichte Humor vollkommen darüber Meister wird. Zum Theil ist mir dieses aus der leisen und leichten Behandlung erklärlich; ich glaube aber noch einen andern Grund davon in der theatralischen und romantischen Herbeiführung und Stellung der Begebenheiten zu entdecken. Das Pathetische erinnert an den Roman, alles übrige an die Wahrheit des Lebens. Die schmerzhaftesten Schläge, die das Herz bekommt, verlieren sich schnell wieder, so stark sie auch gefühlt werden, weil sie durch etwas wunderbares herbeigeführt wurden, und deßwegen schneller als alles andere an die Kunst erinnern. Wie es auch sei, so viel ist gewiß, daß der Ernst in dem Roman nur Spiel, und das Spiel in demselben der wahre und eigentliche Ernst ist, daß der Schmerz der Schein, und die Ruhe die einzige Realität ist.
Der so weise aufgesparte Friedrich, der durch seine Turbulenz am Ende die reife Frucht vom Baume schüttelt und zusammenweht was zusammen gehört, er scheint bei der Katastrophe gerade so, wie einer, der uns aus einem bänglichen Traum durch Lachen aufweckt. Der Traum flieht zu den andern Schatten, aber sein Bild bleibt übrig, um in die Gegenwart einen höheren Geist, in die Ruhe und Heiterkeit einen poetischen Gehalt, eine unendliche Tiefe zu legen. Diese Tiefe bei einer ruhigen Fläche, die überhaupt genommen Ihnen so eigenthümlich ist, ist ein vorzüglicher Charakterzug des gegenwärtigen Romans.
Aber ich will mir heute nichts mehr darüber zu sagen erlauben, so sehr es mich auch drängt; ich könnte Ihnen doch jetzt nichts reifes geben. Könnten Sir mir vielleicht das Concept vom siebenten Buche, wovon die Abschrift für Ungern gemacht worden ist, schicken, so wäre mir’s sehr dienlich, das Ganze durch alle seine Details zu begleiten. Obgleich ich es noch in frischem Gedächtniß habe, so könnte mir doch manches kleinere Glied der Verbindung entschlüpft sein.
Wie trefflich sich dieses achte Buch an das sechste anschließt und wie viel überhaupt durch die Anticipation des letztern gewonnen worden ist, sehe ich klar ein. Ich möchte durchaus keine andere Stellung der Geschichte als gerade diese. Man kennt die Familie schon so lange ehe sie eigentlich kommt, man glaubt in eine ganz anfanglose Bekanntschaft zu blicken, es ist eine Art von optischem Kunstgriff der eine treffliche Wirkung macht.
Einen köstlichen Gebrauch haben Sie von des Großvaters Sammlung zu machen gewußt; sie ist ordentlich eine mitspielende Person, und rückt selbst an das lebendige.
Doch genug für heute. Auf den Sonnabend hoffe ich Ihnen mehr zu sagen.
Hier der Rest der Xenien. Was heute folgt, ist wie Sie sehen noch nicht in dem gehörigen Zusammenhang, und alle meine Versuche, die verschiedenen Gruppen zusammen zu bringen, sind mir mißglückt. Vielleicht helfen Sie mir aus der Noth. Es wäre gar zu schön, wenn wir diese letzte Partie recht reich ausstatten könnten.
Wenn ich den neuen Cellini in drei Wochen erhalte, so ist es gerade noch Zeit.
Leben Sie recht wohl. Herzliche Grüße von meiner Frau, die eben im Roman vertieft ist.
Vom Hesperus habe ich Ihnen noch nichts geschrieben. Ich habe ihn ziemlich gefunden, wie ich ihn erwartete; fremd wie einer der aus dem Mond gefallen ist, voll guten Willens und herzlich geneigt, die Dinge außer sich zu sehen, nur nicht mit dem Organ, womit man sieht. Doch sprach ich ihn nur einmal und kann also noch wenig von ihm sagen.
Jena den 28. Juni 1796.
Sch.
177. An Schiller.
Herzlich froh bin ich, daß wir auch endlich diese Epoche erreicht haben und daß ich Ihre ersten Laute über das achte Buch vernehme. Unendlich viel ist mir das Zeugniß werth daß ich, im Ganzen, das was meiner Natur gemäß ist, auch hier, der Natur des Werks gemäß hervorgebracht habe. Ich schicke hier das siebente Buch und werde, wenn ich Ihre Gesinnungen erst umständlicher weiß, mich mit Lust nochmals ans achte begeben.
Etwa acht Tage wird meine Zeit durch äußere Geschäfte aufgezehrt werden, welches auch recht gut ist , denn man würde zuletzt über die Märchen selbst zur Fabel. Alsdann sollen die Xenien, Cellini und der Roman den übrigen Juli in sich theilen. Ich habe beinah Ihre Lebensart erwählt und geh’ auch kaum aus dem Hause.
Die neuen Xenien von der würdigen, ernsten und zarten Art sind Ihnen sehr glücklich gerathen; ich habe zur Completirung dieser Sammlung, auch von meiner Seite, allerlei Aussichten, wenn sich nur die Stimmung dazu findet.
Es ist mir doch lieb daß Sie Richtern gesehen haben; seine Wahrheitsliebe und sein Wunsch etwas in sich aufzunehmen, hat mich auch für ihn eingenommen. Doch der gesellige Mensch ist eine Art von theoretischem Menschen, und wenn ich es recht bedenke, so zweifle ich ob Richter im praktischen Sinne sich jemals uns nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmuthung zu uns zu haben scheint.
Leben Sie recht wohl und lassen uns diesen Monat viel an einander schreiben, denn das, was geschehen soll verlangt viel Aufmunterung.
Weimar den 29. Juni 1796.
G.
178. An Schiller.
Da ich nicht weiß, ob ich morgen früh Ihnen werde etwas sagen können, indem ich von allerlei äußeren Dingen gedrängt bin, so schicke ich einstweilen das Belobungsschreiben , welches ich von Humboldt erhalten habe. Sowohl das viele Gute was er sagt, als auch die kleinen Erinnerungen nöthigen mich auf dem schmalen Wege auf dem ich wandle desto vorsichtiger zu sein; ich hoffe von Ihren Bemerkungen über das achte Buch eine gleiche Wohlthat. Leben Sie recht wohl; nächstens mehr.
Weimar den 1. Juli 1796.
G.
179. An Goethe.
Jena den 2. Juli 1796.
Ich habe nun alle acht Bücher des Romans aufs neue, obgleich nur sehr flüchtig durchlaufen, und schon allein die Masse ist so stark, daß ich in zwei Tagen kaum damit fertig worden bin. Billig sollte ich also heute noch nichts schreiben, denn die erstaunliche und unerhörte Mannigfaltigkeit, die darin, im eigentlichsten Sinne, versteckt ist, überwältigt mich. Ich gestehe, daß ich bis jetzt zwar die Stätigteit, aber noch nicht die Einheit recht gefaßt habe, obwohl ich keinen Augenblick zweifle, daß ich auch über diese noch völlige Klarheit erhalten werde, wenn bei Produkten dieser Art die Stätigkeit nicht schon mehr als die halbe Einheit ist.
Da Sie, unter diesen Umständen, nicht wohl etwas ganz genugthuendes von mir erwarten können, und doch etwas zu hören wünschen, so nehmen Sie mit einzelnen Bemerkungen vorlieb, die auch nicht ganz ohne Werth sind, da sie ein unmittelbares Gefühl aussprechen werden. Dafür verspreche ich Ihnen, daß diesen ganzen Monat über die Unterhaltung über den Roman nie versiegen soll. Eine würdige und wahrhaft ästhetische Schätzung des ganzen Kunstwerks ist eine große Unternehmung. Ich werde ihr die nächsten vier Monate ganz widmen, und mit Freuden. Ohnehin gehört es zu dem schönsten Glück meines Daseins, daß ich die Vollendung dieses Products erlebte, daß sie noch in die Periode meiner strebenden Kräfte fällt, daß ich aus dieser reinen Quelle noch schöpfen kann; und das schöne Verhältniß, das unter uns ist, macht es mir zu einer gewissen Religion, Ihre Sache hierin zu der meinigen zu machen, alles was in mir Realität ist, zu dem reinsten Spiegel des Geistes auszubilden, der in dieser Hülle lebt, und so, in einem höheren Sinne des Worts, den Namen Ihres Freundes zu verdienen. Wie lebhaft habe ich bei dieser Gelegenheit erfahren, daß das Vortreffliche eine Macht ist, daß es auf selbstsüchtige Gemüther auch nur als eine Macht wirken kann, daß es dem Vortrefflichen gegenüber keine Freiheit giebt als die Liebe.
Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie sehr mich die Wahrheit, das schöne Leben, die einfache Fülle dieses Werks bewegte . Die Bewegung ist zwar noch unruhiger als sie sein wird, wenn ich mich desselben ganz bemächtigt habe, und das wird dann eine wichtige Krise meines Geistes sein; sie ist aber doch der Effect des Schönen, nur des Schönen, und die Unruhe rührt bloß davon her, weil der Verstand die Empfindung noch nicht hat einholen können. Ich verstehe Sie nun ganz, wenn Sie sagten, daß es eigentlich das Schöne, das Wahre sei, was Sie, oft bis zu Thränen, rühren könne. Ruhig und tief, klar und doch unbegreiflich wie die Natur, so wirkt es und so steht es da, und alles, auch das kleinste Nebenwerk, zeigt die schöne Gleichheit des Gemüths, aus welchem alles geflossen ist.
Aber ich kann diesen Eindrücken noch keine Sprache geben, auch will ich jetzt nur bei dem achten Buche stehen bleiben. Wie ist es Ihnen gelungen, den großen so weit auseinander geworfenen Kreis und Schauplatz von Personen und Begebenheiten wieder so eng zusammen zu rücken! Es steht da wie ein schönes Planetensystem; alles gehört zusammen, und nur die italienischen Figuren knüpfen, wie Kometengestalten, und auch so schauerlich wie diese, das System an ein entferntes und größeres an. Auch laufen alle diese Gestalten, sowie auch Mariane und Aurelie, völlig wieder aus dem Systeme heraus und lösen sich als fremdartige Wesen davon ab, nachdem sie bloß dazu gedient haben, eine poetische Bewegung darin hervor zu bringen. Wie schön gedacht ist es, daß Sie das praktisch ungeheure, das furchtbar pathetische im Schicksal Mignons und des Harfenspielers von dem theoretisch ungeheuern, von den Mißgeburten des Verstandes ableiten, so daß der reinen und gesunden Natur nichts dadurch aufgebürdet wird. Nur im Schooß des dummen Aberglaubens werden diese monströsen Schicksale ausgeheckt, die Mignon und den Harfenspieler verfolgen. Selbst Aurelia wird nur durch ihre Unnatur, durch ihre Mannweiblichkeit zerstört. Gegen Marianen allein möchte ich Sie eines poetischen Eigennutzes beschuldigen. Fast möchte ich sagen, daß sie dem Roman zum Opfer geworden, da sie der Natur nach zu retten war. Um sie werden daher immer noch bittere Thränen fließen, wenn man sich bei den drei andern gern von dem Individuum ab zu der Idee des Ganzen wendet.
Wilhelms Verirrung zu Theresen ist trefflich gedacht, motivirt, behandelt und noch trefflicher benutzt. Manchen Leser wird sie anfangs recht erschrecken, denn Theresen verspreche ich wenig Gönner; desto schöner reißen Sie ihn aber aus seiner Unruhe. Ich wüßte nicht, wie dieses falsche Verhältniß zarter, feiner, edler hätte gelöst werden können. Wie würden sich die Richardsons und alle andern gefallen haben, eine Scene daraus zu machen, und über dem Auskramen von delicaten Sentiments recht undelicat gewesen sein. Nur Ein kleines Bedenken hab’ ich dabei. Theresens muthige und entschlossene Widersetzlichkeit gegen die Partei, welche ihr ihren Bräutigam rauben will, selbst bei der erneuerten Möglichkeit Lotharn zu besitzen, ist ganz in der Natur und trefflich; auch daß Wilhelm einen tiefen Unwillen und einen gewissen Schmerz über die Neckerei der Menschen und des Schicksals zeigt, finde ich sehr gegründet – nur, däucht mir, sollte er den Verlust eines Glücks weniger tief beklagen, das schon angefangen hatte, keines mehr für ihn zu sein. In Nataliens Nähe müßte ihm, scheint mir, seine wieder erlangte Freiheit ein höheres Gut sein, als er zeigt. Ich fühle wohl die Complication dieses Zustands und was die Delicatesse forderte, aber auf der andern Seite beleidigt es einigermaßen die Delicatesse gegen Natalien, daß er noch im Stand ist, ihr gegenüber den Verlust einer Therese zu beklagen!
Eins, was ich in der Verknüpfung der Begebenheiten auch besonders bewundre, ist der große Vortheil, den Sie von jenem falschen Verhältniß Wilhelms zu Theresen zu ziehen gewußt haben, um das wahre und gewünschte Ziel, Nataliens und Wilhelms Verbindung, zu beschleunigen. Auf keinem andern Weg hätte dieses so schön und natürlich geschehen können, als gerade auf dem eingeschlagenen, der davon zu entfernen drohte. Jetzt kann es mit höchster Unschuld und Reinheit ausgesprochen werden, daß Wilhelm und Natalie für einander gehören, und die Briefe Theresens an Natalien leiten es auf das schönste ein. Solche Erfindungen sind von der ersten Schönheit, denn sie vereinigen alles, was nur gewünscht werden kann, ja was ganz unvereinbar scheinet; sie verwickeln und enthalten schon die Auflösung in sich, sie beunruhigen und führen zur Ruhe, sie erreichen das Ziel, indem sie davon mit Gewalt zu entfernen scheinen.
Mignons Tod, so vorbereitet er ist, wirkt sehr gewaltig und tief, ja so tief, daß es manchem vorkommen wird, Sie verlassen denselben zu schnell. Dies war beim ersten Lesen meine sehr stark markirte Empfindung; beim zweiten, wo die Ueberraschung nicht mehr war, empfand ich es weniger, fürchte aber doch, daß Sie hier um eines Haares Breite zu weit gegangen sein möchten. Mignon hat gerade vor dieser Katastrophe angefangen weiblicher, weicher zu erscheinen und dadurch mehr durch sich selbst zu interessiren; die abstoßende Fremdartigkeit dieser Natur hatte nachgelassen, mit der nachlassenden Kraft hatte sich jene Heftigkeit in etwas verloren, die von ihr zurückschreckte. Besonders schmelzte das letzte Lied das Herz zu der tiefsten Rührung. Es fällt daher auf, wenn unmittelbar nach dem angreifenden Auftritt ihres Todes der Arzt eine Speculation auf ihren Leichnam macht, und das lebendige Wesen, die Person so schnell vergessen kann, um sie nur als das Werkzeug eines artistischen Versuches zu betrachten; ebenso fällt es auf, daß Wilhelm, der doch die Ursache ihres Todes ist und es auch weiß, in diesem Augenblick für jene Instrumententasche Augen hat, und in Erinnerungen vergangener Scenen sich verlieren kann, da die Gegenwart ihn doch so ganz besitzen sollte.
Sollten Sie in diesem Falle auch vor der Natur ganz Recht behalten, so zweifle ich, ob Sie auch gegen die »sentimentalischen« Forderungen der Leser es behalten werden, und deßwegen möchte ich Ihnen rathen – um die Aufnahme einer an sich so herrlich vorbereiteten und durchgeführten Scene bei dem Leser durch nichts zu stören – einige Rücksicht darauf zu nehmen.
Sonst finde ich alles, was Sie mit Mignon, lebend und todt, vornehmen, ganz außerordentlich schön. Besonders qualificirt sich dieses reine und poetische Wesen so trefflich zu diesem poetischen Leichenbegängniß. In seiner isolirten Gestalt, seiner geheimnißvollen Existenz, seiner Reinheit und Unschuld repräsentirt es die Stufe des Alters auf der es steht so rein, es kann zu der reinsten Wehmuth und zu einer wahr menschlichen Trauer bewegen, weil sich nichts als die Menschheit in ihm darstellte. Was bei jedem andern Individuum unstatthaft – ja in gewissem Sinne empörend sein würde, wird hier erhaben und edel.
Gerne hätte ich die Erscheinung des Markese in der Familie noch durch etwas anders als durch seine Kunstliebhaberei motivirt gesehen. Er ist gar zu unentbehrlich zur Entwicklung, und die Nothdurft seiner Dazwischenkunft könnte leicht stärker als die innere Nothwendigkeit derselben in die Augen fallen. Sie haben durch die Organisation des übrigen Ganzen den Leser selbst verwöhnt und ihn zu strengeren Forderungen berechtigt, als man bei Romanen gewöhnlich mitbringen darf. Wäre nicht aus diesem Markese eine alte Bekanntschaft des Lothario oder des Oheims zu machen und seine Herreise selbst mehr ins Ganze zu verflechten?
Die Katastrophe so wie die ganze Geschichte des Harfenspielers erregt das höchste Interesse. Wie vortrefflich ich es finde, daß Sie diese ungeheuren Schicksale von frommen Fratzen ableiten, habe ich oben schon erwähnt. Der Einfall des Beichtvaters, eine leichte Schuld ins ungeheure zu malen, um ein schweres Verbrechen, das er aus Menschlichkeit verschweigt, dadurch abbüßen zu lassen, ist himmlisch in seiner Art, und ein würdiger Repräsentant dieser ganzen Denkungsweise. Vielleicht werden Sie Speratens Geschichte noch ein klein wenig ins kürzere ziehen, da sie in den Schluß fällt, wo man ungeduldiger zum Ziele eilt.
Daß der Harfner der Vater Mignons ist, und daß Sie selbst dieses eigentlich nicht aussprechen, es dem Leser gar nicht hinschieben, macht nur desto mehr Effect. Man macht diese Betrachtung nun selbst, erinnert sich, wie nahe sich diese zwei geheimnißvollen Naturen lebten, und blickt in eine unergründliche Tiefe des Schicksals hinab.
Aber nichts mehr für heute. Meine Frau legt noch ein Brieflein bei und sagt Ihnen ihre Empfindungen bei dem achten Buche.
Leben Sie jetzt wohl, mein geliebter, mein verehrter Freund! Wie rührt es mich, wenn ich denke, daß was wir sonst nur in der weiten Ferne eines begünstigten Alterthums suchen und kaum finden, mir in Ihnen so nahe ist. Wundern Sie sich nicht mehr, wenn es so wenige giebt, die Sie zu verstehen fähig und würdig sind. Die bewundernswürdige Natur, Wahrheit und Leichtigkeit Ihrer Schilderungen entfernt bei dem gemeinen Volk der Beurtheiler allen Gedanken an die Schwierigkeit, an die Größe der Kunst, und bei denen, die dem Künstler zu folgen im Stande sein könnten, die auf die Mittel wodurch er wirkt, aufmerksam sind, wirkt die genialische Kraft, welche sie hier handeln sehen, so feindlich und vernichtend, bringt ihr bedürftiges Selbst so sehr ins Gedränge, daß sie es mit Gewalt von sich stoßen, aber im Herzen und nur de mauvaise grace Ihnen gewiß am lebhaftesten huldigen.
Sch.