Kitabı oku: «Zeuge und Aussagepsychologie», sayfa 4

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9. Justizirrtümer – zur Rolle der Psychowissenschaften

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Lesenswert sind die Ausführungen von Steller u.a. zu:


Im Namen des Volkes: Wir glauben dir alles!
Suggestion: Ich sehe das, was du nicht siehst.
Trauma: Weil ich mich an nichts erinnern kann, muss da was gewesen sein.
Aufdeckungseifer: Von Justiz- bzw. Psychokatastrophen nach aussagepsychologischen Begutachtungen

Steller[121] resümiert: „Die Rolle der Psychowissenschaften bei der Entstehung von Irrtümern der Justiz kann darin bestehen, dass ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten oder Sachverständige ausschließlich von der Erlebniswelt ihrer Patienten bzw. Klienten ausgehen. Sie behandeln und handeln unter der Devise, dass allein die subjektive Realität der Patienten ausschlaggebend sei. Zweifel am Wahrheitsgehalt von Opferbekundungen sind unzeitgemäß, ja unmoralisch, so denken sie. Diese Einstellung kann fatale Folgen haben.“

Richterliche (Un)Kenntnis. Eschelbach[122] verdeutlicht mangelnde richterliche Kenntnisse im Bereich der Aussagebeurteilung, vor allem bei falsch positiven Aussagen: „Schon die Aufdeckung von den vom Zeugen als wahr eingeschätzten Pseudoerinnerungen, die aufgrund von Autosuggestion, Fremdsuggestion oder sonstigen Fremdeinflüssen auf die im Gedächtnis abgespeicherte Information entstehen, ist auch für Aussagepsychologen auf dieser Grundlage nicht oder jedenfalls nicht ebenso zuverlässig zu leisten wie die Aufdeckung einer Lüge. Sie können allenfalls zum Grad der Suggestibilität des individuellen Zeugen Angaben machen, auf Alternativhypothesen zur Verdachtsannahme hinweisen und Problemzonen für die richterliche Beweiswürdigung benennen. Das ist nicht viel, aber doch deutlich mehr als reine Intuition. Aussagepsychologie kann schon viel bewirken, wenn sie nur gedächtnispsychologischen Faktoren, die hier wirksam werden können, bekannt und bewusst macht. Die intuitive richterliche Beweiswürdigung der Berufs- und Laienrichter geht daran nur allzu oft vorbei. Ob die Aussagepsychologie der intuitiv agierenden richterlichen Beweiswürdigung bei der Abgrenzung von erlebnisbezogenen und der Wahrheit nahekommenden Aussagen von Angaben über Pseudoerinnerungen allerdings im Ergebnis kategorial überlegen ist, lässt sich in Frage stellen. Eine abschließende Validitätsüberprüfung fehlt in beiden Bereichen. Letzteres geht mit dem Totalausfall einer neuen Fehlurteilsforschung seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Tübinger Untersuchungen durch Karl Peters über „Fehlerquellen im Strafprozess“ 1970 bis 1974 einher. Die Beachtung von formalen Methodenvorgaben für die Erstellung schriftlicher Gutachten durch Aussagepsychologen über individuelle Zeugen und ihre Angaben zur Sache liefert auch keine Ergebnissicherheit, sondern nur einen — bisweilen trügerischen — Anschein dafür.“

10. Aussagepsychologische Fachliteratur

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Arntzen hat Anfang der neunziger Jahre die praktische Verbreitung der Aussagepsychologie gefördert.[123] Seine Auswertungen stützte er – nach eigenen Angaben – auf ca. 50 000 „psychologische Gutachten über die Glaubwürdigkeit“ in der Zeit von 1950 bis 1990. Kritisch zu sehen ist, dass er die Untersuchungen im Einzelnen nicht veröffentlicht und damit einer wissenschaftlichen Diskussion entzogen hat. Arntzen sah seine Erkenntnisse durch „nachträgliche Geständnisse“ bestätigt[124], ohne erkennbar zu erwägen, dass der Beschuldigte ggf. nur aufgrund des Drucks des ihn belastenden Gutachtens ein Geständnis abgelegt haben könnte.

Wohl als Reaktion darauf, dass ideologisch ausgerichtete Aufdeckungsarbeit immer mehr Platz griff und sexueller Missbrauch zum „Modedelikt“ avancierte, erschien Mitte der neunziger Jahre das „Handbuch sexueller Mißbrauch“[125]. Wegweisend und immer noch aktuell ist der darin enthaltene Aufsatz von Undeutsch[126], der sich inhaltlich mit dem Nachweis sexuellen Missbrauchs, der Analyse des Aussageinhaltes, der Bedeutung von Geschichte und Entwicklung der Aussage, der Divergenz von Psychotherapie und Wahrheitsforschung, der Suggestibilitätsforschung und der Prüfung alternativer Hypothesen befasst.

Es folgten Veröffentlichungen in familienrechtlichen Zeitschriften.[127]

Aufsehen erregend war 1992 der Beitrag von Müther/Kluck „Vom Mißbrauch mit dem Mißbrauch“[128].

Endres/Scholz „Sexueller Kindesmißbrauch aus psychologischer Sicht“ war die erste Veröffentlichung in einer strafrechtlichen Zeitschrift zu den seinerzeit „gängigen“ Themen, so zu: Missbrauchsverdächtigungen[129], Symptomen[130], spontanen Falschaussagen von Kindern[131], aufdeckenden Psychotherapien[132], Verhaltensdeutung[133], projektiven Verfahren[134], Beeinflussungsgefahr durch suggestive Befragung und konfrontativen Befragungstechniken, dem sog. Lügendetektor und der Beurteilung der Persönlichkeit des Beschuldigten.[135]

Im Nachgang zu den genannten spektakulären Verfahren erschienen einige aussagepsychologische Fachbücher, so z.B. das Buch von Steller/Volbert „Psychologie im Strafverfahren“[136], es folgte das Standardwerk „Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage“ einer Autorengruppe zusammen mit Greuel[137].

„Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen“ von Westhoff/Kluck ist dem Straf- und Familienjuristen zu empfehlen, der sich grundlegend mit den Besonderheiten psychologischer Gutachtenerstellung befassen will. 2014 ist es in der 6. Auflage erschienen.

Seit 2008 liegt das „Handbuch der Rechtspsychologie“[138] vor, lesenswert ist auch die 2010 von Volbert[139] veröffentlichte Abhandlung zur Erstellung aussagepsychologischer Gutachten, die die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse anschaulich und übersichtlich darstellt.

2017 haben Niehaus, Volbert und Fegert dem Strafjuristen mit dem Buch „Entwicklungsgerechte Befragung von Kindern im Strafverfahren“ das notwendige Rüstzeug zum besseren Verständnis von Kinderaussagen an die Hand gegeben.

II. Glaubwürdigkeit des Zeugen – Glaubhaftigkeit der Aussage

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Lange Zeit wurden Zeugenaussagen nach der Persönlichkeit des Zeugen beurteilt. Hatte der Zeuge einen honorigen Beruf, genoss er allseits Ansehen, sprach viel dafür, dass er auch die Wahrheit sagte. Eine solche ausschließlich persönlichkeitszentrierte Betrachtungsweise ist durch die Erkenntnisse der modernen Aussagepsychologie in den letzten 50 Jahren abgelöst worden. Entscheidend ist allein die Aussage des Zeugen. Persönlichkeitsaspekte spielen dabei nur im Rahmen seiner individuellen Aussagekompetenz eine Rolle.

Man sprach auch von der Glaubwürdigkeit der Person und der Glaubhaftigkeit der Aussage. Damals wurde zwischen genereller und spezieller Glaubwürdigkeit unterschieden, so z.B. in der Entscheidung aus dem Jahr 1993[140]:

„Die Klärung der allgemeinen Glaubwürdigkeit läßt noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit zu. … Die neu zur Entscheidung berufene StrK wird gegebenenfalls zu bedenken haben, daß Anlaß bestehen kann, zwischen der allgemeinen und der speziellen Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu unterscheiden. Während die letztere die Frage der Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Aussage zum jeweiligen Verfahrensgegenstand betrifft, betrifft die allgemeine Glaubwürdigkeit die Frage, ob man dem Zeugen hinsichtlich sonstiger Angelegenheiten außerhalb des Verfahrens grundsätzlich Glauben schenken kann. Die Klärung der allgemeinen Glaubwürdigkeit läßt nach den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit zu[141].“

In der Grundsatzentscheidung des BGH[142] zu aussagepsychologischen Gutachten wird klargestellt, dass es heute nicht mehr um die allgemeine Glaubwürdigkeit geht:

BGH [1 StR 618/98]

„Gegenstand einer aussagepsychologischen Begutachtung ist wie sich bereits aus dem Begriff ergibt nicht die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Untersuchten im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft. Es geht vielmehr um die Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen, d.h. einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entsprechen (Gutachten Prof. Dr. Steller; s. auch Herdegen aaO Rdn. 31).“

Dass die Persönlichkeit des Zeugen nichts über den Wahrheitsgehalt seiner Aussage aussagt, hat der BGH[143] in letzter Zeit noch einmal ausdrücklich klargestellt. Danach muss einer „offenen und ehrlichen Persönlichkeit“ nicht entgegenstehen, dass der Zeuge in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt hat.

Diese BGH-Rechtsprechung geht zurück auf Undeutsch, der mit der Unterscheidung zwischen der Glaubwürdigkeit der Person und der Glaubhaftigkeit der Aussage die vierte Phase der Aussagepsychologie einläutete.[144]

Auch das Bundesverfassungsgericht[145] hat 2005 klargestellt: „Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage im übrigen ist letztlich nicht zwischen allgemeiner Glaubwürdigkeit und spezieller Glaubwürdigkeit unterschieden (vgl. schon BGH StV 1994, 64 m.w.N.; eingehend Boetticher in NJW Sonderheft für G. Schäfer 8, 12 m.w.N.); dementsprechend steht weniger die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft (sein ‚Leumund‘) im Vordergrund, sondern vorrangig die Analyse des Aussageinhalts, d.h. eine methodische Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entsprechen (vgl. BGHSt 45, 164; StV 2002, 639, 640).“

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Früheres Verhalten kann nach BVerfG[146] und BGH[147] dennoch Schlussfolgerungen zulassen, wenn die entsprechende frühere Lebenssituation mit der jetzigen vergleichbar ist.

Steller[148] greift das allseits bekannte Sprichwort ‚Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht‘ auf, in dem der Volksmund auf eine charakterbezogene Glaubhaftigkeitseinschätzung hinweist: stellt klar, „dass Feststellungen über die allgemeine Glaubwürdigkeit einer Person keine hinreichend eindeutigen Beziehungen zu der Glaubhaftigkeit von spezifischen Bekundungen dieser Person aufweisen“. Gleichzeitig „mache der Volksmund aber die Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilungsstrategie deutlich (‚und wenn er auch die Wahrheit spricht‘)“.

Diese Gesichtspunkte sind bei der Beurteilung von Zeugenaussagen zu beachten; das sowohl schon bei Vernehmungen als auch bei der aussagepsychologischen Begutachtung. Das wird im Weiteren ausführlich in Teil 2 „Zeugenvernehmung“ und Teil 3 „Aussagepsychologische Begutachtung“ dargestellt.

Es folgt eine Darstellung der Rechtsprechung zur Aussagebeurteilung.

III. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beurteilung von Zeugenaussagen – unter Berücksichtigung aussagepsychologischer Aspekte

1. Die „ureigenste Aufgabe“ des Gerichts

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Die Beurteilung von Zeugenaussagen ist ureigenste Aufgabe des Gerichts – das ist gefestigte Rechtsprechung seit Jahrzehnten. Das hat der BGH auch in der Grundsatzentscheidung[149] zu aussagepsychologischen Gutachten noch einmal bekräftigt. Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens soll nach wie vor die Ausnahme bleiben, der Tatrichter soll „gerade zu eigenständiger Aussageanalyse und Beweiswürdigung“ ermutigt werden.[150]

Hierbei hat er nicht den strengen methodischen Vorgaben der aussagepsychologischen Begutachtung zu folgen.[151] Für ihn gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 261 StPO.[152] In diesem Rahmen sind indes die in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Anforderungen an eine je nach Beweislage erschöpfende Beweiswürdigung zu beachten, die nicht lückenhaft sein, erörterungsbedürftige Möglichkeiten nicht unerwogen lassen und anerkannten Erfahrungssätzen der Aussagepsychologie nicht widerstreiten darf.[153]

a) Grundwissen des Richters

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Die Beurteilung von Zeugenaussagen ist die „zentrale Materie“[154] des Richters, bei der er grundsätzlich keine sachverständige Hilfe benötigt.

Das Bundesverfassungsgericht[155] hat jedoch aus den wissenschaftlichen, insbesondere den kriminalistischen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen Erfahrungsregeln gewonnen, und daraus Grundsätze für die Beweiswürdigung und ihre Darlegung in den Urteilsgründen entwickelt: insbesondere für Beweissituationen, die erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen, wie in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, und in denen die Entscheidung davon abhängt, welcher der einander widersprechenden Aussagen das Gericht folgt[156], in Fällen, in denen es um die Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen[157] geht sowie in Fällen des Wiedererkennens.[158]

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Beachtung aussagepsychologischer Erfahrungsregeln im Rahmen der Beweiswürdigung – nach BVerfG – insb. bei


Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen
in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht
in Fällen des Wiedererkennens

Die Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse erscheint auch geboten, „weil zur Widerlegung der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 19, 342, 347) und Art. 6 Abs. 2 MRK ergebenden Unschuldsvermutung der Wert der Belastungsbeweise durch die Anwendung der jeweils vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bestimmen und dadurch zu erhärten ist (vgl. Brause NStZ 2007, 505)“.[159]

Ob der Richter tatsächlich über ausreichende eigene Sachkunde verfügt, ergibt sich zuletzt aus dem Urteil. Manches Mal kann man fehlende bzw. vorhandene Sachkunde eines Gerichts auch aus Beschwerdebegründungen im Rahmen von Haftbeschwerdeverfahren entnehmen.

Hinweis

Der Verteidiger sollte so früh wie möglich die Sachkunde „einfordern“, indem er die Beurteilung der seinen Mandanten belastenden Aussage nicht dem Staatsanwalt/Richter überlässt. Vielmehr sollte er sich intensiv mit dem Aktenmaterial, insbesondere den Vernehmung(en) und bei Vorliegen eines aussagepsychologischen Gutachtens auch mit dem Explorationsprotokoll befassen, unter aussagepsychologischen Gesichtspunkten auswerten und die Aspekte, die gegen den Erlebnisbezug der Aussage sprechen, ausführlich in einer Schutzschrift aufzeigen.

Vielfach besteht die Verteidigung jedoch nur darin, die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zu beantragen. Bewertet der Sachverständige die den Beschuldigten belastende Aussage als wahrscheinlich glaubhaft, rät mancher Verteidiger dem Mandanten zum Geständnis. Problematisch erscheint das dann, wenn der Mandant den Vorwurf bestreitet. In jedem Fall sollte der Verteidiger zunächst das Gutachten auf methodische Mängel überprüfen. Erschwert dürfte eine kritische Würdigung des Gutachtens sein, wenn der Verteidiger den Sachverständigen selbst vorgeschlagen hat.

b) Aussage gegen Aussage

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Besondere Glaubhaftigkeitsprüfung. Beruht die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten allein auf der Aussage des einzigen Belastungszeugen, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, so sind – nach gefestigter BGH-Rechtsprechung – an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu stellen. Der Tatrichter muss sich bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen ist, zumal der Angeklagte in solchen Fällen wenig Verteidigungsmöglichkeiten durch eigene Äußerungen zur Sachlage besitzt. Eine lückenlose Gesamtwürdigung ist dann von besonderer Bedeutung.“ [160] Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH[161] müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.[162] Der BGH formuliert eindeutig[163]: „In Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen (hier: wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung) bedarf es einer sorgfältigen Inhaltsanalyse und einer möglichst genauen Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, einer Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs, sowie einer Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben.“

Sorgfältige Aussageanalyse – bei Aussage gegen Aussage – zu:


sorgfältige Inhaltsanalyse
genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte
Bewertung des Aussagemotivs
Konstanzanalyse
Detailliertheitsprüfung
Plausibilitätsprüfung

Das BVerfG hat klargestellt: „Wenngleich die Beweiswürdigung von Gesetzes wegen ‚frei‘, d.h. keinen Beweisregeln unterworfen ist (vgl. Schäfer a.a.O., S. 148), hat die obergerichtliche Rechtsprechung aus den wissenschaftlichen, insbesondere den kriminalistischen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen gewonnene Erfahrungsregeln, Grundsätze für die Beweiswürdigung und ihre Darlegung in den Urteilsgründen entwickelt, die bei Nichteinhaltung die Aufhebung in der Revision zur Konsequenz haben. Dies gilt insbesondere für Beweissituationen, die – auch von Verfassungs wegen – erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen, wie u.a. die Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen (vgl. BGH StV 1985, S. 45 (47); StV 1985, S. 268 (269); BVerfGE 57, 250 (293); StV 1995, S. 561 (562)), Fälle, in denen Aussage gegen Aussage steht und in denen die Entscheidung davon abhängt, welcher der einander widersprechenden Aussagen das Gericht folgt (vgl. BGH StV 1995, S. 115 f.; 1996, S. 249 f.; NStZ 1997, S. 494; 2000, S. 496 f.; 2001, S. 161 (162); StV 2002, S. 466 (467); S. 468 f.; S. 469; S. 470 und S. 470 (471); NStZ 2003, S. 164 (165) und S. 165 (166 f.); BGHSt 44, 153 (158 f.); 44, 256 (257)), sowie Fälle des Wiedererkennens (vgl. BGH StV 1993, S. 234 und S. 627 f. [LS]; 1994, S. 282; BGHR § 261 StPO Identifizierung 1 und 3)[164]

Der Tatrichter hat naheliegende Gesichtspunkte zu prüfen. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, wenn das Gericht aufgrund eigener Sachkunde die Aussageanalyse in Anlehnung an die Maßstäbe vornimmt, die der BGH für aussagepsychologische Gutachten entwickelt hat.[165]

Hinweis

Auch der Verteidiger kann sich an der aussagepsychologischen Prüfstrategie – die ausführlich in diesem Buch dargestellt wird – orientieren. Sein Augenmerk sollte er vor allem auf die sich aus der Akte ergebenden Hinweise auf die Entstehung und Entwicklung der Aussage legen, da darin oftmals Erklärungen für die Beschuldigung zu finden sind. Das gilt für alle Aussagen in jedem Verfahren, nicht nur in den Sexualstrafsachen.

2. BGH-Rechtsprechung: Gutachten ist Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage

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Der BGH [2 StR 354/03][166] hat – unter Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung[167] – klargestellt, dass das Gutachten zusätzliches Indiz für die Glaubhaftigkeit einer Aussage sein kann. Dabei ist es nicht Aufgabe des Sachverständigen, darüber zu befinden, ob die zu begutachtende Aussage wahr ist oder nicht; dies ist dem Tatrichter vorbehalten. Der Sachverständige soll vielmehr dem Gericht die Sachkunde vermitteln, mit deren Hilfe es die Tatsachen feststellen kann, die für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit wesentlich sind.

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