Kitabı oku: «Glaube, Irrglaube und die Macht der Liebe», sayfa 3

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„Ich muss einfach das Leben in der Natur beobachten. Wir können so viel lernen von ihr. Ich weiß, dass auch wir Menschen diesen Seelenkompass haben, der uns die Rich­tung weist. Schwester Adelgunde, schau doch nur diese Spinne an: Seit Stunden webt sie an ihrem Netz. Sieh, wie es funkelt und glitzert in der Sonne. Ist es nicht ein Wun­derwerk?“

„Erst vor ein paar Tagen habe ich einen Raben beob­achtet, der Steinchen für Steinchen in seinem Schnabel brachte und in den ausgehölten Stein legte, bis das Wasser darin so hoch stand, dass er mühelos davon trinken konnte. Und jetzt geh‘ ich wieder zu den Bienen und will ihnen danken, dass sie so emsig für uns Wachs und Honig ma­chen.“

Anna wurde sehr nachdenklich. Dieses Kind gab ihr immer wieder Rätsel auf. Ihre Beobachtungsgabe schien grenzenlos. Fast täglich kam sie zu ihr, zeigte ihr Heft und wollte mit ihr über ihre zahlreichen Beobachtungen reden, die sie wieder gemacht hatte. Anna las staunend, betrach­tete die Zeichnungen und konnte nur immer wieder fest­stellen, dass das Kind eine ganz besondere Begabung hatte.

Tagtäglich beobachte Lucinde das Geschehen in der Natur: Das Wachsen und Reifen, das Vergehen und Neu­werden und schrieb unermüdlich ihre Gedanken auf: Mensch und Natur stehen in Verbindung, alles zwischen Himmel und Erde hat eine Beziehung zueinander. Der Kreislauf der Stoffe verbindet alles Leben auf der Erde: Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien. Die Pflanzen neh­men Licht und Wärme auf - die Schätze der Sonne - und speichern diese Kräfte in ihren Samen. Diese Pflanzensa­men sind sehr wertvoll, weil sie dort entstehen, wo ich die Pflanze als Verbindung zwischen Erde und Himmel sehe. Verwurzelt im Boden nehmen Pflanzen Wasser und Stoffe für ihr Wachstum auf und verwandeln sie mit Hilfe des Lichts zu kostbaren Substanzen. Diese Wandlung mit dem Licht der Sonne ist ein kleines Wunder und lebenswichtig für uns Menschen und die Tiere. Wir atmen den Stoff, der dabei frei wird. Blätter, Früchte, Samen und Pflanzen er­nähren und heilen uns. Die Äbtissin konnte nicht fassen, was sie da las. Wie konnte das Kind all dies wissen?

Vor allem in der Stille der Natur, wo die Wolken am Himmel und die Pflanzen auf der Erde mit den Steinen in der Landschaft eine untrennbare Einheit bilden, fand Lu­cinde Antworten auf ihre Fragen. Und sie hatte viele Fra­gen: Vor allem suchte sie die Substanzen in den Kräutern, die mit Hilfe des Sonnenlichtes und der Wärme zu Heilkräutern wurden. Wie können diese am besten für Menschen und Tiere ihre Heilkraft entfalten? Und welches Kraut ist für die Kranken das passende?

Lucinde schob ihre kleine Hand in die der Mutter und bemühte sich, extra große Schritte zu machen, während die Äbtissin scheinbar unauffällig ihren Schritt verkleinerte. Ein heiteres Spiel, bei dem ihnen ab und zu ein Gleich­schritt gelang. Lachend rief Lucinde aus: „O Mutter, das Leben ist so schön, genauso soll es ewig weiter gehen!“ Lange schwieg die Äbtissin nachdenklich. „Mein liebes Kind“, antwortete sie auf einmal ernst. „Es gibt Augenbli­cke im Leben, in denen wir uns das alle wünschen. Aber im nächsten Moment erinnern wir uns daran, dass das ein­zig Beständige im Leben die Veränderung ist. Alles, was lebt auf Gottes weiter Welt, verändert sich unaufhörlich. Nur das Tote verändert sich nicht mehr. Wir brauchen nur in die Natur zu schauen, um dies zu erkennen.“

Wallensteins Patriotismus

war nicht so leicht zu durchschauen. War er im Herzen ein Tscheche oder ein Deutscher? Der Kaiser war entschlossen, die Macht seines Feldherrn bis zum Letzten auszunutzen, bevor er sich seiner entledigte. Inzwischen bemühten sich die Fürsten, Wallenstein zu stürzen. Zum Unglück Deutschlands standen wieder zwei Parteien gegen den Kai­ser und zudem gegeneinander. Die eine Partei, die Maximi­lians und der katholischen Fürsten, verlangte, dass Deutschland unter Verhältnissen gefestigt werde, wie sie vor Wallensteins Erhebung zum Herzog von Mecklenburg bestanden hatten. Im Gegensatz zu dieser Partei stand die Gruppe der protestantischen Verfassungsanhänger unter der Führung Johanns von Sachsen, der mit dem Kurfürsten von Brandenburg die Wiedereinsetzung Friedrichs von der Pfalz forderte. Hätten die beiden Grup­pen sich vereinigt, wie der Kurfürst von Mainz schon vier Jahre zuvor gehofft hatte, wäre es möglich gewesen, dem Kaiser den Willen der Kur­fürsten aufzuzwingen und den Krieg beizulegen.

Der Kaiser schickte seinen Feldherrn an die Ostsee­küste, um Stralsund anzugreifen. Doch Stralsund wider­stand und Wallenstein musste mit seinen Truppen abziehen. Einen Monat später besuchte er den dänischen König und erreichte, dass Dänemark 1629 aus dem Krieg austrat. Die verbündeten Herzöge von Mecklenburg wurden abgesetzt. Ihre Landesherrschaft übertrug der Kaiser auf Wallenstein, um damit seine Schul­den bei ihm zu begleichen. Im selben Jahr erließ Ferdinand das Restitutionsedikt, das die Rück­erstattung aller, von protestantischen Fürsten eingezogenen, geistlichen Besitz­tümer vorsah.

Wer sich dem Druck beugte und katholisch wurde, den traf wie überall die Verachtung der Pastoren. Dietwar aus Kitzingen in Franken notierte: Einige sind dem Herrn Christo und seinem Testamente treulos geworden. Das Wetter erschlug ein Weib, welches die erste gewesen war, welche von ihrem protestantischen Glauben abgefallen war. Und solche Gottesgerichte konnte man mehr sehen.

Ein explosives Gemisch hatte bereits 10 Jahre vor Kriegs­beginn im süddeutschen Donauwörth (Schwäbischwerd) eine gewaltige Unruhe verursacht: Die Katholiken wollten durch den mehrheitlich protestantischen Ort eine Prozes­sion abhalten. Protestanten griffen sich die Fahnen der Katholiken, schleiften sie durch den Schmutz und schrien: „Die Friedensstörer, die Pfaffen, die Abgötter, die Halun­ken …“ Jahrzehntelang hatten die Menschen friedlich ne­beneinander gelebt. Doch plötzlich fügten sie sich Verlet­zungen zu, die eine Verstän­digung unmöglich machten. Diese religiöse Unversöhnlich­keit war das Phänomen im 17. Jahrhundert. Kaiser Rudolf verhängte die Reichsacht über die Stadt und besetzte sie mit 15.000 Sol­daten.

Manche Historiker vermuten, die Ereignisse in Donau­wörth hätten den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges mit vorbereitet. Wenige Jahre danach, 1617, jährte sich zum hundertsten Mal Luthers revolutionärer Akt. Ein Ulmer Chronist vermerkte: Dieses Jubelfest ist ein Anfang des Krieges gewesen […]

Seit einiger Zeit erlebte Lucinde,

wie die hochbetagte Vorgängerin der Mutter Anna schwä­cher wurde. Zwar hatte sie immer noch ihr gütiges Lächeln für alle und antwortete auf die besorgten Nachfragen immer gleich: „Danke, ich bin zufrieden.“ Doch nun forschte Lu­cinde nach einem Mittel aus der Natur, das ihre Lebenskraft stärken sollte. Sie streifte durch den Garten, schnupperte am blühenden Rosmarin, zupfte ein paar aromatische Thy­mianblättchen und duftende Lavendelblüten, um einen Tee aufzugießen. Stundenlang grübelte Lucinde: was könnte unserer lieben alten Mutter helfen? Vielleicht würde auch ein Tee aus Weißdorn oder Herzgespann sie stärken.

Doch nach sieben Wochen war die alte Äbtissin so ge­schwächt, dass sie ihre Zelle nicht mehr verlassen konnte. Lucinde unterstützte Schwester Adelgunde gerne bei der Pflege, saß oft für Stunden an ihrem Lager und las aus ih­rem Heft vor.

Anna konnte sich in all den Jahren in ihrem Amt als Äbtissin mit jedem Anliegen an ihre Vorgängerin wenden. Auch alle Informationen, die vom Bischof kamen, besprach sie immer zuerst mit ihr, bevor sie die Mitschwestern in­formierte. Leise klopfte Anna an ihre Zelle, die Josefine nun schon seit Tagen nicht mehr verlassen hatte. Mit dem üblichen Gruß „Gelobt sei Jesus Christus!“, trat sie leise ein. „In Ewigkeit Amen!“, erwiderte ihn die alte Mutter mit matter Stimme. „Setz dich zu mir, meine Tochter“, flüsterte sie. Anna nahm sich den Hocker und rückte ihn nah ans Bett. Mutter Josefine hatte sich sehr verändert in den letzten Wochen. Sie hatte viel Gewicht verloren, ihre Wangen waren eingefallen. Klein wie ein Kind lag sie auf ihrem Lager, als ob ihr Körper mittlerweile geschrumpft sei. Den­noch ging ein Strahlen aus von ihr, ihre Augen leuchteten, dass es Anna schien es, als ob Josefine langsam ihren Kör­per abstreifen wolle, wie ein altes, abgetragenes und nun überflüssiges Gewand, um flügelleicht ihre letzte Reise antreten zu können. Offensichtlich legte sie in dieser letzten Phase vor dem Tod alle Schutzschichten ihres Körpers ab, wurde immer dünnhäutiger, transparenter, bis ihre Seele nun am Ende immer mehr durchzuscheinen begann. Wie in allen alten gereiften Menschen konnte Anna in diesem Augenblick auch in Schwester Josefine die Regungen der reinen Seele hinter der körperlichen Hülle erkennen.

„Gib gut acht auf unsere Lucinde“, sagte die alte Äbtis­sin nun mit stockender Stimme. „Sie ist zwar erst ein neunjähriges Mädchen und doch hat sie in all ihrer kindli­chen Unschuld die Weisheit einer uralten Seele. In der Unordnung, die in diesem Krieg draußen herrscht, könnte ihr Leben leicht in Gefahr geraten.“

Die Sorgen der alten Äbtissin waren berechtigt, denn in diesen Zeiten sahen die Menschen, um sich aus ihrer Ohn­macht zu befreien, überall den Teufel und die mit ihm im Bund stehenden Hexen am Werk. Der Teufel sei eine trei­bende Kraft hinter den Dingen in der Natur. Wo er im mit­telalterlichen Glauben noch unter der genauen Beobachtung Gottes gestanden hatte, schien er nun ein gefährliches akti­ves Eigenleben zu entwickeln.

Gerade während des Dreißigjährigen Krieges stieg die Zahl der Hexenverfolgungen in Deutschland deutlich an. Zwi­schen 1626 und 1630 gab es eine verheerende Verfol­gungswelle. Neuere Forschungen belegen, dass etwa 50.000 bis 80.000 Menschen, hauptsächlich Frauen, aber auch Männer und sogar Kinder dem todbringenden Aberglauben zum Opfer fielen. Die Anklage, die man gegen sie erhob, war in erster Linie der Vorwurf, sie hätten sich mit dem Teufel eingelassen und von der Kirche losgesagt. Die Be­drohung, als Hexe in die Hände einer grausamen Justiz zu fallen, war offensichtlich allgegenwärtig. Meist gab es kein Entrinnen.

Neid, Hass, Rachsucht, Angst und tiefer Aberglaube der Ankläger und des Mobs sowie die Intoleranz, Habsucht und geistige Finsternis des Klerus und der Richter, Hexenjäger und Henker bildeten den Nährboden, seinen Nächsten auf die Folterbank und den Scheiterhaufen zu bringen. Um für Ruhe in der Bevölkerung zu sorgen, hielten es die Obrig­keiten für nötig, den Beschuldigungen nachzugehen und mit einem grausamen Urteil wenigstens vorübergehend weiteren Unruhen vorzubeugen. Ziel war, den Pakt mit dem Teufel, als Ursache aller Geißel, zu gestehen. Unter der barbarischen Folter gestanden die Angeklagten fast alles. Viele mussten bei lebendigem Leibe verbrennen.

1626 hatte es nach einem kurzen Winter Eisbrocken vom Himmel gehagelt. Ungewöhnliche Wetterphänomene, wie Nordlichter über Deutschland, wurden beobachtet. Die Blüten der Obstbäume erfroren und der Weizen auf dem Acker verfaulte. Schnell hieß es, Übeltäter seien die Hexen als Wettermacher. Ihr Schadenszauber habe bereits Un­glücksfälle bei Menschen und Tieren verursacht, Krank­heiten und Tod bei ihren Nachbarn herbeigeführt, den Männern ihre „männliche Stärke“ weggezaubert und vieles mehr. Mit der Hungersnot stieg die Krisenstimmung. Eine allgemeine Hysterie brach aus und traf zumeist die Frauen.

Auch von Donauwörth sickerten entsetzliche Nachrich­ten zu ihnen durch. Dort hatten zu jedermanns Erstaunen schon im Februar Primeln, Krokusse und Veilchen geblüht und die Kinder auf den Straßen gespielt. Als dann der Ha­gel alles vernichtete und ein eiskalter Wind vom Norden her blies, konnte ein solch außergewöhnlicher Witterungs­verlauf nur durch Zauberei herbeigeführt worden sein. Rasch fiel der Verdacht auf eine wohlhabende Witwe. Ein Mann, der spät abends aus dem Wirtshaus kam, behauptete, er habe im Mondschein einen verdächtigen schwarzen Zie­genbock um das Haus der Frau herumspringen sehen. Merkwürdigerweise sei gerade ihr Acker nicht vom Hagel zerstört worden. Alles Leugnen unter der Folter half nicht, sie wurde als Hexe verbrannt.

Die Durchführung des Prozesses folgte im Allgemeinen den Regeln der vorgege­benen Gesetze und Vorschriften der Obrigkeit. Dem­entsprechend fiel auch das Urteil aus und bedeutete die Todesstrafe. Aus heutiger Sicht jedoch be­ruhte ein derarti­ges Urteil allerdings nicht auf einem kon­kreten strafwürdi­gen Verbrechen, sondern letzten Endes auf einer fiktiven - ideologisch verblendeten - theologischen Grundlage. Das bedeutet, dass sozusagen nach den Buch­staben des Geset­zes zehntausende Menschen unschuldig verurteilt und hin­gerichtet wurden.

Der alte treue Anton aus dem Dorf brachte eines Tages die Meldung ins Kloster mit, dass in ihrer Gegend in Unter­franken, vor allem in Würzburg, aber auch in Bamberg und Eichstätt in wenigen Jahren bereits hunderte Menschen unter der Anklage der Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden waren.

Die alte Äbtissin wusste, nur sehr wenige in der Bevöl­ke­rung stellen – unter Hinnahme persönlicher Gefährdung oder Diskriminierung – die Hexenlehre bzw. die Durchfüh­rung dieser Prozesse in Frage. Dazu gehört u. a. der Pfarrer Praetorius, der Theologe und Gelehrte Meyfart in Coburg und der Jesuitenpater Spee.

Der allgemeinen Bevölkerung jedoch bietet in ihrem Aberglauben die Hexenlehre eine durchaus plausible Erklä­rung für manches unerklärliche Geschehen oder für allerlei Übel in ihrem Leben. Auf diese Weise sind die Menschen, ob als aktive oder als passive Verfolgungstäter, an den Hexenverfolgungen und den Qualen und Tod erleidenden Opfern beteiligt und ziehen sie nicht in Zweifel.

Äußerst beunruhigt hatte sich die alte Äbtissin über die Hexenverfolgungen im Land informiert und wusste, es war an der Zeit, ihre Sorgen nun ihrer Nachfolgerin anzuver­trauen.

Die von Papst Gregor IX. 1230 ins Leben gerufene In­quisition (Heiliges Offizium) hatte sich wie ein Flächen­brand von Südfrankreich ausgehend über weite Teile Euro­pas ausgebreitet. In seiner Bulle hatte er erklärt, dass der Teufel den Hexen die Katzen als Hilfsgeist schenken würde und sie als Dämonen bezeichnet. Das Wort Ketzer soll an Katze angelehnt sein. Da Katzen als Inkarnation des Teu­fels angesehen wurden, standen Frauen, die eine Katze besaßen, im Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu sein. So wurden mit den Hexen auch unzählige Katzen durch Feuer oder Schwert getötet. Und wer für die Verurteilten oder die Katze Partei ergriff, hatte mit dem Tod zu rechnen.

Mit der Veröffentlichung der Hexenbulle (Summis desi­derantes affectibus) hatte Papst Innozenz VII. bereits 1484 die Regierungen in Deutschland zur Verfolgung und Aus­rottung der gefährlichen Hexensekten aufgerufen. An der Umsetzung trugen die beiden Dominikanermönche Jakob Sprenger und Heinrich Kramer mit die Hauptschuld. Sie verfassten den Hexenhammer (Malleus malleficiarum), in dem sie den geistlichen und weltlichen Richtern bis ins Detail gehende Ratschläge erteilten, wie Hexen und Hexenmeister aufgespürt und auf grausame Weise ver­nichtet werden sollten. Das Buch (erstmals 1486 in Speyer gedruckt) erreichte im 17. Jahrhundert 29 Auflagen und wurde zum Hauptwerk als Legitimation der Hexenver­fol­gung, in welchem die angeblichen Taten der Hexen und Drudner (Hexer) sowie die Vorgehensweise beim Hexen­prozess bis ins scheußlichste Detail geschildert wurden.

Das Werk erklärte das Hexentreiben hauptsächlich mit der Schlechtigkeit der weiblichen Natur: Schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet, was die Grundlage der Hexerei ist. Alles geschieht aus fleischlicher Begierde, die bei ihnen unersättlich ist. Das Werk berief sich u. a. auf den Fall der 55jährigen Anéle de la Barthe, die 1275 den all­nächtlichen Umgang mit dem Teufel gestanden habe und dafür in Toulouse lebendig verbrannt worden sei.

Sowohl in den katholischen, als auch in den protestanti­schen Ländern wurden die Hexenjäger aktiv, in den katholi­schen allerdings mit Abstand am schlimmsten.

Den von der Kirche und der weltlichen Obrigkeit ab­sichtlich auf einem niedrigen geistigen Niveau gehaltenen und durch Steuern und sonstige Abgaben ausgebluteten und verängstigten Untertanen blieb nichts anderes übrig, als sich dem durch Unterdrückung aufgebauten kirchlichen Glaubenssatz (Dogma) zu unterwerfen.

Die Peinliche Halsgerichtsordnung (Constitutio Crimi­nalis Carolina) Kaiser Karls V. von 1532 bezeichnete u. a. Zauberei, Unkeuschheit wider die Natur und Diebstahl einer Monstranz mit geweihter Hostie als Kapitalverbre­chen, ebenso wie Mord, Raub und Vergewaltigung. Dafür waren die Hoch- oder Blutgerichte zuständig. Bei Ketzerei oder Hexerei wurde als Strafe die Verbrennung bei leben­digem Leibe verhängt.

Die drei Instrumente, die Daumenschraube, die Bein­schraube und der Aufzug sollten so angewandt werden, dass kein Blut floss. Hatten die Angeklagten die Folter überstanden, ohne ein Geständnis abzulegen, sollten sie auf andere Art gestraft werden (Zunge abschneiden oder dergl.). Um ein Geständnis (Urgicht) zu erzwingen und um das Todesurteil zur Abschreckung öffentlich zu vollziehen, wurde die Folter erneut verstärkt. Sie wurden so lange ge­foltert, bis sie todeswürdige Verbrechen gestanden: den Pakt mit dem Teufel, Teufelsbuhlschaft, Gotteslästerung oder den Abfall vom Christentum. Die Verbrennung bei lebendigem Leib wurde von weltlichen und geistlichen Gerichten für alle verhängt, die Gottes Allmacht leugneten oder anzweifelten. Ganze Familien wurden als Hexen oder Hexenmeister hingerichtet. Heilerinnen waren besonders gefährdet.

Eine scharfe Trennung zwischen weltlicher und geistli­cher Rechtsprechung gab es nicht. Alle Juristen und Richter fühlten sich den kirchlichen Lehren verpflichtet und zu jedem Hexenprozess wurden Geistliche hinzugezogen. Ihre strengen Gutachten waren oft ausschlaggebend. Für das Foltern und die Hinrichtung brauchte man einen Scharf­richter, der eine besondere Vergütung erhielt. Wenn die Verwandten es bezahlen konnten, wurden die Verurteilten gnadenhalber vor dem Verbrennen auf dem Scheiterhaufen erwürgt oder geköpft.

Ein christliches Begräbnis wurde ihnen verwehrt, die Asche durfte nicht in geweihter Erde ruhen, sie wurde in alle Winde verweht und ihr Hab und Gut von der Obrigkeit eingezogen, die sich auf diese Weise ein stattliches Vermö­gen erwarb. Die Fürstbischöfe in Bamberg und Würzburg wurden steinreich. Die Gebühren für die Richter, die Schreiber, die Gutachten, die Bewachung, den Gefängnis­aufenthalt, die Verpflegung, die Folter und Hinrichtung waren beträchtlich und mussten zunächst von der Obrigkeit vorgestreckt werden. Nach dem Tod der Verurteilten wur­den sie von der Verwandtschaft zurückgefordert.

Prozesse lohnten sich finanziell auch für andere Mitwir­kende: Denunziation, Verrat und Anzeigen wurden mit Geld belohnt. Ein Verteidiger wurde selbst Wohlhabenden verwehrt. Verwandte der Angeklagten, besonders Frauen, standen ebenfalls schnell unter Hexereiverdacht und waren gefährdet, denn sie waren neben Alten und Alleinstehenden das schwächste Glied in der Reihe der Verdächtigten.

Man glaubte, die Zauberei werde der Tochter von der Mutter oder Großmutter gelehrt. Ebenso verbreiteten die Kleriker und Richter, Hexen könnten mit Hilfe des Teufels aus dem Kerker fliehen oder sich mit Hilfe der Zaubersalbe erheben und zu den gemeinsamen Treffen fliegen, daher mussten sie angekettet werden. Muttermale, nach denen an den Körpern gesucht wurde, seien Zeichen eines Teufels­bundes und Teufelsbuhlerinnen könnten bei der Folter keine Tränen vergießen.

Viele glaubten, der Teufel würde besonders gerne mit Geburtshelferinnen und Ammen einen Bund schließen, um von ihnen die ungetauften Seelen Neugeborener zu erhal­ten. Im Hexenhammer wurden Hebammen beschuldigt, sie würden für ihre Zaubersalbe das Fett toter Kinder benöti­gen, die sie auf dem Friedhof ausgraben würden. Weiter heißt es: Reuige Hexen haben gestanden, durch natürliche Mittel, z. B. durch Kräuter und andere Mittel kann ein Mensch ohne Hilfe der Dämonen bewirken, dass ein Weib nicht gebären oder empfangen kann. Hexen können die Zeugungskraft der Männer hemmen, wenn sie die Erektion des Gliedes, die zur Befruchtung nötig ist, unterdrücken, indem sie gleichsam die Samenwege versperren. […] Hexen sind imstande, die männlichen Glieder durch die Kraft der Dämonen wahr und wahrhaftig weg zu hexen.

Auch Luther äußerte mehrfach, die Hexen könnten ei­nen Mann impotent machen und es wurde verbreitet, sie würden die Penisse der Männer in ihren Nestern sammeln.

Öffentliche Hinrichtungen waren blutiger Alltag. Die Rechtsordnung wurde als von Gott gegebene Ordnung niemals angezweifelt. Gerichtet wurde im Namen Gottes und im Namen der Gemeinschaft. Das öffentliche Töten sollte abschrecken. Es wurde ein bewusst inszeniertes blu­tiges Spektakel, das viele Schaulustige anzog. Dem Volk brachte dies eine gewisse Befriedigung, denn man wollte erleben, wie die Verurteilten ins Jenseits gingen. Ansonsten vermied man diesen Platz aus Angst, die Hingerichteten könnten wiederkommen.

Einige Henker arbeiteten im Nebenberuf als Heiler, weil man meinte, dass sie durch das Enthaupten und die Folter sich mit dem Körper auskennen müssten. Oft waren sie auch Abdecker. Scharfrichter galten in der Gesellschaft als Au­ßenseiter und mussten meist außerhalb der Stadt woh­nen. Manche junge Frau bekam als Gnadenakt die Ehe mit dem Scharfrichter versprochen.

Was von den Hingerichteten übrig blieb wurde oft als Wundermittel verwendet. Der Urin bei Sterbenden oder das Blut bei der Enthauptung sollte als Mittel gegen Epilepsie helfen. Ein Finger galt als Glücksbringer.

Unsere alte Mutter schläft nun.“

Anna wollte Lucinde beruhigen. „Ruh du dich jetzt auch ein wenig aus“, rief sie ihr zu und eilte an ihr vorbei in die Kapelle. Lucinde darf mir nicht anmerken, wie es in mir aussieht. Sie darf nichts von all den Gräueltaten draußen erfahren. Erschüttert fiel Anna vor dem Altar auf die Knie. In ihrem Kopf war ein Brausen, ihre verzweifelte Stimme klang fremd an ihr Ohr: „Lieber Gott, wie kannst du das alles zulassen? Die Menschen verlieren in diesem barbarischen Krieg ihren Glauben. Sie fühlen sich von dir verlassen!“ Anna flehte und betete mit einer solchen Inbrunst, dass sie nicht sah, wie die Nacht hereinbrach und es dunkel wurde um sie herum.

Es war nicht ungewöhnlich, dass die Äbtissin lange im Gebet verweilte, aber heute wurde Lucinde unruhig, weil sie nicht einmal zum Abendessen erschienen war. In der Kapelle fand sie die Mutter. Lucinde erschrak. Wie leblos lag sie auf den Altarstufen. Das ewige Licht legte seinen milden roten Schein wie eine schützende Decke über ihren Körper. Liebevoll half Lu­cinde ihr auf und führte sie in ihre Zelle. Ihren Zusammen­bruch erklärte die Äbtissin als eine Schwäche des Kreis­laufs.

Mutter Josefine schüttelte nur müde ihren Kopf, als Lu­cinde ihr am nächsten Morgen einen dünnen Haferbrei, den sie mit etwas Honig gesüßt hatte, aus der Küche brachte. Nur etwas Wasser oder einen leichten Schafgarbentee nahm sie noch zu sich. „Vergelte es dir Gott“, flüsterte die alte Frau mit matter Stimme. „Was kann ich noch für dich tun, liebe Mutter?“, fragte Lucinde besorgt. Nur noch mit großer Mühe konnte Schwester Josefine ihre Augen öffnen, doch dann lag eine so mütterliche Liebe in ihrem Blick, dass sich Lucindes Brust für einen Augenblick schmerzhaft zusam­men­zog:

„Mein liebes Kind, für jede von euch war ich viele Jahre die Mutter. Eine Mutter verlässt ihre Kinder erst in der Todesstunde und selbst dann noch mit schwerem Herzen.“ Lucinde suchte ihre Hand und drückte sie zärtlich. „Doch nun ist meine Zeit gekommen, von dieser Welt zu gehen. Du bist noch so jung, hast noch dein ganzes Leben vor dir. Aber wenn man alt wird, so wie ich, fängt irgendwann das Ende an, auf der Lauer zu liegen. Es sitzt einfach in den Gedanken.“ Schwester Josefine versuchte zu lächeln:

„Vor dem Tod hab ich keine Angst. Es ist nur die Un­gewissheit, dass man nicht sicher sein kann, wie er sich an einen heranmacht. Das ist es, was mich seit einiger Zeit mit dieser bedrückenden Vorahnung erfüllt.“ Liebevoll erwi­derte sie Lucindes Händedruck und flüsterte: „Hab auch du keine Angst vor dem Tod, mein liebes Mädchen, er ist nicht das Ende. Nichts geht wirklich verloren. Und sei nicht trau­rig. Ich gehe nur zurück in die ewige Heimat, woher wir alle kommen. Wir Menschen sind alle nur Gäste auf dieser Erde. Wir sind das Leben und der Tod, es ist unsere Natur. Mit unserer Geburt ist unser Tod, das Vergehen und Wie­derauferstehen bereits eingeschlossen. Wenn ihr mein Werk weiterführt und euch um die Menschen kümmert, die ins Kloster kommen, weil sie eure Hilfe brauchen, bin ich bei euch.“

„Denk‘ auch daran, meine Tauben regelmäßig zu füt­tern“, fügte sie nach einer langen Pause leise hinzu. „Und nun bete mit mir:“ „Vater unser, der du bist im Him­mel …“, begann Lucinde mit bebender Stimme, während die Lippen der alten Mutter sich bewegten, aber ihre Stimme kaum noch zu hören war. Ihr Atem ging schwer, immer wieder musste sie aussetzen. Lucinde konnte es nicht ver­hindern, dass ihre Tränen auf die ausgemergelten Hände der Sterbenden tropften.

Schon am Morgen hatte sie nach Pater Bernhard ver­langt. Im Beisein aller gab er ihr die letzte Ölung. Nun stan­den die Äbtissin, Schwester Adelgunde und Lucinde um ihr Bett. Die Türe stand weit offen. Draußen hatte sich der restliche Konvent mit ihnen im Gebet versammelt. In dem von unzähligen Falten überzogenen gütigen Gesicht der alten Mutter lag ein tiefer Friede.

Mit einem langen Ausatmen, der wie ein erleichtertes Seufzen klang, verließ die alte Schwester ihren erschöpften Körper und schloss die Augen zum ewigen Schlaf. Im nächsten Augenblick sah Lucinde, wie die von Schmerzen gezeichneten Gesichtszüge von einem sanften Lächeln erlöst wurden und ein Strahlen von der Toten ausging, das ihr und den umstehenden Mitschwestern Trost und Frieden schenkte.

Nachdenklich stand Lucinde vom Lager auf und öffnete das kleine Fenster. Draußen saßen schon die ganze Zeit zwei ihrer weißen Tauben, als wollten auch sie Abschied nehmen von der Frau, die all die Jahre fürsorglich für sie da war. Jetzt drehten sie die Köpfe zur Verstorbenen, als nickten sie ihr zu, hielten einen Augenblick inne, dann breiteten sie ihre Flügel aus und flogen unter dem blauen Himmel davon.

Gemeinsam bahrten die Schwestern die Tote in der Ka­pelle auf und zündeten drei geweihte Kerzen an. Schwester Adelgunde läutete das Totenglöcklein. Lucinde eilte in den Garten, pflückte einen Strauß weißer Margeriten und ord­nete sie wie einen Kranz um den Kopf der Verstorbenen. Sie bestimmten die Reihenfolge der Totenwache und res­pektierten Lucindes Bitte, die erste sein zu dürfen.

Am dritten Tag hüllten sie den Leichnam in ein weißes Leinentuch und betteten mit Pater Bernhard ihre Mit­schwester im kleinen Friedhof an der Klostermauer zu den anderen verstorbenen Mitschwestern in die blühende Erde. Lucinde schaute nach oben in das Geäst des alten Birn­baums, wo die Vögel über dem Grab ihre schönsten Lieder sangen. Und während auch Mutter Anna nach oben schaute, sagte sie leise: „Die Seele unserer lieben alten Mutter ist jetzt bei unserem himmlischen Vater!“

„Was ist denn die Seele?“, wollte Lucinde wissen und schaute die Mutter forschend an. „Es ist der Teil in uns, der unsterblich ist. Das, was wir schon waren, bevor wir auf diese Erde gekommen sind und das, was wir weiterhin sind, wenn wir wieder von hier gehen. Du kannst dir das so vor­stellen, dass die Seele, weil sie mit unseren Augen nicht sichtbar ist, sich ein Kleid aussucht, das ist unser Körper. Und dieses Kleid hält nicht ewig. Irgendwann ist es ver­braucht, dann legt die Seele es wieder ab, so wie unsere alte Mutter das getan hat.“ Lucinde schaute ehrfürchtig zu Anna auf. Sie war überzeugt: Meine Mutter weiß alles.

„Ich will für unsere liebe alte Mutter wieder ein Lied spielen“, rief Lucinde am nächsten Morgen nach dem Frühstück und eilte hinaus, setzte sich an das Grab der alten Äbtissin und blies auf ihrem Kamm, wie Schwester Adel­gunde es ihr vor ein paar Tagen gezeigt hatte: „Schlaf Kindlein, schlaf …“.

Dass die Schweden in den Krieg eingreifen würden,

hatte sich für den Schuhmacher Heberle schon angekündigt: In folgender Nacht hat Gott ein großes Wunder an den Himmel gestellt. Und es ist geschehen den protestantischen Bürgern zum besonderen Trost. Denn man sieht am Him­mel ein großes Kriegsheer ziehen und vorher ein gewaltiger Reiter mit einem bloßen glänzenden Schwert, welcher sein Kriegsvolk führt.

Mit Schweden kam eine neue Macht ins Spiel und so zog, als der Krieg fast schon zu Ende schien, neues Unheil in Deutschland ein. Viele der Hansestädte, die sich gegen Wallenstein erfolgreich behauptet hatten, empfingen Gus­tav Adolf mit Freuden. 1630 landete er am Strand von Use­dom. Niemals zuvor hatte Deutsch­land ein Heer gesehen wie das schwedische.

Der Schwedenkönig hatte sich auch vom dänischen Kö­nig nicht abhalten lassen, der ihm die berechtigte Frage stellte: „Was haben eure Majestät in Deutschland zu schaf­fen?“ Vor Erregung zitternd antwortete Gustav Adolf: „Eure Majestät können sicher sein, dass, wer immer gegen uns sein wird, Kaiser oder König, Fürst, Republik oder sogar tausend Teufel, von uns so beim Schopf genommen wer­den, dass die Haare nur so fliegen.“

Dicht an der Seite des Schwedenkönigs ritt der junge Trompeter Magnus, sein Vetter, der ihm treu ergeben war. Es war eine große Ehre für ihn, sich seinem König an­schließen zu dürfen. Dafür ließ er ohne Bedauern seine Verlobte Birgit zurück, die ihm versprach, auf ihn zu war­ten. Sein Vater war früh gestorben, die Mutter ließ ihren einzigen Sohn ungern ziehen. Magnus ging beruhigt, seine Schwester Agneta würde an der Seite der Mutter bleiben. „Was wird nun aus deinem Studium?“, fragte die Mutter beim Abschied. Doch das zählte für Magnus nicht mehr. Jetzt ging es um Wichtigeres: Die Unterstützung der Pro­testanten in Deutschland, so hatte sein Onkel, der König, es ihm und seinen treuen Soldaten erklärt, sei ihre heilige Pflicht.

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