Kitabı oku: «Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe», sayfa 16
180. An Goethe.
Jena den 3. Juli 1796.
Ich habe nun Wilhelms Betragen bei dem Verlust seiner Therese im ganzen Zusammenhang reiflich erwogen, und nehme alle meine vorige Bedenklichkeiten zurück. So wie es ist, muß es sein. Sie haben darin die höchste Delicatesse bewiesen, ohne im geringsten gegen die Wahrheit der Empfindung zu verstoßen.
Es ist zu bewundern, wie schön und wahr die drei Charaktere der Stiftsdame, Nataliens und Theresens nuancirt sind. Die zwei ersten sind heilige, die zwei andern sind wahre und menschliche Naturen; aber eben darum weil Natalie heilig und menschlich zugleich ist, so erscheint sie wie ein Engel, da die Stiftsdame nur eine Heilige, Therese nur eine vollkommene Irdische ist. Natalie und Therese sind beide Realistinnen; aber bei Theresen zeigt sich auch die Beschränkung des Realism, bei Natalien nur der Gehalt desselben. Ich wünschte daß die Stiftsdame ihr das Prädicat einer schönen Seele nicht weggenommen hätte, denn nur Natalie ist eigentlich eine rein ästhetische Natur. Wie schön daß sie die Liebe, als einen Affect, als etwas ausschließendes und besonderes gar nicht kennt, weil die Liebe ihre Natur, ihr permanenter Charakter ist. Auch die Stiftsdame kennt eigentlich die Liebe nicht – aber aus einem unendlich verschiedenen Grunde.
Wenn ich Sie recht verstanden habe, so ist es gar nicht ohne Absicht geschehen, daß Sie Natalien unmittelbar von dem Gespräch über die Liebe und über ihre Unbekanntschaft mit dieser Leidenschaft den Uebergang zu dem Saal der Vergangenheit nehmen lassen. Gerade die Gemüthsstimmung, in welche man durch diesen Saal versetzt wird, erhebt über alle Leidenschaft, die Ruhe der Schönheit bemächtiget sich der Seele, und diese giebt den besten Aufschluß über Nataliens liebefreie und doch so liebevolle Natur.
Dieser Saal der Vergangenheit vermischt die ästhetische Welt, das Reich der Schatten im idealen Sinn, auf eine herrliche Weise mit dem lebendigen und wirklichen, so wie überhaupt aller Gebrauch, den Sie von den Kunstwerken gemacht, solche gar trefflich mit dem Ganzen verbindet. Es ist ein so froher freier Schritt aus der gebundenen engen Gegenwart heraus, und führt doch immer so schön zu ihr zurücke. Auch der Uebergang von dem mittlern Sarkophag zu Mignon und zu der wirklichen Geschichte ist von der höchsten Wirkung. Die Inschrift: gedenke zu leben ist trefflich, und wird es noch viel mehr, da sie an das verwünschte Memento mori erinnert, und so schön darüber triumphirt.
Der Oheim mit seinen sonderbaren Idiosynkrasien für gewisse Naturkörper ist gar interessant. Gerade solche Naturen haben eine so bestimmte Individualität und so ein starkes Maß von Empfänglichkeit, als der Oheim besitzen muß, um das zu sein, was er ist. Seine Bemerkung über die Musik und daß sie ganz rein zu dem Ohre sprechen solle ist auch voll Wahrheit. Es ist unverkennbar, daß Sie in diesen Charakter am meisten von Ihrer eigenen Natur gelegt haben.
Lothario hebt sich unter allen Hauptcharakteren am wenigsten heraus, aber aus ganz objectiven Gründen. Ein Charakter wie dieser kann in dem Medium, durch welches der Dichter wirkt, nie ganz erscheinen. Keine einzelne Handlung oder Rede stellt ihn dar; man muß ihn sehen, man muß ihn selbst hören, man muß mit ihm leben. Deßwegen ist es genug, daß die, welche mit ihm leben, in dem Vertrauen und in der Hochschätzung gegen ihn so ganz einig sind, daß alle Weiber ihn lieben, die immer nach dem Totaleindruck richten, und daß wir auf die Quellen seiner Bildung aufmerksam gemacht werden. Es ist bei diesem Charakter der Imagination des Lesers weit mehr überlassen als bei den andern, und mit dem vollkommensten Rechte; denn er ist ästhetisch, er muß also von dem Leser selbst producirt werden, aber nicht willkürlich, sondern nach Gesetzen, die Sie auch bestimmt genug gegeben haben. Nur seine Annäherung an das Ideal macht, daß diese Bestimmtheit der Züge nie zur Schärfe werden kann.
Jarno bleibt sich bis ans Ende gleich, und seine Wahl in Rücksicht auf Lydien setzt seinem Charakter die Krone auf. Wie gut haben Sie doch Ihre Weiber unterzubringen gewußt! – Charaktere wie Wilhelm, wie Lothario können nur glücklich sein durch Verbindung mit einem harmonirenden Wesen; ein Mensch wie Jarno kann es nur mit einem contrastirenden werden; dieser muß immer etwas zu thun und zu denken und zu unterscheiden haben.
Die gute Gräfin fährt bei der poetischen Wirthsrechnung nicht zum besten; aber auch hier haben Sie völlig der Natur gemäß gehandelt. Ein Charakter wie dieser kann nie auf sich selbst gestellt werden; es giebt keine Entwicklung für ihn, die ihm seine Ruhe und sein Wohlbefinden garantiren könnte; immer bleibt er in der Gewalt der Umstände, und daher ist eine Art negativen Zustandes alles, was für ihn geschehen kann. Das ist freilich für den Betrachter nicht erfreulich, aber es ist so, und der Künstler spricht hier bloß das Naturgesetz aus. Bei Gelegenheit der Gräfin muß ich bemerken, daß mir ihre Erscheinung im achten Buche nicht gehörig motivirt zu sein scheint. Sie kommt zu der Entwicklung, aber nicht aus derselben.
Der Graf soutenirt seinen Charakter trefflich, und auch dieses muß ich loben, daß Sie ihn durch seine so gut getroffenen Einrichtungen im Hause an dem Unglück des Harfenspielers schuld sein lassen. Mit aller Liebe zur Ordnung müssen solche Pedanten immer nur Unordnung stiften.
Die Unart des kleinen Felix, aus der Flasche zu trinken, die nachher einen so wichtigen Erfolg herbeiführt, gehört auch zu den glücklichsten Ideen des Plans. Es giebt mehrere dieser Art im Roman, die insgesammt sehr schön erfunden sind. Sie knüpfen auf eine so simple und naturgemäße Art das Gleichgültige an das Bedeutende und umgekehrt, und verschmelzen die Nothwendigkeit mit dem Zufall.
Gar sehr habe ich mich über Werners traurige Verwandlung gefreut. Ein solcher Philister konnte allenfalls durch die Jugend und durch seinen Umgang mit Wilhelm eine Zeitlang emporgetragen werden; sobald diese zwei Engel von ihm weichen, fällt er wie recht und billig der Materie anheim, und muß endlich selber darüber erstaunen, wie weit er hinter seinem Freunde zurückgeblieben ist. Diese Figur ist auch deßwegen so wohlthätig für das Ganze, weil sie den Realism, zu welchem Sie den Helden des Romans zurückführen, erklärt und veredelt. Jetzt steht er in einer schönen menschlichen Mitte da, gleich weit von der Phantasterei und der Philisterhaftigkeit, und indem Sie ihn von dem Hange zur ersten so glücklich heilen, haben Sie vor der letztern nicht weniger gewarnt.
Werner erinnert mich an einen wichtigen chronologischen Verstoß, den ich in dem Roman zu bemerken glaube. Ohne Zweifel ist es Ihre Meinung nicht, daß Mignon wenn sie stirbt ein und zwanzig Jahre und Felix zu derselben Zeit zehn oder eilf Jahre alt sein soll. Auch der blonde Friedrich sollte wohl bei seiner letzten Erscheinung noch nicht etliche und zwanzig Jahr alt sein u. s. f. Dennoch ist es wirklich so, denn von Wilhelms Engagement bei Serlo bis zu seiner Zurückkunft auf Lotharios Schloß sind wenigstens sechs Jahre verflossen. Werner der im fünften Buche noch unverheirathet war, hat am Anfang des achten schon mehrere Jungens, die »schreiben und rechnen, handeln und trödeln, und deren jedem er schon ein eigenes Gewerb eingerichtet hat«. Ich denke mir also den ersten zwischen dem fünften und sechsten, den zweiten zwischen dem vierten und fünften Jahr; und da er sich doch auch nicht gleich nach des Vaters Tode hat trauen lassen und die Kinder auch nicht gleich da waren, so kommen zwischen sechs und sieben Jahre heraus, die zwischen dem fünften und achten Buche verflossen sein müssen.
Humboldts Brief folgt hier zurücke. Er sagt sehr viel wahres über die Idylle; einiges scheint er mir nicht ganz so empfunden zu haben, wie ich’s empfinde. So ist mir die treffliche Stelle:
»Ewig, sagte sie leise«
nicht sowohl ihres Ernstes wegen schön, der sich von selbst versteht, sondern weil das Geheimniß des Herzens in diesem einzigen Worte auf einmal und ganz, mit seinem unendlichen Gefolge, herausstürzt. Dieses einzige Wort, an dieser Stelle, ist statt einer ganzen langen Liebesgeschichte, und nun stehen die zwei Liebenden so gegen einander, als wenn das Verhältnis; schon Jahre lang existirt hätte.
Die Kleinigkeiten, die er tadelt, verlieren sich in dem schönen Ganzen; indessen möchte doch einige Rücksicht darauf zu nehmen sein, und seine Gründe sind nicht zu verwerfen. Zwei Trochäen in dem vordern Hemipentameter haben freilich zu viel Schleppendes, und so ist es auch mit den übrigen Stellen. Der Gegensatz mit dem für einander und an einander ist freilich etwas spielend, wenn man es strenge nehmen will – und strenge nimmt man es immer gern mit Ihnen.
Leben Sie recht wohl. Ich habe eine ziemliche Epistel geschrieben, möchten Sie so gerne lesen, als ich schrieb.
Sch.
181. An Goethe.
Jena den 5. Juli 1796.
Jetzt da ich das Ganze des Romans mehr im Auge habe, kann ich nicht genug sagen, wie glücklich der Charakter des Helden von Ihnen gewählt worden ist, wenn sich so etwas wählen ließe. Kein anderer hätte sich so gut zu einem Träger der Begebenheiten geschickt, und wenn ich auch ganz davon abstrahire, daß nur an einem solchen Charakter das Problem aufgeworfen und aufgelöst werden konnte, so hätte schon zur bloßen Darstellung des Ganzen kein anderer so gut gepaßt. Nicht nur der Gegenstand verlangte ihn, auch der Leser brauchte ihn. Sein Hang zum reflectiren hält den Leser im raschesten Laufe der Handlung still, und nöthigt ihn immer vor-und rückwärts zu sehen und über alles was sich ereignet zu denken. Er sammelt so zu sagen den Geist, den Sinn, den innern Gehalt von allem ein, was um ihn herum vorgeht, verwandelt jedes dunkle Gefühl in einen Begriff und Gedanken, spricht jedes einzelne in einer allgemeineren Formel aus, legt uns von allem die Bedeutung näher, und indem er dadurch seinen eigenen Charakter erfüllt, erfüllt er zugleich aufs vollkommenste den Zweck des ganzen.
Der Stand und die äußre Lage, aus der Sie ihn wählten, macht ihn dazu besonders geschickt. Eine gewisse Welt ist ihm nun ganz neu, er wird lebhafter davon frappirt und während daß er beschäftigt ist, sich dieselbe zu assimiliren, führt er auch uns in das innere derselben und zeigt uns, was darin reales für den Menschen enthalten ist. In ihm wohnt ein reines und moralisches Bild der Menschheit, an diesem prüft er jede äußere Erscheinung derselben, und indem von der einen Seite die Erfahrung seine schwankenden Ideen mehr bestimmen hilft, rectificirt eben diese Idee, diese innere Empfindung gegenseitig wieder die Erfahrung. Auf diese Art hilft Ihnen dieser Charakter wunderbar, in allen vorkommenden Fällen und Verhältnissen, das rein menschliche aufzufinden und zusammen zu lesen. Sein Gemüth ist zwar ein treuer, aber doch kein bloß passiver Spiegel der Welt, und obgleich seine Phantasie auf sein Sehen Einfluß hat, so ist dieses doch nur idealistisch, nicht phantastisch, poetisch aber nicht schwärmerisch; es liegt dabei keine Willkür der spielenden Einbildungskraft, sondern eine schöne moralische Freiheit zum Grunde.
Ueberaus wahr und treffend schildert ihn seine Unzufriedenheit mit sich selbst, wenn er Theresen seine Lebensgeschichte aufsetzt. Sein Werth liegt in seinem Gemüth, nicht in seinen Wirkungen, in seinem Streben, nicht in seinem Handeln; daher muß ihm sein Leben, sobald er einem andern davon Rechenschaft geben will, so gehaltleer vorkommen. Dagegen kann eine Therese und ähnliche Charaktere ihren Werth immer in baarer Münze aufzählen, immer durch ein äußres Object documentiren. Daß Sie aber Theresen einen Sinn, eine Gerechtigkeit für jene höhere Natur geben, ist wieder ein sehr schöner und zarter Charakterzug; in ihrer klaren Seele muß sich auch das, was sie nicht in sich hat, abspiegeln können, dadurch erheben Sie sie auf einmal über alle jene bornirte Naturen, die über ihr dürftiges Selbst auch in der Vorstellung nicht hinaus können. Daß endlich ein Gemüth wie Theresens an eine ihr selbst so fremde Vorstellungs-und Empfindungsweise glaubt, daß sie das Herz, welches derselben fähig ist, liebt und achtet, ist zugleich ein schöner Beweis für die objective Realität derselben, der jeden Leser dieser Stelle erfreuen muß.
Es hat mich auch in dem achten Buche sehr gefreut, daß Wilhelm anfängt, sich jenen imposanten Autoritäten, Jarno und dem Abbé, gegenüber mehr zu fühlen. Auch dieß ist ein Beweis, daß er seine Lehrjahre ziemlich zurückgelegt hat, und Jarno antwortet bei dieser Gelegenheit ganz aus meiner Seele: »Sie sind bitter, das ist recht schön und gut, wenn Sie nur erst einmal recht böse werden, so wird es noch besser sein.« – Ich gestehe, daß es mir ohne diesen Beweis von Selbstgefühl bei unserm Helden peinlich sein würde, ihn mir mit dieser Klasse so eng verbunden zu denken , wie nachher durch die Verbindung mit Natalien geschieht. Bei dem lebhaften Gefühl für die Vorzüge des Adels und bei dem ehrlichen Mißtrauen gegen sich selbst und seinen Stand, das er bei so vielen Gelegenheiten an den Tag legt, scheint er nicht ganz qualificirt zu sein, in diesen Verhältnissen eine vollkommene Freiheit behaupten zu können, und selbst noch jetzt, da Sie ihn muthiger und selbstständiger zeigen, kann man sich einer gewissen Sorge um ihn nicht erwehren. Wird er den Bürger je vergessen können, und muß er das nicht, wenn sich sein Schicksal vollkommen schön entwickeln soll? Ich fürchte, er wird ihn nie ganz vergessen: er hat mir zuviel darüber reflectirt; er wird, was er einmal so bestimmt außer sich sah, nie vollkommen in sich hineinbringen können. Lotharios vornehmes Wesen wird ihn, so wie Nataliens doppelte Würde des Standes und des Herzens, immer in einer gewissen Inferiorität erhalten. Denke ich mir ihn zugleich als den Schwager des Grafen, der das Vornehme seines Standes auch durch gar nichts ästhetisches mildert, vielmehr durch Pedanterie noch recht heraussetzt, so kann mir zuweilen bange für ihn werden.
Es ist übrigens sehr schön, daß Sie, bei aller gebührenden Achtung für gewisse äußere positive Formen, sobald es auf etwas rein menschliches ankommt, Geburt und Stand in ihre völlige Nullität zurückweisen und zwar, wie billig, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Aber was ich für eine offenbare Schönheit halte, werden Sie schwerlich allgemein gebilliget sehen. Manchem wird es wunderbar vorkommen, daß ein Roman, der so gar nichts » Sanscülottisches« hat, vielmehr an manchen Stellen der Aristokratie das Wort zu reden scheint, mit drei Heirathen endigt, die alle drei Mißheirathen sind. Da ich an der Entwicklung selbst nichts anders wünsche als es ist, und doch den wahren Geist des Werkes auch in Kleinigkeiten und Zufälligkeiten nicht gerne verkannt sehe, so gebe ich Ihnen zu bedenken, ob der falschen Beurtheilung nicht noch durch ein Paar Worte »in Lotharios Munde« zu begegnen wäre. Ich sage in Lotharios Munde, denn dieser ist der aristokratische Charakter, er findet bei den Lesern aus seiner Klasse am meisten Glauben, bei ihm fällt die Mésalliance auch am stärksten auf. Zugleich gäbe dieses eine Gelegenheit, die nicht so oft vorkommt, Lotharios vollendeten Charakter zu zeigen. Ich meine auch nicht, daß dieses bei der Gelegenheit selbst geschehen sollte, auf welche der Leser es anzuwenden hat: desto besser vielmehr, wenn es unabhängig von jeder Anwendung und nicht als Regel für einen einzelnen Fall, aus seiner Natur herausgesprochen wird.
Was Lothario betrifft, so konnte zwar gesagt werden, daß Theresens illegitime und bürgerliche Abkunft ein Familiengeheimniß sei; aber desto schlimmer, dürften alsdann manche sagen, so muß er die Welt hintergehen, um seinen Kindern die Vortheile seines Standes zuzuwenden. Sie werden selbst am besten wissen, wie viel oder wie wenig Rücksicht auf diese Armseligkeiten zu nehmen sein möchte.
Für heute nichts weiter. Sie haben nun allerlei durcheinander von mir gehört und werden noch manches hören, wie ich voraussehe; möchte etwas darunter sein, was Ihnen dienlich ist!
Leben Sie wohl und heiter.
Sch.
Sollten Sie den Vieilleville in den nächsten acht Tagen entbehren können, so bittet meine Frau darum und auch ich wünschte eine Nachtlectüre darin zu finden.
Haben Sie auch die Güte mir die Auslage zu nennen, die Sie für meine Tapeten gehabt haben, und zugleich zwei Laubthaler dazu zu setzen, die ich Sie an Herrn Facius für das Horenpetschaft auszulegen bat. Der Caviar, den Humboldt Ihnen schickte , und worüber ich mich mit ihm berechne, beträgt acht Reichsthaler, welches ich für eine genossene Speise ziemlich viel finde.
182. An Schiller.
Gleich, nachdem ich Ihren ersten Brief erhalten hatte, fing ich an Ihnen etwas darauf zu sagen: nun überraschen mich, in meinen wahrhaft irdischen Geschäften, Ihre zwei folgenden Briefe, wahrhaft als Stimmen aus einer andern Welt, auf die ich nur horchen kann. Fahren Sie fort mich zu erquicken und aufzumuntern! Durch Ihre Bedenken setzen Sie mich in den Stand das achte Buch, sobald ich es wieder angreife, zu vollenden. Ich habe schon fast für alle Ihre Desideria eine Auskunft, durch die sich, selbst in meinem Geiste, das Ganze auch an diesen Punkten mehr verbindet, wahrer und lieblicher wird. Werden Sie nicht müde mir durchaus Ihre Meinung zu sagen und behalten Sie das Buch noch diese acht Tage bei sich. Was Sie von Cellini bedürfen bringe ich indeß vorwärts; ich schreibe Ihnen nur summarisch was ich am achten Buche noch zu arbeiten denke , und alsdann soll die letzte Abschrift Anfang August aus unsern Händen sein.
Ihre Briefe sind jetzt meine einzige Unterhaltung, und wie dankbar ich Ihnen sei daß Sie mir so auf einmal über so vieles weghelfen , werden Sie fühlen. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie die liebe Frau.
Weimar den 5. Juli 1796.
G.
183. An Goethe.
Mittwoch Abend. {Jena den 6. Juli 1796.}
Ich wollte mich diesen Nachmittag mit Ihnen und dem Meister beschäftigen, aber ich habe keinen freien Augenblick gehabt und mein Zimmer wurde nicht leer von Besuchen. Jetzt da ich schreibe ist die Kalbische und Steinische Familie da: man spricht sehr viel von der Idylle und meint, daß »sie Sachen enthalte, die noch gar nicht seien von einem Sterblichen ausgesprochen worden.« – Trotz aller Entzückung darüber skandalisirte sich doch die Familie Kalb an dem Päckchen, das dem Helden nachgetragen würde, welches sie für einen großen Fleck an dem schönen Werke hält. Das Product sei so reich, und der Held führe sich doch wie ein armer Mann auf.
Sie können denken, daß ich bei dieser Kritik aus den Wolken fiel. Es war mir so neu, daß ich glaubte, sie spräche von einem andern Producte. Ich versicherte ihr aber, daß ich mich an einer solchen Art von Armuth nicht stieße, wenn nur der andere Reichthum da sei.
Leben Sie recht wohl. Auf den Freitag mehr.
Sch.
184. An Schiller.
Herzlich danke ich Ihnen für Ihren erquickenden Brief und für die Mittheilung dessen, was Sie bei dem Roman, besonders bei dem achten Buche, empfunden und gedacht. Wenn dieses nach Ihrem Sinne ist, so werden Sie auch Ihren eigenen Einfluß darauf nicht verkennen, denn gewiß ohne unser Verhältniß hätte ich das Ganze kaum, wenigstens nicht auf diese Weise, zu Stande bringen können. Hundertmal, wenn ich mich mit Ihnen über Theorie und Beispiel unterhielt, hatte ich die Situationen im Sinne die jetzt vor Ihnen liegen, und beurtheilte sie im Stillen nach den Grundsätzen über die wir uns vereinigten. Auch nun schützt mich Ihre warnende Freundschaft vor ein Paar in die Augen fallenden Mängeln, bei einigen Ihrer Bemerkungen habe ich das sogleich gefunden wie zu helfen sei, und werde bei der neuen Abschrift davon Gebrauch machen.
Wie selten findet man bei den Geschäften und Handlungen des gemeinen Lebens die gewünschte Theilnahme, und in diesem hohen ästhetischen Falle ist sie kaum zu hoffen, denn wie viele Menschen sehen das Kunstwerk an sich selbst, wie viele können es übersehen und dann ist es doch nur die Neigung, die alles sehen kann was es enthält, und die reine Neigung, die dabei noch sehen kann was ihm mangelt. Und was wäre nicht noch alles hinzuzusetzen um den einzigen Fall auszudrücken, in dem ich mich nur mit Ihnen befinde.
So weit war ich gleich nach Ihrem ersten Briefe gekommen, äußere und innere Hindernisse hielten mich ab fortzufahren; auch fühle ich wohl, daß ich, selbst wenn ich ganz ruhig wäre, Ihnen gegen Ihre Betrachtungen keine Betrachtungen zurückgeben konnte. Was Sie mir sagen muß, im Ganzen und Einzelnen, in mir praktisch werden, damit das achte Buch sich Ihrer Theilnahme recht zu erfreuen habe. Fahren Sie fort, mich mit meinem eigenen Werke bekannt zu machen, schon habe ich in Gedanken Ihren Erinnerungen entgegen gearbeitet, etwa künftigen Mittewoch will ich die Art und Weise von dem, was ich zu thun gedenke, nur summarisch anzeigen. Sonnabend den 16. wünschte ich das Manuscript zurück und am gleichen Tage soll Cellini aufwarten.
Sobald die Xenien abgeschrieben sind, schicke ich Ihr Exemplar zurück und arbeite indessen in meins hinein.
Ich habe die Idylle Knebeln gegeben, um sie in Umlauf zu setzen; einige Bemerkungen, die er mir ins Haus brachte, sowie die, welche Sie mir mittheilen, überzeugen mich wieder aufs neue, daß es unsern Hörern und Lesern eigentlich an der Aufmerksamkeit fehlt, die ein so obligates Werk verlangt. Was ihnen gleich einleuchtet das nehmen sie wohl willig auf, über alles woran sie sich nach ihrer Art stoßen, urtheilen sie auch schnell ab, ohne vor noch rückwärts, ohne auf den Sinn und Zusammenhang zu sehen, ohne zu bedenken, daß sie eigentlich den Dichter zu fragen haben, warum er dieses und jenes so und nicht anders machte? Ist doch deutlich genug ausgedrückt:
Sorglich reichte die Mutter
ein nachbereitetes Bündel.
Es ist also keinesweges die ganze Equipage, die schon lange auf dem Schiff ist und dort sein muß, die Alte erscheint nur, in ihrer Mutter-und Frauenart, thätig im einzelnen, der Vater umfaßt die ganze Idee der Reise in seinem Segen. Der Sohn nimmt das Päckchen selbst , da der Knabe schon wieder weg ist, und um der Pietät gegen die Mutter willen und um das einfache goldne Alter anzuzeigen, wo man sich auch wohl selbst einen Dienst leistete. Nun erscheint, in der Gradation, auch das Mädchen gebend, liebend und mehr als segnend, der Knabe kommt wieder zurück, drängt, und ist zum tragen bei der Hand, da Alexis sich selbst kaum nach dem Schiffe tragen kann. Doch warum sag’ ich das? und warum Ihnen? – Von der andern Seite betrachtet sollte man vielleicht die Menschen, sobald sie nur einen guten Willen gegen etwas zeigen, auch mit gutem Willen mit seinen ästhetischen Gründen bekannt machen. Nun sieht man aber, daß man nie ins Ganze wirken kann, und daß die Leser immer am einzelnen hängen, da vergeht einem denn Lust und Muth und man überläßt sie in Gottes Namen sich selbst. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie die liebe Frau und danken ihr für das Briefchen; ich wünsche bald wieder von Ihnen zu hören.
Donnerstag {7. Juli.}
G.